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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.06.2008
Aktenzeichen: III-3 Ws 208/08
Rechtsgebiete: StPO, StGB, ZPO
Vorschriften:
StPO § 111b Abs. 2 | |
StPO § 111b Abs. 3 Satz 3 | |
StPO § 111d | |
StPO § 111d Abs. 2 | |
StPO § 310 Abs. 1 Nr. 3 | |
StPO § 473 Abs. 1 Satz 1 | |
StGB § 73 | |
StGB § 73 Abs. 1 Satz 2 | |
StGB § 73 Abs. 3 | |
StGB § 73a | |
ZPO § 917 |
Tenor:
Die weitere Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Düsseldorf hat mit Beschluss vom 23. März 2007 den dinglichen Arrest in Höhe von 621.731,- € in das Gesellschaftsvermögen der Schuldnerin angeordnet. Das Landgericht Düsseldorf hat ihre hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der sie die Aufhebung der Arrestanordnung erstrebt hat, mit Beschluss vom 5. Dezember 2007 als unbegründet verworfen. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Schuldnerin mit ihrer weiteren Beschwerde.
II.
Die gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO zulässige weitere Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Ein dinglicher Arrest nach § 111d StPO kann angeordnet werden, wenn gemäß § 111b Abs. 2 StPO Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz gemäß §§ 73, 73a StGB gegeben sind. Dabei ist zu beachten, dass gemäß § 111b Abs. 3 Satz 3 StPO die Maßnahme ohne Vorliegen dringender Gründe nicht über zwölf Monate hinaus aufrechterhalten werden darf, d. h. wenn, wie hier, seit der Anordnung des dinglichen Arrestes am 23. März 2007 mehr als zwölf Monate vergangen sind, muss mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Straftat begangen worden sein (1.a)), es müssen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen des Verfalls vorliegen bzw. nur wegen der Sperre des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB nicht vorliegen (1.b)) und es muss - unter Berücksichtigung der Ermessensregelungen und unter Beachtung der Härteklauseln - mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anordnung dieser Maßnahme im Hauptverfahren zu erwarten sein (1.c)) (vgl. dazu OLG Celle, Beschluss vom 11. Februar 2008, Aktenzeichen: 1 Ws 50/08).
Weiter setzt die Anordnung des dinglichen Arrests voraus, dass gemäß § 111d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 ZPO zu besorgen ist, dass ohne die Verhängung des dinglichen Arrests die Vollstreckung dieses Wertersatzverfalls vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde (2.).
Schließlich muss betreffend die Anordnung des dinglichen Arrests darüber hinaus das durch § 111b Abs. 2 StPO eröffnete Ermessen fehlerfrei, insbesondere unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit, ausgeübt worden sein (3.).
1.)
a)
Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis ist vorliegend der Beschuldigte als faktischer Geschäftsführer und damit steuerrechtlich Verantwortlicher der Schuldnerin der Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuerhinterziehung zu deren Gunsten zumindest für die Jahre 2004 und 2005 dringend verdächtig.
aa)
Die Stellung des Beschuldigten als faktischer Geschäftsführer ergibt sich nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis insbesondere daraus, dass die Steuerfahndung bei ihm umfangreiche Unterlagen gefunden hat, welche die Schuldnerin betreffen, vor allem Kassenberichte und -bücher, Buchführungsunterlagen und sonstigen, auf die Schuldnerin und auf die Besteuerung der in ihren Räumlichkeiten tätigen Prostituierten bezogenen Schriftverkehr. Geschäftsunterlagen die Schuldnerin betreffend sind hingegen bei ihrer eingetragenen Geschäftsführerin, der gesondert Verfolgten Marina S, nicht gefunden worden. Zudem ist der Beschuldigte Inhaber des Telefonanschlusses und der Domain betreffend den Internetauftritt der Schuldnerin.
bb)
Soweit die Schuldnerin meint, sie sei für die von den in ihren Räumen tätigen Prostituierten erzielten Einnahmen nicht umsatzsteuerpflichtig, ist dies nicht zutreffend.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die gesamten Umsätze in einem Saunaclub demjenigen zuzurechen sind, der nach außen als Erbringer sämtlicher in einem derartigen Club erwarteten Dienstleistungen auftritt (BFH, Beschluss vom 29. Januar 2008, Aktenzeichen: V B 201/06, BFH/NV 2008 827-829 m.w.N.). Das ist vorliegend die Schuldnerin. Sie hat sich nicht nur auf die gewerbsmäßige Überlassung von Zimmern an die Prostituierten zu deren Geschäftsausübung beschränkt, sondern vielmehr die Gewährung von Gelegenheiten zur Prostitutionsausübung im Rahmen einer von ihr geschaffenen Organisationsstruktur beabsichtigt und verwirklicht, wobei die einzelnen Prostituierten austauschbar erschienen und nach außen nicht aufgetreten sind. Für das maßgebliche Auftreten nach außen kommt es weder darauf an, ob die Prostituierten lohnsteuerrechtlich als Arbeitnehmerinnen oder als selbständig tätige Subunternehmerinnen einzuordnen sind (nicht anderes gilt im Übrigen für den Fall, dass die in den Räumen der Schuldnerin tätigen Prostituierten sogenannte freie Mitarbeiterinnen gewesen sein sollten), noch spielt die Art und Weise der Zahlung eine Rolle (vgl. BFH a.a.O.). Die einzelne Prostituierte kann angesichts der Unternehmensstruktur jedenfalls nicht als selbständige Leistungserbringerin angesehen werden.
Auch der Umstand, dass die Schuldnerin auf ihrer Homepage sowie durch Aushänge in ihren Räumlichkeiten darauf hinweist, dass die weiblichen Gäste ebenso selbständige Unternehmer wie die jeweiligen Masseure seien, ihre Leistungen völlig eigenständig und auf eigene Rechnung anböten, die Zahlung der von den anwesenden Frauen in Anspruch genommenen Leistungen ausschließlich "an die jeweilige Dame ihrer Wahl" erfolge und mit dem Eintritt keine Leistungen der weiblichen Gäste bezahlt würden, ändert daran nichts. Angesichts der oben bereits dargestellten Organisationsstruktur, die neben einigen Überwachungskameras auch die Anwesenheit sogenannter Türsteher zur Regelung des Zugangs zu den Räumlichkeiten der Schuldnerin, die Organisation eines reibungslosen Ablaufs der Zimmervergabe einschließlich Erfassung der jeweiligen zeitlichen Inanspruchnahme des Zimmers mittels eines Hausmeisters und einer Thekenfrau sowie die Werbung der Schuldnerin (nicht etwa der einzelnen Prostituierten) mit Prostitutionsleistungen in ihrem Club beinhaltet, kommt diesen Hinweisen keine entscheidende Bedeutung zu. Sie sind weder geeignet noch in der Lage, an dem Umstand, dass wegen der beschriebenen tatsächlichen Gegebenheiten die Schuldnerin nach außen als Erbringerin sämtlicher in ihren Räumlichkeiten angebotenen Leistungen mit der Folge ihrer entsprechenden Umsatzsteuerpflicht auftritt, etwas zu ändern. Für die entscheidende Frage dieses Auftretens nach außen kommt es maßgeblich auf die Wahrnehmung des Kunden an. Für diesen stellt sich das Angebot der Schuldnerin angesichts der beschriebenen Gegebenheiten gleichsam als "Gesamtpaket" dar, das ihm Gelegenheit bietet, in einem angenehmen, sicheren und gut organisierten Ambiente sexuelle Dienstleistungen gegen Entgelt in Anspruch zu nehmen. Angesichts dessen vermögen die von der Schuldnerin in ihren Räumen ausgehängten Hinweise betreffend die "Selbständigkeit" der "anwesenden Damen", sofern ein Kunde diese überhaupt zur Kenntnis nehmen sollte, diese Außenwirkung der Schuldnerin nicht zu beeinflussen. Sie stellen sich für den unbefangenen Betrachter vielmehr als bloßen Versuch dar, sich durch einen lediglich formalen Akt in eine steuerlich günstigere Position zu versetzen.
Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Schuldnerin in nicht unerheblichem Umfang Aufwendungen der Prostituierten übernimmt und gewinnmindernd verbucht, nämlich: kostenlose Hotelunterbringung, kostenloser Taxi-/Shuttleservice, teilweise Übernahme der Reisekosten wie Taxi, Benzin oder Fahrkarte.
Soweit also das Finanzamt den Umsätzen der Schuldnerin diejenigen Kundenzahlungen hinzugerechnet hat, die auf die Prostituierten entfallen und von diesen direkt eingenommen worden sind, ist dies aus vorstehenden Gründen nicht zu beanstanden. Gleiches gilt im Hinblick auf die nicht versteuerten Eintrittsgelder Prostituierten.
cc)
Auch in subjektiver Hinsicht hat der Senat keinen Zweifel am Vorliegen des dringenden Tatverdachts, zumal sich der Beschuldigte ausweislich bei ihm vorgefundener Unterlagen ausgiebig mit der Frage der Besteuerung befasst hat, so dass zumindest davon auszugehen ist, dass er billigend in Kauf genommen hat, Steuern zu hinterziehen.
dd)
Soweit die Schuldnerin hinsichtlich der Höhe des arrestierten Betrages sowie hinsichtlich des maßgeblichen Zeitraums insbesondere rügt, das Finanzamt habe für die Berechnung der Umsatzsteuer das gesamte Jahr 2004 zu Grunde gelegt, trifft dies nicht zu, wie sich aus Fußnote 25, Seite 4, und Fußnote 32, Seite 5, des Vermerks des Finanzamts vom 7. Februar 2007 (Anlage 3) ergibt.
b)
Es liegen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen des Verfalls von Wertersatz im Sinne der §§ 73 Abs. 3, Abs. 1 Satz 2, 73a StGB vor. Da es in vorliegendem Verfahren um den in das Vermögen der Golden Time GmbH angeordneten Arrest und nicht um die in den Parallelverfahren angeordneten Arreste in die Vermögen des Beschuldigten (AG Düsseldorf 152 Gs 681/07, LG Düsseldorf 14 Qs 85/07) bzw. der gesondert Verfolgten Marina S (AG Düsseldorf 151 Gs 735/07, LG Düsseldorf 14 Qs 42/08) geht, kommt es hier auch nicht darauf an, ob der Beschuldigte bzw. die gesondert Verfolgte Marina S aus den nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis zu Gunsten der hiesigen Schuldnerin, der Golden Time GmbH, begangenen Steuerhinterziehungen etwas erlangt haben. Vielmehr ist allein maßgeblich, dass die Schuldnerin etwas erlangt hat, was nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis zu bejahen ist.
c)
Zudem ist auch unter Berücksichtigung der Ermessensregelungen und unter Beachtung der Härteklauseln, insbesondere auch in Ansehung der Eigentumsrechte der Schuldnerin, mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anordnung dieser Maßnahme im Hauptverfahren zu erwarten.
2.)
Des Weiteren liegt auch ein Arrestgrund im Sinne des § 111d Abs. 2 StPO i.V.m. § 917 ZPO vor, d. h. es ist zu besorgen, dass ohne die Verhängung des dinglichen Arrests die Vollstreckung des Wertersatzverfalls vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Dabei kommt hier maßgeblich dem Umstand Bedeutung zu, dass nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis die gesamte Organisationsstruktur der Schuldnerin auf Verschleierung ihrer Vermögensverhältnisse angelegt ist, was insbesondere auch dadurch deutlich wird, dass der Beschuldigte eine sogenannte Strohfrau, nämlich die gesondert Verfolgte Marina S, als Geschäftsführerin der Schuldnerin eingesetzt hat. Dass tatsächlich der Beschuldigte die Geschäfte der Schuldnerin führt, ist bereits oben unter 1.) a) aa) ausgeführt.
3.)
Schließlich ist betreffend die Anordnung des dinglichen Arrests das durch § 111b Abs. 2 StPO eröffnete Ermessen fehlerfrei, insbesondere unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit, ausgeübt worden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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