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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.06.2004
Aktenzeichen: III-3 Ws 248/04
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 | |
StPO § 454 Abs. 2 S. 3 | |
StPO § 454 Abs. 2 S. 4 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.,
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
hat der 3. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht B., die Richterin am Oberlandesgericht Dr. R. und die Richterin am Landgericht E. am 9. Juni 2004 auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Wuppertal vom 4. Mai 2004 - 2 StVK 17/04 - nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe:
Der Verurteilte verbüßt derzeit eine durch Urteil des Amtsgerichts -Jugendschöffengericht V - Wuppertal vom 10. Januar 2003 verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vierzehn Fällen. Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer eine Reststrafaussetzung zur Bewährung nach erfolgter Vollstreckung von zwei Dritteln der Strafe abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Verurteilten ist unbegründet, da eine vorzeitige Entlassung unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nicht verantwortet werden kann (§ 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB).
Zwar hat die Justizvollzugsanstalt W. zur Prognosefrage grundsätzlich positiv Stellung bezogen, weil sich der Verurteilte als Erstverbüßer im Strafvollzug beanstandungsfrei verhalten, insbesondere regelmäßige Einzelgespräche mit einer Mitarbeiterin des Psychologischen Dienstes geführt und Beurlaubungen zu seiner Lebensgefährtin ohne Beanstandung abgewickelt hat. Aus den im Prognosegutachten des psychologischen Sachverständigen H. dargelegten Explorationsergebnissen hat die Strafvollstreckungskammer indes zu Recht den Schluss gezogen, dass bei dem Verurteilten ein Rückfall in einschlägig deliktsbegünstigende Verhaltensmuster langfristig nicht auszuschließen ist, weil er einer nachhaltigen therapeutischen Aufarbeitung seiner neurotischen Beschwerden und des - seinerzeit durch Alkoholkonsum begünstigten - Tatgeschehens bislang noch mit Abwehr begegnet. Die im Gutachten festgestellten Verdrängungstendenzen des Verurteilten hinsichtlich der eigenen Täterrolle kommen nicht zuletzt auch in seinen Eingaben an das Gericht zum Ausdruck, in denen er sich selbst in Bezug auf das Tatgeschehen als "unschuldig hineingeschlittertes Opfer" bezeichnet. Dass allein den äußeren Lebensumständen des Verurteilten - insbesondere der nicht in jeder Hinsicht unproblematischen Beziehung zu seiner Lebensgefährtin - dauerhaft stabilisierende Wirkung zukommt, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zu bezweifeln. Angesichts dieser Umstände lässt sich derzeit eine positive Sozialprognose nicht stellen. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der großen Bedeutung des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts in Fällen der hier vorliegenden Art (vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss vom 12. September 2001 - 3 Ws 403/01 - m.w.N.).
Einer mündlichen Erörterung des Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht, nachdem der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet haben (§ 454 Abs. 2 Satz 4 StPO) und ihnen Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt worden ist. Von einer schriftlichen Anhörung der Justizvollzugsanstalt W. zum Prognosegutachten hat der Senat abgesehen, da sie nach der ausführlich dokumentierten zweitägigen Exploration des Verurteilten, in deren Verlauf auch seine Gespräche mit dem anstaltsinternen psychologischen Dienst thematisiert wurden, keine weitere Aufklärung des prognoserelevanten Sachverhalts erwarten lässt. Der Wortlaut des § 454 Abs. 2 Satz 3 und 4 StPO sieht beim Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen nach erfolgter Einholung eines Prognosegutachtens eine Beteiligung der Haftanstalt am weiteren schriftlichen Verfahren nicht ausdrücklich vor. Auch der Sinn und Zweck des § 454 Abs. 2 StPO macht eine derartige Beteiligung jedenfalls bei der hier gegebenen Sachverhaltskonstellation nicht erforderlich. Das für die Entscheidung zuständige Gericht ist schon nach allgemeinen Grundsätzen zur vollständigen Aufklärung des prognoserelevanten Sachverhalts verpflichtet und hat hierbei in jedem Fall die in § 454 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO vorgesehenen Anhörungen durchzuführen, insbesondere eine Stellungnahme der Haftanstalt zur Prognosefrage als solcher einzuholen. Das in § 454 Abs. 2 für bestimmte Deliktsbereiche zusätzlich vorgesehene Begutachtungsverfahren soll dem Gericht im Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit lediglich eine noch breitere Entscheidungsbasis verschaffen, sofern es eine Aussetzung der Reststrafe in Erwägung zieht (LR-Graalmann-Scheerer, StPO, 25. Auflage, Nachtr. zu § 454 Rn. 4 m.w.N.). Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass die Exploration des Verurteilten durch einen Sachverständigen die in der Regel zuverlässigste Erkenntnisgrundlage für eine Prognosebeurteilung darstellt (BT-Drucks. 13/9062 S. 14; LR-Graalmann-Scheerer, aaO, Nachtr. zu § 454 Rn. 1).
Rechtfertigt das eingeholte Sachverständigengutachten indes schon keine positive Sozialprognose, so besteht bei einem Verzicht auf dessen mündliche Erörterung (§ 454 Abs. 2 Satz 4 StPO) kein Anlass mehr, die Haftanstalt zu den Explorationsergebnissen schriftlich anzuhören, sofern diese Maßnahme keine weitere Aufklärung des Sachverhalts zu Gunsten des Verurteilten verspricht. Letzteres ist hier der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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