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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.02.2007
Aktenzeichen: III-5 Ss 201/06 - 87/06 I
Rechtsgebiete: StPO, StrEG


Vorschriften:

StPO § 153 Abs. 2
StPO § 261
StPO § 300
StPO § 310 Abs. 2
StPO § 354 Abs. 2 Satz 1
StPO § 464 Abs. 3 Satz 1
StPO § 467 Abs. 4
StrEG § 5 Abs. 2
StrEG § 5 Abs. 2 Satz 1
StrEG § 8 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Aufrechterhaltung der Entscheidung über die Versagung der Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen wird auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. September 2006 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht - Strafrichterin - Düsseldorf hat den Angeklagten am 4. Januar 2006 unter Freisprechung im Übrigen wegen Teilnahme am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (§ 24a Abs. 1 StVG) zu einer Geldbuße von 250,00 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet (§ 25 Abs. 1 StVG). Hiergegen legte der Angeklagte "Rechtsbeschwerde" ein, die nach dem Beschluss des Senats vom 8. Mai 2006 gemäß § 300 StPO als Berufung zu behandeln war. Diese Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. September 2006 verworfen.

Trotz Freispruchs in der verbundenen Sache (früher 30 Js 4710/05) gewährte das Amtsgericht - Strafrichterin - Düsseldorf in dem Urteil vom 4. Januar 2006 gemäß § 5 Abs. 2 StrEG keine Entschädigung für die am 4. Juni 2005 angeordnete und vollzogene und am 4. Januar 2006 aufgehobene Beschlagnahme des Führerscheins. Gegen diese Entscheidung wendete sich der Angeklagte mit der zugleich mit der als Berufung zu behandelnden "Rechtsbeschwerde" eingelegten sofortigen Beschwerde. Auch letztere wurde im Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. September 2006 verworfen.

Gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 6. September 2006 wendet sich der Angeklagte mit dem Rechtsmittel der Revision. Mit ihr rügt er die Verletzung sachlichen Rechts.

1. Die statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 341 Abs. 1, 344 und 345 StPO) Revision des Angeklagten hat Erfolg.

Die Feststellungen des angegriffenen Urteils bilden keine tragfähige Grundlage zur Nachprüfung der Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht.

Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehensablauf zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Danach ist des Tatrichters freie Beweiswürdigung vom Revisionsgericht zwar in der Regel hinzunehmen, jedoch hat er das Urteil stets so zu fassen, dass eine auf Rechtsfehler beschränkte Richtigkeitskontrolle überhaupt möglich ist (BGHSt 41, 376 [380]). Hiernach sind Erwägungen zur Beweiswürdigung (nur) dann angreifbar, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar sind oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. [2006], § 337 Rn. 27 mit Nachweisen der Rechtsprechung). Mit Blick auf die revisionsgerichtliche Richtigkeitskontrolle müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesgemäß einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und dass die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen Verdacht zu begründen vermag (BGH wistra 2003, 299).

Die Verurteilung ist hier allein darauf gestützt, dass die Zeuginnen ........ und Manja ......... den Angeklagten am Tattag in seiner Wohnung bei einer von der Polizei veranlassten Einzelgegenüberstellung als Fahrer des Personenkraftwagens (......... .......) bzw. als denjenigen wieder erkannt haben, welcher auf der Fahrerseite des Personenkraftwagens ausgestiegen ist und auf den Grünstreifen uriniert hat (.............).

Diese Identifizierung durch die Zeuginnen vermag nicht schon für sich genommen die tatgerichtliche Überzeugung im Sinne des § 261 StPO zu begründen.

Zwar ist der Tatrichter nicht von vornherein gehindert, seine Gewissheit auf eine Einzelgegenüberstellung zu stützen (Meyer-Goßner, StPO, 49. Aufl. [2006], § 58 Rn. 12), jedoch muss das Urteil erkennen lassen, dass er alle Umstände in Bezug auf das Wiedererkennen, welche die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen geeignet sind, gesehen und in seine Beweiswürdigung einbezogen hat (BVerfG NJW 2003, 1444 [1445]). Diesem Erfordernis wird das Urteil nicht gerecht.

Zur Identifizierung eines Tatverdächtigen durch einen Zeugen ist grundsätzlich eine Wahlgegenüberstellung oder eine Wahllichtbildvorlage durchzuführen (Meyer-Goßner, a.a.O., § 58 Rn. 12). Einer Einzelgegenüberstellung oder Einzellichtbildvorlage kommt danach in der Regel ein geringerer Beweiswert zu als einer ordnungsgemäßen Wahlgegenüberstellung oder Wahllichtbildvorlage (BGH NStZ 1982, 342; Meyer-Goßner, a.a.O., § 58 Rn. 12). Insbesondere dann, wenn ein Zeuge - wie vorliegend - einen ihm vorher unbekannten Täter anlässlich der Tat nur kurze Zeit beobachten konnte, darf sich der Tatrichter demnach nicht ohne weiteres auf die subjektive Gewissheit des Zeugen beim Wiedererkennen im Rahmen einer Einzelgegenüberstellung verlassen, sondern muss anhand objektiver Kriterien nachprüfen, welche Beweisqualität dieses Wiedererkennen hat (OLG Köln StV 1994, 67). Hierzu hätte das Tatgericht weitere Feststellungen treffen müssen. Darüber hinaus war in den Urteilsgründen zu erörtern, anhand welcher Merkmale die Zeuginnen den Angeklagten wieder erkannt haben (vgl. BGH NStZ 1982, 342). Im Übrigen lassen die Urteilsgründe nicht einmal erkennen, dass sich das Tatgericht des eingeschränkten Beweiswertes auch nur bewusst war (Meyer-Goßner, a.a.O., § 58 Rn. 15).

Schließlich ist die Beweiswürdigung auch deshalb lückenhaft, weil das Urteil keine Ausführungen dazu enthält, ob die Zeuginnen den Angeklagten auch in der Hauptverhandlung wieder erkannt haben. Auch einem wiederholten Wiedererkennen in der Hauptverhandlung kommt zwar nur ein eingeschränkter Beweiswert zu (BGHSt 16, 204 [205 ff.]; Meyer-Goßner, a.a.O., § 58 Rn. 13). Immerhin vermöchte aber einerseits einem wiederholten Wiedererkennen neben dem ersten Wiedererkennen eine gewisse Beweiskraft zukommen und wäre andererseits ein etwaiges Nichtwiedererkennen des Angeklagten jedenfalls dann ein Umstand, der gegen die Zuverlässigkeit der früheren Identifizierung durch die Zeugin sprechen könnte, wenn er sein äußeres Erscheinungsbild inzwischen nicht erheblich verändert hat.

Der aufgezeigte Begründungsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Da die Voraussetzungen für eine eigene Sachentscheidung des Revisionsgerichts nicht gegeben sind, ist die Sache nach § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

2. Ergänzend stellt der Senat klar, dass die Entscheidung des Landgerichts, auch das Rechtsmittel gegen die Versagung der Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen zu verwerfen, nicht mehr Gegenstand des (Rechtsmittel-) Verfahrens ist.

Dies folgt nicht bereits daraus, dass der Angeklagte gegen das Urteil "Revision" eingelegt hat, statthafter Rechtsbehelf gegen die aufgrund § 5 Abs. 2 Satz 1 StrEG ergangene Entscheidung aber nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 StrEG die "sofortige Beschwerde" ist. Da die unzutreffende Bezeichnung des Rechtsmittels nach § 300 StPO unschädlich ist, ist es nämlich nicht von vornherein ausgeschlossen, dass mit der Einlegung eines als "Revision" bezeichneten Rechtsmittels nicht nur die Hauptsache, sondern mit ihr auch eine andere Entscheidung des Gerichts angegriffen wird.

Der von § 300 StPO zum Ausdruck gebrachte, Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtete allgemeine Rechtsgedanke, einen substantiellen Anspruch auf eine möglichst wirksame und umfängliche gerichtliche Kontrolle zur Verfügung zu stellen, kann aber nur dann und insoweit zum Tragen kommen, wenn bzw. wie sich der Zweck des Rechtsmittelbegehrens eindeutig aus den Umständen ergibt (vgl. Meyer/Goßner, a.a.O., § 300 Rn. 2). Hinsichtlich einer - neben dem in der Hauptsache statthaften Rechtsmittel einzulegenden - sofortigen Beschwerde ist dieser Zweck dann unschwer zu ermitteln, wenn zwar nur Revision eingelegt wird, die begehrte Aufhebung des Urteils aber zwingend auch die Nebenentscheidung (etwa über die Kosten- und Auslagentragung) betrifft. Hier umfasst das Rechtsmittelbegehren dann stets die - nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO an sich ebenfalls mit der sofortigen Beschwerde anzugreifende - Nebenentscheidung, wenn die Änderung der Sachentscheidung notwendigerweise auch zu ihrer Änderung führt, weil mit der Hauptsacheentscheidung die Voraussetzungen für die Nebenentscheidung entfallen.

Dieser Grundsatz der unlösbaren Verknüpfung der Sach- mit der Nebenentscheidung ist vorliegend nicht berührt. Die Hauptsache des angefochtenen Urteils und die Feststellung des Ausschlusses der Entschädigung nach § 5 Abs. 2 StrEG sind nämlich - im Unterschied zur beispielhaft genannten Kosten- und Auslagenentscheidung - jedenfalls in der zu entscheidenden Fallgestaltung zwei voneinander streng zu trennende Verfahrensgegenstände. Dies folgt bereits daraus, dass sich die Revision in der Hauptsache allein auf die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat am 4. Juni 2005 bezieht, während die begehrte, in beiden Tatsacheninstanzen nicht zugesprochene Entschädigung die Tat am 1. Februar 2005 betrifft, hinsichtlich derer der Angeklagte bereits rechtskräftig freigesprochen worden ist. Aus dieser Trennung im Tatsächlichen hat auch eine rechtliche Trennung dergestalt zu folgen, dass das Rechtsmittelbegehren allenfalls dann auch die Entschädigungsentscheidung zu ergreifen vermag, wenn sich der "wirkliche Wille" wenigstens aus der Revisionsbegründungsschrift ergibt. Da diese sich hierzu mit keinem Wort verhält, ist davon auszugehen, dass der Angeklagte sein im Rahmen der Berufung noch angestrebtes Ziel nicht weiter verfolgt. Im Übrigen würde es sich bei dem Rechtsmittel gegen die Versagung der Entschädigung um eine weitere Beschwerde handeln, die nach § 310 Abs. 2 StPO unstatthaft wäre.

3. Der Senat hat erwogen, ob mit Blick auf die Dauer des Verfahrens und angesichts des erledigten Fahrverbotes, für das eine Entschädigung nach oben Gesagtem nicht gewährt wird, die Voraussetzungen für eine Entscheidung nach den §§ 153 Abs. 2, 467 Abs. 4 StPO gegeben sind, legt diese aber in die Hände des Tatgerichts.

Ende der Entscheidung

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