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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.04.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 24/08
Rechtsgebiete: GWB, VwVfG, VwGO


Vorschriften:

GWB § 113 Abs. 1
GWB § 114 Abs. 3 S. 1
GWB § 116 Abs. 2
GWB § 123 S. 2
GWB § 124 Abs. 3
VwVfG § 35
VwGO § 44a S. 1
VwGO § 44a S. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beigeladenen gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg vom 25. März 2008 (VK 45/07) wird verworfen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beigeladene.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2007 ein Nachprüfungsverfahren gegen die Antragsgegnerin beantragt. Im Verlaufe des Verfahrens hat die Beigeladene die Vorsitzende sowie das hauptamtliche Mitglied der Vergabekammer wegen Befangenheit im Hinblick auf verschiedene Vorkommnisse abgelehnt. Diesen Antrag hat die Vergabekammer mit dem angefochtenen Beschluss als unbegründet zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen. Sie meint, die Beschwerde sei statthaft. Zwar habe der Senat mit Beschluss vom 23. Januar 2006 (VII-Verg 96/05) entschieden, dass es sich bei der Entscheidung der Vergabekammer über die Ablehnung eines ihrer Mitglieder um eine nicht selbständig anfechtbare Zwischenentscheidung handelt. Diese Rechtsprechung sei aber durch die nachfolgenden Entscheidungen des Senates über die Zulässigkeit von Beschwerden gegen die Gewährung von Akteneinsicht (Beschlüsse vom 28. Dezember 2007 - VII-Verg 40/07 - und vom 06. Februar 2008 - VII-Verg 12/08) überholt. Bei derartigen Entscheidungen handele es sich um Verwaltungsakte, die aus rechtsstaatlichen Gründen einer Überprüfung durch ein Gericht bedürften. Ihre Beschwerde sei auch begründet, wie sie näher darlegt. Sie beantragt daher,

den "2. Beschluss zum Ablehnungsgesuch" vom 25. März 2008 - VK 45/07 aufzuheben und zu beschließen, dass die Vorsitzende der Vergabekammer sowie das hauptamtliche Mitglied der Vergabekammer wegen Besorgnis der Befangenheit von der weiteren Mitwirkung an der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 24. Dezember 2007 ausgeschlossen sind.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zu verwerfen.

Sie hält die Beschwerde unter Hinweis auf den zitierten Beschluss des Senats für unzulässig.

Während des Beschwerdeverfahrens ist die Frist gemäß § 113 Abs. 1 GWB abgelaufen, ohne dass die Vergabekammer eine Entscheidung getroffen hätte. Gegen die gemäß § 116 Abs. 2 GWB als Ablehnung ihres Nachprüfungsantrages geltende Nichtentscheidung hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt (VII-Verg 27/08). Aus diesem Grunde hält die Antragsgegnerin das Beschwerdeverfahren für erledigt.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der Argumentation der Beigeladenen an seiner bereits in dem Beschluss vom 23. Januar 2006 (VII-Verg 96/05) geäußerten Auffassung fest. Sie entspricht auch der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (s. auch die Nachweise im Beschluss vom 28. Dezember 2007 - VII-Verg 40/07).

Ergänzend sei auf Folgendes hingewiesen:

Weder eine etwaige Einordnung des Beschlusses als Verwaltungsakt im Sinne des § 114 Abs. 3 S. 1 GWB, § 35 VwVfG noch rechtsstaatliche Gründe machen - anders als bei der Entscheidung der Vergabekammer über die Gewährung von Akteneinsicht - die Anfechtbarkeit einer Entscheidung über die Ablehnung von Mitgliedern der Vergabekammer notwendig.

Es handelt sich im Hinblick auf § 114 Abs. 3 S. 1 GWB nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt. Diese Vorschrift bezieht sich zunächst und vor allem auf Endentscheidungen. Die Einordnung der Entscheidung der Vergabekammer als Verwaltungsakt erfolgte lediglich im Hinblick auf die damit gegebene Vollstreckungsmöglichkeit; in der Gesetzesbegründung zum Vergaberechtsänderungsgesetz (BT-DRs. 13/9340) heißt es zu § 124 Abs. 3 (jetzt § 114 Abs. 3):

Die Vergabekammer ist kein Gericht. ... Um dennoch die EG-rechtlich (Art. 2 Abs. 1 Nachprüfungsrichtlinie) geforderte Durchsetzbarkeit der Entscheidung sicherzustellen, ergeht sie als vollstreckbarer Verwaltungsakt. Die Vollstreckungsmöglichkeit ist damit sichergestellt. ..."

Diese Begründung passt auf eine Zwischenentscheidung der vorliegenden Art ersichtlich nicht.

Auch im allgemeinen Verwaltungsrecht wird die Entscheidung über die Ablehnung des (Mit-) Entscheidenden nicht als Verwaltungsakt angesehen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 35 Rdnr. 65). Das gilt sogar dann, wenn - anders als im Allgemeinen (§ 21 VwVfG) - Verfahrensbeteiligten ein ausdrückliches Ablehnungsrecht zugestanden wird (z.B. § 71 Abs. 3 VwVfG), wobei über ein derartiges Gesuch gesondert und vorab entschieden werden muss (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 71 Rdnrn. 22/23).

Selbst wenn man mit der Beigeladenen stärker den Verwaltungscharakter der Vergabekammer betont, führt dies auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG zu einer selbständigen Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Ablehnung eines Mitglieds der Kammer. § 44a S. 1 VwGO schließt nämlich die selbständige Anfechtung in diesem Falle aus (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 44a Rdnr. 5), was auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 19 Abs. 4 GG und des Gebots der Gewährung effektiven Rechtsschutzes keinen Bedenken unterliegt (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 44a Rdnr. 1 m.w.N.).

Insoweit unterscheidet sich nämlich die Entscheidung der Vergabekammer, Akteneinsicht zu gewähren, von einer Entscheidung über die Ablehnung eines Mitgliedes der Vergabekammer. Die Entscheidung, Akteneinsicht zu gewähren, ist - wenn sie in die Tat umgesetzt wird - irreversibel; ein Rechtsschutz erst gegen die Hauptsacheentscheidung würde zu spät kommen. Auf diesen Gesichtspunkt hat der Senat maßgeblich in seiner Entscheidung vom 28. Dezember 2007 (VII-Verg 40/07) hingewiesen. Zu dem hat er auf den Rechtsgedanken des § 44a S. 2 VwGO verwiesen. Demgegenüber wird der betreffende Verfahrensbeteiligte erst durch eine für ihn nachteilige Endentscheidung in seinen Rechten betroffen; in diesem Fall kann er mit der Beschwerde gegen die Endentscheidung geltend machen, die Vergabekammer sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen (zu § 71 Abs. 3 VwVfG s. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 71 Rdnr. 23). Sollte ein Mitglied der Vergabekammer tatsächlich befangen gewesen sein, kann der Vergabesenat darauf entweder mit der Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an die Vergabekammer gemäß § 123 S. 2 GWB oder mit einer Sachentscheidung (vgl. Fett NZBau 2005, 141, 142) reagieren.

Ob sich das Ablehnungsgesuch der Beigeladenen mittlerweile dadurch erledigt hat, dass der Nachprüfungsantrag gemäß § 116 Abs. 2 GWB als abgelehnt gilt (vgl. Vollkommer, in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 46 Rdnr. 18b), bedarf daher keiner weiteren Entscheidung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert wird auf 500.000 Euro festgesetzt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die angegriffene Zwischenentscheidung nicht über den Erfolg oder Misserfolg des Nachprüfungsantrages entscheidet. Aus diesen Gründen kann der Wert des umstrittenen Auftrages nicht als Beschwerdewert herangezogen werden (vgl. zum Streitwert bei Ablehnungen Herget, in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rdnr. 16 Stichwort: Ablehnung).

Ende der Entscheidung

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