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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 09.12.2008
Aktenzeichen: VII-Verg 70/08
Rechtsgebiete: GWB, BGB, HGrG, BHO, VOB/A
Vorschriften:
GWB § 107 Abs. 2 | |
GWB § 118 Abs. 1 Satz 3 | |
GWB § 118 Abs. 2 Satz 1 | |
GWB § 118 Abs. 2 Satz 2 | |
GWB § 124 Abs. 2 Satz 3 | |
BGB § 146 | |
BGB § 148 | |
BGB § 150 Abs. 1 | |
HGrG § 6 Abs. 1 | |
HGrG § 6 Abs. 2 | |
BHO § 7 | |
VOB/A § 28 Nr. 2 Abs. 2 |
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antrag-stellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 11. November 2008 (VK VOL 34/2008) wird bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert.
Gründe:
I. Die Antragsgegnerin schrieb im Mai 2008 Gebäudereinigungsdienstleistungen europaweit aus. Die Ausschreibung war in vier Lose aufgeteilt, woraufhin die Antragstellerin zu allen vier Losen Angebote einreichte. Nachdem der Antragstellerin mit Vorabinformation vom 29. August 2008 mitgeteilt wurde, dass beabsichtigt sei, ihr für die Lose 1, 2 und 4 den Zuschlag zu erteilen, kam es zur Rüge eines anderen an der Ausschreibung beteiligten Bieters hinsichtlich der Vergabe des hier allein streitigen Loses 1. Wegen der damit verbundenen Verzögerung wurden alle Bieter mit Schreiben vom 12. September 2008 aufgefordert, bis spätestens zum 16. September 2008 einer Verlängerung der am 19. September 2008 ablaufenden Angebotsbindefrist bis zum 26. September 2008 zuzustimmen. Die Zustimmungserklärung der Antragstellerin ging der Antragsgegnerin am 25. September zu. Daraufhin schloss diese das Angebot der Antragstellerin vom weiteren Vergabeverfahren aus. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Zuschlag auf das Angebot nicht mehr möglich sei, da nach Ablauf der Bindefrist mangels fristgerechter Zustimmungserklärung kein gültiges Angebot mehr vorliege. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin aus eben diesem Grund mit Beschluss vom 11. November 2008 als unzulässig zurückgewiesen.
Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie hauptsächlich beantragt, die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr, der Antragstellerin, Angebot zu werten und ihr als Mindestbietender den Zuschlag zu erteilen. Mit der Beschwerde hat sie einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels verbunden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze sowie auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
II. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu verlängern, ist begründet.
1. Hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag abgelehnt, kann das Beschwerdegericht gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB auf Antrag des beschwerdeführenden Antragstellers die aufschiebende Wirkung der Beschwerde bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf verlängern. Bei seiner Entscheidung hat das Gericht die Erfolgsaussichten der Beschwerde zu berücksichtigen, § 118 Abs. 2 Satz 1 GWB. Es lehnt den Antrag ab, wenn unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen sowie des Interesses der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die damit verbundenen Vorteile überwiegen, § 118 Abs. 2 Satz 2 GWB.
2. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs hat die Beschwerde bei vorläufiger Bewertung des Sach- und Streitstandes zumindest teilweise Aussicht auf Erfolg.
a) Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zu Unrecht als unzulässig verworfen. Die Antragstellerin ist gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Nach dieser Bestimmung ist jedem Unternehmen eine Antragsbefugnis zuzuerkennen, das ein Interesse am Auftrag hat und das eine Verletzung in seinen Rechten geltend macht, sofern ihm dadurch Schaden entstanden ist oder ein solcher zu entstehen droht. Das Interesse am Auftrag ist weit auszulegen. Es ist in der Regel zu bejahen, wenn sich der Bieter vor Stellung des Nachprüfungsantrags mit einem Angebot am Vergabeverfahren beteiligt und einen Vergaberechtsverstoß ordnungsgemäß gerügt hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03 = VergabeR 2004, 597, 599; Senat, Beschl. v. 13. April 1999 - Verg 1/99, BauR 1999, 751, 759). Der Senat hat hierzu bereits im Beschluss vom 29. Dezember 2001 (Verg 22/01, VergabeR 2002, 267, 269) ausgeführt, dass die Antragsbefugnis und die Eignung des Angebots, bezuschlagt zu werden, nicht entfallen, wenn die Angebotsbindefrist abgelaufen ist. In der Sache genauso hat er auch in einem Vergabenachprüfungsverfahren der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln entschieden, an dem auch die Antragsgegnerin beteiligt war (vgl. Beschl. v. 20. Februar 2007 - VII-Verg 3/07, BA 2 f.) Soweit die Vergabekammer wegen der verspäteten Bindefristverlängerung einen Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin schlechthin ausschließt und deshalb die Antragsbefugnis verneint, ist außerdem übersehen worden, dass die Antragstellerin gerade dieses Vorgehen der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig beanstandet. Die Antragsbefugnis kann der Antragstellerin aber nicht mit derselben rechtlichen Begründung abgesprochen werden, mit der sie ihren Ausschluss vom Vergabeverfahren bekämpft. Ob das Angebot tatsächlich auszuschließen war, ist eine Frage der Begründetheit des Nachprüfungsantrags. Dass durch den Ausschluss die Aussichten der Antragstellerin auf Erteilung des Auftrags geschmälert werden, liegt auf der Hand.
b) Der Nachprüfungsantrag ist - jedenfalls soweit die Antragstellerin eine Wiederholung der Angebotswertung unter Berücksichtigung ihres Angebots begehrt - auch der Sache nach voraussichtlich begründet, denn das Angebot der Antragstellerin ist rechtsfehlerhaft vom weiteren Vergabeverfahren ausgeschlossen worden. Dabei kann auf sich beruhen, ob die Frist zur Bindefristverlängerung wirksam gesetzt und ob die Verlängerung rechtzeitig erklärt worden ist. Entsprechendes kann für die Frage gelten, ob die Antragstellerin hinsichtlich einer weiteren Verlängerung der Bindefrist zu einer erneuten Zustimmung hätte aufgefordert werden müssen. Zwar trifft zu, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß den §§ 146, 148 BGB erloschen ist. Jedoch führt diese zivilrechtliche Wertung, wie sich aus § 150 Abs. 1 BGB ergibt, nicht dazu, dass das Angebot auch vergaberechtlich hinfällig ist (vgl. BGH, Urt. v. 28. Oktober 20003 - X ZR 248/02, ZfBR 2004, 290, 291). So entspricht es zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung, dass der Auftraggeber nicht daran gehindert und in Verfolg seiner Verpflichtungen aus den §§ 6 Abs. 1 und 2 HGrG, 7 BHO im Einzelfall sogar dazu gehalten sein kann, den Zuschlag auf ein Angebot zu erteilen, dessen Bindefrist zu diesem Zeitpunkt abgelaufen ist (BGH, a.a.O.; OLG Frankfurt, Beschl. v. 5. August 2003 - 11 Verg 1/02, VergabeR 2003, 725, 729; BayObLG, Beschl. v. 15. Juli 2002 - Verg 15/02, VergabeR 2002, 534, 536; OLG Naumburg, Beschl. v. 13.1 Oktober 2006 - 1 Verg7/06 Senat, Beschl. v. 20. Februar 2007 - VII-Verg 3/07, BA 2 f.; Beschl. v. 14. Mai 2008 - VII-Verg 17/08, BA 7 f.). Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - die Verdingungsunterlagen einen Ausschluss verfristeter Angebote nicht zwingend vorschreiben und das fragliche Angebot seinem Inhalt nach unverändert geblieben ist.
Danach durfte die Antragsgegnerin das Angebot der Antragstellerin selbst dann, wenn es wegen Ablaufs der Bindefrist nicht mehr annahmefähig im Sinne des § 148 BGB war, nicht mit der Begründung ausschließen, dass es erloschen sei. Zwar kommt einem Zuschlag unter diesen Voraussetzungen nur mehr die Qualität eines neuen Angebots seitens des Auftraggebers zu, welches der Auftragnehmer nicht anzunehmen verpflichtet ist (vgl. § 150 Abs. 1 BGB). Aus § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOB/A folgt indessen, dass er es indes durchaus noch annehmen kann (OLG Dresden, Beschl. v. 14. April 2000, BauR 2000, 1591, 1593). Wie der Senat (vgl. Beschl. v. 20. Februar 2007 - VII-Verg 3/07) ausgeführt hat, sind sachliche Gründe für eine abweichende Handhabung von Auftragsvergaben nach der VOL/A nicht gegeben. Selbst wenn eine Bindefristverlängerung vollständig unterbleibt, kann daraus folglich nicht geschlossen werden, dass der Bieter kein Interesse am Zuschlag mehr hat. Dass vorliegend auch begründete Aussichten auf die Annahme eines Zuschlags durch die Antragstellerin bestanden, ergibt sich aus deren Erklärungen vom 25. September und vom 1. Oktober 2008, mit denen sie sich weiterhin an ihr Angebot gebunden hielt, mochte dieses zum damaligen Zeitpunkt auch erloschen sein. Unter diesen Umständen ist es mit den haushaltsrechtlichen Bindungen des Auftraggebers nicht zu vereinbaren, ein Angebot vom Vergabeverfahren nur deshalb auszuschließen, weil darauf der Zuschlag nicht mehr durch einfache Annahmeerklärung erteilt werden kann, sondern ein Antrag des Auftraggebers und die Annahme durch den Bieter nötig sind (BGH, Urt. v. 28. Oktober 20003 - X ZR 248/02, ZfBR 2004, 290, 291; Senat, Beschl. v. 14. Mai 2008 - VII-Verg 17/08, BA 7 f.). Dies gilt umso mehr, als es sich beim Angebot der Antragstellerin um das wirtschaftlichste handelte.
Etwaige nachteilige Folgen der Verlängerung der aufschiebenden Wirkung treten gegenüber der Erfolgsaussicht des Rechtsmittels zurück.
Ob danach eine Divergenz zum Beschluss des Thüringer OLG vom 30. Oktober 2006 (9 Verg 4/06) mit der Folge einer Verpflichtung zur Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof besteht, bedarf in diesem Verfahrensstadium gemäß § 124 Abs. 2 Satz 3 GWB keiner Entscheidung.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da über die Kosten des Verfahrens nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB zusammen mit der Beschwerdeentscheidung befunden wird.
Ende der Entscheidung
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