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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 27.05.2004
Aktenzeichen: 1 Ss 48/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 354 Abs. 1
StGB § 129 Abs. 1
StGB § 303
Zur Frage der Strafbarkeit wegen Sachbeschädigung bei Graffiti an Bahnwaggon.
Oberlandesgericht Dresden

1. Strafsenat

Aktenzeichen: 1 Ss 48/04

Beschluss

vom 27. Mai 2004

in der Strafsache gegen

wegen Sachbeschädigung

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichtes Leipzig vom 24. September 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Leipzig zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist mit Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 09. Dezember 2002 vom Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen worden. Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft Leipzig führte zur Verurteilung des Angeklagten durch das Landgericht Leipzig am 24. September 2003 wegen Sachbeschädigung. Der Angeklagte wurde beauflagt, innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft des Urteils 150 Stunden gemeinnützige Arbeit nach Weisung der Gerichtshilfe zu leisten. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte - auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte - Revision des Angeklagten.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, diese gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision hat bereits mit der zulässig erhobenen Sachrüge Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, weshalb es eines Eingehens auf die Verfahrensrüge nicht bedarf. Die Feststellungen des Landgerichtes tragen eine Verurteilung wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB nicht.

1. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil festgestellt, der Angeklagte habe in der Nacht des 02. April 2000 einen hellgrau und rot lackierten Reisezugwagen großflächig mit lösemittelhaltigem Kunstharzlacken (Alkydharz) mit der schwarz umrandeten, silberfarbenen Großbuchstabenfolge "SNOW" besprüht. Da ein unbekannter Begleiter des Angeklagten rechts daneben ebenfalls großflächig die farbgleiche Großbuchstabenfolge "HOCKEY" anbrachte, sei eine Gesamtfläche von 27 Quadratmetern beeinträchtigt worden. Hierbei habe der Angeklagte gewusst, dass der aufgesprühte Kunstharzlack auf der Lackoberfläche des Reisezugwagens hartnäckig anhaftet, sowie diese verschmutzt und verunstaltet. Die im April 2000 an dem Waggon durchgeführten Arbeiten hätten 21,6 Arbeitsstunden, der Schaden 2.207,49 DM betragen.

2. Diese Feststellungen rechtfertigen die Verurteilung des Angeklagten wegen Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB nicht.

a) Der Tatbestand des § 303 StGB ist nach derzeitiger Rechtslage nur dann erfüllt, wenn durch das Besprühen mit Farbe neben der Veränderung der äußeren Erscheinung der Sache auch die Substanz der Sache erheblich verletzt oder ihre Brauchbarkeit nachhaltig beeinträchtigt worden ist. Der erheblichen Verletzung der Substanz steht es gleich, wenn diese derart in Mitleidenschaft gezogen wird, dass eine Reinigung zwangsläufig zu einer solchen Substanzverletzung führt. Die bloße Veränderung der äußeren Erscheinungsform einer Sache ist demgegenüber in aller Regel keine Sachbeschädigung, und zwar auch dann nicht, wenn diese Veränderung auffällig (belangreich) ist (BGHSt 29, 129 [132]; BayObLG, StV 1999, 543; OLG Karlsruhe, StV 1999, 544; HansOLG Hamburg, StV 1999, 544; KG, StV 1999, 156; OLG Düssedorf, NJW 1999, 1199; OLG Köln, StV 1995, 592). Von dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof in der in BGHSt 41, 47 veröffentlichten Entscheidung auch nicht abgerückt. Denn er hat in diesem Urteil nicht allgemein das Vorliegen einer Sachbeschädigung bei Farbsprühaktionen bejaht, sondern ist davon ausgegangen, dass derartige Aktionen den Tatbestand des § 303 StGB erfüllen können, und hat im Übrigen entschieden, dass Sachbeschädigungen nicht aus dem Kreis der Straftaten herausfallen, die für § 129 Abs. 1 StGB in Betracht kommen (KG Berlin a.a.O.). Dieser überzeugenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der oben zitierten Oberlandesgerichte schließt sich der Senat an.

b) Damit ist bereits der rechtliche Ausgangspunkt der Kammer falsch, die eine Sachbeschädigung auch dann für gegeben hält, wenn eine Verletzung der Sachsubstanz nicht vorliegt. Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der im Urteil erwähnten Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (NJW 1987, 389). Denn dort wurde eine Sachbeschädigung an einem Diensthemd eines Polizeibeamten durch Schütten von Bier auf das Hemd mit der Begründung bejaht, hierdurch sei der bestimmungsgemäße Gebrauch erheblich vermindert. Eine Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit ist durch Aufsprühen von Graffiti auf den Waggon jedoch nicht festgestellt und liegt im konkreten Fall auch fern (so auch BayObLG, StV 1997, 80).

c) Dem Urteil kann aber auch - im Unterschied zu dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf (a.a.O.) entschiedenen Fall - nicht mit hinreichender Sicherheit entnommen werden, ob die erforderliche Substanzverletzung tatsächlich eingetreten ist.

Die unter III. des Urteils getroffenen Feststellungen schweigen dazu. Lediglich in der Beweiswürdigung enthält das Urteil hierzu Ausführungen. Danach hat der Zeuge S ausgesagt, er habe den Reisezugwagen zwar nach der Schadensbeseitigung nicht mehr gesehen, habe aber schon bei vielen anderen Waggons nach der Beseitigung von Graffitibesprühungen einen erkennbaren Glanzverlust der ursprünglichen Wagenlackierung festgestellt. Untermauert wird dies von dem im Rahmen der Würdigung der Beweise wiedergegebenen Gutachten des Sachverständigen Neumann. Auch dieser berichtete - ohne den tatgegenständlichen Waggon je gesehen zu haben -, dass nach der Beseitigung von Alkydharzbesprühungen eine erhebliche Vermattung der originalen Wasserdecklackierung verbleiben müsse.

Durch die lediglich in der Beweiswürdigung enthaltenen Ausführungen und der rechtlichen Wertung der Kammer, eine Substanzverletzung sei überhaupt nicht erforderlich, ist schon zweifelhaft, ob sie eine solche als festgestellt angesehen hat. Jedenfalls würde es sich auch dann vorliegend um einen auf die Sachrüge hin zu berücksichtigenden Rechtsfehler handeln. Denn eine fehlende geschlossene Darstellung des erwiesenen Sachverhalts kann nicht durch verstreute Feststellungen tatsächlicher Art, die aus verschiedenen Teilen des Urteils entnommen werden müssen, ersetzt werden (BGH, NStZ 1990, 496).

Das landgerichtliche Urteil war danach aufzuheben und an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen. An einer eigenen Sachentscheidung gemäß § 354 Abs. 1 StPO ist der Senat gehindert. Denn es ist nicht auszuschließen, dass eine neue Hauptverhandlung noch weitere Aufschlüsse zur Frage der Substanzverletzung an dem Waggon zu erbringen vermag.

3. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass auch die Ausführungen zu den Rechtsfolgen nicht bedenkenfrei sind. Denn soweit zu Lasten des Angeklagten der nicht unerhebliche Schaden berücksichtigt wurde, kommt eine Zurechnung des durch den unbekannten Begleiter des Angeklagten eingetretenen Schadens - sofern der Schaden nicht auch allein durch den Angeklagten eingetreten ist - nur dann in Betracht, wenn mittäterschaftliche Begehungsweise festgestellt werden kann. Solche Ausführungen lässt das landgerichtliche Urteil jedoch vermissen. Sie sind jedoch in Anbetracht des konkreten Tatablaufs nicht fernliegend (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O.).

III.

Die Entscheidung ergeht einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO.

Ende der Entscheidung

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