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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 10.01.2003
Aktenzeichen: 10 UF 684/02
Rechtsgebiete: BGB, InsO


Vorschriften:

BGB § 1603
InsO § 286
InsO § 304
1. Bei nachhaltiger und dauerhafter Überschuldung ist es in der Regel zumutbar, den Unterhaltsschuldner auf die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens und einer Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff., 304 InsO zu verweisen.

2. Unterhaltsrechtlich hat dies zur Folge, dass sich der Schuldner auf bestehende Verbindlichkeiten gegenüber dem Unterhaltsberechtigten nicht berufen kann.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 10 UF 684/02

Verkündet am 10. Januar 2003

In der Familiensache

wegen Kindesunterhalt

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Mxxxx und die Richter Dxxxxx und Sxxxxxxx

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 9. September 2002 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, in Abänderung des Vergleichs vom 27. April 1999 und des Versäumnisurteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 27. Mai 2002 an die Kläger eine monatliche Unterhaltsrente in folgender Höhe zu zahlen:

- Vom 1. August 2001 bis 31. Dezember 2001 jeweils 523,00 DM,

- vom 1. Januar 2002 bis 30. November 2002 jeweils 260,00 EUR sowie

- an den Kläger zu 2 ab dem 1. Dezember 2002 260,00 EUR.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers zu 1) wird verworfen, soweit er eine Abänderung über den 30. November 2002 hinaus begehrt.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu 5/6, die Kläger zu je 1/12.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 9. September 2002 ist überwiegend begründet.

1.

Den Klägern steht ein Anspruch auf Abänderung des gerichtlichen Vergleiches vom 27. April 1999 aus den seit dem 1. Januar 2002 in § 313 BGB kodifizierten Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu. Dieser Anspruch kann mit der Abänderungsklage nach § 323 ZPO geltend gemacht werden, die Abänderung richtet sich allerdings nicht nach § 323 Abs. 2, 3 ZPO, sondern ausschließlich nach den Regelungen des materiellen Rechts (BGH NJW 1995, 1892; OLG Hamm, NJW-RR 1998, 78; Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 323 Rdnr. 44; Senat, Urteil vom 14. November 2002 - 10 UF 624/02). Entscheidend ist, ob die Vertragsparteien den Vergleich von Veränderungen unabhängig abschließen wollten oder nicht. Bei der Anpassung einer in einem Vergleich vereinbarten Unterhaltsrente muss aber die Grundlage des Vergleichs gewahrt werden (BGH NJW 1992, 1622; OLG Hamm, FamRZ 1999 1510). Grundlage des zwischen den Parteien geschlossenen Vergleichs war ein Einkommen des Beklagten, das der Höhe nach der Gruppe 2 der Sächsischen Unterhaltsleitlinien (Stand 1. August 1998), mithin 2.550,00 DM bis 2.940,00 DM entsprach sowie die in § 1612a BGB a.F. enthaltene hälftige Kindergeldanrechnung. Die Voraussetzungen für eine Abänderung liegen bei dieser Sachlage bereits wegen der geänderten Kindergeldanrechnung in § 1612a Abs. 5 BGB und der Änderung der Regelbedarfsbeträge, die Ausdruck der gestiegenen Lebenshaltungskosten sind, vor. Für den Kläger zu 2 kommt ein Hineinwachsen in die 3. Altersstufe hinzu. Dies reicht für eine Abänderung aus.

a) Der Bedarf der Kläger ab dem Zeitpunkt, für den die Abänderung geltend gemacht wird, bemisst sich nach den in dem Vergleich vereinbarten Berechnungsgrundlagen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Änderungen. Hierbei ist für den Beklagten unverändert das dem Vergleich zugrunde gelegte Einkommen in Höhe der Einkommensgruppe 2 der Sächsischen Unterhaltstabelle (Stand 1. August 1998) zugrunde zu legen. Dieses beträgt durchschnittlich 2.745,00 DM (1.403,50 EUR). Zwar ist der Beklagte seit dem 1. Februar 2001 nicht mehr als Geschäftsführer tätig. Vielmehr bezog er vom 1. Februar 2001 bis 31. August 2001 Sozialhilfe, war daneben ab dem 1. September 2001 zu einem Stundensatz von 1,50 EUR beim xxx xxxxxxxxxxxx xxxxxx tätig und ist seit dem 1. September 2002 mit einem Bruttoverdienst von 1.045,00 EUR im Rahmen des Programmes Ixxxxxxxxxx xxxxx xxxxxx (xxx) beschäftigt. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist ihm jedoch sein bis zum Ausscheiden aus der Geschäftsführertätigkeit gezahltes Nettoentgelt in der o.a. Höhe fiktiv zuzurechnen. Denn den Beklagten trifft gemäß § 1603 Abs. 1 Satz 1 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber den minderjährigen Klägern. Sie besteht auch über den 15. November 2002 gegenüber dem Kläger zu 1, der weiterhin im Haushalt der Mutter lebt und das Gymnasium besucht, nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB fort. Ein unterhaltspflichtiger Elternteil muss hiernach gegenüber seinem minderjährigen oder einem diesem gleichstehenden unverheirateten Kind alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, um so viel zu verdienen, dass er den Mindestunterhalt auch unter Wahrung seines eigenen Selbstbehaltes leisten kann. Dabei obliegt ihm eine erhöhte Arbeitspflicht unter gesteigerter Ausnutzung seiner Arbeitskraft: Er ist unter Umständen verpflichtet, in zumutbaren Grenzen einen Orts- oder Berufswechsel vorzunehmen oder Arbeiten unterhalb seines Ausbildungsniveaus - auch Aushilfstätigkeiten - zu übernehmen (BGH FamRZ 1994, 372; Beschlüsse des Senats vom 30. April 2002 -10 UF 67/02 -; vom 16. Juli 1998 - 10 WF 384/97 -; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1 Rdnr.389). Bei der Suche nach einem Arbeitsplatz darf er sich nicht mit der Meldung beim Arbeitsamt begnügen, sondern muss über einen längeren Zeitraum kontinuierlich und regelmäßig auf Stellenanzeigen in der örtlichen Presse reagieren und von sich aus eigene Anzeigen aufgeben. Sofern er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nachkommt, muss er sich so behandeln lassen, als ob er ein Einkommen, das er bei gutem Willen und durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte, auch tatsächlich hätte (BGH FamRZ 1996, 345; FamRZ 1994, 373 [375]; Beschlusss des Senats vom 6. August 2001 - 10 UF 188/01 -). Für seine mangelnde Leistungsfähigkeit ist der Unterhaltspflichtige darlegungs- und beweispflichtig (BGH FamRZ 1996, 345; Palandt-Diederichsen, BGB, 62. Aufl., Einführung vor § 1601 Rdnr. 82). Vorliegend ist der Beklagte für die von ihm behauptete Tatsache, er sei auch in Anbetracht seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht in der Lage, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, auch deshalb beweisbelastet, weil der sich hieraus ergebende Verdienst Grundlage des Vergleichs vom 27. April 1999 war.

b) Vortrag des Beklagten zu seinen Erwerbsbemühungen genügt diesen Anforderungen nicht. Bereits die Anzahl der vorgelegten Bewerbungen reicht nicht aus. Vorgelegt worden sind lediglich 36 Bewerbungen, die sich ausschließlich auf das Jahr 2001 beziehen; für das Jahr 2002 werden im Hinblick auf die zwischenzeitlich aufgenommene Tätigkeit beim xxx xxxx xxxxxxxxx xxxxxx überhaupt keine Bewerbungsunterlagen vorgelegt. Der einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtige Schuldner hat aber für die Stellensuche einen zeitlichen Einsatz aufzuwenden, der einer Vollzeittätigkeit entspricht. Dies bedeutet, dass ca. 20 bis 30 konkrete Bewerbungen im Monat zu verlangen sind (BGH FamRZ 1987, 144; 1986, 885). Es tritt hinzu, dass aus den vom Beklagten vorgelegten Absageschreiben nur zum Teil ersichtlich wird, auf welche Stellen er sich beworben hat. Die vorgelegten Stellenausschreibungen entsprechen überdies - worauf die Kläger zu Recht hinweisen - nur teilweise seinem Anforderungsprofil. Ein Unterhaltsschuldner mit langjähriger Berufstätigkeit ist nämlich gehalten, sich vorrangig auf Stellenangebote zu bewerben, die der erworbenen Qualifikation und dem sich hieran anschließenden beruflichen Werdegang entsprechen. Bewerbungen auf Stellen, die dieses Anforderungsprofil nicht erfüllen, genügen für die Erfüllung der gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht. Der Senat geht im Falle des Beklagten davon aus, dass ein Abschluss als Diplom-Jurist verbunden mit einer langjährigen Berufserfahrung Einstellungschancen vermittelt, die zumindest mit denjenigen vergleichbar sind, die Universitätsabsolventen mit erstem juristischen Staatsexamen haben. Hierbei ist im Rahmen einer Schätzung nach § 287 ZPO und im Anschluss an die von den Klägern vorgelegten Auszüge aus dem Stelleninformationssystem des Arbeitsamtes sowie einer eigenen Einsichtnahme des Senats in diese Datenbank anzunehmen, dass mit einer Ausbildung, wie sie der Beklagte aufweist, ein Nettoverdienst erzielbar wäre, der dem im Vergleich zugrunde gelegten Verdienst in etwa entspricht. Dies gilt auch in Anbetracht der von dem Beklagten vorgetragenen psychischen Leistungseinschränkungen. Es kann dahinstehen, ob der Vortrag des Beklagten, er leide an einer schweren Depression, für die behaupteten Leistungseinschränkungen hinreichend substantiiert ist. Die Aufnahme einer Vollzeittätigkeit ab September 2002 belegt aber, dass möglicherweise hierdurch gegebene Leistungseinschränkungen durch eine Arbeitsaufnahme überwindbar waren.

c) Von dem hiernach für die Bedarfsbemessung zugrunde zu legenden Einkommen des Beklagten von 2.745,00 DM (1.403,50 EUR) sind die vom Beklagten behaupteten Schulden nicht abzuziehen. Zwar sind Schulden auch beim Kindesunterhalt bereits bei der Bedarfsermittlung und nicht erst bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit abzusetzen, wenn sie sich aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung als berücksichtigungsfähig erweisen (BGH FamRZ 1996, 160; Wendl-Gerhardt, a.a.O., § 1 Rdnr. 550); hierbei sind der Zweck der eingegangenen Verpflichtung, der Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltschuldners von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und seine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wieder herzustellen sowie gegebenenfalls schutzwürdige Belange eines Dritten zu prüfen (BGH FamRZ 1992, 797; FamRZ 1996, 160; Wendl-Gerhardt, a.a.O., § 1 Rdnr. 551). Behauptet der Unterhaltsschuldner - wie vorliegend -, er sei aufgrund bestehender Verbindlichkeiten nicht in der Lage, seine Unterhaltspflichten zu erfüllen, so ist aber zugleich die Möglichkeit einer Restschuldbefreiung nach § 286 ff. InsO sowie die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens nach § 304 ff. InsO zu prüfen. Ist dem Schuldner die Einleitung eines solchen Verbraucherinsolvenzverfahrens zumutbar, so hat dies zur Konsequenz, dass er sich auch unterhaltsrechtlich nicht auf die bestehenden Verbindlichkeiten berufen kann (vgl. OLG Hamm, FamRZ 2001, 441; AG Nordenham 2002, FamRZ 2002, 896 [897]; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., S. 130; Melchers, FamRZ 2001, 1509).

aa) Von der Zumutbarkeit eines Verbraucherinsolvenzverfahrens ist nach Auffassung des Senates zumindest dann auszugehen, wenn eine nachhaltige oder dauerhafte Überschuldung vorliegt, die Verbindlichkeiten also im Verhältnis zum Einkommen unangemessen hoch sind oder sich über einen langen Zeitraum erstrecken, was anzunehmen ist, wenn die Verbindlichkeiten nicht planmäßig innerhalb von drei bis fünf Jahren vollständig zurückgeführt werden können (vgl. Melchers, FamRZ 2002, 897 [898]). Die gegen eine solche Obliegenheit des Unterhaltspflichtigen in der Rechtsprechung vorgebrachten Bedenken überzeugen nicht: Vertreten wird, die Einleitung oder Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens bringe den Gläubigern von Unterhaltsansprüchen eher Nachteile als Vorteile, weil sie dem Unterhaltspflichtigen nicht unerhebliche Kosten verursache, die seine Leistungsfähigkeit weiter minderten. Zudem werde nach § 35 InsO der Neuerwerb des Schuldners in die Insolvenzmasse einbezogen, so dass auch die Unterhaltsgläubiger nicht mehr in diesen vollstrecken könnten. Ein weiterer Nachteil bestehe darin, dass rückständige Unterhaltsforderungen, die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestünden, von einer etwaigen Restschuldbefreiung erfasst würden. Schließlich führe das Verbraucherinsolvenzverfahren auch nicht zu einem sofortigen Wegfall der Schulden des Unterhaltspflichtigen; vielmehr bedürfe es erst noch eines vorgerichtlichen und in der Regel länger andauernden Einigungsversuches (OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 982; vgl. auch Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473). Aus diesen Gründen könne dem Schuldner auch unterhaltsrechtlich die Einleitung eines Regelinsolvenzverfahrens nicht angesonnen werden.

bb) Eine Kostenbelastung für den Schuldner durch die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens wird aber in der Regel dessen Leistungsfähigkeit bereits deswegen nicht mindern, weil nach § 4a InsO dem Schuldner auf Antrag die Kosten des Insolvenzverfahrens bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung gestundet werden, dieser mithin zumindest für den Sechs Jahreszeitraum der Laufzeit der Abtretungserklärung (§ 287 Abs. 2 InsO), mit den Kosten des Verbraucherinsolvenzverfahrens nicht belastet wird. Daneben trifft es zwar zu, dass § 35 InsO den Neuerwerb des Schuldners in die Insolvenzmasse einbezieht (vgl. Uhlenbruck FamRZ 1998, 1473; OLG Stuttgart, a.a.O.), was zur Folge hat, dass auch Unterhaltsgläubiger in dieses Neuvermögen nicht vollstrecken können (§ 89 Abs. 1 InsO). Dies führt aber nicht zur Leistungsunfähigkeit des Unterhaltsschuldners allein wegen des Insolvenzverfahrens, da der Unterhaltsgläubiger gemäß § 89 Abs. 2 Satz 2 InsO in den Vorrechtsbereich des § 850 d ZPO vollstrecken kann (OLG Koblenz, FamRZ 2002, 31; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O.). Hierdurch entsteht ein erheblicher Freiraum, den der Unterhaltsgläubiger bevorrechtigt gegenüber anderen Gläubigern zur Durchsetzung seiner Ansprüche nutzen kann. Denn nach Erhöhung der allgemeinen Pfändungsfreigrenze zum 1. Januar 2002 nach § 850c ZPO auf 930,00 EUR liegt der notwendige Selbstbehalt mit 840,00 EUR/750,00 EUR erheblich unter diesem Betrag, zumal sich die Pfändungsfreigrenze nach der Zahl der Unterhaltsberechtigten noch erhöht (§ 850c Abs. 1 Satz 2 ZPO). Schließlich trifft es zwar zu, dass rückständige Unterhaltsforderungen, die zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung bestanden, nach § 38 Abs. 1 InsO zu Insolvenzforderungen werden und damit von einer etwaigen Restschuldbefreiung erfasst werden (vgl. OLG Uhlenbruck, FamRZ 1998, 1473 [1474]); dies begünstigt jedoch allenfalls den Unterhaltsschuldner, der diese Verpflichtungen nur quotenmäßig zu befriedigen hat, spricht aber nicht dagegen, ihn zumutbar auf die Inanspruchnahme eines solchen Verfahrens zu verweisen.

d) Für den vorliegenden Fall kann eine solche Obliegenheit des Beklagten jedoch dahinstehen, da der gesamte Vermögenskomplex ohnehin für die Unterhaltsberechnung außer Ansatz zu bleiben hat. Auch im Anschluss an einen entsprechenden Hinweis durch den Senat hat der Beklagte nämlich zu seinen Verbindlichkeiten nicht substantiiert vorgetragen. Zwar hat er eine Aufstellung seiner Verbindlichkeiten zu den Akten gereicht, die jedoch nicht mit Belegen unterlegt ist und ihren Rechtsgrund nur teilweise erkennen lässt. Zudem leistet der Beklagte nach seiner Einlassung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19. Dezember 2002 hierauf im Anschluss an mehrere eidesstattliche Versicherungen ohnehin keine Zahlungen.

Das anzurechnende Einkommen des Beklagten ist mithin auf der Grundlage des Vergleichs vom 27. April 1999 unverändert mit 2.745,00 DM (1.403,50 EUR) anzusetzen. Soweit die Kläger unter Vorlage von Stellenangeboten aus dem Stelleninformationssystem des Arbeitsamtes (SIS) ihrerseits geltend machen, dem Beklagten sei nunmehr fiktiv ein Einkommen von 1.675,00 EUR (3.276,00 DM) zuzurechnen, war dieser Vortrag nicht zu berücksichtigen, weil er von den Grundlagen des Vergleichs vom 27. April 1999 abweicht. Die Kläger haben jedoch nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände sich die Einkommenssituation des Beklagten im Verhältnis zum Zeitpunkt der Vergleichserrichtung günstiger gestalten solle; die beruflichen Verhältnisse des Beklagten legen eine solche Verbesserung auch nach Lage der Akten nicht nahe.

Den mit der Klage geforderten Unterhalt für beide Kläger kann der Beklagte aber bereits bei Berücksichtigung des in dem Vergleich vom 27. April 1999 zugrundegelegten Einkommens befriedigen. Bei für Juni 2001 geltend gemachten Unterhaltsansprüchen für beide Kläger von je 465,00 DM und einem für Berlin (West) geltenden Selbstbehaltssatz für Erwerbstätige von 1.500,00 DM verbleibt eine Verteilungsmasse von 1.204,00 DM, für den Zeitraum Juli 2001 bis Dezember 2001 ergibt sich ein Anspruch der Kläger nach der Tabelle 2, 3. Altersstufe der Sächsischen Unterhaltsleitlinien von je 562,00 DM und abzüglich Kindergeld von je 523,00 DM. Auch diesen Unterhalt kann der Beklagte unter Beachtung des nach den Leitlinien des Kammergerichts Berlin geltenden Selbstbehaltes von 1.640,00 DM für Erwerbstätige in vollem Umfang befriedigen. Ab dem 1. Januar 2002 beträgt der Anspruch für beide Kläger 260,00 EUR (288,00 EUR ./. 28,00 EUR Kindergeldanrechnung), der Selbstbehalt für einen Erwerbstätigen mit Wohnsitz im Westteil Berlin nach den Leitlinien des Kammergerichts 840,00 EUR. Auch in diesem Zeitraum reicht das fiktive Einkommen des Beklagten von 1.403,50 EUR zur Deckung dieser Unterhaltsansprüche aus.

2.

Für die Monate Juni und Juli 2001 verbleibt es gleichwohl bei dem in dem Vergleich festgesetzten Unterhaltsanspruch für den Kläger zu 1 von 413,00 DM und für den Kläger zu 2 von 329,00 DM. Denn das Erhöhungsverlangen gemäß § 1613 BGB ist dem Beklagten erst mit Wirkung auf den 1. August 2001 zugegangen. Eine Zugangsfiktion des Heraufsetzungsverlangens bezogen auf einen früheren Zeitraum besteht entgegen der Auffassung der Kläger nicht. Scheitert der Zugang einer Willenserklärung an einer Obliegenheitsverletzung des Empfängers, muss sich dieser zwar nach § 242 BGB so behandeln lassen, als ob ihm die Erklärung rechtzeitig zugegangen wäre. Es genügt aber hierfür nicht, dass im Bereich des Empfängers objektiv ein Zugangshindernis besteht; es müssen vielmehr zusätzliche Umstände hinzutreten, etwa eine bewusste Verhinderung oder Verzögerung des Zugangs (BGH NJW 1996, 1967). Eine solche Obliegenheitsverletzung des Beklagten ist hier nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Sie kann nicht alleine in dessen Wohnungswechsel gesehen werden.

3.

Für den Kläger zu 1 besteht ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 260,00 EUR nur bis zum 30. November 2002. Zwar ist er bereits am 15. November 2002 volljährig geworden, was gemäß § 1603 Abs. 1, 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB zur Barunterhaltspflicht grundsätzlich beider Elternteile führt. Ein Anspruch auf Herabsetzung besteht für den vormals allein barunterhaltspflichtigen Elternteil jedoch entsprechend § 1612 Abs. 3 Satz 2 BGB erst ab Beginn des auf den Eintritt der Volljährigkeit folgenden Monats (Palandt-Diederichsen, BGB 62. Aufl., § 1612 Abs. 5). Bis zum Ende diese Monats schuldet er dem volljährig gewordenen Kind in unveränderter Höhe Unterhalt.

II.

Soweit der Kläger zu 1 für den Zeitraum ab dem 1. Dezember 2002 infolge des Eintritts der Volljährigkeit eine Herabsetzung des in dem gerichtlichen Vergleichs vom 27. April 1999 für ihn festgesetzten Unterhalts auf 170,00 EUR begehrt, war die Berufung mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu verwerfen. Eine solche Veränderung wäre allein auf eine Abänderungswiderklage des Beklagten zu berücksichtigen. Die Rechtsstellung des Klägers zu 1 kann ein solcher Antrag auf Herabsetzung eines bereits titulierten Unterhalts jedoch nicht verbessern. Der bestehende Titel bleibt vielmehr für die von der Abänderung nicht erfassten Zeiträume ab dem 1. Dezember 2002 auch weiterhin Grundlage der Vollstreckung. Denn der Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes ist identisch mit dessen Unterhaltsanspruch nach Eintritt der Volljährigkeit (BGH NJW 1984, 1613; Zöller-Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 323 Rdnr. 21; vgl. auch § 798a ZPO). Ein Bedürfnis für die Abänderung eines solchen Titels nach Eintritt der Volljährigkeit besteht daher lediglich auf Seiten des Unterhaltsschuldners, jedoch nicht auf Seiten des Unterhaltsgläubigers. Dies gilt auch dann, wenn dieser Titel für den Zeitraum vor Eintritt der Volljährigkeit auf Betreiben des Kindes abgeändert wird. Auch hier führt die Abänderung nicht dazu, dass der ursprüngliche Titel durch das Abänderungsurteil unwirksam wird. Vielmehr wird dann der ursprüngliche Parteiwille in der Ausgestaltung des Abänderungsurteils maßgebend (vgl. BGH NJW 1992, 365); gestaltet das Abänderungsurteil den ursprünglichen Parteiwillen aber für bestimmte Zeiträume nicht um, so bleibt insofern allein dieser in der Gestalt des Alttitels maßgebend. Etwas anderes mag dann gelten, wenn die Grundlagen eines rechtskräftigen Titels nicht mehr erkennbar sind und aufgrund dessen eine völlige Neufestsetzung des gesamten Unterhaltsanspruches ohne Bindung an die Grundlagen des ursprünglichen Titels stattfindet (vgl. hierzu Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 323 Rdnr. 41). Um eines solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht; vielmehr ergibt sich aus dem gerichtlichen Vergleich vom 27. April 1999 ohne weiteres, von welchen Annahmen die Parteien seinerzeit ausgingen.

III.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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