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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 17.01.2003
Aktenzeichen: 10 UF 789/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1565
BGB § 1566 Abs. 1
ZPO § 629 b
ZPO § 630
1. Eine Zurückverweisung gemäß § 629 b ZPO hat auch dann zu erfolgen, wenn die Parteien im Zusammenhang mit der Scheidung eine notarielle Vereinbarung über den Versorgungsausgleich getroffen haben, diese jedoch vom Familiengericht nicht genehmigt wurde.

2. Die Zurückverweisung nach § 629 b ZPO ist zwingend. Hiervon kann auch nicht im Einverständnis mit den Parteien abgewichen werden.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 10 UF 789/02

Verkündet am 17. Januar 2003

In der Familiensache

wegen Scheidung

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. Januar 2003 durch Richter Amtsgericht Sxxxxxxx als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Hainichen vom 26. September 2002 aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Berufungsverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

II. Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Der Antragsteller begehrt die Scheidung der am xxxxxxxxxxxx xxxx unter der Heiratsregister Nr. xx/xxxx vor dem Standesamt in xxxxx geschlossenen Ehe.

Die Parteien leben seit dem 13. März 2001 getrennt. Am 9. Juli 2001 hat der Antragsteller Scheidungsantrag gestellt. Mit Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung vom 25. Juni 2002 haben sich die Parteien über die elterliche Sorge, über den Ehegattenunterhalt sowie über den Versorgungsausgleich geeinigt. Unter Ziffer VI. a) dieser Vereinbarung erklären die Parteien, dass sie auch den Hausrat geteilt haben. Mit Urkunden des Landratsamts - Jugendamt - xxxxxxxxx vom 28. Januar 2002 haben sie des Weiteren den Unterhalt für die Kinder Jxxxx (geboren am xxxxxxxxxxxxxxxxxx) und Mxx (geboren am xxxxxxxxxxxxxxxx) geregelt. Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich dem Scheidungsantrag zugestimmt.

Mit Urteil vom 26. September 2002 hat das Amtsgericht den Scheidungsantrag des Antragstellers abgewiesen, weil eine Regelung über die Ehewohnung der Parteien fehle und eine Scheidung gemäß § 630 ZPO nicht erfolgen könne. Da zur Zerrüttung der Ehe nichts vorgetragen sei, könne die Scheidung auch nicht nach § 1565 Abs. 1 BGB vorgenommen werden. Die Trennung der Parteien allein genüge hierfür nicht.

Gegen die am 21. Oktober 2002 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 13. November 2002 beim Oberlandesgericht eingegangene Berufung, mit der der Antragsteller die Auffassung vertritt, unabhängig von der Vorschrift des § 630 ZPO sei die Ehe einverständlich gemäß § 1566 Abs. 1 BGB zu scheiden, weil die Antragsgegnerin dem Scheidungsantrag zugestimmt habe. Überdies habe er bereits erstinstanzlich auf alle Rechte an der Ehewohnung verzichtet. Dies sei aber fehlerhaft nicht ins Protokoll aufgenommen worden. Darüber sei die Ehe der Parteien auch gescheitert, weil keine Gemeinsamkeiten mehr bestünden und der Antragsteller in einer neuen Beziehung lebe.

Er beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Hainichen vom 26. September 2002 abzuändern und die am xxxxxxxxxxxxxxxxx vor dem Standesamt in xxxxx geschlossene Ehe der Parteien zu scheiden,

hilfsweise

das Urteil des Amtsgerichts vom 26. September 2002 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hainichen zurückzuverweisen.

Die nicht anwaltlich vertretene Antragsgegnerin hat keinen Antrag gestellt.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung war gem. § 612 Abs. 4 ZPO antragsgemäß aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch kontradiktorisches Sachurteil zu entscheiden (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juli 2002 - 10 UF 297/02). Die statthafte und zulässige Berufung des Antragstellers gemäß §§ 517, 518, 520 Abs. 2 ZPO führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zu einer Zurückverweisung an das Amtsgericht.

1.

In der Sache kann der Antragsteller die Scheidung der Ehe mit der Antragsgegnerin verlangen. Nach § 1565 Abs. 1, 2 BGB kann eine Ehe nach Ablauf der Mindesttrennungsdauer von einem Jahr geschieden werden, wenn sie gescheitert ist, was gemäß § 1566 Abs. 1 ZPO unwiderlegbar vermutet wird, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Um die Ehegatten vor einer übereilten einverständlichen Scheidung zu warnen, ordnet § 630 ZPO in Ergänzung hierzu an, dass sich die Parteien über die in § 630 Abs. 1 Nr. 2, 3 ZPO genannten Folgesachen einigen müssen, wenn ihnen die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB zugute kommen soll (vgl. Kammergericht, FamRZ 1994, 514; OLG Zweibrücken, FamRZ 1983, 1132; Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 630 Rdnr.2). Fehlt es an einer solchen Einigung hinsichtlich der dort genannten Punkte und ist ein vollstreckbarer Schuldtitel hierüber nicht errichtet worden, so müssen die Parteien dem Gericht die Überzeugung vermitteln, dass ihre Ehe gescheitert ist. Vorliegend sind im Anschluss an die Anhörung der Parteien gemäß § 613 ZPO sowohl die Voraussetzungen der §§ 1565 Abs. 1, 1566 Abs. 1 BGB als auch des § 1565 Abs. 1 BGB allein gegeben. Die von den Parteien bereits erstinstanzlich vorgelegten vollstreckbaren Urkunden enthalten eine Regelung zu allen in § 630 Abs. 1 ZPO aufgezählten Folgesachen mit Ausnahme der Ehewohnung. Der Antragsteller hat jedoch erklärt, dass die Ehegatten sich vertraglich über die Aufteilung von Ehewohnung und Hausrat geeinigt hätten und dass er insofern auf alle Rechte verzichtet habe. Er hat hierzu den Vertrag über die Übertragung eines hälftigen Anteils an einem Erbbaurecht vom 17. Juli 2001 (Urkundenrolle Nr. xxx des Notars Sxxxxx Nxxxxxxx) zu den Gerichtsakten gereicht. Die Antragsgegnerin ist diesem Vortrag nicht entgegengetreten sondern hat ihn - informatorisch angehört - bestätigt. Ein Vollstreckungstitel i.S.d. § 630 Abs. 1 Nr. 3 ZPO über die Ehewohnung ist aber dann entbehrlich, wenn die Ehegatten erklären, dass hierüber bereits vorab eine Einigung erzielt worden ist. Denn in diesem Fall ist nichts zu vollstrecken, was Gegenstand einer entsprechenden Urkunde sein könnte (vgl. Zöller, a.a.O., § 630 Rdnr. 12). Werden entsprechende Tatsachen durch die Parteien vorgetragen, so hat das Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht nach § 616 ZPO auf eine entsprechende Sachaufklärung hinzuwirken.

Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass die Ehe der Parteien i.S.d. § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB gescheitert ist, weil die Lebensgemeinschaft der Parteien nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen. Nach dem Vortrag des Antragstellers besteht zwischen den Parteien seit seinem Auszug am 13. März 2001 keine Lebensgemeinschaft mehr. Dies ist durch die Antragsgegnerin in der Anhörung vor dem Einzelrichter auch bestätigt worden. Es besteht auch keine begründete Erwartung, dass die Parteien, die zwischenzeitlich fast zwei Jahre getrennt leben, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder herstellen. Bereits die Dauer des Getrenntlebens wird als wesentliches Indiz für die Zerrüttung gewertet, dessen Beweiskraft mit zunehmender Trennungsdauer wächst (Senat, Urteil vom 11. Juli 2002 - 10 UF 297/02 -, Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1565 Rdnr. 27; BGH NJW 1981, 451). Als weiteres sicheres Anzeichen für die endgültige Zerrüttung der Ehe ist vorliegend die Tatsache anzusehen, dass sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin sich mittlerweile von der Ehe abgewandt haben und jeweils neue Partnerschaften eingegangen sind. Ein ernsthafter Zweifel an der Entschlossenheit beider Parteien, die Ehe aufzukündigen und nicht mehr in diese zurückzukehren, besteht daher nicht (vgl. Palandt/Brudermüller, 61. Aufl., § 1565 Rdnr. 4).

2.

Auch wenn mithin die Voraussetzungen für eine Ehescheidung gegeben sind, so kann diese doch durch den Senat nicht selbst vorgenommen werden. Nach § 629b Abs. 1 ZPO ist die Sache vielmehr an das Gericht zurückzuverweisen, das die Abweisung ausgesprochen hat, wenn bei diesem Gericht eine Folgesache zur Entscheidung ansteht. Dies ist vorliegend der Fall. Zwar haben sich die Parteien in der notariellen Urkunde vom 25. Juni 2002 über die Folgesachen geeinigt, hierbei jedoch auch den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Eine solche Vereinbarung bedarf jedoch gemäß § 1587o Abs. 2 Satz 3 BGB der Genehmigung des Familiengerichts, die bislang noch nicht erfolgt ist. Da der Wertausgleich von Versorgungsanwartschaften von Amts wegen zu regeln ist, steht er auch dann beim Familiengericht zur Entscheidung i.S.d. § 629b ZPO an, wenn dieses wegen dieser Folgesache kein Verfahren eingeleitet, sondern den Scheidungsantrag von vorneherein abgewiesen hatte (Zöller-Philippi, a.a.O., § 629b Rdnr. 3 m.w.N.). Gleiches gilt, wenn die Parteien den Versorgungsausgleich gem. § 1587o BGB geregelt haben, das Familiengericht jedoch wegen der Abweisung des Scheidungsantrages von der erforderlichen Genehmigung abgesehen hat. Auch hier bleibt der Versorgungsausgleich bis zu einer gerichtlichen Entscheidung in der Schwebe (vgl. Stein-Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 629b Rn 3).

Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten, dass in den Fällen von einer Zurückverweisung abgesehen werden kann, in denen der Zweck des § 629b ZPO, den Verbund wieder herzustellen und den Parteien für die Folgesachen keine Instanz zu nehmen, nicht zutrifft. Dies sei dann der Fall, wenn beide Parteien mit einer Entscheidung des Berufungsgerichts einverstanden seien und der Sachverhalt so vollständig geklärt sei, dass ihnen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz kein Nachteil entstehen könne (vgl. OLG Oldenburg, FamRZ 1988, 1528; OLG Karlsruhe, FamRZ 1984, 57; MünchKomm-Klauser, ZPO, 2. Aufl., § 629b Rdnr.8, 9; Stein-Jonas, aaO., § 629 Rdnr. 1; andere Auffassung: Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 61. Aufl., § 629b Rdnr. 2; offen gelassen in Zöller-Philippi, aaO., § 629b Rn 1). Diese Auffassung begegnet jedoch bereits deswegen Bedenken, weil bei Abweisung des Scheidungsantrages die Folgesachen gemäß § 629 Abs. 3 ZPO gegenstandslos werden und bei einer Berufung gegen das Scheidungsurteil nicht in die nächsthöhere Instanz gelangen, weil über sie in der unteren Instanz nicht entschieden worden ist. Sie verstößt überdies gegen den klaren Wortlaut des § 629b ZPO. Im vorliegenden Fall hätte die Antragsgegnerin zudem ihr Einverständnis mit einer Entscheidung über den Versorgungsausgleich durch das Berufungsgericht auch deswegen nicht erklären können, weil es sich hierbei um eine Prozesshandlung, d.h. eine den Prozessablauf gestaltende oder bestimmende Handlung einer Partei gehandelt hätte, die vor dem Oberlandesgericht allein durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden kann.

Bei dieser Sachlage ist es dem Senat verwehrt, selbst den Ausschluss des Versorgungsausgleiches zu genehmigen und die Scheidung auszusprechen. Hierzu bleibt vielmehr das Familiengericht berufen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu befinden haben wird.

3.

Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden gemäß § 8 GKG nicht erhoben.

Ende der Entscheidung

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