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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 17.01.2003
Aktenzeichen: 10 WF 3/03
Rechtsgebiete: BGB, FGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1797
BGB § 1909
FGG § 6
FGG § 37
FGG § 50
ZPO § 42
1. Dem neben einem Verfahrenspfleger für Teilbereiche der elterlichen Sorge über ein minderjähriges Kind bestellten Ergänzungspfleger kommt kein eigenes Recht auf Ablehnung des Richters zu. Er ist auch nicht befugt, im Namen des Kindes einen Ablehnungsantrag zu stellen.

2. Der Gegenstandswert für Ablehnungsgesuche entspricht dem Wert des zugrundeliegenden Rechtsstreits.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 10. Zivilsenats - Familiensenat -

Aktenzeichen: 10 WF 3/03

vom 17. Januar 2003

In der Familiensache

wegen elterlicher Sorge hier: Befangenheitsantrag

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden am 17. Januar 2003 durch Richter am Amtsgericht Sxxxxxxx als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Ergänzungspflegerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 19. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

1.

In einem Verfahren über den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das Kind Lxxxx Sxxxxxx, geboren am xxxxxxxxxxxxxx, des Rechts der Gesundheitssorge und des Rechts, Anträge nach dem SGB VIII zu stellen, wurde die Beschwerdeführerin mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 8. Juni 2000 zur Ergänzungspflegerin gemäß § 1909 BGB bestellt. Mit Beschluss vom 3. November 2000 wurde Frau Rechtsanwältin Bxxxxxxx als Verfahrenspflegerin für Lxxxx bestellt. In der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts vom 27. November 2002 beanstandete die Ergänzungspflegerin, ein eingeholtes psychologisches Gutachten sei ihr nicht übermittelt worden, zudem habe sie keine Schriftsätze erhalten und das Verfahren sei mit erheblicher Verzögerung geführt worden. Schließlich sei das Jugendamt nicht geladen und sie selbst über die Kindesanhörung nicht informiert worden. Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2002 lehnte sie die zuständige Richterin am Amtsgericht Bxxxxxx wegen Besorgnis der Befangenheit ab, weil die Richterin es abgelehnt habe, sich zu ihren Beanstandungen zu äußern.

Mit Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 19. Dezember 2002 wurde der Befangenheitsantrag als unzulässig abgewiesen, weil der Ergänzungspflegerin lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrechts, die Gesundheitssorge sowie das Recht, Anträge nach dem SGB VIII zu stellen, übertragen worden sei. Einen Befangenheitsantrag könne im konkreten Verfahren nur die Verfahrenspflegerin stellen, die dies jedoch nicht getan habe.

Gegen den ihr am 21. Dezember 2002 zugestellten Beschluss hat die Ergänzungspflegerin am 2. Januar 2003 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, in einem familiengerichtlichen Verfahren, das sich mit der Regelung der elterlichen Sorge befasse und somit auch die Tätigkeitsbereiche des Ergänzungspflegers tangiere, sei dieser gleichberechtigt am Verfahren zu beteiligen. Aus diesem Grund sei ihm ein eigenständiges Beschwerderecht einzuräumen.

2.

Die Beschwerde ist gemäß § 46 Abs. 2 i.V.m. §§ 567 ff. ZPO zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben worden. Der Durchführung eines Abhilfeverfahrens gemäß § 572 Abs. 1 ZPO bedurfte es vorliegend nicht. Zwar schreibt § 572 Abs. 1 ZPO für das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, eine solche Abhilfe vor. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist aber nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren; das Beschwerdegericht kann daher auch bei fehlendem Abhilfeverfahren selbst in der Sache entscheiden (Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 572 Rdnr. 4). Dies ist insbesondere dann sachgerecht, wenn bereits nach Aktenlage ersichtlich ist, dass das Ausgangsgericht von seiner Entscheidung nicht abweichen wird. In einem solchen Fall würde sich die Rückgabe der Akten zur Abhilfeentscheidung als reine Förmelei darstellen.

In der Sache bleibt die Beschwerde jedoch ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat zutreffend ein Ablehnungsrecht der Beschwerdeführerin verneint.

Ausweislich des Beschlusses vom 8. Juni 2000 ist die Beschwerdeführerin zur Ergänzungspflegerin gemäß §§ 1909 BGB, 37 FGG bestellt worden. Eine solche Bestellung eines Ergänzungspflegers führt dazu, dass der Pfleger an die Stelle der Eltern oder des Vormunds tritt und die angeordnete Pflegschaft im Umfang ihrer Anordnung die elterliche Sorge verdrängt. Der Wirkungskreis des Pflegers wird allein durch das Gericht im Rahmen der Bestellung nach § 1789 BGB entsprechend dem hervorgetretenen Fürsorgebedürfnis bestimmt; im Zweifel entscheidet über Art und Umfang der Vertretung und Handlungsmacht des Pflegers die Natur der übertragenen Aufgabe (Müko-Schwab, BGB 2. Auflage vor § 1909 Rdnr. 4; Palandt-Diederichsen, BGB, 62. Auflage vor § 1909 Rdnr. 6 m.w.N.). Vorliegend gehört die gerichtliche Wahrnehmung der Interessen des Kindes Lxxxx Sxxxxxx ausweislich des Bestellungsbeschlusses vom 8. Juli 2000 nicht zu den Aufgaben der Beschwerdeführerin. Durch Beschluss vom 3. November 2000 wurde vielmehr Rechtsanwältin Bxxxxxxx zur Verfahrenspflegerin gemäß § 50 FGG bestellt. Zu den Aufgaben eines nach § 50 FGG bestellten Verfahrenspflegers gehört es aber, die Stellung des Kindes als Rechtssubjekt im Verfahren insoweit zur Geltung zu bringen, als dies von einem Sorgeberechtigten nicht erwartet werden kann. Allein dem Verfahrenspfleger obliegt es mithin, die Kindesinteressen in das Verfahren einzubringen, er ist gleichsam "Sprachrohr" des Kindes im Verfahren (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 28. Juni 2002, OLG-NL 2002, 269; Beschluss vom 23. Mai 2000 - 10 WF 253/02 -; OLG Schleswig-Holstein, OLGR 2000, 177 [179]). Ist - wie vorliegend - einem minderjährigen Kind sowohl ein Verfahrenspfleger gemäß § 50 FGG als auch ein Ergänzungspfleger gemäß §§ 1909 BGB, 37 FGG bestellt worden, so hat dies nicht zur Folge, dass sich die beiderseitigen Aufgabenbereiche überschneiden. Entsprechend § 1797 Abs. 2 Satz 2 BGB, der auch auf die Bestellung mehrerer Mitpfleger analog § 1775 BGB Anwendung findet (vgl. insoweit Müko-Schwab, a.a.O. vor § 1909 Rdnr. 4), ist vielmehr davon auszugehen, dass innerhalb des ihm überwiesenen Wirkungskreises jeder Pfleger selbständig handelt. Die Zuteilung eines derartigen Wirkungskreises an einen Mitpfleger gemäß § 1797 Abs. 2 BGB analog hat zur Folge, dass er in diesem Bereich das Amt als Einzelpfleger führt und ihm die alleinige Vertretungsmacht zukommt. Auch ergibt sich keine Aufsichtspflicht eines Mitpflegers über die Amtsführung des anderen in dessen ausschließlichen Geschäftsbereich. Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitpflegern sind irrelevant, soweit sie den dem jeweils anderen Teil zugewiesenen Wirkungskreis allein betreffen (vgl. Müko-Wagenitz, § 1797 Rdnr.16, 17 m.w.N.). Auf den vorliegenden Fall angewendet, bedeutet dies, dass nur der Verfahrenspflegerin die Befugnis zukommt, im gerichtlichen Verfahren Anträge zu stellen. Die Beschwerdeführerin ist hingegen nicht Beteiligte im formellen oder prozessualen Sinn, da sie keine Verfahrensrechte des betroffenen Kindes wahrnimmt. Daran ändert auch nichts, dass sie durch eine Anregung nach § 1666 BGB das vorliegende Amtsverfahren in Gang gebracht hat (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl., § 6 Rdnr. 18). Mangels einer formellen Beteiligung am Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit über den Entzug der elterlichen Sorge steht ihr auch kein Ablehnungsrecht nach §§ 6 FGG, 42 ZPO zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 1957 KV-GKG. Die Festsetzung des Gegenstandswertes folgt aus § 12 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 6 ZPO. Hierbei ist der Senat davon ausgegangen, dass der Gegenstandswert für Ablehnungsgesuche dem Wert des zugrunde liegenden Rechtsstreits entspricht (so auch OLG Brandenburg, OLGR 1999, 469; BGH NJW 1968, 769, Hartmann, a.a.O., Anhang I § 12 GKG - § 3 ZPO - Rz. 10 m.w.N.; Zöller-Herget, ZPO, 23. Aufl., § 3 Rz. 16 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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