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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 10.01.2003
Aktenzeichen: 10 WF 783/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 620c
ZPO § 621g
BGB § 1666
BGB § 1666a
1. Der einstweilige Ausschluss des Umgangsrechts kann nicht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.

2. Vollzogene amtsgerichtliche Eilentscheidungen über die elterliche Sorge können nur ausnahmsweise im Beschwerdeverfahren aufgehoben werden. Dies gilt auch dann, wenn beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht vorläufig entzogen und eine Pflegschaft des Jugendamts angeordnet wird.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 10. Zivilsenats - Familiensenat -

Aktenzeichen: 10 WF 783/02

vom 10. Januar 2003

In der Familiensache

wegen elterlicher Sorge

hier: Einstweiliger Anordnung Aufenthaltsbestimmung

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden am 10. Januar 2003 durch Richter am Amtsgericht Sxxxxxxx als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

I. Die Beschwerde der Eltern gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Dresden vom 17. Dezember 2002 wird bezüglich der Regelungen in Ziffer 1 und 2 des Beschlusses (Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts der Gesundheitssorge sowie Anordnung der Amtspflegschaft) zurückgewiesen, bezüglich der Regelung in Ziffer 3 (einstweiliger Ausschluss des Umgangsrechts für den Kindesvater) verworfen.

II. Die Eltern tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Den Eltern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht bewilligt.

IV. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

1.

Auf den Antrag der xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx - Jugendamt - vom 5. Dezember 2002 hat das Amtsgericht Dresden mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Dezember 2002 den Beschwerdeführern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitssorge für das betroffene minderjährige Kind Kxxxxxxx, geboren am xxxxxxxxxxxxxxxxx, einstweilen entzogen und insoweit Amtspflegschaft angeordnet. Zugleich hat es den persönlichen Umgang des Kindesvaters mit dem betroffenen Kind einstweilen ausgeschlossen. Zur Begründung hat es nach mündlicher Verhandlung und Anhörung der Eltern, der Vertreter des Jugendamtes, der Familienhelferin und der Verfahrenspflegerin sowie nach Anhörung des betroffenen Kindes ausgeführt, die vorläufige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei erforderlich, um Gefahren für das Wohl des betroffenen Kindes abzuwenden. Das Kind habe in der Anhörung berichtet, es werde von dem Kindesvater geschlagen und unter Druck gesetzt. Dies habe auch die Familienhelferin bestätigt, die ausgesagt habe, sie habe bei dem Kind ein angstgesteuertes Verhalten bemerkt. Bei der Abwägung sei des Weiteren die mangelnde Bereitschaft des Vaters zu berücksichtigen, die seit längerem andauernde Familienhilfe mitzutragen. Dieser habe zudem nach den glaubhaften Aussagen der Horterzieherin das Kind massiv bedroht und unter Druck gesetzt. Noch nicht hinreichend geklärt sei, inwiefern das betroffene Kind dazu benutzt worden sei, Bilder mit kinder- und jugendgefährdendem Inhalt anzufertigen. Dies liege aber in jedem Fall nicht fern.

Hiergegen wendet sich die am 23. Dezember 2002 beim Oberlandesgericht eingegangene Beschwerde, mit der die Eltern geltend machen, eine Gefährdung des Kindeswohls, die eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts sowie des Rechts der Gesundheitssorge und einen Ausschluss des Umgangskontakts des Vaters mit Kxxxxxxx rechtfertigen könnte, lägen nicht vor. Die Darstellungen des Kindes zu einer Bedrohung durch den Kindesvater seien nicht zutreffend und lediglich durch die Erwartungshaltung von Mitarbeitern des Jugendamtes hervorgerufen worden. Tatsächlich sei es so, dass der Kindesvater Kxxxxxxx seit mindestens zwei Jahren nicht mehr geschlagen habe. Die Eltern seien zudem bereit, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen und sich um das Kind zu kümmern. Dieses sei auch nicht isoliert, sondern habe mehrere Freundinnen in seinem Wohnumfeld. Auslöser für den Antrag des Jugendamtes seien wohl vielmehr Konflikte des Vaters mit einigen dortigen Mitarbeitern.

2.

a) Die sofortige Beschwerde der Eltern ist insofern unstatthaft, als sie sich gegen die in Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses ausgesprochene einstweilige Einschränkung des Umgangsrechtes richtet. Nach § 621g ZPO ist zwar auch im Rahmen eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens über die Entziehung der elterlichen Sorge wegen Gefährdung des Kindeswohles nach den §§ 1666, 1666a BGB der Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zu einer endgültigen Entscheidung möglich. Gemäß § 621 Abs. 1 Satz 2 ZPO finden jedoch die §§ 620a bis 620g ZPO entsprechende Anwendung. Nach § 620c ZPO sind aber allein einstweilige Anordnungen betreffend die elterliche Sorge, die Herausgabe des Kindes an einen Elternteil, eine Entscheidung über einen Antrag nach den §§ 1, 2 des Gewaltschutzgesetzes oder über einen Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Obwohl die Befugnis zum Umgang mit dem Kind ein Rest der elterlichen Sorge ist, unterscheidet § 620 ZPO zwischen Sorge und Umgang. Das Umgangsrecht ist kein Teilbereich der elterlichen Sorge i.S.d. § 620c (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 1986, 182; OLG Hamburg, FamRZ 1987, 497; Zöller-Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 620c Rdnr. 4). Die Anfechtung einer einstweiligen Anordnung betreffend das Umgangsrecht ist mithin nicht möglich.

b) Soweit sich die Beschwerde gegen die einstweilige Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts der Gesundheitsvorsorge richtet, ist sie statthaft und auch b) gemäß §§ 621g, 620c ZPO zulässig, insbesondere fristgemäß erhoben. Zwar hat das Amtsgericht infolge der Beschwerdeeinlegung beim Oberlandesgericht nicht gemäß §§ 621g, 572 ZPO über eine Abhilfe entschieden; die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist aber nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren, so dass das Beschwerdegericht auch bei fehlendem Abhilfeverfahren selbst in der Sache entscheiden kann, insbesondere wenn diese dringlich ist (Zöller-Gummer, a.a.O., § 572 Rdnr. 1). Dies gilt vorliegend auch deswegen, weil die Beschwerde lediglich erstinstanzlich bereits erhobenes Vorbringen wiederholt, das dem Amtsgericht bei seiner Entscheidung bereits bekannt war. Eine Zurückgabe der Beschwerde an das Amtsgericht zur Entscheidung über eine Abhilfe würde sich bei dieser Sachlage als bloße Förmelei darstellen.

Die Beschwerde bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass vollzogene amtsgerichtliche Eilentscheidungen zur elterlichen Sorge, die - wie vorliegend - nach Anhörung aller Verfahrensbeteiligten und nach Einschaltung der Jugendämter, in vorliegendem Fall sogar nach Bestellung eines Verfahrenspflegers, ergangen sind, im Beschwerdeverfahren nur dann abgeändert werden dürfen, wenn die Beschwerde Umstände aufzeigt und glaubhaft macht, aus denen sich für den verbleibenden Zeitraum bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder die Gefahr sonstiger schwerwiegender Unzulänglichkeiten für dessen Versorgung ableiten lassen. Denn eine Abänderung einer einstweiligen Anordnung zur Regelung des Aufenthalts im Beschwerdeverfahren entspricht in der Regel nicht dem Wohl des betroffenen Kindes: Diesem ist ein mehrfacher Wechsel zwischen den Eltern nicht zuzumuten (Senat, Beschluss vom 26. November 2002 - 10 WF 650/02 -; Beschluss vom 25. Mai 2001 - 10 WF 252/01 -: ebenso OLG Köln NJW 1999, 234; OLG Brandenburg, FamRZ 1998, 1249). Dies gilt in gleicher Weise, wenn der angefochtene Beschluss die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gegenüber beiden Elternteilen sowie die Amtspflegschaft des zuständigen Jugendamtes anordnet. Auch in einem solchen Fall hat sich das Kind auf die Unterbringung in der Betreuungseinrichtung eingestellt und sich in der Regel mit der vorläufigen Trennung von seinen Eltern abgefunden. Es ist ihm auch in einem solchen Fall nicht zuzumuten, sich für den in der Regel kurzen Zeitraum bis zum Erlass einer Entscheidung in der Hauptsache wiederum auf eine Veränderung einzustellen und das geschützte Umfeld der Betreuungseinrichtung zu verlassen.

Schwerwiegende Gründe, die bei einem Verbleib in der Betreuungseinrichtung eine Gefährdung des Kindeswohls befürchten lassen würden, zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens, insbesondere in der Behauptung, die Aussagen des Kindes gegenüber Lehrerinnen und Horterzieherinnen, es sei durch den Vater geschlagen und bedroht worden, seien gelogen und das Kind sei zu Hause besser aufgehoben. Auf der Grundlage der vom Amtsgericht eingeholten Stellungnahmen des Jugendamtes, der Verfahrenspflegerin und der Familienhelferin ergibt sich jedoch ein anderes Bild, das die Prognose rechtfertigt, dass bei einem Nichteingreifen des Gerichts das Wohl von Kxxxxxxx beeinträchtigt worden wäre (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1666 Rdnr. 16; Senat, Beschluss vom 16. Juli 2002 - 10 WF 329/02 -). Aus dem Bericht der Verfahrenspflegerin ergibt sich, dass sich die Situation von Kxxxxxxx im Anschluss an den Schuleintritt im Sommer 2002 bedeutend verschlechtert hat, weil das Kind von sozialen Kontakten isoliert wird und es zu gewaltsamen Übergriffen des Vaters kommt. Die Verfahrenspflegerin gelangt in ihrer Stellungnahme vom 10. Dezember 2002 zu dem Ergebnis, bei einem Verbleib des Kindes in der Elternwohnung sei eine massive Bedrohung des Kindeswohles zu befürchten. Auch die Familienhelferin Kxxxxxx hat in der Anhörung vor dem Amtsgericht von einem angstbesetzten Verhalten des Kindes und Konflikten mit dem Vater berichtet. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die vom Amtsgericht vorgenommene Anhörung des Kindes, das ebenfalls ausgesagt hat, es werde von seinem Vater geschlagen und dürfe nachmittags das Haus nicht verlassen.

Für den verbleibenden Zeitraum bis zur abschließenden Klärung im Hauptsacheverfahren ist auf dieser Grundlage nicht ersichtlich, dass die Aufhebung der getroffenen Entscheidung aus Gründen der Gefährdung des Wohls des Kindes erforderlich ist. Im Gegenteil hat das Kind in seiner Anhörung ausgesagt, es fühle sich im Pflegeheim wohl und werde dort vor seinem Vater beschützt. Unabhängig von diesen Umständen erscheint eine Aufhebung des angefochtenen Beschlusses aber auch deswegen nicht angezeigt, weil das Amtsgericht bereits für den 20. Januar 2003 einen Termin im Hauptsacheverfahren angesetzt hat, in dessen Anschluss mit einer endgültigen Entscheidung gerechnet werden kann.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Bestimmung geht dem in § 621g Satz 2 ZPO in Bezug genommenen § 620g ZPO vor (Senat, Beschluss vom 26. November 2002 - 10 WF 650/02 -; Zöller-Philippi, a.a.O., § 620g Rdnr.8). Für eine Kostenentscheidung gemäß §§ 13a FGG oder § 131 KostO und ein Absehen von der Erhebung von Gerichtskosten ist hiernach kein Raum. Die Festsetzung des Beschwerdewertes findet ihre Grundlage in § 8 Abs. 3 Satz 1 BRAGO analog.

4.

Prozesskostenhilfe für die Beschwerde kann den Eltern bereits deswegen nicht bewilligt werden, weil das Rechtsmittel nach den o.a. Ausführungen ohne hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO war. Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer entgegen ihrer Ankündigung bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens die Unterlagen für die ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingereicht.

Ende der Entscheidung

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