Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 16.04.2003
Aktenzeichen: 11 U 1633/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 631
BGB § 632
1. Im Architektenvertrag ist keine Kostenobergrenze, sondern nur ein Kostenrahmen vereinbart, wenn der Bauherr während der Planungsphase wechselnde Kostenvorgaben macht, ohne sich auf eine davon festzulegen (hier: zwischen 1,2 Mio DM netto und brutto).

2. Bei Altbausanierung verletzt eine Überschreitung der Obergrenze des Kostenrahmens von 31 % noch nicht die Vertragspflicht des Architekten.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 U 1633/02

Verkündet am 16.04.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Architektenhonorars

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2003 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Oberlandesgericht und Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24.07.2002 - Az.: 16 O 1648/99 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.752,03 EUR nebst 4 % Zinsen p.a. hieraus seit dem 28.12.1998 zu bezahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 8 % und der Beklagte 92 %.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des jeweils beizutragenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung seitens des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 66.137,86 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Bezahlung von Architektenhonorar in Anspruch.

Die Parteien waren durch einen Architektenvertrag über Umbau und Modernisierung des Hintergebäudes im Grundstück L. in Dresden miteinander verbunden, wonach die Klägerin insbesondere die Leistungsphasen 1 bis 8 des § 15 HOAI zu erbringen hatte. Als Vergütung waren die Mittelsätze der HOAI vereinbart. Die Vertragsurkunde trägt das Datum vom 08.01.1996, der Beklagte hat aber unstreitig erst am 06.05.1996 unterzeichnet.

Ein Teil der geschuldeten Leistung, und zwar die Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 HOAI wurde von der Klägerin erbracht und am 16.12.1996 die Baugenehmigung erteilt. In der Folge kündigte der Beklagte das Vertragsverhältnis. Die Kündigung begründete er u.a. damit, dass die Klägerin die vereinbarte Kostenobergrenze nicht eingehalten habe.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin ihr nach den HOAI-Mittelsätzen berechnetes Honorar geltend gemacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten.

Wegen des der vorliegenden Entscheidung im Übrigen zu Grunde liegenden Tatbestands nimmt der Senat gemäß § 541 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug.

II.

Die zulässige Berufung ist nur zu einem geringen Teil erfolgreich.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus §§ 631 Abs. 1, 632 Abs. 2, 649 Satz 2 BGB i.V.m. §§ 1 ff. HOAI Anspruch auf Architektenhonorar in Höhe von 60.752,03 EUR.

1. Eine Baukostenobergrenze ist zwischen den Parteien nicht vereinbart worden, allenfalls ein Kostenrahmen als Orientierung.

a) Kostenvorgaben spielen bei Architektenverträgen vielfach eine Rolle. Dabei ist stets die Frage nach deren Verbindlichkeitsgrad zu beantworten (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 1776). Vorliegend ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass die Parteien keine feste Obergrenze vereinbart hatten, sondern allenfalls einen orientierenden Kostenrahmen, der innerhalb bestimmter Grenzen überschritten werden darf (a.a.O., Rn. 1786 ff.).

b) Am ehesten deuten auf eine Kostenvorgabe durch den Beklagten dessen Schreiben vom 24.04.1996 und 06.05.1996 (Anlagen B 19 und B 21; Bl. 339, 341 dA) hin. Dort kommt recht deutlich zum Ausdruck, dass für das Bauvorhaben nur 1,2 Mio. DM zur Verfügung stünden. Zwischen den Parteien ist aber streitig, ob der Klägerin die beiden Schreiben zugegangen sind. Das kann allerdings auf sich beruhen, weil selbst bei Erhalt der Schreiben durch die Klägerin auf Grund der Gesamtumstände die Vereinbarung einer Kostenobergrenze nicht sicher wäre. Zum ersten fragt sich bereits, warum der Beklagte die Kostenobergrenze nicht in den Vertrag selbst aufgenommen hat, wenn sie ihm so wichtig war. Dies gilt umso mehr, als das Begleitschreiben B 21 von ihm nicht unterzeichnet und wohl nicht einmal formuliert worden ist, denn der Text gibt die Dinge aus der Sicht der Sekretärin wieder.

c) Über die Anlagen B 19 und B 21 hinaus gibt es keine weiteren schriftlichen Forderungen des Beklagten nach Einhaltung einer Kostengrenze. Das spricht dafür, dass ihm dieser Punkt nicht so wichtig gewesen sein kann. Andernfalls hätte es nahegelegen, etwa bei der Beratung vom 18.09.1996 darauf zu bestehen, dass die Forderung, die Kostenobergrenze einzuhalten, in das umfangreiche Protokoll aufgenommen wird (vgl. Anlage K 21). Was die Zeugen betrifft, hat nur der Zeuge S. Angaben in Richtung einer Kostenvorgabe gemacht. Er hat aber lediglich ausgesagt, dass über Kosten im Bereich von 1,2 Mio. DM bis 1,3 Mio. DM gesprochen worden sei, ohne zum Verbindlichkeitsgrad dieser Vorgaben etwas sagen zu können (Protokoll vom 13.10.2000, S. 3 f., Bl. 264 f. dA).

Auch das Anschreiben der Klägerin zur Kostenschätzung vom 30.05.1996 (Anl. B 3) besagt nicht viel. Die Klägerin schreibt dort zwar, dass sie es auf Grund der anstehenden Kosten für dringend nötig halte, über den Umbau im Gaststätten- und Hofbereich zu sprechen. Das muss aber nicht auf eine Kostenvorgabe hinweisen. Vielmehr kann auch die Erklärung der Klägerin zutreffend sein, dass ihr das Preis-/Leistungsverhältnis (Preis pro Quadratmeter oder pro Kubikmeter umbauten Raums) zu ungünstig vorgekommen sei (Schriftsatz vom 07.10.1999, S. 11, Bl. 78 dA).

d) Ganz entscheidend gegen eine verbindliche Kostenobergrenze spricht nach Auffassung des Senats auch der Umstand, dass der Beklagte widersprüchlich dazu vorträgt, wo diese zu ziehen gewesen sein soll. Im Schreiben vom 24.04.1996 waren 1,2 Mio. DM brutto vorgegeben. In der Kündigung vom 07.03.1997 (Anl. K 2, S. 3) ist von 1,2 Mio. DM netto die Rede, ebenso in der Klageerwiderung (S. 3, Bl. 32 dA). Nunmehr spricht der Beklagte auch von einem Kostenrahmen von 1 Mio. DM bis 1,3 Mio. DM (Berufungsbegründung S. 5, Bl. 371 dA).

Die Vorgaben bewegen sich damit in einer Spanne von ca. 300.000,00 DM (1,2 Mio. DM brutto bis 1,3 Mio. DM netto). Das spricht erheblich für einen lediglich orientierenden Kostenrahmen und nicht dafür, dass die Klägerin keine Mark mehr verplanen dürfen sollte, als ihr vorgegeben war.

Darüber hinaus hat sich der Beklagte die Leistungen der Klägerin, gerechnet von der ersten Kostenschätzung vom 30.05.1996 an (Anl. B 3), ca. neun Monate lang gefallen lassen, nämlich bis zur Kündigung mit Schreiben vom 07.03.1997 (Anl. K 2). Schriftliche Beanstandungen im Hinblick auf die Kosten gibt es nicht. Der Beklagte beschwert sich jetzt zwar vor allem über die seiner Meinung nach viel zu hohe Kostenschätzung vom 24.08.1996 (Anl. B 4). In der Chronologie der schriftlichen Unterlagen folgt darauf indessen nur seine Aufforderung an die Klägerin vom 06.09.1996, nunmehr endlich die Baugenehmigung zu beantragen (Anl. K 16).

2. Soweit zwischen den Parteien ein orientierender Kostenrahmen vereinbart worden ist, hat die Klägerin diesen eingehalten.

Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist die letzte erfolgte Kostenermittlung, weil diese den genauesten Aufschluss darüber gibt, welche Kosten bei vollständiger Durchführung des Vertrages entstanden wären. Die letzte Kostenermittlung ist die Kostenberechnung vom 18.12.1996, die auch der Schlussrechnung zu Grunde liegt und die der Sachverständige Prof. Dr. M. in seinem Gerichtsgutachten vom 21.02.2002 (in Bezug auf die anrechenbaren Kosten) für in Ordnung befunden hat. Die Gesamtbaukosten betragen nach der Kostenberechnung 1.824.226,00 DM. Bei einer Vorgabe von 1.200.000,00 DM netto = 1.392.000,00 DM brutto sind das ca. 131 %. Da es sich hier um einen Umbau (also keinen Neubau) in einem relativ frühen Planungsstadium handelt, liegt die Abweichung noch im Toleranzbereich (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn. 1790). Hier kommt noch hinzu, dass sich der Beklagte - wohl weil er die Preisansätze der Klägerin für überhöht hielt - deren Einsparungsvorschlägen weitgehend verschlossen hat (vgl. Zeugenaussage Sch , Bl. 268 dA).

3. Der Beklagte hat das Vertragsverhältnis gekündigt mit der Folge, dass die Klägerin gemäß § 649 Satz 2 BGB ihre volle Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen beanspruchen kann.

Im Schreiben des Beklagten vom 31.10.1996 (Anl. B 1) liegt allerdings noch keine Kündigung, sondern lediglich ein Angebot auf unentgeltliche Vertragsaufhebung. Die Klägerin hat hierauf mit Schreiben vom 04.11.1996 (Anl. B 2) geantwortet, sie nehme die Kündigung zur Kenntnis und werde in den nächsten Tagen schlussabrechnen. Damit hat sie sich Ansprüche wegen der noch offenen Leistungen vorbehalten und damit das Angebot des Beklagten nicht angenommen. Dass dieser den Vertrag auf jeden Fall beenden und daher notfalls auch nicht erbrachte Leistungen bezahlen wollte, ist nicht ersichtlich. Darüber hinaus haben die Parteien ihre Zusammenarbeit noch bis in den Februar 1997 fortgesetzt (vgl. Anl. K 23, K 24; Bl. 172 f. dA). Auch daran wird deutlich, dass das Schreiben vom 31.10.1996 keine Kündigung gewesen ist.

Eine solche liegt daher erst in dem Schreiben des Beklagten vom 07.03.1997 (Anl. K 2). Die dort angegebenen wichtigen Gründe für die Kündigung lagen allerdings nicht vor. Eine Baukostenobergrenze war - wie dargelegt - nicht vereinbart. Soweit der Klägerin ein Kostenrahmen zur Orientierung vorgegeben war, hat sie diesen eingehalten. Was den Vorwurf der schleppenden Bearbeitung der Sache betrifft, hat das Landgericht diesen zutreffend als nicht durchgreifend erachtet (Landgerichtsurteil S. 12 f.). Der Beklagte hat das nicht angegriffen.

Fehlt es danach an einem wichtigen Grund für die Kündigung des Beklagten, ist diese als freie Kündigung anzusehen und die Klägerin kann für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen Vergütung verlangen.

4. Die Abrechnung der Klägerin (Anl. K 3) ist prüffähig (§ 8 Abs. 1 HOAI). Dass anstelle der Mittelsätze gemäß § 16 HOAI nur die Mindestsätze abgerechnet werden können (nachstehend Nr. 6), berührt nicht die Prüffähigkeit, sondern nur die Richtigkeit der Rechnung.

5. Im Hinblick auf die Höhe des Gebührensatzes ist von Bedeutung, dass der Vertrag der Parteien zwar auf den 08.01.1996 datiert ist, unstreitig aber erst am 06.05.1996 vom Beklagten unterzeichnet wurde. Damit ist erst zu diesem Zeitpunkt die nach § 4 Abs. 1 HOAI für die Vereinbarung der Mittelsätze erforderliche schriftliche Vereinbarung getroffen worden. Die Vereinbarung ist daher unwirksam, weil sie bereits bei Auftragserteilung hätte erfolgen müssen, § 4 Abs. 1, 4 HOAI, und der Auftrag bereits Anfang 1996 erteilt worden ist.

Die Klägerin kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Vertrag tatsächlich erst im Mai 1996 geschlossen worden sei, vorher habe sie lediglich als besondere Leistung eine Bauvoranfrage für den Beklagten eingereicht. Die Klägerin hat in erster Instanz in Erwiderung auf den Verschleppungsvorwurf seitens des Beklagten umfangreich zu den Aktivitäten vorgetragen, die sie bereits Anfang des Jahres 1996 für diesen entfaltet habe (Schriftsatz vom 07.10.1999, S. 7 ff., Bl. 74 ff. dA). Unter diesen Umständen kann sie nicht mit Erfolg geltend machen, der Vertrag der Parteien sei erst im Mai 1996 zu Stande gekommen. Zudem hat sie selbst die Rückdatierung veranlasst (vgl. Anl. B 18, Bl. 338 dA) und damit offenbar das Anliegen verfolgt, ihre bereits erbrachten Leistungen durch einen schriftlichen Vertrag abzusichern.

6. Das Honorar der Klägerin bemisst sich danach gemäß § 4 Abs. 4 HOAI nach den Mindestsätzen des § 16 HOAI wie folgt:

anrechenbare Kosten: 1.581.874,00 DM Honorar für 1 Mio. DM: 87.770,00 DM Honorar für 2 Mio DM: 157.990,00 DM Differenz: 70.220,00 DM

Honorar für 1.581.874,00 DM durch Interpolation:

87.770,00 DM + 70.220,00 DM x 581.874,00 DM = 128.629,19 DM 1.000.000,00 DM

erbrachte Leistungen:

Phase 1 bis 4 = 27 % von 128.629,19 DM = 34.729,88 DM Umbauzuschlag 20 % von 34.729,88 DM = 6.945,98 DM Honorar erbrachte Leistungen 41.675,86 DM.

nicht erbrachte Leistungen:

Phase 5 bis 8 = 70 % von 128.629,19 DM = 90.040,43 DM Umbauzuschlag 20 % von 90.040,43 DM = 25.725,84 DM 115.766,27 DM

abzüglich 40 % 46.306,51 DM

Honorar nicht erbrachte Leistungen: 64.459,76 DM

a) Honorar erbrachte Leistungen: 41.675,86 DM b) Honorar nicht erbrachte Leistungen: 69.459,76 DM c) Nebenkosten: 1.246,65 DM netto: 112.382,27 DM 15 % Mehrwertsteuer auf a) und c): 6.438,38 DM Honorarforderung: 118.820,65 DM = 60.752.03 EUR

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

Zurück