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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 13.09.2000
Aktenzeichen: 11 U 3304/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 350 | |
BGB § 467 | |
BGB § 351 | |
BGB § 281 | |
BGB § 347 Satz 2 | |
ZPO § 287 Abs. 2 | |
ZPO § 91 Abs. 1 | |
ZPO § 92 Abs. 1 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 546 Abs. 2 | |
ZPO § 543 Abs. 1 |
1. Eine Wandlung ist auch dann noch möglich, wenn die Kaufsache nach dem Wandlungsbegehren aber vor Vollzug der Wandlung beim Käufer schwer beschädigt worden ist, wenn der Käufer die Sache angemessen versichert hatte und dem Verkäufer die Versicherungsleistung zusammen mit der beschädigten Sache herausgeben kann.
In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob der Käufer die Sache leicht fahrlässig selbst beschädigt hatte (vgl. §§ 350, 351 BGB).
2. Im Fall der ausreichenden Kaskoversicherung kommt es auch nicht darauf an, ob der Verkäufer bei unberechtigter Verweigerung der Wandlung die leicht fahrlässige Beschädigung durch den Käufer hinnehmen muß, weil er im Annahmeverzug ist.
Oberlandesgericht Dresden Im Namen des Volkes Urteil
Aktenzeichen: 11 U 3304/99 4-O-3330/98 LG Leipzig
Verkündet am 13.09.2000
Die Urkundsbeamtin:
Justizsekretärin
In dem Rechtsstreit
J G
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt W
gegen
D G
- Beklagter und Berufungskläger -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt R
wegen Forderung und Feststellung
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2000 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht und Richter am Amtsgericht
für Recht erkannt
Tenor:
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 13.10.1999 - Az.: 4 O 3330/98 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.649,19 DM zu zahlen, Zug um Zug gegen Zahlung von 9.250,00 DM und Herausgabe des PkW Proton 413 GlSi, Fahrgestellnummer: , Fahrzeugbriefnummer: .
2. Der Widerklageantrag des Beklagten, festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger einen Betrag von 2.454,00 DM nicht schulde, ist in der Hauptsache erledigt.
3. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen.
II. Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen der Kläger 44 % und der Beklagte 56 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zu 30 % und dem Beklagten zu 70 % zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Beschwer des Klägers beträgt 5.035,48 DM, die des Beklagten 12.649,19 DM.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.684,67 DM festgesetzt.
Tatbestand:
Entfällt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur zum Teil Erfolg.
1. Das Wandelungsbegehren des Klägers ist begründet. Die Angriffe der Berufung gegen diese Annahme des Landgerichts haben keinen Erfolg.
Für seine Behauptung, die Parteien hätten bei den Vertragsverhandlungen vereinbart, dass das umstrittene Fahrzeug unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft werde, hat der Beklagte nicht nur keinen Beweis angetreten. Sie widerspricht auch dem schriftlichen Vertrag (Ziffer VII, 4), wonach der Käufer unter anderem dann Wandelung verlangen kann, wenn ihm weitere Nachbesserungsversuche nicht zuzumuten sind.
Die Zahl der hinzunehmenden Nachbesserungsversuche richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Streitfalls unter Berücksichtigung des Gebots von Treu und Glauben (vgl. statt aller: Hensen in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, 7. Aufl., § 11 Rn. 38). Vorliegend hat der vom Landgericht beauftragte Sachverständige bei seiner Begutachtung am 09.12.1998 festgestellt, dass sich die Türscheibe der Fahrertür zwar leichtgängig öffnen, aber kaum mehr schließen ließ. Hinten rechts am Fahrzeug löste sich der Türgummi und der linke heckseitige "Proton"-Schriftzug war altersuntypisch korrodiert. In der Berufungsbegründung hat der Beklagte zunächst vortragen lassen, dass er am Schließmechanismus der Türscheibe bislang nur einen Reparaturversuch unternommen habe (Seite 8, Bl. 224 d.A.). In der mündlichen Verhandlung hat er dann aber erklärt, es sei zweimal repariert worden, einmal durch Justieren und beim zweiten Mal durch Einbau eines neuen Scheibenhebers. Steht damit fest, dass der Beklagte zweimal erfolglos versucht hat, den Mangel der Schwergängigkeit der Türscheibe zu beheben, ist der Senat mit dem Landgericht der Ansicht, dass der Kläger weitere Nachbesserungsversuche nicht hinnehmen musste und Wandelung erklären durfte (vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 11 AGBG, Rn. 57). Das gilt jedenfalls deshalb, weil es auch noch weitere Mängel an dem Fahrzeug gegeben hatte. Insbesondere lösten sich die Türgummis, ohne dass es für diesen Mangel darauf ankäme, ob hier ebenfalls mehrere erfolglose Reparaturversuche vorgenommen worden sind.
Lässt sich die Türscheibe der Fahrertür nicht oder nur mit großer Mühe schließen, ist das in hohem Maße lästig. Damit wird nicht nur die Belüftung des Fahrzeugs durch die Fensteröffnung erheblich behindert, da sich das Fenster zwar öffnen, aber nicht wieder schließen lässt. Der Mangel wirkt sich auch in anderen Situationen aus, die das Herunterlassen und Wiederanheben der Scheibe erfordern, wie z.B. an Parkscheinautomaten von Parkhäusern, bei Polizeikontrollen o.ä..
2. Der Wandelung steht nicht entgegen, dass das umstrittene Fahrzeug vor deren Vollzug einen Unfall mit wirtschaftlichem Totalschaden erlitten hat. Das ergibt sich aus §§ 467, 350 BGB, wonach die Wandelung nicht ausgeschlossen ist, wenn der Käufer den Untergang der empfangenen Sache nicht zu vertreten hat. So liegt es hier:
Es ist heute allgemein anerkannt, dass der Käufer auch nach seinem Wandelungsbegehren das Fahrzeug bestimmungsgemäß weiterbenutzen darf (vgl. etwa Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn. 750). Wird es ohne sein Verschulden gestohlen oder erleidet es einen unverschuldeten Unfall, schließt das die Wandelung nicht nach §§ 467, 351 BGB aus (a.a.O., Rn. 759).
Vorliegend steht nicht fest, ob der Unfall, der zum wirtschaftlichen Totalschaden des Fahrzeugs geführt hat, für den Kläger unverschuldet war. Das kann aber dahinstehen. Denn ein Verschulden im Sinne des § 351 BGB liegt auch dann nicht vor, wenn der Käufer das Fahrzeug ausreichend kaskoversichert hatte. Das hat nämlich zur Folge, dass im Falle einer Beschädigung bzw. Zerstörung der Verkäufer anstelle des unversehrten Fahrzeugs die Versicherungsleistung als stellvertretendes commodum (§ 281 BGB) beanspruchen kann (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 759). Verweigert der Verkäufer eine berechtigte Wandelung, gerät der Käufer vielfach in die Lage, dass sein Kapital zu Unrecht beim Verkäufer gebunden ist und er sich mangels ausreichender freier Mittel kein Ersatzfahrzeug anschaffen kann. Ist er danach zur Weiterbenutzung des gewandelten Fahrzeugs gezwungen, hat er auch einen selbstverschuldeten Unfall nicht im Sinne des § 351 BGB zu vertreten, wenn er dieser allgegenwärtigen Gefahr durch Abschluss einer ausreichenden Kaskoversicherung Rechnung getragen hat. Das ist hier der Fall.
Die Versicherungsleistung in Höhe von 9.250,00 DM führt dazu, dass dem Beklagten gemeinsam mit dem beschädigten Fahrzeug (Restwert 800,00 DM, vgl. Anl. K14, Bl. 254 d.A.) nahezu der gesamte Zeitwert des unbeschädigten Wagens von 10.700,00 DM (vgl. a.a.O.) zufließt. Die Differenz besteht lediglich in der Selbstbeteiligung von 650,00 DM (vgl. Anl. K15, Bl. 256 d.A.), die der Beklagte nicht beanspruchen kann, weil der Kläger insoweit keinen Ersatz erlangt hat, § 281 BGB.
Die dem Kläger zugeflossene Versicherungsleistung hat bewirkt, dass auf das (konkludente) Verlangen des Beklagten hin an die Stelle seines Anspruchs auf Rückgabe des unversehrten PkW die Versicherungsleistung getreten ist (§ 281 BGB), die der Beklagte neben der Herausgabe des nunmehr beschädigten Fahrzeugs verlangen kann.
3. Der Kläger muss sich gemäß §§ 467, 347 Satz 2 BGB die bis zum Unfall gezogenen Nutzungen anrechnen lassen, die nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen sind (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 803 m.w.N.).
Zu diesem Zeitpunkt hatte das Fahrzeug eine Laufleistung von 76.806 km, von denen 72.556 km dem Kläger zuzurechnen sind. Als Kaufpreis für das Fahrzeug waren 24.500,00 DM vereinbart, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Dieser Betrag ist mit der Laufleistung in Höhe von 72.556 km zu multiplizieren und durch die zu erwarten gewesene Gesamtlaufleistung von 150.000 km zu dividieren (Reinking/Eggert, a.a.O., Rn. 815). Das ergibt einen Gebrauchsvorteil in Höhe von 11.850,81 DM. Dieser Betrag bewegt sich innerhalb der Spanne, die eine Berechnung des Nutzungswertes nach der von der Rechtsprechung auch verwendeten Formel von 0,5 bis 1 % des Anschaffungspreises je gefahrene 1.000 km (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 347 Rn. 9 m.w.N.) ergeben würde. Der Kläger hat auf den Kaufpreis 21.500,00 DM bezahlt. Abzüglich der gezogenen Nutzungen hat er mithin einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 9.649,19 DM.
4. Das begründete Wandelungsbegehren des Klägers hat zur Folge, dass die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag erlöschen und ein Rückgewährschuldverhältnis begründet wird. Daher kann der Beklagte den vom Kläger noch nicht bezahlten Restkaufpreis in Höhe von 3.000,00 DM nicht mehr beanspruchen.
5. Soweit der Beklagte ferner Feststellung begehrt hat, dass er dem Kläger 2.454,00 DM nicht schulde, ist die Hauptsache erledigt.
Der negative Feststellungsantrag war zulässig. Insbesondere hatte der Beklagte ein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung, weil sich der Kläger eines Anspruchs in dieser Höhe berühmt hat (Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 256 Rn. 7 m.w.N.). Er hat den Betrag nicht nur vorgerichtlich mit Schreiben vom 04.02.1998 (Anl. B8, Bl. 30 d.A.) geltend gemacht, sondern auch noch im Prozess auf dieser Forderung bestanden. Gegenstand des Anspruchs war im Wesentlichen ein Betrag von 2.190,00 DM, den der Kläger zur Ablösung des Kredits für das Vorgängerfahrzeug des umstrittenen PkW aufgewendet hat und vom Beklagten erstattet haben wollte. Noch im Prozess, und zwar mit Schriftsatz vom 05.06.1998 (Seite 4, Bl. 36 d.A.), hat der Kläger geltend gemacht, dass sich der Beklagte verpflichtet habe, das von ihm in Zahlung genommene Vorgängerfahrzeug, einen Fiat Tempra, bei der kreditierenden Bank auszulösen. Bei dieser Lage der Dinge kann an einem Feststellungsinteresse des Beklagten kein Zweifel bestehen.
Die negative Feststellungslage war auch in der Sache begründet. Der Kläger hat nicht bewiesen, dass der Kredit für den Fiat Tempra vom Beklagten abzulösen war. In dem Vertrag über die Inzahlungnahme dieses Fahrzeugs war unter der Rubrik "Zahlungsbedingungen" vereinbart: "Fahrzeug wird bei CC-Bank ausgelöst". Durch welche der Vertragsparteien das zu geschehen hatte, ergibt sich daraus nicht. Der weitere Inhalt des Vertrages spricht dafür, dass die Tilgung des Restdarlehens Angelegenheit des Klägers bleiben sollte. Denn als Kaufpreis war lediglich ein Betrag von 1,00 DM vereinbart. Davon, dass zu diesem Betrag weitere 2.190,00 DM - der Ablösebetrag für den Kredit - hinzukommen sollten, ist keine Rede. Auch die Zeugin G (Protokoll vom 03.09.1998, Seite 5, Bl. 75 d.A.) hat eine solche Vereinbarung nicht bestätigt. Sie hat vielmehr ausgesagt, dass für den Fiat Tempra ein Preis von 2.500,00 DM nur für den Fall zugesagt worden sei, dass der Kläger einen Neuwagen der Marke Fiat erwirbt, nicht aber beim Kauf eines PkW Proton. Steht damit nicht fest, dass der Beklagte verpflichtet war, die Kosten für die Ablösung des Kredits für den Fiat Tempra zu übernehmen, hatte der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung dieses Betrages. Ebenso konnte er daher vom Beklagten nicht verlangen, dass dieser ihm die Kfz-Steuer in Höhe von 264,00 DM zu ersetzen habe, die bis zur Kreditablösung und der erst dann möglichen Abmeldung des Fahrzeuges noch zu zahlen gewesen sei. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch in Höhe von 2.454,00 DM (2.190,00 DM für Kreditablösung zzgl. 264,00 DM Kfz-Steuer) bestand folglich nicht, so dass die negative Feststellungsklage des Beklagten begründet war.
Nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 23.08.2000 ausdrücklich erklärt hat, er werde den Anspruch nicht weiterverfolgen, ist allerdings das Feststellungsinteresse des Beklagten in Wegfall geraten. Durch die Erklärung ist der ursprünglich zulässige und begründete Feststellungsantrag nach Rechtshängigkeit unzulässig geworden. Damit war, dem Antrag des Beklagten entsprechend, die Erledigung der Hauptsache festzustellen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Die Festsetzung des Wertes der Beschwer hat ihre Grundlage in § 546 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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