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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 07.09.2001
Aktenzeichen: 11 W 1196/01
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 1 I
AGBG § 1
AGBG § 9
BGB § 242

Entscheidung wurde am 16.01.2002 korrigiert: Verfahrensgang und Stichworte hinzugefügt
Wenn der Bürge will, dass seine Bürgschaft zur Sicherung eines Gewährleistungsanspruchs schon erlöschen soll, solange der Unternehmer noch auf Gewährleistung in Anspruch genommen werden kann, muss er das Datum, an dem die Bürgschaft erlöschen soll, als Kalenderdatum nennen. Es reicht nicht, wenn er schreibt "Die Bürgschaft erlischt, wenn sie nicht bis zum ersten Tag nach Ablauf eines Jahres nach zertifizierter Abnahme gezogen wird.".
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 11 W 1196/01

Verkündet am 07.09.2001

In dem Rechtsstreit

wegen einstweiliger Verfügung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.09.2001 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, Richter am Landgericht und Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 30.07.2001 - Az.: 16 O 3433/01 EV - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beschwerdeführerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Beschwerdewert wird auf 764.520,00 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beschwerdeführerin ist als Subunternehmerin der Beschwerdegegnerin zu 2) gewährleistungspflichtig aus einem Werkvertrag zur Errichtung einer Verladeanlage. Die Beschwerdegegnerin zu 2) ist ihrerseits gewährleistungspflichtig ihrer Auftraggeberin, der AG.

Die Beschwerdegegnerin zu 2) hat ihren Werkvertrag mit der AG zum Muster des Vertrages mit der Beschwerdeführerin genommen. So wie die Beschwerdegegnerin zu 2) verpflichtet war, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche zu stellen, hat sie auch die Beschwerdeführerin verpflichtet, eine solche Bürgschaft zu übergeben. Sie hat die Bürgschaft auch erhalten.

Die Beschwerdeführerin meint, die Bürgschaft zu ziehen, sei rechtsmissbräuchlich von den Beschwerdegegnern (Die Beschwerdegegnerin zu 1) ist die Bank, an welche die Gewährleistungsansprüche mit Bürgschaft abgetreten sind.).

Zum einen sei die Bürgschaft durch eine AGB gefordert worden, das sei unwirksam, deswegen sei die gesamte Bürgschaft ohne Rechtsgrund geleistet und müsse deswegen zurückgegeben werden.

Zum zweiten sei die Bürgschaft schon erloschen. Sie sei befristet gewesen bis zum ersten Tag nach Ablauf eines Jahres nach zertifizierter Abnahme: bis zu diesem Tag hätte die Bürgin in Anspruch genommen sein müssen. Das sei unstreitig nicht geschehen.

Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung abgelehnt, weil die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht habe, dass die Inanspruchnahme der Bürgschaft rechtsmissbräuchlich sei.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die mit den Gründen der ersten Instanz weiterhin begehrt, den Antragsgegnern zu untersagen, die zwei Bürgschaften der Kreis- und Stadtsparkasse in Anspruch zu nehmen.

Die Antragsgegner bestreiten zum einen einen Verfügungsgrund (Antragsgegnerin zu 1), zum anderen die AGB-Eigenschaft des Werkvertrages (nur mit der Antragstellerin habe man den vorliegenden Vertrag geschlossen, nicht mit den anderen Subunternehmen) und zum dritten lesen sie die Bürgschaftsurkunden so, dass die Bürgin nur verlangt habe, bis zum Ablauf der Gewährleistungszeit in Anspruch genommen zu werden. Die Gewährleistungszeit sei hier vertragsgemäß durch zahlreiche Mängelrügen gegenüber der Beschwerdeführerin unterbrochen, wenigstens aber gehemmt worden, mit der Folge, dass sie immer noch nicht abgelaufen sei.

Entscheidungsgründe:

I.

1. Verfügungsgrund:

Einen Verfügungsgrund hat die Beschwerdeführerin. Ihr drohen schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile. Dabei kann dahinstehen, ob hierfür allein genügt, dass dem Schuldner mit Abruf der Bürgschaftssumme die Belastung mit erheblichen Zinsen und Tilgungsraten drohen würde. Allein durch die Rückbelastung mit einem Betrag in Höhe von annähernd 2,3 Mio DM würden nämlich der Beschwerdeführerin beträchtliche Mittel ihrer Liquidität entzogen, auf die sie aber zur Fortführung ihrer Bautätigkeit angewiesen ist. Dabei ist allgemein anzuerkennen, dass der Hauptschuldner den ihm von der Bank eingeräumten Kreditrahmen nicht durch die Bürgschaftsverpflichtung weiter belasten will. Nichts anderes gilt, wenn die Bank - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - die Summe beider Garantien nicht mehr in den Kreditrahmen einbezieht, aber die Sicherheiten weiter behält, die für den Avalkredit gegeben wurden und nur zeitweilig genehmigt, dass das Mehr an Kredit durch Überziehung des Kreditrahmens gedeckt wird.

2. Verfügungsanspruch:

Die Beschwerdeführerin hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch darauf habe, dass die Beschwerdegegner es unterlassen, die Bürgschaften zu ziehen.

Einen solchen Anspruch hätte die Beschwerdeführerin nur dann, wenn die Beschwerdegegner ihr Recht aus der Bürgschaft missbrauchen würden und wenn der Missbrauch offensichtlich wäre (vgl. BGHZ 90, 287, 292).

a) Die Bürgschaften sind nicht in der Weise zeitlich begrenzt, dass die Bank hätte bis zum Ablauf des 31.12.99 oder des 04.06.2000 in Anspruch genommen werden müssen (was unstreitig nicht geschehen ist).

Der Wortlaut der ersten Bürgschaft legt eine solche Deutung allerdings nahe. Der Senat hat sich zu dieser Deutung aber nicht durchringen können.

Zum einen kommt es auf die Auslegung der Bürgschaftserklärung aus Sicht des Empfängers an, hier der Beschwerdegegnerin zu 2). Sie hat die Bürgschaften noch am 12.08.2000 für gültig gehalten, wie die Formulierung auf Seite 2 Mitte der Vereinbarung von diesem Tag zeigt. Dort gehen beide Parteien davon aus, dass die Bürgschaften der Beschwerdegegner bereits erloschen sind, diejenigen der Beschwerdeführerin aber noch nicht (Anlage K 7).

Zum zweiten sollen die Bürgschaften, wie ihre Präambeln zeigen, die Gewährleistungspflichten der Beschwerdeführerin sichern. Auf den zugrunde liegenden Werkvertrag ist ausdrücklich Bezug genommen. Im Werkvertrag hatte sich die Beschwerdeführerin verpflichtet, Bürgschaften zu stellen, die eine Laufzeit bis zum Ende der Gewährleistungsdauer ausweisen (vgl. Anhang J des Vertrages vom 29.12.97/07.01.98).

Schließlich beruft sich die Bürgin selbst nur darauf, dass die Gewährleistungspflicht der Beschwerdeführerin abgelaufen sei, nicht aber darauf, dass man sie nicht bis zum 31.12.99 nicht in Anspruch genommen habe.

Wenn die Bürgin eine solche (engere, zugleich vertragswidrige) zeitliche Begrenzung gewollt hätte, dann hätte sie formulieren können: "Die Bürgschaft erlischt, wenn die Bank nicht bis zum Ablauf des 31.12.99 in Anspruch genommen wird.".

Denn die Bank kannte, wie die Präambeln zeigen, das jeweilige Abnahmedatum, von dem an die Frist lief. Das Unterlassen der Angabe des Kalendertages, an dem die Bürgschaft erlöschen soll, spricht dafür, dass die Bank die Unterbrechung des Ablaufs der Gewährleistungsfrist durch Mängelrüge gegenüber dem Unternehmer akzeptieren wollte.

Da die Beschwerdegegnerin zu 2) im einzelnen zu den Mängelanzeigen der AG im Zeitraum 21.06.1999 bis 19.06.2000 ihr gegenüber sowie zu deren unmittelbarer Weiterleitung an die Beschwerdeführerin substantiiert vorgetragen und letztere das nicht bestritten hat, steht jedenfalls dem Ablauf der Gewährleistungsfrist die Regelung in Art. 33.3.1 des Vertrages K 1 entgegen. Die Regelung ist dahin auszulegen, dass mit schriftlicher Benachrichtigung des Auftragnehmers eine Hemmung/Unterbrechung der Gewährleistungsfrist eintritt.

b) Unwirksamkeit der Sicherungsabrede durch Bürgschaft auf erstes Anfordern

Ein Fall des Missbrauchs wäre allerdings anzunehmen, wenn es sich bei der in den Verträgen zwischen der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin zu 2) enthaltenen Regelung über den Einbehalt von Zahlungen, bei alleiniger Ablösemöglichkeit durch eine Bankgarantie auf erstes Anfordern, um eine formularmäßige Bestimmung handelt. Wäre davon auszugehen, würde Art. 24 der Nachauftragnehmerverträge i.V.m. den Anhängen E und J sowie Art. 24.2 des Vertrages K 1 einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht standhalten. Denn die Beschwerdeführerin würde durch die benannten Regelungen im Rahmen des abgeschlossenen BGB-Werkvertrages unangemessen benachteiligt.

Der andere Vertragspartner wird entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteiligt, wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen eines Bauvertrages eine Bestimmung enthalten, wonach der Besteller 5 % der Auftragssumme bis zum Ablauf der Gewährleistungsfrist als Sicherheit einbehalten darf und dieser Einbehalt ausschließlich durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern abgelöst werden kann. Das ihm gewährte Ablösungsrecht stellt dann keinen angemessenen Ausgleich für die mit dem Sicherheitseinbehalt verbundenen besonderen Vorteile dar (BGH NJW 1997, 2598; 2000, 1863; NZBau 2001, 311).

Die vorliegenden Verträge enthalten eine inhaltsgleiche Klausel. Die Beschwerdegegnerin zu 2) kann nämlich als Besteller die Zahlung verweigern, bevor sie nicht eine vertragsgemäße Bankbürgschaft auf erstes Anfordern in Höhe von 15 % des Vertragspreises erhalten hat (Art. 24.2). Zumindest ist sie berechtigt, vor Aushändigung der Bürgschaft die Schlusszahlung in Höhe von 1.050.000,00 DM netto (10 % der Vertragssumme) zu verweigern (vgl. Anlage E, a.E.).

Da sich die Einwände der Berufungsführerin insoweit bereits aus dem unstreitigen Sachverhalt und auch aus den Vertragsurkunden ergeben, können diese bereits im Erstprozess geltend gemacht werden (BGH NJW 2000, 1562). In derartigen Fällen liegt der Missbrauch des Gläubigers bereits darin, dass er sich gleichwohl auf die ihm durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern eingeräumte formale Stellung beruft und etwas verlangt, was er im Rückforderungsprozess sofort erstatten müsste. Ein solches Verhalten begründet den Arglisteinwand aus § 242 BGB (vgl. BGH NZBau 2001, 311).

Die Einreden der Beschwerdeführerin scheitern allerdings bereits daran, dass sie nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass die betroffenen Regelungen des Bauvertrages im Verhältnis zu ihr Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen.

Abgesehen davon, dass die Beschwerdegegner behaupten, dass die Nachauftragsnehmerverträge zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt seien, wie sich dies aus dem vorgelegten Vertrag, Anlage K 2, ergeben soll, bestreiten sie auch, dass es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen handele.

Vorformuliert sind Vertragsbedingungen, wenn sie für eine mehrfache Verwendung schriftlich aufgezeichnet oder in sonstiger Weise fixiert sind. Damit müssen die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen aufgestellt worden sein. Der für einen bestimmten Vertrag ausgearbeitete Text fällt nicht unter § 1 AGBG (BGH NJW-RR 88, 57).

Die Mehrverwendungsabsicht hat die Beschwerdeführerin weder schlüssig dargelegt noch glaubhaft gemacht. Sie ergibt sich zunächst nicht daraus, dass das Vertragswerk K 1, welches über die Präambel und § 3 in den Bauvertrag der Parteien einbezogen wurde, möglicherweise für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurde. Denn die Bedingungen in diesem Vertrag sind nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin von der und damit von einem Dritten entworfen. Die Besonderheiten des Vertrages K 1 sind so augenscheinlich, dass deren abstrakt-genereller Charakter bereits in Zweifel zu ziehen ist. Bei dem Vertrag K 1 handelt es sich auch nicht um einen in der Praxis gebräuchlichen Mustervertrag, wie z. B. VOB- oder Mietvertragsformulare, wie sich beispielsweise aus den Regelungen in Art. 24 zur Erfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft und in Art. 31 (Allgemeine Gewährleistungsbestimmungen) ergibt.

Die Beschwerdegegnerin zu 2) hat damit gerade nicht als Vertragspartei im Sinne von § 1 I AGBG formularmäßige Vertragsbedingungen gestellt, sondern sich bei Abschluss des Vertrages nur den entsprechenden Regelungswortlaut zu eigen gemacht. Dazu hat sie vorgetragen, dass sie wegen des bestehenden "Kettenverhältnisses" die Verwendung des Vertragswerkes K 1 auch im Verhältnis zu ihrem Nachauftragnehmer für sinnvoll hielt.

Die Beschwerdegegnerin zu 2) hat zudem die behauptete Absicht mehrfacher Verwendung durch entsprechenden substantiierten Vortrag entkräftet. Sie hat ausgeführt, welche Unternehmen im Bereich der Bauausführung der fraglichen Anlage für sie als Subunternehmen tätig waren und im einzelnen dargelegt, welche Art Verträge sie mit diesen geschlossen hat. In keinem der Fälle war das Vertragswerk K 1 nur im Ansatz Grundlage. Das hat die Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.

Die streitbefangene Regelung unterliegt damit nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGBG.

Nach alledem hat die Beschwerde keinen Erfolg.

II.

Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 10 ZPO).

Weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht gegeben ist (§ 545 II ZPO), ist dem Schuldner nicht die Möglichkeit einzuräumen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung vorläufig abzuwenden (§§ 713, 711 ZPO).

Bei der Festsetzung des Beschwerdewerts hat der Senat ausgehend vom Hauptsachewert 1/3 dessen zugrunde gelegt (§§ 3 ZPO, 20 I GKG).

Ende der Entscheidung

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