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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 22.04.2002
Aktenzeichen: 11 W 559/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 793
ZPO § 769 I
Die Entscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Vollstreckungsabwehrklage ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 11 W 0559/02

des 11. Zivilsenats

vom 22.04.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 06.02.2002 wird als unstatthaft verworfen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert ist 409,00 EUR (1/10 des Hauptsachestreitwerts von 8.000,00 DM = 4.090,34 EUR).

Gründe:

I.

Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung nicht vollständig und ohne Sicherheitsleistung, sondern nur teilweise und gegen Sicherheitsleistung eingestellt. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin, die ihren ursprünglichen Antrag weiterverfolgt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zwar fristgerecht eingelegt, aber nicht statthaft.

In der Rechtsprechung und Literatur ist die Anfechtbarkeit der einstweiligen Anordnung gemäß § 769 Abs. 1 ZPO umstritten (vgl. zum Meinungsstreit: Lemke "Anfechtbarkeit einstweiliger Anordnungen gemäß § 769 Abs. 1 ZPO" in MDR 2000, 13 ff.).

Die sofortige Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss ist nach Ansicht des Senates nur in den Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit statthaft, eine solche liegt nicht vor.

Die bisherige Rechtsprechung des Senates wird hiermit aufgegeben.

Der Senat schließt sich der Auffassung, dass die Entscheidung nach § 769 ZPO nur in den Fällen der greifbaren Gesetzeswidrigkeit angefochten werden kann an (so auch OLG Düsseldorf in OLGR 2000, 202; OLG Dresden in JurBüro 1999, 270 f.; OLG München in OLGR 1996, 218 f.; Herget in Zöller, 21. Aufl., § 769 Rn. 13) .

Zuzugeben ist, dass der Wortlaut des Gesetzes die sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO zulassen würde. Nach dieser Vorschrift ist gegen Einstellungen, die im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können, die sofortige Beschwerde statthaft. Die Entscheidung nach § 769 ZPO kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Soweit hiergegen vorgebracht wird, dass § 793 ZPO nur das Zwangsvollstreckungsverfahren, jedoch nicht das Erkenntnisverfahren betrifft und sich § 769 ZPO auf die Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO bezieht und damit zum Erkenntnisverfahren gehört, kann dem nicht gefolgt werden. Die Entscheidung nach § 769 ZPO gehört zu den Beschlüssen im Vollstreckungsverfahren (so auch Garsten Schmidt in MünchKomm 2000, § 769 Rn. 33).

Soweit gegen die Anfechtbarkeit vorgebracht wird, dass die Anfechtung von Anordnungen nach § 769 ZPO die Entscheidung in der Hauptsache präjudizieren könne (vgl. Brandenburgisches OLG in OLGR 1996, 168 f.), ist dies nicht überzeugend, da auch bei Beschwerden im Prozesskostenhilfeverfahren - soweit es um die Erfolgsaussichten geht - das Beschwerdegericht in der Sache Position beziehen muss und dies vom Gesetz hingenommen wird.

Jedoch rechtfertigt die identische Interessenlage in den Fällen der §§ 707, 719 ZPO und den in § 769 ZPO geregelten Fällen eine analoge Anwendung des § 707 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Dresden in JurBüro 1997, 102 f.).

Dem Argument, dass ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung darin zu sehen sei, dass im Falle des § 769 ZPO die Vollstreckung auch rechtskräftiger Titel gehemmt werde, während im Falle des § 707 ZPO rechtskräftige Titel nicht vorliegen (so OLG Frankfurt in MDR 1997, 194 f.), kann nicht zugestimmt werden. Schließlich kann auch aus einem vorläufig vollstreckbaren Titel die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Im Übrigen liegt auch bei der Wiederaufnahme des Verfahrens eine rechtskräftige Entscheidung vor.

Die von Lemke (a.a.O., Seite 16) aufgeführten Gründe, die gegen eine Vergleichbarkeit der Interessenlage sprechen, überzeugen nicht. Die Begründung, dass die ZPO dem Rechtsanwender die Möglichkeit eines Rechtsmittels überall dort einräumt, wo noch kein Gericht mehr als nur summarisch sich mit dem Streitgegenstand auseinandergesetzt hat, überzeugt nicht, da auch im Falle des Erlasses eines Versäumnisurteils lediglich eine Schlüssigkeitsprüfung und beim klageabweisenden Versäumnisurteil noch nicht einmal eine solche vorgenommen wird. Dennoch versagen die §§ 719, 707 ZPO die Möglichkeit der Beschwerde.

Auch dem Argument, dass es nach § 707 ZPO nur um die inhaltliche Überprüfung einer bereits ergangenen Entscheidung und damit nochmals um denselben Streitgegenstand geht, kann nicht gefolgt werden. Richtig ist zwar, dass es um den gleichen Streitgegenstand geht, jedoch müssen nunmehr beim Versäumnisurteil die Einwände der Gegenseite überprüft werden und auch bei der Durchführung des Nachverfahrens nach Erlass eines Vorbehaltsurteils sind Einwände zu berücksichtigen, die noch nicht in die Entscheidung mit eingeflossen sind. Schließlich erfasst § 769 ZPO auch Fälle, denen nicht nur eine notariell vollstreckbare Urkunde zugrunde liegt, sondern auch Urteile.

Durch den grundsätzlichen Ausschluss der Anfechtbarkeit werden die Rechte der Gegenpartei auch nicht unangemessen benachteiligt, da das Prozessgericht seine Entscheidung auf Antrag nach herrschender Meinung jederzeit abändern kann (vgl. Schmidt in MünchKomm, a.a.O., § 769 Rn. 27).

Schließlich spricht auch kein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille gegen den Ausschluss der Anfechtbarkeit. Nach dem Änderungsentwurf 1985 sollte dem Absatz 3 des § 769 ZPO der Satz angefügt werden: "Sie ist unanfechtbar." (Bundestagsdrucksache 10/ 3054, Nr. 47). Die verabschiedete Fassung enthält diesen Zusatz nicht. Nach der Regierungsbegründung ist die grundsätzliche Unanfechtbarkeit dieser Anordnung in der Rechtsprechung hinreichend anerkannt (so Schmidt in MünchKomm 2000 zu § 769 Rn. 1) . Zwar bestand weder damals noch heute eine einheitliche Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage, jedoch ist der gesetzgeberische Wille und der Zweck des Gesetzes zu beachten.

Ziel des Rechtspflegevereinfachungsgesetzes (Bundestagsdrucksache 11/3621) war die Entlastung der Gerichte. Unter Ziff. IV des Gesetzentwurfes der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 11/3621) wird ausgeführt:

"... Auf die Einzelvorschriften der früheren Entwürfe, durch die einstweilige Anordnungen und vorläufige Maßnahmen ausdrücklich für unanfechtbar erklärt werden sollten (...), verzichtet der Entwurf. Die grundsätzliche Unanfechtbarkeit dieser Anordnungen und Maßnahmen ist in der Rechtsprechung hinreichend erkannt...".

Dieser Gesetzesentwurf wurde vom Bundestag am 29.09.1989 in erster Lesung beraten und zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen.

Der Gesetzgeber wollte die Unanfechtbarkeit der einstweiligen Anordnung. Er sah allerdings keinen Anlass zur Änderung des Gesetzes, da er meinte eine entsprechende gefestigte Rechtsprechung zu erkennen (vgl. Bundestagsdrucksache 11/3621, Nr. IV).

III.

Das Rechtsmittel der Klägerin war erfolglos, deswegen hat die Klägerin dessen Kosten zu tragen, § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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