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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 20.03.2003
Aktenzeichen: 13 U 2316/02
Rechtsgebiete: InsO


Vorschriften:

InsO § 133
1. Für den Benachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO ist es nicht erforderlich, dass dem Schuldner ein unlauteres Handeln vorgeworfen werden kann. Es genügt bedingter Vorsatz.

2. Verschafft die Rechtshandlung dem Gläubiger eine kongruente Deckung, bedarf es für den Benachteiligungsvorsatz nicht der tatrichterlichen Feststellung, dass es dem Schuldner auf die Benachteiligung anderer Gläubiger ankam.

3. Leistet der Schuldner eine Zahlung zur Abwendung unmittelbar bevorstehender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, indiziert dies bei Kenntnis der Möglichkeit einer Gläubigerbenachteiligung deren billigende Inkaufnahme auch dann, wenn die Zahlung außerhalb der in § 131 InsO genannten Fristen vorgenommen wird.

4. Der Anfechtungsgegner hat auch dann Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz, wenn er sich auf ein Sanierungskonzept des Schuldners beruft, aber weiß, dass die angefochtene Zahlung außerhalb des ihm bekannten Sanierungsrahmen liegt.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 13 U 2316/02

Verkündet am 20.03.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Insolvenzanfechtung

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.02.2003 durch Richterin am Oberlandesgericht Vogt als Vorsitzende, Richter am Landgericht Sander und Richter am Amtsgericht Biere

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29.11.2002 - Az.: 2 O 3323/02 - wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.699,38 Euro nebst 8 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 19.08.2002 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

- Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 7.699,38 Euro -

Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe den Vorsatz der Schuldnerin, durch die Zahlung an die Beklagte andere Gläubiger zu benachteiligen, zu Unrecht verneint. Ein solcher ergäbe sich bereits aus den Schreiben der Schuldnerin vom 28.04.1999 (Anlage K 1) und vom 28.07.1999 (Anlage K 6), in denen die Schuldnerin deutlich macht, dass sie zur vollständigen Befriedigung aller Gläubiger nicht in der Lage sei. Nachdem aber zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung noch 33 Gläubiger keinerlei Zahlungen erhalten hätten, sei der Schuldnerin bewusst gewesen, dass die Zahlung andere Gläubiger benachteilige. Der Vorsatz könne auch nicht im Hinblick auf die Sanierungsbemühungen der Schuldnerin verneint werden, nachdem zum Zeitpunkt der Zahlung noch nicht alle Gläubiger den erbetenen Forderungsverzicht erklärt hätten.

Die Beklagte habe auch Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gehabt. Die Beklagte habe aufgrund der Schreiben der Schuldnerin Kenntnis von deren Zahlungsunfähigkeit erlangt, so dass nach § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO die Beklagte die vermutete Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin zu entkräften habe, was ihr nicht gelungen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29. November 2002, Az.: 2 O 3323/02, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.699,38 Euro nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Insbesondere sei das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es keine Grundlage für die Vermutung gäbe, dass der Beklagten einen möglichen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gekannt habe. Im Übrigen könne diese Vermutung widerlegt werden. Kurz vor dem Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung habe der Geschäftsführer der Schuldnerin sich mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten in Verbindung gesetzt und diesem das Sanierungskonzept im einzelnen dargelegt. Nur im Vertrauen auf den Bestand dieses Konzepts sei schließlich auch eine Vergleichsquote von 50 % verhandelt worden.

Die Beklagte erhebt hilfsweise die Einrede der Verjährung.

Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Februar 2003 wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 7.699,38 Euro (= 15.058,69 DM) gem. § 143 Abs. 1 i.V.m. §§ 129 Abs. 1, 133 Abs. 1 Satz 1 InsO.

a) Die Zahlung in Höhe von 15.058,69 DM per Scheck vom 25.08.1999 ist eine die Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung der Schuldnerin innerhalb der letzten 10 Jahre vor dem am 07.02.2000 gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren (vgl. § 129 Abs. 1 i.V.m. § 133 Abs. 1 InsO).

b) Entgegen der Sicht des Landgerichts hat die Schuldnerin bei der Vornahme der Rechtshandlung mit dem Vorsatz gehandelt, ihre Gläubiger zu benachteiligen.

aa) Der Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung ist anzunehmen, wenn der Schuldner die benachteiligende Wirkung seiner Rechtshandlung kannte und diese Folge - möglicherweise nur als Nebenerscheinung eines anderweitig verfolgten Ziels - gewollt hat. Erkennt der Schuldner die Möglichkeit einer Gläubigerbenachteiligung, handelt er vorsätzlich, wenn er diese als Folge seiner Handlung billigend in Kauf nimmt. Im Gegensatz zur nach der Konkursordnung geltenden Rechtslage, nach der gem. § 31 Nr. 1 die Benachteiligungsabsicht des Schuldners erforderlich war, setzt § 133 Abs. 1 InsO kein unredliches Handeln des Schuldners voraus (vgl. zu § 3 AnfG a.F.: RGZ 20, 180, 181, BGHZ 12, 232, 238; BGHZ 121, 179, 185; für § 31 Nr. 1 KO: BGH ZIP 1991, 807, 809; BGH ZIP 1993, 521, 522; für § 133 Abs. 1 InsO: Kirchhof, in: MünchKomm, InsO, § 133 Rn. 13; Nehrlich, in: Nehrlich/Römermann, InsO, § 133 Rn. 23; a.A.: OLG Stuttgart ZIP 2002, 2264, 2268; wohl auch Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 18).

(1) Der Begriff "Vorsatz" im straf- und zivilrechtlich geprägten Verständnis setzt nicht voraus, dass eine bestimmte Einstellung gegenüber dem tatbestandlichen Erfolg oder ein bestimmter Beweggrund des Handelnden festgestellt wird (vgl. nur Palandt/Heinrichs, § 276 BGB Rn. 10; Cramer/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 15 Rn. 66). Vorsätzlich handelt danach bereits derjenige, der den Eintritt eines bestimmten Erfolges erkennt und diesen auch will und zwar unabhängig davon, ob dieses "Wollen" auf redlichen oder unredlichen Gründen beruht.

Wollte auch der Gesetzgeber am hergebrachten Verständnis der subjektiven Voraussetzungen der sogenannten "Absichtsanfechtung" nichts ändern, weil er die Interpretation des Begriffs Absicht durch die Rechtsprechung als deckungsgleich mit dem allgemeinen Vorsatzbegriff ansah (Regierungsbegründung zu § 133 InsO, in: Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, RWS-Dokumentation 18, 2. Aufl. 2000; vgl. auch Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl. 2002, § 133 Rn. 9; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 133 Rn. 12; Weis, in: Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl. 2001, § 133 Rn. 33; Huber, in: Gottwald, Insolvenz-rechts-Handbuch, 2. Aufl. 2001, (§ 48 Rn. 7), ist für ein die Sittenwidrigkeit des Handelns kennzeichnendes Merkmal nach der neuen Rechtslage kein Raum. Dafür spricht auch die Regelung des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO, nach der für den Gläubiger, der die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die benachteiligende Wirkung der Zahlung kennt, die Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners vermutet wird. Würde dem Schuldner aber ein unredliches Handeln nachgewiesen werden müssen, bei dem Gläubiger dagegen schon bei bloßer Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigerbenachteiligung der Nachweis der fehlenden Unredlichkeit aufgebürdet, verhielte sich die Kenntnis des Schuldners gerade nicht spiegelbildlich zur Kenntnislage des Gläubigers (dafür aber Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl. § 133 Rn. 21), weil dem Schuldner die Unredlichkeit nachgewiesen werden müsste, deren Kenntnis beim Gläubiger aber auf der Grundlage des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet würde. Wird dagegen der Wille der Gläubigerbenachteiligung im Sinne einer bewussten Entscheidung für den erkannten Erfolg verlangt, dürfte sich auch der Schuldner, der die Gläubigerbenachteiligung als sichere Folge seiner Rechtshandlung voraussieht, regelmäßig nicht darauf berufen können, diese nicht gewollt zu haben (vgl. BGH ZIP 1997, 423, 427; Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn. 10).

(2) Anders liegt der Fall allerdings, wenn der Schuldner die Gläubigerbenachteiligung nicht als sichere Folge seines Handelns erkannt, sondern lediglich das Risiko ihres Eintritts vorausgesehen hat. Dann ist nach allgemeinen Grundsätzen zu differenzieren, ob der Schuldner die Benachteiligung der Gläubiger billigend in Kauf nahm oder darauf vertraute, sie werde nicht eintreten (vgl. nur Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl. 2002, § 133 Rn. 10).

[3) Ist mithin bereits der bedingte Vorsatz für die Verwirklichung der subjektiven Anfechtungsvoraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO ausreichend, bedarf es zu deren Nachweis auch bei einer kongruenten Rechtshandlung nicht der Feststellung, dass es dem Schuldner auf die Benachteiligung anderer Gläubiger ankam (Nehrlich, in: Nehrlich/Römermann, InsO, § 133 Rn. 23 f.; a.A.: OLG Stuttgart ZIP 2002, 2264, 2266; Kirchhof, in: MünchKomm, InsO, § 133 Rn. 33; Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl. § 133 Rn. 14 jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zu § 31 Nr. 1 KO) . Allerdings wird sich derjenige Schuldner, der einem Gläubiger in einer wirtschaftlichen Krise nur dasjenige gewährt, was dieser zu beanspruchen hatte, eher darauf berufen können, auf den Nichteintritt der als möglich erkannten Gläubigerbenachteiligung vertraut zu haben. Gewährt der Schuldner dagegen eine inkongruente Deckung wird eher ein Indiz für billigende Inkaufnahme einer Gläubigerbenachteiligung angenommen werden können. Der bedingte Vorsatz liegt zudem dann nahe, wenn ein Beweggrund des Schuldners festgestellt wird, einen Gläubiger vorrangig vor den anderen zu befriedigen (Kirchhof, in: MünchKomm, InsO, § 133 Rn. 34) . Eine die unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abwendende Zahlung des Schuldners indiziert danach den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz unabhängig davon, ob diese innerhalb der letzten drei Monate vor der Insolvenzantragstellung liegt, wenn der Gläubiger die wirtschaftliche Krise des Schuldners kennt (a.A.: OLG Stuttgart ZIP 2002, 2264, 2267). Es kann weder für die Willensrichtung des Schuldners noch für die Kenntnis des Gläubigers darauf ankommen, ob dieser Zeitraum angebrochen ist. Wesentlich für die indizielle Wirkung der die Zwangsvollstreckung abwendenden Zahlung ist vielmehr, dass sie in Kenntnis der wirtschaftlichen Krise des Schuldners vorgenommen wird (vgl. Kirchhof, in: MünchKomm. InsO, § 133 Rn. 30) . Kann das Gericht im Einzelfall feststellen, dass ein Insolvenzverfahren aus Sicht des Schuldners nur noch bei erfolgreicher Durchführung eines Sanierungskonzepts abgewendet werden kann, liegt die billigende Inkaufnahme einer Gläubigerbenachteiligung nahe, wenn der Schuldner erkannt hat, dass er den Rahmen des ursprünglich vorgesehenen - und möglicherweise auch zum Teil verwirklichten - Sanierungskonzepts verlassen hat und unter diesen Umständen die Sanierung als gescheitert ansehen muss. Hat der Schuldner danach keine tragfähige Grundlage für die Hoffnung mehr, die Insolvenz durch eine Sanierung abwenden zu können, kann er sich nicht mit Erfolg darauf berufen, darauf vertraut zu haben, eine Benachteiligung anderer Gläubiger werde nicht eintreten (vgl. BGH ZIP 1998, 298, 252; BGH ZIP 1993, 276, 279) .

bb) Daran gemessen erkannte die Schuldnerin die Möglichkeit der Benachteiligung anderer Gläubiger und nahm diese billigend in Kauf. Sie wusste, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlung mit einer vollständigen Befriedigung sämtlicher ihrer Gläubiger nicht mehr zu rechnen war. Dabei erhielt die Beklagte die angefochtene Zahlung nach der Überzeugung des Senats nur wegen des erheblichen Vollstreckungsdrucks, unter dem die Schuldnerin angesichts des für den 11.08.1999 bestimmten Termins zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung stand. Auf ihre erfolgreiche Sanierung konnte die Schuldnerin nicht mehr vertrauen.

Die Schuldnerin hat mindestens 101 ihrer Gläubiger bereits mit Schreiben vom 28.04.1999 mitgeteilt, dass ihr die Abwendung eines Insolvenzverfahrens nur möglich erscheint, wenn sämtliche Gläubiger auf 70 % ihrer Forderungen verzichten und die Schuldnerin die verbleibenden 30 % in drei Raten begleichen kann, wobei der außergerichtliche Vergleich bis spätestens zum 31.07.1999 abzuschließen sei. Bis zur streitgegenständlichen Zahlung am 25.08.1999 erhielten lediglich 68 Gläubiger (Teil) - Zahlungen. 52 Gläubiger - darunter die Beklagte - erstritten Titel gegen die Schuldnerin. Nach erfolgloser Zwangsvollstreckung und dem vergeblichen Versuch der Schuldnerin, die Beklagte mit Schreiben vom 28.07.1999 zu veranlassen, dem ursprünglichen Vergleichsangebot vom 11.05.1999 zur Abwendung der ansonsten bevorstehenden Insolvenzantragstellung bis zum 10.08.1999 zuzustimmen, erreichte die Beklagte, dass die Schuldnerin zur Abwendung eines für den 11.08.1999 bestimmten Termins zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung 50 % ihrer Forderung in Höhe von insgesamt 30.117,34 DM mit der angefochtenen Einmalzahlung vom 25.08.1999 beglich. Weiterhin ist unstreitig, dass zum Zeitpunkt der Zahlung 33 Gläubiger der Schuldnerin keine Zahlungen erhalten hatten und mit diesen daher offensichtlich keine vergleichsweise Einigung zu erzielen war. Das ursprüngliche Sanierungskonzept der Schuldnerin, bis zum 31.07.1999 mit sämtlichen Gläubigern eine Vergleichsregelung über 30 % der Forderung von insgesamt über 1.085.252,24 DM zu erreichen, war Ende August 1999 gescheitert. Es ist damit aber nicht ersichtlich, worauf die Schuldnerin danach noch die Hoffnung auf ihre Sanierung stützen wollte. Soweit die Beklagte in zweiter Instanz vorträgt, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe zur Beschaffung weiterer Liquidität eine andere Gesellschaft veräußert, ist diese Behauptung unsubstantiiert. Die Beklagte wurde bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass sich aus dem Vortrag nicht ergibt, welche konkreten Umstände der Veräußerung zu Grunde lagen und in welchem Zusammenhang sie mit dem angeblich verfolgten Sanierungskonzept steht. Es kann nicht nachvollzogen werden, ob die Veräußerung eine tragfähige Grundlage für die Erhaltung der Schuldnerin war, zumal nicht einmal deutlich wird, ob und auf welche Weise die Schuldnerin aus der Veräußerung Sanierungsmittel zufließen sollten bzw. tatsächlich zugeflossen sind.

c) Der Beklagten war der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin bekannt.

aa) Dies ist zu vermuten, wenn der Gläubiger die drohende Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 2 InsO) und die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Rechtshandlung kannte (§ 133 Abs. 1 InsO). War dem Gläubiger die drohende Zahlungsunfähigkeit bekannt, wird er in der Regel auch wissen, dass die anderen Gläubiger keine volle Deckung für ihre fälligen Forderungen erlangen werden (Kreft, in: Heidelberger Kommentar, InsO, 2. Aufl., § 133 Rn 23).

bb) Daran gemessen hat die Beklagte spätestens mit dem Schreiben der Schuldnerin vom 28.07.1999 Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin erhalten. Damit war der Beklagten auch bekannt, dass eine vollständige Befriedigung sämtlicher Gläubiger nicht mehr erfolgen konnte. Der ihr obliegende Entlastungsbeweis ist nicht geführt.

(1) Die Schuldnerin teilt im Schreiben vom 28.07.1999 in sehr eindringlicher Weise mit, die Auszahlung der Vergleichsquote durch die finanzierende Bank nur bei tatsächlichem Abschluss des ursprünglich vorgeschlagenen Vergleichs erreichen zu können, was derzeit ernsthaft gefährdet sei. Ferner sei im Falle der ansonsten unabwendbaren Insolvenzantragstellung der vollständige Ausfall der unbesicherten Forderungen zu erwarten. Damit wurde der Beklagten unmissverständlich mitgeteilt, dass liquide Mittel ausschließlich noch im Rahmen des Sanierungskonzepts zur Verfügung standen, dessen Verwirklichung unmittelbar gefährdet sei. Dennoch stimmte die Beklagte dem ursprünglich vorgeschlagenen Sanierungskonzept nicht zu, womit sie eine Gefährdung der Sanierung zumindest billigend in Kauf nahm.

[2) Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Zahlung in der Annahme entgegengenommen zu haben, die Schuldnerin rechne noch mit ihrer erfolgreichen Sanierung. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagten bereits zum Zeitpunkt der Zahlung bekannt war, dass jedenfalls die sich offensichtlich dem Sanierungskonzept in der vorgeschlagenen Form nicht angeschlossen hatte und es bereits aus diesem Grunde zum Scheitern verurteilt war.

Die Zahlung der Schuldnerin erfolgte - wie die Beklagte wusste - nicht mehr im Rahmen der ursprünglich vorgeschlagenen Sanierungskonzepts, das eine Quote von 30 % und eine ratenweise Zahlung der Schuldnerin vorsah. Zwar ist die Abweichung vom ursprünglichen Sanierungsrahmen auch angesichts der absoluten Höhe der Forderung der Beklagten nicht erheblich. Dennoch war der Beklagten nach ihren eigenen Angaben und dem Schreiben der Schuldnerin vom 09.08.1999 bewusst, dass die Zahlung in der Höhe und zu dem Zeitpunkt nur erfolgte, um den ansonsten unmittelbar bevorstehenden Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abzuwenden. Damit war aber der Beklagten bekannt, dass sie eine Besserstellung nur aufgrund der von ihr betriebenen Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin erlangte, die notwendigerweise auf Kosten anderer Gläubiger gehen musste. Schließlich konnte die Schuldnerin die für sie so wichtige und dringende Zahlung nicht, wie zwischen den Parteien vereinbart, am 10.08.1999 und damit vor dem zunächst anberaumten Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vornehmen, sondern erst 15 Tage später. Damit wird ebenfalls offensichtlich, dass die angefochtene Zahlung mit der vorgesehenen Sanierung nicht zu vereinbaren war.

(3) Der Senat konnte entscheiden, ohne die von der Beklagten angebotenen Beweise zu erheben. Die Beklagte vermochte nicht substantiiert darzutun, dass sie unabhängig vom ursprünglich verfolgten Sanierungskonzept darauf vertrauen durfte, eine Benachteiligung anderer Gläubiger werde nicht eintreten. Der Vortrag der Beklagten, der Geschäftsführer der Schuldnerin habe das Sanierungskonzept im einzelnen dargelegt, reicht hierfür nicht. Das in der mündlichen Verhandlung auf entsprechenden Hinweis hin konkretisierte Vorbringen, die Schuldnerin habe auf einen Großauftrag verwiesen, aus dem liquide Mittel erwartet worden seien, erlaubt nicht den Schluss, die Schuldnerin habe die Zahlung in Vollziehung eines tragfähigen Sanierungskonzepts vorgenommen. Dabei mag letztlich dahinstehen, ob und inwieweit ein Gläubiger gehalten sein kann, sich über Inhalt und Tragfähigkeit eines Sanierungskonzepts zu informieren, wenn der Schuldnerin ihm mitteilt, ohne eine erfolgreiche Sanierung könne ein Insolvenzverfahren nicht abgewendet werden. Jedenfalls wenn der Gläubiger weiß, dass der Rahmen des ursprünglich für erforderlich gehaltenen Sanierungskonzepts verlassen wurde, kann er nicht mehr auf den pauschalen Hinweis des Schuldners vertrauen, die Sanierung werde mit Umsätzen aus bestehenden Aufträgen noch gelingen.

2. Dem Anspruch des Klägers steht nicht die Einrede der Verjährung gem. §§ 214 Abs. 1 BGB, 146 Abs. 1 InsO entgegen.

a) Die Verjährungsfrist begann mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.04.2000 und endete gem. § 188 Abs. 2 BGB am 04.04.2002.

b) Die Verjährungsfrist wurde gem. §§ 204 Abs. 1 Nr. 13, 209 BGB durch den am 26. März 2002 eingereichten Antrag auf Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO gehemmt.

aa) Die verjährungshemmende Wirkung des Gerichts-standsbestimmungsantrags besteht unabhängig davon, ob diese notwendige Voraussetzung für die spätere Klageerhebung ist (BGHZ 53, 270, 274; Staudinger/Peters, Neubearbeitung 2001, § 210 Rn. 4).

bb) Nicht erforderlich ist, dass das nach § 36 ZPO zuständige Gericht eine (positive) Sachentscheidung getroffen hat (vgl. Staudinger/Peters, a.a.O.; a.A. Soergel/Niedenführ, 13. Aufl., § 210 Rn. 3; Band 2 a, 2002, § 204 Rn. 95; MünchKomm/Grothe, BGB, Band 1 a, Bearbeitung 2003, § 204 Rn. 57; Erman/Hefermehl, 10. Aufl., § 210 Rn. 2; Palandt/Heinrichs, 62. Aufl., § 204 Rn. 28; wohl auch OLG München NZG 1999, 782, 785). § 204 Nr. 13 BGB sieht die Klageerhebung innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs vor. Die Auffassung, dass das Gesuch im Sinne des Antragstellers zu erledigen ist, findet im Gesetz keine Grundlage. Im Übrigen wäre es gerade bei der Gerichtsstandbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für den Antragsteller unzumutbar, wenn die verjährungshemmende Wirkung davon abhinge, ob das Gericht die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft annimmt oder nicht. Diese Beurteilung hängt mitunter von Zweckmäßigkeitserwägungen ab (vgl. Zöller/Vollkommer, 23. Aufl., § 60 Rn. 4), deren Gewichtung durch das Gericht vom Antragsteller häufig nur schwer zu prognostizieren sein wird. Dies aber würde die Antragstellung mit unzumutbaren Unsicherheiten belasten, weil es der Antragsteller grundsätzlich selbst in der Hand haben muss, die Wirkungen des § 204 BGB herbeizuführen.

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war gem. § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

1. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Rechtsstreit wirft die allgemein klärungsbedürftige - im vorliegenden Fall im Abweichung zum Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13.11.2002, Az.: 3 U 19/02, verneinte - Rechtsfrage auf, ob auch unter Geltung des § 133 InsO ein Benachteiligungsvorsatz des Schuldners nur bei einem unlauteren Handeln des Schuldners angenommen werden kann.

2. Eine Entscheidung des Revvisionsgerichts ist ferner zu Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der Senat vertritt in Abweichung zum vorstehend näher bezeichneten Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart die Auffassung, dass eine Zahlung des Schuldners zur Abwendung der Einzelzwangsvollstreckung nach Maßgabe der vorstehenden Urteilsgründe eine Indizwirkung für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners unabhängig davon hat, ob die Zahlung innerhalb der in § 131 InsO genannten Fristen vorgenommen wurde.

Ende der Entscheidung

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