Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 03.07.2007
Aktenzeichen: 13 W 665/06
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, BGB, StGB, StPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 568 Satz 2 Nr. 1
ZPO § 569
InsO § 97 Abs. 1
InsO § 134 Abs. 1
InsO § 140 Abs. 1
InsO § 143
InsO § 145 Abs. 2
BGB §§ 812 ff.
StGB § 26
StGB § 27
StGB § 257 Abs. 1
StGB §§ 283 ff.
StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1
StPO § 406e
StPO § 475
Die Rechtsverfolgung einer bedürftigen Partei erscheint mutwillig, wenn sie für eine streitige entscheidungserhebliche Tatsache, deren Vorliegen sie mangels eigener Wahrnehmung lediglich vermutet, mit Hilfe von Zeugen oder Urkunden beweisen will, die sie nicht selbst zuvor mit positivem Ergebnis befragt bzw. eingesehen hat, obwohl ihr ein entsprechendes Auskunfts- bzw. Einsichtsrecht zusteht. Dementsprechend ist einem die Insolvenzanfechtung betreibenden Verwalter Prozesskostenhilfe zu versagen, der zum Beweis für eine von ihm vermutete mittelbare Zuwendung des Schuldners allein diesen als Zeugen benennt, bevor er dessen Auskunft eingeholt hat, um die Stichhaltigkeit seiner Vermutung zu prüfen.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 13 W 665/06

vom 03.07.2007

In dem Rechtsstreit

wegen Insolvenzanfechtung u.a;

hier: Prozesskostenhilfe

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. O......., Richterin am Oberlandesgericht V... und Richter am Oberlandesgericht K........

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden - Az: 10 O 3626/05 - vom 26.02.2006 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der klagende Insolvenzverwalter begehrt Prozesskostenhilfe für die Durchführung des streitigen Verfahren gegen eine Geschäftspartnerin des Schuldners und dessen beide erwachsenen Kinder, die Beklagten zu 2) bis 4) (im Folgenden: die Beklagten). Von diesen verlangt er unter den Gesichtspunkten der Anfechtung unentgeltlicher mittelbarer Zuwendungen und des Schadensersatzes wegen Beteiligung an Insolvenzstraftaten des Schuldners Rückzahlung von 11.750,00 EUR, 11.370,00 EUR bzw. 1.500,00 EUR, wobei die Zuwendungen jeweils über ein Girokonto der zwischenzeitlich verstorbenen Mutter des Schuldners als Mittelsperson erfolgt sein sollen. Wegen der Einzelheiten des Parteienvorbringens und der Prozessgeschichte wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen, mit dem das Landgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug versagt hat. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers entbehre einer hinreichenden Erfolgsaussicht, da die von ihm behaupteten Zahlungen des Schuldners an seine Mutter einerseits und dieser an die Beklagten andererseits nicht ausreichend unter Beweis gestellt seien. Dagegen wendet sich der Kläger mit gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO statthafter sowie form- und fristgerecht eingelegter sofortiger Beschwerde, der das Landgericht mit Beschluss vom 05.05.2006 nicht abgeholfen hat. Der als Einzelrichter zuständige Berichterstatter hat das Verfahren gem. § 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO wegen besonderer Schwierigkeiten rechtlicher Art dem Senat übertragen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Selbst wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers als hinreichend erfolgversprechend anzusehen wäre, so bliebe sie doch mutwillig (§ 114 Satz 1 letzter Halbsatz i.V.m. § 116 Satz 2 ZPO).

1. Mutwilligkeit i.S.d. § 114 ZPO ist gegeben, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. statt aller Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114 Rn. 30 m.w.N.). Hier betreibt der Kläger die Insolvenzanfechtung nicht in einer Weise, wie sie von einem verständigen Insolvenzverwalter, der die Prozesskosten aus der von ihm verwalteten Masse oder mit finanzieller Unterstützung der am Prozessgegenstand wirtschaftlich Beteiligten bestreiten müsste, zu erwarten wäre.

a) Zutreffend ist freilich der rechtliche Ausgangspunkt der Klage, dass sich bei einer mittelbaren Zahlung oder anderen mittelbaren Zuwendungen des Schuldners der Anfechtungsanspruch nicht gegen die von diesem angewiesene oder beauftragte Mittelsperson, sondern gegen den Dritten richtet, der die Zuwendung bestimmungsgemäß empfangen hat (std. Rspr., vgl. zuletzt BGH, WM 2006, 190 = ZIP 2006, 290 unter II. m.w.N.). Dabei wirft der Streitfall - vom Landgericht und den Parteien bislang nicht erörtert - Schwierigkeiten rechtlicher Art insoweit auf, als die vom Kläger behaupteten Zahlungen der Mutter des Schuldners an die Beklagten allesamt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt sein sollen und daher einer Insolvenzanfechtung entzogen sein könnten, weil diese nur Rechtshandlungen erfasst, die vor Insolvenzeröffnung vorgenommen worden sind (§ 129 Abs. 1 InsO).

Allerdings gilt gem. § 140 Abs. 1 InsO eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten, sie also die Gläubigerbenachteiligung bewirkt (vgl. BGHZ 156, 350 = WM 2003, 2479 = ZIP 2003, 2307 unter III.4.d m.w.N.). Des Weiteren ist nach der - für die Insolvenzanfechtung maßgeblichen - wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Wille das Schuldners dafür maßgeblich, ob und welche von mehreren rechtlich getrennten Geschäften als einheitliche Rechtshandlung im Sinne einer mittelbaren Zuwendung zu werten sind (vgl. BGH, WM 1992, 411 = ZIP 1992, 124 unter II.1.a). Waren hier - wie der Kläger behauptet - die sämtlich vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleisteten Zahlungen des Schuldners an seine Mutter in dem Umfang, in dem die Mutter nach diesem Zeitpunkt ihrerseits Zahlungen an die Beklagten geleistet hat, "von vornherein für die Letztgenannten bestimmt", dann dürfte die aus der mittelbaren Zuwendung folgende Gläubigerbenachteiligung bereits mit den Zahlungen an die Mutter eingetreten sein, weil mit diesem ersten Teilakt Vermögen des Schuldners in Übereinstimmung mit dessen Vorstellung über die Abwicklung der Zuwendung dem Zugriff der Gläubiger entzogen worden wäre. Einer Vertiefung bedürfen diese Erwägungen jedoch nicht (vgl. dazu etwa MüKo-Kirchhof, InsO, § 140 Rn. 22 m.w.N.), weil hier dem Kläger, sollte eine Anfechtung insoweit ausgeschlossen sein, statt der §§ 143, 134 Abs. 1 InsO das Bereicherungsrecht gem. §§ 812 ff. BGB zur Seite stehen würde.

b) Da die Beklagten die vom Kläger behaupteten tatsächlichen Voraussetzungen einer mittelbaren Zuwendung bestritten haben, wird dieser als Anfechtungsgläubiger seinen Vortrag im streitigen Verfahren beweisen müssen. Insoweit beabsichtigt der Kläger, ein vermeidbares Prozessrisiko einzugehen.

Zwar ist in Bezug auf die behaupteten Zahlungsströme den vom Kläger vorgelegten Ablichtungen der durch Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft D...... angefertigten Aufstellungen (Anlagen K 6 bis K 12, Anlagenheft) immerhin zu entnehmen, dass den darin getroffenen Feststellungen schriftliche Auskünfte der beteiligten Kreditinstitute zugrunde liegen. Es ist ferner zu erwarten, dass sich auch die schriftlichen Auskünfte selbst in den Ermittlungsakten befinden, deren Beiziehung zu Beweiszwecken der Kläger beantragt hat.

Hingegen sind Anhaltspunkte dafür, dass der Wille des Schuldners von Anfang darauf gerichtet war, einen Teil der von ihm an seine Mutter geleisteten Zahlungen über diese den Beklagten zuzuwenden, weder dargetan noch ersichtlich. Zu Recht hat das Landgericht hervorgehoben, dass zwischen den Zahlungen des Schuldners an die Mutter, deren letzte auf den 23.09.2002 datiert, und den Zahlungen der Mutter an die Beklagten, deren früheste auf den 11.11.2003 fällt, ein enger zeitlicher Zusammenhang nicht besteht. Die Behauptung zum Tatplan des Schuldners beruht daher ersichtlich auf einer Vermutung des Klägers, die sich - wie er einräumt - darauf gründet, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Beklagten Anklage wegen Straftaten nach "§§ 283 ff. StGB" erhoben hat.

Für die Richtigkeit seiner Vermutung bietet der Kläger Beweis durch Vernehmung des Schuldners als Zeugen an. Die Rechtsprechung erachtet den Beweisantritt für eine Vermutung als prozessual beachtlich, wenn die Partei über die vermutete Tatsache keine genaue Kenntnis haben kann, sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (vgl. BGH, NJW 1995, 2111 = WM 1995, 1561 unter II.2 m.w.N.). Ob Gleiches gilt, wenn die Partei gar keine Vermutung anstellen muss, weil ihr entsprechende Erkenntnisquellen zur Verfügung stehen, mag auf sich beruhen, denn selbst wenn auch unter diesen Umständen einem Beweisantritt nachzugehen wäre, müsste im Bewilligungsverfahren lediglich die Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht einer derartigen Rechtsverfolgung bejaht werden. Indessen würde eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei einen Rechtstreit erst und nur dann führen, wenn sie zuvor mit positivem Ergebnis die Person befragt oder die Urkunde eingesehen hätte, bezüglich der ihr ein Auskunfts- bzw. Einsichtsrecht zusteht und die im Prozess den Beweis für eine von ihr vermutete Tatsache erbringen soll. Anders verhält sich der Kläger hier.

Dabei kann dahinstehen, inwieweit der Kläger als Verwalter einer geschädigten Vermögensmasse gem. § 406e StPO oder § 475 StPO eine Erteilung von Auskünften aus den oder Gewährung von Einsicht in die Ermittlungsakten beanspruchen könnte (vgl. dazu OLG Frankfurt, NStZ 2007, 168; LG Mühlhausen, wistra 2006, 76; LG Frankfurt, StV 2003, 495), um zu erfahren, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt der von ihm für den Rechtsstreit als Zeuge benannte Schuldner sich in dem gegen die Beklagten gerichteten Ermittlungsverfahren als Mitbeschuldigter oder Zeuge gegenüber der Staatsanwaltschaft geäußert hat. Denn während der Kläger dabei ohnehin gewärtigen müsste, dass der Schuldner insoweit von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat (§§ 55, 136 Abs. 1 Satz 2 StPO), hat er selbst gegenüber dem Schuldner gemäß § 97 Abs. 1 InsO einen Auskunftsanspruch, der sich auch auf Tatsachen bezieht, die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit herbeizuführen. Die Durchsetzung dieses Auskunftsanspruchs kann der Kläger, der die "fehlende Zuarbeit des Schuldners" bedauert, mit Hilfe des Insolvenzgerichts erzwingen (§ 98 InsO). Anstatt jedoch zunächst auf diesem Weg zu ermitteln, ob sich der ihm obliegende Beweis mit Hilfe des Schuldners als Zeugen in einem Rechtsstreit voraussichtlich führen lassen wird, überlässt der Kläger das Ergebnis der beantragten Beweiserhebung und damit den Ausgang des angestrengten Prozesses dem Zufall. Das ist mutwillig.

c) Die Beweisführung in Bezug auf den behaupteten Tatplan des Schuldners lässt sich - entgegen den dazu angestellten Erwägungen des Landgerichts und des Klägers - auch nicht mit Rücksicht auf die Erstreckung des Anfechtungsrechts gegen den Einzelrechtsnachfolger gemäß § 145 Abs. 2 InsO vermeiden. Eine Rechtsnachfolge in diesem Sinne setzt voraus, dass der Nachfolger den anfechtbar weggebenen Gegenstand selbst erlangt (vgl. BGHZ 155, 199 = WM 2003, 1581 = ZIP 2003, 1554 unter IV.3.a m.w.N.). Auf reine Geldsummenschulden ist die Vorschrift daher nicht anwendbar (BGH a.a.O.). Um eine solche handelt es sich hier indessen nach dem Vortrag des Klägers, der behauptet, der Schuldner habe auf das Girokonto seiner Mutter Zahlungen in bar sowie durch Überweisungen vom eigenen Girokonto geleistet. Erlangt hat die Mutter dadurch girovertragliche Ansprüche aus den Gutschriften gegen ihr eigenes Kreditinstitut. Die vorbezeichneten Forderungen der Mutter sind wiederum nicht identisch mit den girovertraglichen Ansprüchen der Beklagten, die diese jeweils gegen das eigene Kreditinstitut aus den Gutschriften der späteren Überweisungen der Mutter erworben haben.

2. Schließlich erscheint die auch unter dem Gesichtspunkt der Haftung wegen Insolvenzstraftaten geführte Klage aus den gleichen Gründen mutwillig, die in Bezug auf die Anfechtung der behaupteten mittelbaren Zuwendungen angeführt sind. Es mag aus der Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft die Wahrscheinlichkeit sprechen, dass sich die Beklagten gemäß den "§§ 283 ff. StGB" - soweit nach dem Vortrag des Klägers in Betracht kommend, also je nach den Umständen des Tatgeschehens wegen Anstiftung oder Beihilfe zum Bankrott gemäß § 283 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 26 bzw. § 27 StGB oder wegen Begünstigung gemäß § 257 Abs. 1 StGB - strafbar gemacht haben. Für die dahingehende, bestrittene Vermutung hat der Kläger jedoch im wesentlichen Punkt lediglich ein Beweismittel angeboten, das er selbst nicht auf seine Beweiskraft geprüft hat, obwohl er dazu ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre.

III.

Der Kläger hat nach Nr. 1811 der Anlage 1 zum GKG die Gerichtskosten der erfolglosen Beschwerde zu tragen. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück