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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 03.02.2004
Aktenzeichen: 14 U 1830/03
Rechtsgebiete: UWG, RBerG, InsO


Vorschriften:

UWG § 1
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1
RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 5
InsO § 174 Abs. 1 S. 1
Die geschäftsmäßige Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren durch den Inhaber einer Inkassoerlaubnis verstößt nicht gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 5 RBerG und ist deshalb nicht wettbewerbswidrig i.S. von § 1 UWG.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 14 U 1830/03

Verkündet am 03.02.2004

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.01.2004 durch

Richter am Oberlandesgericht Dr. M als Vorsitzender, Richter am Amtsgericht A und Richterin am Amtsgericht L

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 18.09.2003 - Az.: 44 O 208/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert: 5.100,00 Euro

Gründe:

I.

Die klagende Rechtsanwaltspartnerschaft begehrt den Ausspruch eines Verbotes gegenüber dem beklagten Inkassounternehmen, geschäftsmäßig Forderungen in fremdem Namen im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden. Das Landgericht hat die Klage mangels Verstoßes gegen Art. 1 § 1 Satz 1 RBerG, § 1 UWG abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte überschreite mit der Anmeldung nach § 174 InsO ihre Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen. Das Landgericht habe die umfassend erteilte Vollmacht nicht berücksichtigt. Darüber hinaus handele es sich entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts bei einem Insolvenzverfahren einschließlich der Anmeldung von Forderungen zur Insolvenztabelle um ein gerichtliches Verfahren. Dieses gerichtliche Verfahren könne nicht in gerichtliche und außergerichtliche Verfahrensabschnitte unterteilt werden. Die Rechtspflege werde im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erheblich beeinträchtigt, wenn den Inkassobüros eine Forderungsanmeldung erlaubt sei. Darüber hinaus müsse trotz gewisser Sachkunde eines Inkassounternehmens gerade vor dem Hintergrund der Ab- und Aussonderungsrechte ein ausreichender Schutz des Rechtsuchenden bezweifelt werden, ließe man die Inkassounternehmen zur Forderungsanmeldung zu. Ein unzulässiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Beklagten liege im Falle eines Verbotes der geschäftsmäßigen Forderungsanmeldung für Dritte nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

1. Das Urteil des Landgerichts Dresden, Aktenzeichen 44 O 0208/03, vom 18.09.2003 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr als Vertreter Forderungen ihrer Vertragspartner und/oder Dritter in deren Namen im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden.

3. Der Beklagten wird angedroht, für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an ihren jeweiligen gesetzlichen Vertretern zu vollziehen ist, gegen sie festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie vertritt insbesondere die Auffassung, die Forderungsanmeldung gegenüber dem Insolvenzverwalter stelle keine für das Inkassounternehmen verbotene gerichtliche Forderungseinziehung im Sinne des Art. 1 § 1 Satz 2 Nr. 5 RBerG dar. Ergänzend macht die Beklagte geltend, der Klägerin fehle die erforderliche Klagebefugnis, da ihre Mitglieder auch als Insolvenzverwalter tätig seien und insoweit nur Schutz vor einer Rechtsbesorgung der Insolvenzgläubiger suchten.

II.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht der Klägerin den auf § 1 UWG i.V.m. Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 5 RBerG gestützten Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zuerkannt. Mit der beanstandeten Forderungsanmeldung begibt sich die Beklagte nicht in den Verbotsbereich des Rechtsberatungsgesetzes, sondern hält sich im Rahmen ihrer Inkassoerlaubnis.

1. Allerdings ist die Klägerin klagebefugt und aktivlegitimiert. Die Klägerin ist durch die angegriffene Wettbewerbshandlung unmittelbar selbst in ihren wettbewerblichen Interessen verletzt. Entgegen der Auffassung der Beklagten tritt ihr die Klägerin, die ihren Sitz ebenfalls in Dresden hat, in ihrem räumlichen Tätigkeitsbereich mit dem Angebot einer gleichen Dienstleistung als Wettbewerberin gegenüber.

2. Die Beklagte hat durch die beanstandete Forderungsanmeldung zur Tabelle keinen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 5 RBerG begangen und damit nicht wettbewerbswidrig gehandelt. Sie verfügt über die Erlaubnis zur außergerichtlichen Einziehung von Forderungen. Zu Recht hat das Landgericht darauf erkannt, dass diese Erlaubnis auch die geschäftsmäßige Anmeldung von Forderungen im Insolvenzverfahren umfasst, da dies keine gerichtliche, sondern eine außergerichtliche Forderungseinziehung im Sinne des Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 RBerG darstellt.

a) Dies ergibt sich zunächst daraus, dass die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren gemäß § 174 Abs. 1 S. 1 InsO gegenüber dem Insolvenzverwalter und nicht mehr - wie nach § 139 KO - gegenüber dem Gericht zu erfolgen hat. Der Insolvenzverwalter ist kein Organ des Gerichts, sondern Partei kraft Amtes, d.h. selbstständig handelndes amtliches Organ zur Durchführung des Insolvenzverfahrens (BGHZ 44, 1, 4). Zudem nimmt auch die Eintragung zur Tabelle nicht das Gericht vor, so dass in dieser formalen Hinsicht keine "gerichtliche" Forderungseinziehung erfolgt.

b) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass es sich bei der Forderungsanmeldung zur Tabelle im eröffneten Insolvenzverfahren um ein gerichtliches Verfahren handele, vermag dies auch in inhaltlicher Hinsicht im Ergebnis nicht zu überzeugen. Der Insolvenzverwalter hat weder rechtliches Gehör zu gewähren noch eine Entscheidung zu treffen. Nach der gesetzlichen Regelung obliegt ihm lediglich die Entgegennahme der schriftlichen Forderungsanmeldungen und deren ordnungsgemäße Eintragung zur Tabelle. Der Insolvenzverwalter ist nicht berechtigt, Anmeldungen, die den formellen und materiellen Anforderungen nicht genügen, zurückzuweisen. Allenfalls trifft ihn eine Hinweispflicht gegenüber Gläubigern, deren Forderungsanmeldungen formell oder materiell mangelhaft sind (vgl. zu den Befugnissen des Insolvenzverwalters z.B. Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl., § 174 Rn. 56 ff. m.w.N.). Dies reicht allerdings nicht aus, eine Entscheidungsbefugnis des Insolvenzverwalters anzunehmen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick darauf, dass die Forderungsanmeldung Voraussetzung für die Verfahrensteilnahme des Gläubigers ist. Zwar erwirbt der Gläubiger mit der ordnungsgemäßen Anmeldung vorläufig das Recht, in der Gläubigerversammlung abzustimmen, solange nicht vom Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger Widerspruch erhoben wird. Um diese Teilnahme am weiteren Insolvenzverfahren geht es vorliegend jedoch nicht.

Zudem leitet die Forderungsanmeldung kein Verfahren ein, welches im Streitfall rechtskräftig über den Bestand der Forderung entscheidet (vgl. Stephan, ZVI 2003,270, 271 f.). Vielmehr wirkt die Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle lediglich für den Fall, dass gegen sie kein Widerspruch erhoben wird, wie ein rechtskräftiges Urteil; § 178 Abs. 3 InsO. Diese Feststellung gefährdet nicht die Rechtsposition des Inkassomandanten und erfolgt überdies erst nach einem Prüfungsverfahren, nicht schon durch die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle.

In diesem Verfahrenszuschnitt liegt auch keine unzulässig zergliedernde Betrachtungsweise. Ein Vergleich mit der Tätigkeit von Inkassounternehmen im Rahmen der Einzelzwangsvollstreckung zeigt, dass auch dort Tätigkeiten in bestimmten Verfahrensabschnitten als außergerichtlich bewertet werden. Nach allgemeiner Ansicht ist das Inkassounternehmen berechtigt, die Zwangsvollstreckung durch die Beauftragung des Gerichtsvollziehers gemäß §§ 753 ff. ZPO einzuleiten. Seit der durch das zweite Gesetz zur Änderung zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften vom 17.12.1997 (BGBl. I, Seite 3039) mit Wirkung ab 01.01.1999 begründeten Zuständigkeit für die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 899 ff. ZPO sind Inkassounternehmen nach wohl herrschender Meinung auch befugt, dem Gerichtsvollzieher den Auftrag zur Einleitung dieses Verfahrens zu erteilen (Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., Rn. 116 ff. m.w.N.; Caliebe NJW 2000, 1623; LG Bremen MDR 2001, 351 f.; AG Hamburg mit zustimmender Anmerkung Behr, JurBüro 2000, 663 ff. jeweils m.w.N.; a.A. z.B. LG Wuppertal DGVZ 2000, 39 f.; LG Frankfurt Rpfleger 2000, 558). Dem Inkassounternehmer ist es demgegenüber beispielsweise nicht erlaubt, im Zwangsvollstreckungsverfahren Anträge an das Gericht zu stellen oder Erinnerungen einzulegen, da dies im vorgenannten Sinne einen gerichtlichen Verfahrensabschnitt betrifft.

c) Letztlich erfordern auch die Schutzzwecke des Rechtsberatungsgesetzes - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - keine andere Beurteilung. Deshalb liegt auch kein Gemeinwohlbelang vor, der einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen könnte. Das Rechtsberatungsgesetz bezweckt den Schutz der Rechtsuchenden vor inkompetenter Beratung durch Personen ohne ausreichende Sachkunde und fachliche Zuverlässigkeit. Es beruht weiter auf dem Interesse, die Rechtspflege vor einer Beeinträchtigung ihrer Abläufe zu schützen (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1192 ff.; Chemnitz/Johnigk, RBerG, 11. Aufl., Art. 1 § 1 Rnrn. 16 ff. m.w.N.).

Die auf diese Schutzzwecke zielenden Einwendungen der Klägerin verfangen nicht. Die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege wird mit der Forderungsanmeldung durch ein Insolvenzunternehmen nicht beeinträchtigt. Dies folgt insbesondere nicht aus einer möglichen Berücksichtigung der Vollmacht des Inkassounternehmens im weiteren Verfahren, z.B. bei Zustellungen. Das Gericht hat von Amts wegen zu beachten, dass Vertreter nicht sein darf, wer die Prozessführung geschäftsmäßig betreibt, ohne im Besitz der erforderlichen Erlaubnis gemäß Art. 1 § 1 RBerG zu sein.

Anzumelden sind lediglich Grund und Betrag der Forderung, und zwar in dem Umfang, dass der Insolvenzverwalter die Forderung ausreichend prüfen und sich über sie im Prüfungstermin erklären kann. Dabei hat der Gläubiger - wenigstens konkludent - den Tatbestand anzugeben, aus dem er seine Forderung herleitet. Eine rechtliche Würdigung der Umstände ist nicht erforderlich (Wimmer, Frankfurter Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 174 Rnr. 13 f. m.w.N.). Dass - wie die Klägerin meint - die Forderungsanmeldung Anforderungen wie das Mahnverfahren oder sogar eine Klage im Zivilprozess nach § 253 ZPO stellen würde, ist daher nicht der Fall. Außerdem sind die erforderlichen Unterlagen nach § 174 InsO beizufügen, was ebenfalls keine mit einem gerichtlichen Mahn- oder Klageverfahren vergleichbaren Anforderungen stellt.

Das begehrte Verbot könnte auch nicht dem Schutz der Rechtsuchenden dienen. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass das Inkassounternehmen auf seine Zuverlässigkeit und Sachkunde geprüft wird. Diese Überprüfung bezieht sich auf jegliches von der Erlaubnis gedecktes außergerichtliches Tätigwerden. Die hier allein in Rede stehende Forderungsanmeldung hat auch keinen Einfluss auf den faktischen Bestand der Forderung und führt allenfalls zugunsten des Inkassomandanten im weiteren Verfahren zu einer rechtskräftigen Feststellung, wenn die Forderung in die Insolvenztabelle aufgenommen wird und unstreitig bleibt. Hinzu kommt, dass der Insolvenzverwalter verpflichtet ist, fehlerhafte Anmeldungen zu prüfen und - erforderlichenfalls - die Beteiligten auf Mängel hinzuweisen (BAG ZIP 1987, 1199).

Nach alledem ist die Forderungsanmeldung der außergerichtlichen Einziehung zuzuordnen und damit von der Erlaubnis der Beklagten gedeckt, stellt also für sich gesehen keinen Verstoß gegen Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 5 RBerG dar. Damit entfällt auch ein Verstoß gegen § 1 UWG.

3. Eine andere Beurteilung ergibt sich hier auch nicht daraus, dass die der streitgegenständlichen Forderungsanmeldung zugrunde liegende Vollmacht nicht nur den außergerichtlichen, sondern auch den gerichtlichen Bereich betrifft, indem sie "zur Vertretung im Insolvenz- und Vergleichsverfahren über das Vermögen des Gegners" (Bl. 68 d.A.) erteilt wurde. Ob unter Einbeziehung dieser umfassenden Vollmacht eine Erstbegehungsgefahr im Hinblick auf eine durchgehende Vertretung im Insolvenzverfahren anzunehmen wäre, kann dahinstehen. Die Klägerin begehrt hier nicht, eine solche - der Forderungsanmeldung nachfolgende - Vertretung im Insolvenzverfahren zu unterbinden. Vielmehr richtet sich nicht nur ihr Antrag, sondern auch ihr gesamtes Vorbringen im Prozess ausschließlich gegen die Forderungsanmeldung als solche.

Die zu weit gehende Vollmacht schlägt auch nicht auf die unter Vorlage dieser Vollmacht getätigte Forderungsanmeldung durch. Die Beklagte hätte die Anmeldung der Forderung gegenüber dem Insolvenzverwalter nämlich bereits aufgrund ihrer allgemeinen Inkassovollmacht vornehmen können, da sie insoweit - wie vorstehend dargelegt - im außergerichtlichen Bereich tätig war. Sie handelte damit - soweit die umfassende Vollmacht als nach § 134 BGB nichtig anzusehen ist - nicht vollmachtlos. Die Beklagte kann zudem nicht dadurch schlechter stehen, dass sie eine eigentlich nicht notwendige (weitere) Vollmacht beifügt, obgleich diese von der Erlaubnis nicht gedeckt ist.

Zur weiteren Begründung wird im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO gegründet.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Grund im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben ist.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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