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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 20.04.1999
Aktenzeichen: 14 U 3436/98
Rechtsgebiete: UWG, StBerG, WerbeVOStBerG


Vorschriften:

UWG § 1
StBerG § 8 Abs. 2
WerbeVOStBerG § 3 Abs. 1 S. 1
WerbeVOStBerG § 3 Abs. 2
Leitsatz:

UWG § 1; StBerG § 8 Abs. 2; WerbeVOStBerG § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2

Die Hervorhebung des Namens eines Lohnsteuerhilfevereins in einer Werbeanzeige durch einen 32,5 x 3,5 cm breitflächigen, grauen Querbalken verstößt gegen das Werbeverbot des § 8 Abs. 2 StBerG und damit gegen § 1 UWG.

OLG Dresden, Urt. v. 20.04.1999 - 14 U 3436/98 - LG Dresden Az: 14 U 3436/98,


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 14 U 3436/98 8-O-3839/98 LG Dresden

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 20.04.1999

Die Urkundsbeamtin: Justizsekretärin

In dem Rechtsstreit

Klägerin und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte ,

gegen

Lohnsteuerhilfeverein ,

Beklagte und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Unterlassung

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 20.04.1999 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx, Richter am Oberlandesgericht xxxxxxxx und Richter am Landgericht xxxxxx

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Dresden - 8 O 3889/98 - vom 14.10.1998 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Wert der Beschwer beträgt für den Beklagten 50.000,00 DM.

Streitwert: 50.000,00 DM

Tatbestand:

Die klagende Steuerberatungsgesellschaft wendet sich gegen die Größe und Aufmachung einer vom Beklagten veröffentlichten Zeitungsanzeige.

Der Beklagte ist ein Lohnsteuerhilfeverein, der ebenso wie die Klägerin überregional tätig ist, so dass sich die Kundenkreise teilweise überschneiden. Die Anzeige des Beklagten vom xx.xx.1998, die eine Größe von 18,5 x 32,5 cm aufwies und 171 Filialen im Verbreitungsgebiet der Zeitungsausgabe des Beklagten aufführte, war - wie nachfolgend verkleinert wiedergegeben - gestaltet:

Die Klägerin hat die Anzeige als wettbewerbswidrig beanstandet. Das Inserat gehe durch seine Größe und die Hervorhebung des Namens des Beklagten über das sachlich gebotene Maß hinaus und verstoße dadurch gegen das Werbeverbot aus § 8 Abs. 2 StBerG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 WerbeVOStBerG und damit gegen § 1 UWG.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an den Vorständen, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Zeitungsanzeigen mit einer Größe von 18,5 x 32,5 cm, bei denen der in Schreibschrift wiedergegebene Vereinsname des Beklagten drucktechnisch grau hinterlegt ist, zu schalten, wie dies mit Anzeige in der , , vom xx.xx.1998 geschehen ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Anzeige weise keine reklamehafte Form auf. Weder die Gestaltung noch die durch die Angabe der Filialen bedingte Größe der Anzeige seien zu beanstanden.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Hiergegen wendet sich die auf das erstinstanzliche Vorbringen gestützte Berufung des Beklagten, der die Klägerin entgegengetreten ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht in der beanstandeten Zeitungsanzeige einen Verstoß gegen das Werbeverbot des § 8 Abs. 2 StBerG und somit zugleich gegen § 1 UWG gesehen.

1. Dem nach § 4 Nr. 11 StBerG zur eingeschränkten Hilfeleistung in Steuersachen befugten Beklagten sind nach § 8 Abs. 2 Satz 1 StBerG, der das allgemeine Werbeverbot des § 8 Abs. 1 StBerG für die in § 4 Nr. 3, 7 und 11 StBerG bezeichneten Körperschaften und Vereinigungen einschränkt, Hinweise auf seine beschränke Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen "im Rahmen des sachlich Gebotenen" erlaubt. Diese Einschränkung des § 8 Abs. 1 StBerG, der ein unaufgefordertes Anbieten eigener oder fremder Dienste zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen untersagt, erklärt sich daraus, dass Lohnsteuerhilfevereine - anders als Steuerberater oder Steuerbevollmächtigte - insbesondere im Kreise ihrer potentiellen Mitglieder weitgehend unbekannt waren und ihnen ermöglicht werden sollte, über Art und Umfang ihrer Befugnisse und Tätigkeiten sachlich zu informieren (vgl. BVerfG, NJW 1992, 550; BGH NJW 1995, 2358 - Pressemitteilung über Lohnsteuerberatung; Begründung zum 3. ÄndG des StBerG, BT-Ds. 7/2852, S. 33). Der geringere Bekanntheitsgrad der Lohnsteuerhilfevereine gebietet deshalb zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen die Zulassung von sachlichen, zur Befriedigung des vorhandenen Informationsbedürfnisses geeigneten und erforderlichen Hinweisen auf ihre Existenz (vgl. BVerfGE 59, 302, 327; BVerfG, NJW 1992, 550; BGH, NJW 1995, 2358 - Pressemitteilung über Lohnsteuerberatung). Da die freiberuflich tätigen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten mit Rücksicht auf die Eigenart ihres Berufsbildes Werbeverboten unterliegen, sollten auf der anderen Seite jedoch auch die gewerblichen Konkurrenten gewissen Beschränkungen unterworfen und Wettbewerbsverzehrungen verhindert werden (BT-Ds. 613/76, 7 f.; BVerfG, NJW 1992, 550).

An dieser gesetzgeberischen Zielsetzung einer Angleichung der nach den Ausgangsvoraussetzungen unterschiedlichen Chancen der Wettbewerber hat sich auch die Anwendung der aufgrund von § 8 Abs. 2 Satz 2 StBerG ergangenen Verordnung über Art und Inhalt der zulässigen Hinweise auf die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen (WerbeVOStBerG) vom 25.11.1976 (in der Fassung vom 27.07.1993, BGBl. I, S. 1413) zu orientieren. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WerbeVOStBerG dürfen Anzeigen nur zum Abdruck in Tageszeitungen uww. aufgegeben werden, soweit sie über die Tätigkeit des Lohnsteuerhilfevereins sachlich unterrichten und nicht reklamehaft gestaltet sind. Dementsprechend bestimmt § 3 Abs. 2 WerbeVOStBerG, dass Anzeigen in Größe und Aufmachung keine reklamehafte Form haben dürfen.

2. Gemessen an den vorerörterten Grundsätzen ist die beanstandete Werbeanzeige als reklamehafte Anpreisung nach § 8 Abs. 2 StBerG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WerbeVOStBerG, § 1 UWG zu untersagen.

a) Ob die für die Auflistung der 171 Filialen des Beklagten im Verbreitungsgebiet der Zeitungsausgabe beanspruchte Fläche von 18,5 x 32,5 cm allein einen Wettbewerbsverstoß begründet, kann dahinstehen. Denn jedenfalls fällt das Inserat durch die Größe des für den Namen des Beklagten verwendeten Schriftzuges und die Größe der in grau gehaltenen Unterlegung in einem Ausmaß von 32,5 cm x 3,5 cm aus dem Rahmen einer vom Durchschnittsbetrachter als angemessen und üblich empfundenen Werbeanzeige. Der Beklagte macht sich den Flächenbedarf zur Auflistung der Vielzahl seiner Filialen für eine übertriebene Vergrößerung seines Namens und des grau unterlegten Farbbandes zu Nutze. Dadurch stellt er sein Dienstleistungsangebot unsachlich heraus und überschreitet die Grenze zu einer übertriebenen, auffälligen und reklamehaften Gestaltung seiner Werbeanzeige.

aa) Die drucktechnische Hervorhebung durch den Querbalken dient über einer das Auffinden der Anzeige und die Aufnahme ihres Inhalts erleichternden, leserfreundlichen Darstellung hinaus dazu, dass der Vereinsname dem Verkehr besonders ins Auge fällt. Die Anzeige des Beklagten erzeugt dadurch einen über die Mitteilung reiner Information hinausgehenden reklamehaften Eindruck. Durch diese optische Herausstellung hebt sie sich übermäßig von den Werbeanzeigen anderer berufskammerangehöriger Freiberufler ab, die inzwischen nach einer auch von den Berufsangehörigen als angemessen und geboten empfundenen Lockerung der Werbebeschränkungen zu einer anlassunabhängigen Werbung durch Zeitungsinserate übergangen sind. Zwar ist der Querbalken farblich nicht auffällig gestaltet. Seine Länge von 32,5 cm lässt ihn bei einer Breite von 3,5 cm jedoch als derart übertrieben und aufdringlich erscheinen, dass zur Verhinderung kommerzieller Werbemethoden ein Verbot gerechtfertigt ist. Dies liegt im Interesse einer wirksamen Steuerrechtspflege als einem wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl. BVerfG, NJW-RR 1996, 439, 440).

Zwar gehören werbende Existenzhinweise und die Freiheit der Selbstdarstellung, die Mitgliederwerbung sowie die Gewinnung geeigneter Mitarbeiter zur Freiheit der Berufsausübung i.S. des Art. 12 GG und zur Vereinsfreiheit i.S. des Art. 9 GG (vgl. BVerfG, NJW 1992, 549, 550), so dass bei der Auslegung einschränkender gesetzlicher Vorschriften die Bedeutung und der Schutzbereich der betroffenen Grundrechte, insbesondere deren Tragweite, zu beachten sind (BGH, NJW 1995, 2358, 2359 - Pressemitteilung über Lohnsteuerberatung).

Auch ohne die Verwendung eines Querbalkens und Schriftzuges in der verwendeten Größe bestünde jedoch nicht die Gefahr, dass eine vom Beklagten unauffälliger gestaltete Anzeige nicht mehr besonders in Erscheinung träte und potentielle Bewerber die Anzeige überlesen oder weniger zur Kenntnis nehmen, zumindest aber weniger prägend im Gedächtnis behalten könnten. Das verfassungsrechtlich geschützte Recht des Beklagten auf Freiheit zur Selbstdarstellung und auf Herantreten an die Öffentlichkeit zum Zweck der Gewinnung von Mitgliedern wird deshalb durch ein Verbot der angegriffenen Werbeanzeige nicht übermäßig beschränkt.

bb) Einem solchen Verbot steht auch nicht die Erlaubnis gewisser Formen von Werbung für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte durch die neue Bestimmung des § 57a StBerG entgegen. Zwar ist diese erweiterte Werbefugnis auch für die Auslegung der die Werbung eines Lohnsteuerhilfevereins beschränkenden Vorschriften (§ 8 Abs. 2 StBerG, §§ 1 bis 8 WerbeVOStBerG) von Bedeutung (vgl. BGH, NJW 1995, 2358, 2359 - Pressemitteilung über Lohnsteuerberatung). Die Neuordnung des Werberechts der Angehörigen der freiberuflich Hilfe in Steuersachen Leistenden durch die die bisherigen Standesrichtlinien ersetzende Berufsordnung erfordert zur Wahrung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Chancengleichheit der in Steuersachen Hilfeleistenden auf diesem Markt eine Angleichung auch der Werbebefugnis von Lohnsteuerhilfevereinen.

Auch den Angehörigen der steuerberatenden Berufe wäre jedoch eine Anzeige in der vom Beklagten gewählten Gestaltungsform zu untersagen. Zwar dient nicht nur der Text, sondern auch die Verwendung einer grafischen und farblichen Gestaltung sowie die Aufteilung der Werbefläche in zulässiger Weise einer wirksamen Selbstdarstellung (vgl. OLG Dresden, WRP 1998, 317, 322 - Zeitungsanzeige). Werden diese Mittel jedoch übertrieben eingesetzt, gehören sie zu den vom Gesetzgeber missbilligten Werbemethoden der gewerblichen Wirtschaft.

So liegt der Fall hier. Die mit der drucktechnischen Hervorhebung durch die gewählte Größe des Schriftzuges und des Querbalkens verbundene Werbewirkung geht über das Maß hinaus, welches ein Steuerberater und auch ein Lohnsteuerhilfeverein zur Selbstdarstellung und Information über sein Dienstleistungsangebot einsetzen dürfen. Sie ist zu aufdringlich, als dass sie den inzwischen auch an anlassunabhängige, zurückhaltende Werbehinweise von Angehörigen der freien Berufe gewöhnten Betrachter als nicht besonders außergewöhnlich erscheinen könnte. Eine solche Ausuferung der Werbemethoden im Sinne einer unsachlichen, über eine berufsbezogene Information hinausgehenden Beeinflussung, die mit dem klassischen Berufsbild der freien steuerberatenenden Berufe nicht vereinbar ist, zu verhindern, ist das erklärte Ziel des Gesetzgebers (BT-Ds. 12/6753). Die nach wie vor gebotene maßvolle Zurückhaltung kann bei diesen Ausmaßen des Schriftzuges und Querbalkens im Rahmen der dem angesprochenen Verkehrskreis insgesamt begegnenden Werbehinweise nicht festgestellt werden. Vielmehr liegt in dieser Gestaltung eine übertriebene, auffällige und reklamehafte Anpreisung, die sich nicht im Rahmen des gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 StBerG sachlich Gebotenen hält.

b) Der danach vorliegende Verstoß des Beklagten gegen das Werbeverbot aus § 8 Abs. 2 Satz 1 StBerG i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 WerbeVOStBerG bedeutet zugleich einen Gesetzesverstoß nach § 1 UWG. Das Werbeverbot dient dem Schutz der Steuerrechtspflege als einem wichtigen Gemeinschaftsgut, so dass ein Verstoß hiergegen ohne weiteres das Unlauterkeitsurteil aus § 1 UWG nach sich zieht (BGHZ 90, 232, 242 - Lohnsteuerberatung).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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