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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 31.03.2003
Aktenzeichen: 15 U 831/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 234 | |
ZPO § 520 Abs. 2 |
Oberlandesgericht Dresden Beschluss
Aktenzeichen: 15 U 0831/02
des 15. Zivilsenats
vom 31.03.2003
In dem Rechtsstreit
wegen Werklohn
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richterin am Landgericht Wetzel
beschlossen:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 15.03.2002 - Az.: 7 O 2010/01 - wird als unzulässig verworfen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes des Berufungsverfahrens wird auf 85 748,49 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Das Landgericht Chemnitz hat mit dem angefochtenen Urteil die auf Bezahlung von Restwerklohn für Arbeiten an dem Objekt in gerichtete Klage des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der gegen die Beklagten abgewiesen. Die war von den Beklagten als Generalunternehmerin mit der Modernisierung und Sanierung des Objektes beauftragt worden. Das Landgericht hat die Klage für unzulässig gehalten, weil ihr eine in dem Generalunternehmervertrag enthaltene Schiedsgerichtsvereinbarung entgegenstehe.
Nachdem ihm das Urteil am 25.03.2002 zugestellt worden war, hat der Kläger mit am 25.04.2002 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz beantragt, ihm für die von ihm beabsichtigte Berufung Prozesskostenhilfe zu gewähren. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil hat der eingereichte Schriftsatz nicht enthalten. Der Kläger ist mit Verfügung des Vorsitzenden daraufhin aufgefordert worden, die Prüfung der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Berufung durch eine entsprechende Begründung des Prozesskostenhilfeantrages zu ermöglichen. Innerhalb der ihm hierfür gesetzten Frist hat der Kläger, mit am 24.05.2002 eingegangenem Schriftsatz vom 23.05.2002 - so der Einleitungssatz - "die Erfolgsaussichten der beabsichtigen Berufung" begründet.
Mit Beschluss des Senats vom 12.11.2002 ist dem Kläger sodann Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz bewilligt worden. Der Beschluss ist dem Kläger am 26.11.2002 zugestellt worden.
Mit am 09.12.2002 eingegangenem Schriftsatz vom 06.12.2002 hat der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz Berufung eingelegt und gleichzeitig beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Mit Verfügung des Vorsitzenden ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Zulässigkeit der Berufung Bedenken begegnet, weil innerhalb der Frist des § 234 ZPO nicht auch die Berufungsbegründung nachgeholt worden sei. Der Kläger hat daraufhin die Ansicht vertreten, die Berufung bereits mit Schriftsatz vom 23.05.2002 fristgerecht begründet zu haben. Im Übrigen sei ihm eine Berufungsbegründungsfrist von einem Monat nach Berufungseinlegung zu gewähren. Innerhalb dieses Zeitraums hat er am 07.01.2003 sodann einen mit Berufungsbegründung überschriebenen Schriftsatz eingereicht, den der Senat zum Anlass genommen hat, mit Beschluss vom 07.02.2003 neuerlich auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hinzuweisen. Der Kläger hat zu dem Beschluss Stellung genommen.
II.
Die Berufung des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht fristgemäß begründet worden ist.
1. Die Berufung ist nicht innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung des angefochtenen Urteils begründet worden. Die Frist endete nach der am 25.03.2002 bewirkten Zustellung am 27.05.2002. Die Berufungsbegründung ist aber erst am 07.01.2003 eingegangen. Zwar hat sich der Kläger bereits mit am 24.05.2002 eingegangenem Schriftsatz inhaltlich in einer Weise mit dem (später) angefochtenen Urteil auseinandergesetzt, die einer Berufungsbegründung entspricht. Dies macht den Schriftsatz aber noch nicht zu einer solchen. Denn er war erklärtermaßen allein dazu bestimmt, die Erfolgsaussichten einer zu dieser Zeit nur beabsichtigten Berufung zu belegen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die sachliche Begründung eines Prozesskostenhilfeantrages für die zweite Instanz zwar zweckmäßig und erwünscht, nicht aber notwendig ist (BGH MDR 1993, 172). Auch die nur freigestellte Begründung eines Prozesskostenhilfeantrags bezieht sich allein auf diesen und kann allenfalls dann zugleich als Berufungsbegründung aufzufassen sein, wenn bereits Berufung eingelegt ist. Nichts anderes ist der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen (NJW-RR 1999, 212; NJW-RR 1988, 1362, 1363). Die Auffassung des Klägers, eine Berufung könne bereits vor ihrer Einlegung begründet werden mit der Folge, dass dann auch Raum für die Auslegung einer Prozesskostenhilfebegründung als Berufungsbegründung bestehe, geht fehl. Zwar mag eine Berufung vor Zustellung des angefochtenen Urteils begründet werden können (BGH NJW 1999, 3269, 3270), nicht aber vor der Anfechtung durch Berufung.
2. Dem Kläger ist wegen der hiernach von ihm versäumten Berufungsbegründungsfrist auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 233 ZPO).
Er war durch die zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe führenden, nach § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO maßgeblichen wirtschaftlichen Verhältnisse zwar schuldlos an deren Einhaltung gehindert; er hat indessen weder einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt noch die versäumte Berufungsbegründung fristgemäß nachgeholt (§ 236 ZPO).
Der mit Schriftsatz vom 06.12.2002 gestellte Wiedereinsetzungsantrag bezieht sich ausdrücklich nur auf die versäumte Berufungsfrist. Die ebenfalls versäumte Berufungsbegründungsfrist ist unerwähnt geblieben.
Der Schriftsatz enthält auch keine Berufungsbegründung. Er greift insbesondere nicht die unter dem 23.05.2002 im Entwurf gefertigte Begründung auf und macht sie etwa zu seinem Inhalt. Ein dahingehender Wille ist dem Vorbringen des Klägers nicht, auch nicht ansatzweise, zu entnehmen. Zwar mag es sein, dass eine Bezugnahme auf in Prozesskostenhilfeverfahren abgegebene Sachausführungen in dem Sinne, dass diese Ausführungen nunmehr als Berufungsbegründung dienen sollen, nicht notwendig ausdrücklich erfolgen muss, sondern sich auch aus den Begleitumständen oder dem Zusammenhang ergeben kann (BGH NJW-RR 2001, 789; NJW-RR 1989, 184). Zureichende Anhaltspunkte, die auf eine entsprechende Bezugnahme schließen lassen könnten, fehlen vorliegend aber gerade. Denn es wäre vom Kläger zu erwarten gewesen, dass er durch eine Erklärung oder doch jedenfalls eine auf einen Erklärungswillen deutende Maßnahme hätte erkennen lassen, mit seinem Schriftsatz vom 06.12.2002 nicht nur - wie geschehen - die Berufungsfrist, sondern auch die Berufungsbegründungsfrist wahren zu wollen, wenn eben dies gewollt gewesen wäre. Bei einer ausdrücklichen Äußerung nur zu einer von zwei Prozesshandlungen kann in einem bloßen Schweigen eine (unausgesprochene) weitergehende Willensbekundung nicht erblickt werden. Dem entspricht es im Übrigen, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers in seinen Stellungnahmen zu den ihm vom Senat erteilten Hinweisen nicht etwa zum Ausdruck gebracht hat, die im Schriftsatz vom 23.05.2002 enthaltenen Ausführungen auch zum Inhalt seines Schriftsatzes vom 06.12.2002 gemacht zu haben. Er hat vielmehr die - unrichtige - Auffassung vertreten, der Schriftsatz vom 23.05.2002 selbst stelle bereits die Berufungsbegründung dar.
Deren konkludente Inbezugnahme mit dem Schriftsatz vom 06.12.2002 liegt um so ferner, als einer solchen "hineingelesenen" Berufungsbegründung hier (im Unterschied zu der noch zu § 519 Abs. 3 ZPO a. F. ergangenen Entscheidung des BGH in NJW-RR 2001, 789) zugleich die Wirkung des § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO zukommen müsste, um dem Begehren des Klägers letztlich zum Erfolg verhelfen zu können. Danach kann zwar der - grundsätzlich erforderliche - Wiedereinsetzungsantrag entbehrlich sein, wenn zumindest die versäumte fristgebundene Prozesshandlung innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist tatsächlich nachgeholt wird. Hier ist indes eine solche Nachholung äußerlich erkennbar gerade nicht vorgenommen worden, sondern müsste der mit allen Unsicherheiten einer Auslegung verbundenen Interpretation der Gesamtumstände des Falles, insbesondere früher eingereichter, jedoch anderen Zwecken dienender Unterlagen entnommen werden. Das wird ungeachtet der Tatsache, dass der Senat eine solche Interpretation im vorliegenden Fall auch inhaltlich nicht für möglich hält, den Anforderungen an eine "antragslose" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gerecht.
3. Die Berufungsbegründung ist auch nicht mit dem am 07.01.2003 eingegangenen Schriftsatz fristwahrend nachgeholt worden. Denn zu diesem Zeitpunkt war die nach § 234 ZPO maßgebliche Zweiwochenfrist bereits abgelaufen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das in der Mittellosigkeit des Klägers liegende Hindernis bereits mit Zugang des die Prozesskostenhilfebewilligung enthaltenden Beschlusses (so OLG Saarbrücken, NZG 2002, 669) oder aber erst mit Einlegung der Berufung am 09.12.2002 (so Rimmelspacher in MüKo zur ZPO, Aktualisierungsband, 2. Aufl. 2002, § 520 Rn. 26; vgl. auch Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 6. Aufl. 2002, Rn. 588) behoben war. Die Berufungsbegründung war jedenfalls nach beiden Ansätzen verfristet.
Dagegen findet die vom Kläger in Bezug genommene, in der Literatur ebenfalls vertretene Ansicht, dem mit Prozesskostenhilfe prozessierenden Rechtsmittelführer eine mit Einlegung der Berufung in Lauf gesetzte einmonatige Frist zur Rechtsmittelbegründung zu gewähren (Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 119 Rn. 59), im Gesetz schon keine Stütze. Eine derart lang bemessene Frist ist auch nicht aus Gründen der Gleichbehandlung geboten. Zwar trifft es zu, dass der nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesenen Partei zur Begründung ein Zeitraum von nicht unter einem Monat, gerechnet ab Einlegung der Berufung, zusteht. Den Bedürfnissen des Rechtsmittelführers kann in Wiedereinsetzungsfällen der vorliegenden Art aber bereits mit einer aus § 234 ZPO abgeleiteten zweiwöchigen Begründungsfrist, beginnend mit dem Zeitpunkt der Einlegung der Berufung, hinreichend Rechnung getragen werden. Denn da die Entscheidung, Berufung einzulegen, im Falle eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Berufungsverfahrens regelmäßig bereits gefallen sein wird und ihr Vollzug lediglich von der Bewilligung durch das Gericht abhängen dürfte, läuft eine zweiwöchige Begründungsfrist, gerechnet vom Zeitpunkt der Einlegung der Berufung an, letztlich auf eine vierwöchige Frist ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses hinaus, die überdies auf Antrag noch zu verlängern sein mag. Das lässt ein Bedürfnis nach einer "weit reichenden Gesetzeskorrektur" (so Schumann/Kramer, Die Berufung in Zivilsachen, 6. Aufl. 2002, Rn. 583 ff, 588, dort auch zu weiteren Fällen der "Verkürzung" von Rechtsmittelfristen infolge der in § 234 ZPO getroffenen Regelung) nicht erkennen. Es mag daher auch offen bleiben, ob Zöller/Philippi (aaO.) ihre o. g. Auffassung nicht ohnehin daran geknüpft haben, dass der Rechtsmittelführer einen - hier ebenfalls fehlenden - Wiedereinsetzungsantrag gerade auch wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gestellt hat.
4. Nach Anhörung der Parteien war die Berufung demzufolge als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 S. 2 ZPO).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes entspricht dem bezifferten Zahlungsantrag.
Gegen diesen Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt (§ 522 Abs. 1 S. 4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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