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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 19.04.2002
Aktenzeichen: 15 W 123/01
Rechtsgebiete: BVormVG, BGB, FGG


Vorschriften:

BVormVG § 1
BGB § 1908i
BGB § 1901
BGB § 1835
BGB § 1836
BGB § 1836a i.V.m.
BGB § 1897 Abs. 1 a.E.
FGG § 28 Abs. 2
Zur Vergütungsfähigkeit des Aufwands eines Berufsbetreuers für die Teilnahme an einer Hauptverhandlung in einem gegen den Betreuten gerichteten Strafverfahren.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 15. Zivilsenats

Aktenzeichen: 15 W 0123/01

vom 19.04.2002

In dem Betreuungsverfahren

wegen Betreuervergütung

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 21.12.2000 gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 05.12.2000 - 16 T 7682/00 - wird zurückgewiesen.

2. Der Gegenstandswert der weiteren Beschwerde wird auf 167,58 Euro (= 327,76 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - bewilligte dem Beteiligten zu 2) mit Beschluss vom 21.08.2000 antragsgemäß Vergütung und Aufwendungsersatz von zusammen 1.803,66 DM zur Abgeltung von dessen berufsmäßiger Betreuungstätigkeit für den Betroffenen im Zeitraum vom 01.10.1999 bis 31.03.2000. In dem vorgenannten Betrag enthalten waren insgesamt 327,76 DM, die der Beteiligte zu 2) für seine Teilnahme an einem Hauptverhandlungstermin (5 h einschließlich Fahrtzeit zu je 54,00 DM = 270,00 DM zzgl. 16 % MwSt. und 14,56 DM Fahrtkosten) in einem gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahren wegen Körperverletzung geltend gemacht hatte. Beschränkt auf diesen Teilbetrag erhob der Beteiligte zu 1) sofortige Beschwerde, die das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die vom Landgericht ausdrücklich zugelassene weitere sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1).

II.

Der Rechtsbehelf ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg, weil die Entscheidung des Landgerichts Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers, die im vorliegenden Verfahren allein einer Überprüfung durch den Senat zugänglich wären, nicht erkennen lässt (vgl. 27 Abs. 1 FGG). Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass dem Beteiligten zu 2) gemäß den §§ 1908i, 1835, 1836 und 1836a BGB i.V.m. § 1 BVormVG wegen der Mittellosigkeit des Betroffenen ein Anspruch gegen die Staatskasse auf Zahlung von Vergütung und Aufwendungsersatz für die Teilnahme an dem Hauptverhandlungstermin vom 01.02.2000 zusteht. Die Ausführungen des Beschwerdeführers rechtfertigen eine abweichende Beurteilung im Ergebnis nicht.

1. Der Betroffene leidet, wie mehrfach durch nervenärztliche Fachgutachten festgestellt ist, aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung an einer geistigen Störung vom Grade einer Grenzdebilität, welche massive Verhaltens- und Anpassungsstörungen zur Folge hat. Aufgrund dieser psychischen Erkrankung ist der Beteiligte zu 2) seit 1994 mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Vermögenssorge und Vertretung in Behördenangelegenheiten zum Betreuer des Betroffenen bestellt. Der ursprünglich darüber hinaus zum Gegenstand der Betreuung gemachte Aufgabenkreis "Aufenthaltsbestimmung" ist seit Januar 2000 nur deshalb weggefallen, weil der Betroffene zu diesem Zeitpunkt im Rahmen des Maßregelvollzugs zur psychiatrischen Behandlung in einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie stationär untergebracht war und für den Fall des Vollzugsendes einer Fortdauer dieser Behandlung zugestimmt hatte. Das Krankheitsbild des Betroffenen ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass geringste Anlässe Auslöser für ausgeprägte Erregungszustände werden können, die in der Vergangenheit zum Teil zu erheblichen Beschimpfungen und Beleidigungen sowie zu tätlichen Auseinandersetzungen mit Mitpatienten geführt haben; ein solcher Vorfall lag auch dem am 01.02.2000 verhandelten Strafverfahren gegen den Betroffenen zugrunde, zu dem der Beteiligte zu 2) als "gesetzlicher Vertreter" des Betroffenen vom Strafrichter unter Androhung von Sanktionen für den Fall des Fernbleibens ausdrücklich geladen worden war. Wenn der Beteiligte zu 2) in einer solchen Konstellation, in der die zur Verhandlung anstehende Straftat des Betroffenen einen auf der Hand liegenden Bezug zu seiner psychischen Erkrankung und damit zum Grund der Betreuungsanordnung hat, der gerade in seiner Funktion als Betreuer an ihn ergangenen gerichtlichen Ladung Folge leistet, ist der ihm daraus entstehende Zeit- und Sachaufwand auch vergütungs- und ersatzfähig.

2. Der Senat teilt dabei im Ansatz die Auffassung, dass nicht jedwede Teilnahme eines Betreuers an einer Strafverhandlung gegen den Betreuten eine honorierungspflichtige Betreuertätigkeit darstellt (vgl. BayObLG BTPrax 1999, 73 = FamRZ 1990, 740). Denn dem Berufsbetreuer sind nur die Tätigkeiten zu vergüten, die zur Erfüllung seiner Aufgaben im übertragenen Umfang erforderlich sind; für Tätigkeiten außerhalb des vormundschaftsgerichtlich zugewiesenen Wirkungskreises (und der damit korrespondierenden Vertretungsbefugnisse des Betreuers, vgl. § 1902 BGB) besteht dagegen keine Vergütungspflicht. Auch die Teilnahme an einer Hauptverhandlung gegen den Betreuten kann einem Berufsbetreuer mithin von vornherein nur vergütet werden, wenn sie sich im Rahmen des angeordneten Betreuungsumfangs hält und nach Art und Umfang angemessen ist (vgl. Elzer, BTPrax 2000, 139, 141); sie darf sich andererseits auch nicht allein in menschlicher Zuwendung und rein tatsächlicher Hilfeleistung für den Betreuten erschöpfen, will sie der gesetzlichen Vorgabe einer rechtlichen Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten gerecht werden (vgl. etwa den Senatsbeschluss vom 25.01.2000, 15 W 1914/99). Bei der Beurteilung, welche Tätigkeiten (noch) vergütungsfähig sind, ist allerdings trotz der gesetzgeberischen Akzentsetzung zu Gunsten der rechtlichen Betreuung - nach wie vor - zu beachten, dass der Betreuer den Betreuten im hierfür erforderlichen Umfang auch persönlich zu betreuen hat (vgl. § 1897 Abs. 1 BGB).

Welche Tätigkeiten (mit dem Anspruch auf Vergütung) der Berufsbetreuer entfalten darf, bestimmt sich daher nicht allein aus der rechtlichen Abgrenzung seines Aufgabenkreises und den danach zur Besorgung der Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zwingend erforderlichen Maßnahmen, sondern darüber hinaus auch danach, was der Betreuer zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für geboten halten darf, um eine pflichtgemäße Erfüllung seiner rechtlichen Betreuung überhaupt sinnvoll zu ermöglichen (vgl. OLG Zweibrücken BTPrax 2001, 128). Die Vergütungsfähigkeit einer Hauptverhandlungsteilnahme richtet sich daher zunächst danach, welcher Aufgabenkreis dem Betreuer übertragen ist und welche konkrete Straftat dem Betreuten vorgeworfen wird; steht danach der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens in sachlichem Zusammenhang mit dem Grund der Betreuungsanordnung, so steht dem Betreuer für seinen Zeitaufwand ein Anspruch auf Vergütung aus beruflicher Tätigkeit jedenfalls dann zu, wenn seine Teilnehme der Erfüllung einer der Zielvorstellungen des § 1897 Abs. 1 BGB dienlich ist und er deshalb vom Strafrichter ausdrücklich in seiner beruflichen Funktion als Betreuer zum Termin geladen ist (ähnlich Landgericht Memmingen, BTPrax 1998, 116 = FamRZ 1998, 508; vgl. OLG Zweibrücken a.a.O.; zustimmend Deinert in: Bauer/Klie/Rink, Heidelberger Komm. zum Betreuungs- und Unterbringungsrecht, Losebl. Stand Dez. 2001, § 1836 BGB Rdn. 89 und Anlage II ebendort S. 6; MünchKomm-Wagenitz, 4. Aufl. 2002, § 1836 BGB Rdn. 46 und FN 69; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 2001, § 1836a BGB Rdn. 15).

3. Hieran gemessen steht dem Beteiligten zu 2) der für seine Sitzungsteilnahme beanspruchte (in seiner Höhe unstreitige) Betrag zu. Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, dass der von vergleichbaren Kriterien ausgehende Beschluss des Landgerichts in seinen Formulierungen nicht völlig frei von Widersprüchen erscheint, wenn er einerseits einen Zusammenhang zwischen den dem Beteiligten zu 2) übertragenen Tätigkeitsfeldern zunächst in Abrede stellt, andererseits die Vergütungsfähigkeit aber bejaht, weil der Betreuer als "gesetzlicher Vertreter" geladen gewesen sei; denn vertretungsbefugt ist der Betreuer eben nur "in seinem Aufgabenkreis" (§ 1901 BGB). Aus Sicht des Senats zieht die angefochtene Entscheidung damit jedoch den Wirkungsbereich der dem Beteiligten zu 2) übertragenen Betreuertätigkeit im Lichte der gebotenen persönlichen Betreuung des Betroffenen zu eng. Die dem Betroffenen vorgeworfene Straftat war symptomatische Folge seiner die Betreuung rechtfertigenden psychischen Erkrankung; die Teilnahme des Betreuers an der Hauptverhandlung war mithin dazu bestimmt und geeignet, mittels Informationen zur Gesundheit und zur (gestörten) Persönlichkeit des Betroffenen zur Erhellung der psychosozialen Tatumstände und damit zur sachgerechten Erfassung und Beurteilung der Tat und des Täters beizutragen. Auch Auskünfte zur Erkrankung des Betroffenen erteilt der Betreuer aber im Rahmen des Aufgabenkreises "Gesundheitssorge". Es spricht überdies viel dafür, die Tätigkeit des Betreuers in einem Verfahren, welches der Feststellung von Tatsachen dient, die später zur Grundlage zivilrechtlicher Haftungsansprüche werden können, dem Aufgabenkreis "Vermögenssorge" zuzuordnen. Zumindest aber weisen beide Aspekte der Sitzungsteilnahme des Beteiligten zu 2) so enge Berührungspunkte zu den Rechtsangelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises auf, dass der Betreuer seine Beteiligung an der Hauptverhandlung im Interesse der gebotenen persönlichen Betreuung des Betroffenen (§ 1897 Abs. 1 a.E. BGB) mit Recht für erforderlich gehalten hat.

4. Das gilt jedenfalls angesichts der Tatsache, dass seine Sitzungsteilnahme zu eben diesem Zweck auf ausdrückliche Ladung des Strafrichters erfolgt ist. Ob eine Ladung des Beteiligten zu 2) zur Einführung seiner Angaben in das Strafverfahren nicht in seiner Funktion als Betreuer, sondern stattdessen als Zeuge möglich (und nach strafprozessualen Kriterien ggf. sogar geboten) gewesen wäre,wie der Beschwerdeführer meint, mag dahinstehen. Zwar wäre der Beteiligte zu 2), als Zeuge geladen, dann (nur) nach den Vorschriften des ZSEG für seinen Aufwand zu entschädigen gewesen; tatsächlich ist eine solche Ladung aber nicht erfolgt, so dass dem Beteiligten zu 2) schon deshalb keine Zeugenentschädigung zusteht (die ihm mit genau dieser Begründung auch tatsächlich verweigert worden ist). Es ist auch nicht Aufgabe eines Betreuers, sich mit dem Strafrichter über die korrekte Form seiner strafprozessualen Verfahrensbeteiligung auseinanderzusetzen. Wenn der Strafrichter es für richtig hält, zur Wahrung der Interessen des Betroffenen dessen Betreuer in eben dieser Funktion in die Hauptverhandlung zwingend einzubeziehen, dann löst dies betreuungsrechtliche Vergütungsansprüche aus, wenn, wie hier, deren betreuungsrechtliche Voraussetzungen im Übrigen erfüllt sind; es geht nicht an, diese Ansprüche nachträglich nach Maßgabe von Vorschriften (des ZSEG) zu limitieren, die (nur) für eine "Verfahrensrolle" anwendbar sind, welche der Betreuer vielleicht richtigerweise hätte einnehmen sollen, tatsächlich aber nach Maßgabe der strafrichterlichen Ladung nicht eingenommen hat.

5. Dem Anspruch des Beteiligten zu 2) steht nicht entgegen, dass dem Betroffenen in der hier zu beurteilenden Hauptverhandlung ein Pflichtverteidiger zur Verfügung stand. Wäre dem nicht so gewesen, hätte sich allenfalls ein zusätzliches Argument für die Pflicht zur Vergütung des Beteiligten zu 2) ergeben (vgl. OLG Zweibrücken, BTPrax 2001, 128). Umgekehrt schließt die Anwesenheit eines Pflichtverteidigers eine Vergütung des ebenfalls anwesenden Betreuers nicht aus. Denn dem Pflichtverteidiger ist allein (in des Wortes doppelter Bedeutung) die Wahrnehmung der strafprozessualen Belange des Angeklagten in die Hände gelegt (vgl. BGH FamRZ 1997, 175). Diesem Interesse dient die Ladung des Betreuers aber nicht; mindestens in Fällen notwendiger Verteidigung wäre dieser zur Übernahme der damit verbundenen Verantwortung regelmäßig auch gar nicht in der Lage. Die Anwesenheit des Betreuers verfolgt vielmehr den Zweck, seine aus der Betreuung resultierenden spezifischen Kenntnisse für das Strafverfahren fruchtbar zu machen. Da hierüber andererseits ein Verteidiger nicht ohne weiteres verfügt, berührt seine Bestellung auch nicht die Erforderlichkeit der Hauptverhandlungsteilnahme des Betreuers, wie sie der Strafrichter und ihm folgend der Beteiligte zu 2) hier im Ergebnis mit Recht bejaht haben.

6. Der Senat kann über den Rechtsbehelf des Beschwerdeführers ohne Verstoß gegen § 28 Abs. 2 FGG selbst entscheiden, obwohl das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem o.g. Beschluss (BTPrax 1999, 73) den Zeitaufwand des Betreuers für die Sitzungsteilnahme in einer gegen den Betreuten gerichteten Strafsache im Ergebnis als nicht vergütungsfähig angesehen hat. Denn das Bayerische Oberste Landgericht hat dabei explizit offengelassen, ob es auch dann so entschieden hätte, wenn der Betreuer, wie im vorliegenden Fall, auf ausdrückliche Aufforderung des Gerichts an dem Termin teilgenommen hätte, und verweist insoweit auf die eine Vergütungspflicht für eine solche Konstellation gerade bejahende Auffassung des Landgerichts Memmingen (BTPrax 1998, 116). Mit der Zurückweisung der hier zu beurteilenden weiteren Beschwerde weicht der Senat daher nicht von der Rechtsprechung eines anderen Rechtsbeschwerdegerichts ab, so dass eine Vorlage an den Bundesgerichtshof ausscheidet.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da über etwa anfallende Gerichtskosten der Kostenbeamte nach Maßgabe der Kostenordnung in eigener Zuständigkeit befindet und erstattungsfähige außergerichtliche Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde ersichtlich nicht angefallen sind. Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht der Höhe des vor dem Oberlandesgericht streitbefangenen Betrags für Vergütung und Aufwendungsersatz des Beteiligten zu 2).

Ende der Entscheidung

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