Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 14.03.2002
Aktenzeichen: 15 W 409/01
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 17 Abs. 2
KostO § 17 Abs. 4
KostO § 818 Abs. 1
1. Über einen Anspruch auf Verzinsung überzahlter Gebühren für Eintragungen ins Handelsregister ist im Verfahren nach der Kostenordnung zu entscheiden.

2. In den Voraussetzungen von Bereicherungszinsen entsprechend § 818 Abs. 1 BGB im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (hier: Verzinsung überzahlter Handelsregistergebühren).


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

des 15. Zivilsenats vom 14.03.2002

Aktenzeichen: 15 W 0409/01

In dem Handelsregisterverfahren

wegen Verzinsung überzahlter Eintragungsgebühren

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Oberlandesgericht und Richter am Landgericht

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde des Antragsgegners vom 14.02.2001 gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 08.02.2001 - 43 T 35/00 - wird zurückgewiesen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hatte am 17.04.1998 für eine beantragte Handelsregistereintragung einen Kostenvorschuss von 25.700,00 DM eingezahlt. Gegen die endgültige Kostenrechnung (über 28.747,58 DM) legte die Antragstellerin Erinnerung ein und berief sich zur Begründung auf zwischenzeitlich bekannt gewordene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur (lediglich) aufwandsorientierten Bemessung von Eintragungsgebühren (vgl. ZIP 1998, 206). Daraufhin hob das Amtsgericht seinen Kostenansatz mit Zustimmung des Antragsgegners auf und setzte die Eintragungsgebühr (vorläufig, weil die tatsächlichen Kosten der Eintragung noch zu ermitteln waren) auf 500,00 DM fest. Den Antrag, den überzahlten Betrag mit 6 % jährlich zu verzinsen, lehnte das Amtsgericht hingegen ab, weil die Kostenordnung einen solchen Anspruch nicht vorsehe.

Auf die Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss (vgl. Bl. 23 ff. dA) die Entscheidung des Amtsgerichts geändert und die Staatskasse antragsgemäß verpflichtet, die der Antragstellerin erstatteten Gebühren vom Zeitpunkt des Zahlungseingangs bis zum Zeitpunkt der Rückerstattung mit 6 % zu verzinsen. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit der vom Landgericht ausdrücklich zugelassenen weiteren Beschwerde. Er hält daran fest, die Beschwerde der Antragstellerin sei bereits unzulässig, da die beantragte Entscheidung im Kostenverfahren nicht hätte ergehen dürfen und die nach der Kostenordnung tätig gewordenen Tatsachengerichte daher nicht zuständig gewesen seien. Jedenfalls sei die Beschwerde aber unbegründet, da sich aus der Kostenordnung keine Verzinsungspflicht der Staatskasse für überzahlte Registergebühren ergebe; auch im Rahmen eines öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs bestehe gegen die Staatskasse kein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen in analoger Anwendung von bereicherungsrechtlichen Vorschriften.

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig (vgl. § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO), bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass die Staatskasse, soweit sie zu Unrecht Kosten erhoben hatte und diese daher erstatten muss, verpflichtet ist, den ohne Rechtsgrund an sie geleisteten Betrag für den Zeitraum der Überzahlung mit 6 % jährlich zu verzinsen.

1. Über den Verzinsungsanspruch ist im Verfahren nach der Kostenordnung und damit in dem durch § 14 Abs. 3 KostO geregelten Rechtsmittelzug zu entscheiden. Denn es handelt sich dabei um eine mit dem Anspruch auf Rückzahlung der rechtswidrig zuviel erhobenen Kosten selbst kraft Sachzusammenhang verbundene Nebenforderung. Dass über den eigentlichen Kostenerstattungsanspruch seiner kostenrechtlichen Natur wegen nach Maßgabe der Kostenordnung von den hierzu berufenen Gerichten befunden werden muss, bezweifelt auch der Antragsgegner nicht; tatsächlich ist im vorliegenden Fall ebenso verfahren worden. Dieser Zuständigkeit steht nicht entgegen, dass die Rückzahlungspflicht hier nicht infolge einer (durch die weitere Verfahrensentwicklung ausgelösten) nachtraglichen Ermäßigung ursprünglich rechtmäßig erhobener Kosten entstand, sondern weil Eintragungsgebühren aufgrund einer mit höherrangigem Recht nicht vereinbaren Vorschrift, also im Ergebnis rechtswidrig erhoben und daher rechtsgrundlos gezahlt worden waren. Auch ein darauf beruhender Kostenerstattungsanspruch ist ungeachtet einer fehlenden ausdrücklichen Erstattungsregelung in der Kostenordnung selbst als Kehrseite des staatlichen Kostenanspruchs im Kostenverfahren zu klären und nicht etwa als eigenständiger öffentlich-rechtlicher oder gar zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch vor den jeweiligen Prozessgerichten geltend zu machen.

Das folgt schon daraus, dass die Kostenordnung selbst die Verjährung von Erstattungsansprüchen regelt (vgl. § 17 Abs. 2), ohne dabei zwischen unterschiedlichen Entstehungsursachen für solche Ansprüche zu differenzieren und erkennen zu lassen, dass für bestimmte Rückzahlungsforderungen das Verfahren, in dessen Regelungskontext § 17 Abs. 2 KostO steht, gar nicht anwendbar sein soll. Setzt die Kostenordnung aber als Gegenstand ihres Verfahrens einen Kostenrückerstattungsanspruch als Ausprägung des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs als gegeben voraus, so kann im Rahmen dieses Verfahrens zulässigerweise alles verlangt werden, was tauglicher Gegenstand eine solchen Anspruchs sein kann. Der Senat sieht nach alledem keinen vernünftigen Grund dafür, insoweit zwischen den überhobenen Kosten einerseits und hierauf etwa zu zahlenden Bereicherungszinsen andererseits zu unterscheiden und für letztere schon die Statthaftigkeit der Anspruchsverfolgung im Kostenverfahren in Abrede zu stellen (im Ergebnis ebenso BayObLG NJW 1999, 1194; OLG Hamm JurBüro 2001, 102; OLG Köln JurBüro 2001, 312) . Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber selbst mit der Einfügung von § 17 Abs. 4 n.F. KostO durch Art 9 Abs. 2 des "Gesetzes über elektronische Register und Justizkosten etc." (BGBl. 2001, Teil I, S. 3428) inzwischen zum Ausdruck gebracht hat, dass auch er die Frage der Verzinsung von Rückerstattungsansprüchen als kostenrechtliches Problem ansieht, über das daher im Rahmen des Kostenverfahrens nach § 14 KostO zu entscheiden ist.

2. In der Sache hält der Senat im vorliegenden Fall eine Verzinsungspflicht der Staatskasse für gegeben; dass sich eine solche Verpflichtung aus der Kostenordnung nicht ausdrücklich ergibt, steht dem nicht entgegen.

Inhalt und Umfang des grundsätzlich allgemein anerkannten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs (s.o.) bestimmen sich mangels eigenständiger gesetzlicher Regelung im Wesentlichen nach den entsprechend anzuwendenden Vorschriften über den zivilrechtlichen Bereicherungsausgleich; in beiden Fällen geht es um die rechtsstaatlich gebotene Rückabwicklung einer rechtsgrundlosen Vermögensverschiebung, die im Ergebnis zu einer mit der Rechtsordnung nicht übereinstimmenden Vermögenslage geführt hatte und daher auszugleichen ist (vgl. Windthorst, Jus 1996, 894, 895) . Das schließt es nicht aus, dass einzelne Tatbestandsmerkmale dieses Ausgleichsanspruchs im öffentlichen Recht anders interpretiert werden als bei einer unmittelbaren Anwendung der §§ 812 ff. BGB, so dass die Anspruchsinhalte nicht in jedem Fall deckungsgleich sein mögen (z.B. im Bereich des Wegfalls der Bereicherung, worauf der Antragsgegner im Ansatz zu recht hinweist; vgl. Windthorst a.a.O., S. 899). Einig ist man sich aber entgegen der Auffassung des Antragsgegners darüber, dass der Bereicherte (in diesem Fall also die Staatskasse) den zu Unrecht erlangten Vermögensvorteil herausgeben muss; trotz der öffentlich-rechtlichen Verankerung dieses Erstattungsanspruchs bestimmt sich sein Umfang mithin grundsätzlich nach dem in § 818 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken (vgl. BVerwG NJW 1999, 1201, 1202). Danach erstreckt sich die Verpflichtung zur "Herausgabe des Erlangten" auch auf gezogene Nutzungen, weil dem Erstattungspflichtigen die Früchte der unrechtmäßigen Vermögensverschiebung nicht verbleiben sollen.

Entscheidungserheblich kann danach allenfalls die Frage sein, ob zu den tatsächlich gezogenen Nutzungen im vorgenannten Sinne auch Zinsvorteile der öffentlichen Hand gehören, zumal wenn sich diese (wie regelmäßig) dem konkreten Betrag, um den der Erstattungspflichtige zu Unrecht bereichert war, nicht zuordnen lassen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner früheren Rechtsprechung (vgl. NJW 1973, 1854) eine solche Verzinsung eines gegen eine Behörde gerichteten öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs mit der Erwägung verneint, der Staat lege öffentlich-rechtlich erlangte Einnahmen nicht gewinnbringend an, sondern verwende sie im Interesse der Allgemeinheit. Zu dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesverwaltungsgericht jüngst (NJW 1999, 1201, 1202) nicht mehr ohne weiteres bekannt, sondern, wenn auch unter Berufung auf fallbezogene Besonderheiten, einen geltend gemachten Zinsanspruch in entsprechender Anwendung von § 818 Abs. 1 BGB zugesprochen. Die dabeifür einen privatrechtlich organisierten, aber als beliehener Unternehmer tätig gewordenen Pensionssicherungsverein angestellte Überlegung, das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht schließe eine wirtschaftlich sinnvolle und (durch Anlage, Kredittilgung oder verminderte Kreditaufnahme) letztlich gewinnbringende Mittelverwendung nicht aus, trifft aber auf öffentliche Kassen und Haushalte grundsätzlich in gleicher Weise zu (Schön, NJW 1993, 3289); diese werden durch die entsprechenden haushaltsrechtlichen Vorgaben vielmehr auf eine derartige Mittelverwendung sogar ausdrücklich festgelegt. Ein - gleich ob mit oder ohne Rechtsgrund - der öffentlichen Hand zufließender Geldbetrag erhöht entweder deren Liquidität oder er vermindert einen Fehlbetrag mit der Folge eines verminderten Kreditbedarfs. Die sich daraus ergebenden - und vom öffentlich-rechtlichen Bereicherungsschuldner nach Maßgabe des Haushaltsrechts grundsätzlich wahrzunehmenden - Verwendungsmöglichkeiten (s.o.) führen nach der Lebenserfahrung (vgl. Palandt-Sprau, 61. Aufl., 2002, § 818 BGB Rdn. 10) zu bestimmten wirtschaftlichen Vorteilen, nämlich entweder zu positiv erzielten Zinseinnahmen oder zu ersparten Schuldzinsen. Beides ist nach § 818 Abs. 1 BGB grundsätzlich herauszugeben (vgl. BGHZ 138, 160 = JZ 1998, 955 mit zustimmender Anmerkung Schlechtriem) ; der Senat vermag (mit Schlechtriem a.a.O. S. 959) nicht zu erkennen, warum bei einer entsprechenden Anwendung dieser Vorschrift im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs etwa anderes gelten soll (im Ergebnis ebenso BayObLG NJW 1999, 1194; OLG Hamm, JurBüro 2001, 102, 103; OLG Köln JurBüro 2001, 312; zustimmend OLG Zweibrücken, Rechtspfleger 2000, 128, 129; Lappe in: Korintenberg u.a., KostO 14. Aufl. 1999, § 14 Rdn. 113a; Rohs/Wedewer, KostO Stand Dez. 2000, § 14 Rdn. 19; Göttlich/Mümmler, KostO 14. Aufl. 2000, S. 1216).

3. Dass die Kostenordnung einen derartigen Verzinsungsanspruch nicht selbst regelt, schließt ihn umgekehrt nicht aus. Es ist unbestritten, dass der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch (dessen Bestandteil die Verpflichtung zur Herausgabe von gezogenen Nutzungen einschließlich Zinsen ist) nur dort nicht Platz greift, wo abschließende spezialgesetzliche Regelungen an seine Stelle treten. Das ist im Bereich der Kostenordnung, wie der Antragsgegner für den Erstattungsanspruch in der Hauptsache selbst einräumt, gerade nicht der Fall; für den damit zusammenhängenden Zinsanspruch kann dann nichts anderes gelten.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber mit der o.g. Neufassung des § 17 KostO in dessen Abs. 4 nunmehr einen Verzinsungsanspruch für überzahlte Kosten ausdrücklich ausschließt. Auf den vorliegenden Fall findet diese Neuregelung wegen § 161 KostO ohnehin keine unmittelbare Anwendung; im Übrigen ergibt sich aus ihr eher ein Beleg für als gegen die Auffassung des Senats, weil keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung nur deklaratorisch eine (aus seiner Sicht) ohnehin bestehende Rechtslage bekräftigen wollte.

Soweit das Beschwerdegericht die Höhe der herauszugebenden Zinsen in Anlehnung an § 238 AO auf 6 % jährlich geschätzt hat, ist dies aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Wenn der Gesetzgeber selbst im Zusammenhang mit Steuererstattungsforderungen eine vom Fiskus zu zahlende Verzinsung in dieser Höhe pauschaliert, trägt der Senat keine Bedenken, die darin zum Ausdruck kommende Bewertung des auszugleichenden Vorteils auch auf eine Erstattungsforderung aus einem anderen Rechtsgrund zu erstrecken.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 14 Abs. 5 a.F. KostO.

Ende der Entscheidung

Zurück