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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 18 U 2141/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, AGBG


Vorschriften:

BGB § 765 Abs. 1
BGB § 767 Abs. 1
BGB § 769
BGB § 133
BGB § 157
BGB § 284 ff.
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 296 Abs. 1
ZPO § 527
ZPO § 528 Abs. 2
ZPO § 519 Abs. 2 S. 2
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 273 Abs. 1 Ziff. 4
ZPO § 141 Abs. 1
ZPO § 445 Abs. 1
ZPO § 447
ZPO § 448
ZPO § 445 Abs. 2
AGBG § 24a
AGBG § 9
AGBG § 5
AGBG § 1
AGBG § 3
AGBG § 1 Abs. 1
AGBG § 9 Abs. 1
Üebertragbarkeit der von der Rechtssprechung in Bezug auf Formularbürgschaften für Kontokorrentkreditforderungen entwickelten Grundsätze auf Bürgschaften für sog. " laufende Warenkredite "
(rechtskräftig; der Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Revisionsinstanz wurde mit Beschluß des BGH vom 05.07.2001, Az.: XI ZA 4/01, zurückgewiesen)

Oberlandesgericht Dresden

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 18 U 2141/00 15 O 2456/00 LG Leipzig

Verkündet am 28.02.2001

In dem Rechtsstreit

wegen Bürgschaftsforderung

hat der 18. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2001 durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ,

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufungen der Beklagten gegen das am 07.07.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Leipzig, Aktenzeichen 15 O 2456/00, werden zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 120.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.

Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstitutes zu erbringen.

Tatbestand:

Die Klägerin, die einen Fachgroßhandel mit Sanitär- und Heizungsartikeln betreibt, nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner aus einer Höchstbetragsbürgschaft auf Zahlung von DM 85.000,00 nebst Zinsen in Anspruch.

Der Beklagte zu 1) war seit 1976 Inhaber eines einzelkaufmännisch geführten Sanitär- und Heizungsinstallationsbetriebes, der zum 11.12.1995 eingestellt wurde (Bl. 43 d.A.). Mit Gesellschaftsvertrag vom 01.03.1993 (Handelsregisterauszug: Bl. 18, 18RS d.A.) wurde die E. GmbH (fortan: Schuldnerin) gegründet, an der sowohl der Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) - letztere seit 1994 mit 49% - als Gesellschafter beteiligt sind. Die am 23.12.1993 im Handelsregister eingetragene Schuldnerin wurde zunächst durch den Beklagten zu 1) allein vertreten, mit Gesellschafterbeschluss vom 04.12.1995 wurde auch die Beklagte zu 2) zur - ebenfalls alleinvertretungsberechtigten - Geschäftsführerin bestellt.

Die Klägerin belieferte in laufender Geschäftsbeziehung - jedenfalls auch - die Schuldnerin mit Heizungs- und Sanitärmaterialien. Am 05.10.1995 unterzeichneten die Beklagten zu 1) und zu 2) eine von der Klägerin formulierte Bürgschaftsurkunde, auf die wegen ihres Wortlauts und der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 16, 17 d. A.). Zu diesem Zeitpunkt beliefen sich die Verbindlichkeiten der Schuldnerin aus Warenlieferungen der Klägerin auf mindestens DM 135.000,00. Die diesem Betrag zugrunde liegenden Einzelforderungen wurden in der Folgezeit beglichen. Eine Vielzahl weiterer Lieferungen während der Zeit vom 30.06.1996 bis Januar 1998, die die Klägerin der Schuldnerin mit insgesamt DM 232.188,28 in Rechnung gestellt hat, wurde nicht bezahlt ("offene-Posten-Liste" vom 08.12.1998, Bl. 19 bis 25 d.A.). Nachdem der Beklagte zu 1) Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt hatte, nahm die Klägerin die Beklagten zu 1) und zu 2) mit Schreiben vom 23.01.1998 (Bl. 26, 27 und 28, 29 d.A.) aus der Bürgschaft vom 05.10.1995 in Anspruch. Die Beklagte zu 2) stellte unter dem 16.03.1998 (Bl. 31, 32 d.A.) eine Mithaft in Abrede. Mit Beschluss vom 01.04.1998 wurde die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens mangels Masse abgelehnt.

Die Klägerin hat in erster Instanz im wesentlichen vorgetragen:

Eine Mehrfachverwendung des Bürgschaftstextes sei nicht beabsichtigt gewesen. Sie habe den Wortlaut allein vor dem Hintergrund der Zahlungsrückstände der Schuldnerin und des sich hieraus für sie ergebenden Sicherungsbedarfs aufgesetzt, weshalb der Anwendungsbereich des AGB-Gesetzes nicht eröffnet sei. Zu dem Einzelunternehmen des Beklagten zu 1) habe sie keine Geschäftsbeziehungen unterhalten, auch sei die Bürgschaft des Inhabers eines Einzelunternehmens, der für die im Rahmen des Geschäftsbetriebes begründeten Forderungen ohnehin hafte, wirtschaftlich sinnlos. Bei Abgabe der Bürgschaftserklärung hätten sich ihre Forderungen gegen die Schuldnerin auf über DM 200.000,00 belaufen, weshalb sie die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung, die auf eine tragfähige Grundlage habe gestellt werden sollen, von der Unterzeichnung der Bürgschaft abhängig gemacht habe (Beweisangebot: Zeuge K., Bl. 15 d.A.; Vernehmung des Geschäftsführers K.S. als Partei, Bl. 54 d.A.). Den Parteien sei bewusst gewesen, dass die Bürgschaft auch künftige Forderungen habe erfassen sollen.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie DM 85.000,00 nebst 10% Zinsen hieraus seit dem 31.01.1998 zu bezahlen.

Die Beklagten haben demgegenüber beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, bereits die Form der Bürgschaft spreche für das Vorliegen eines vervielfältigten Klauselwerkes. Auch habe die Klägerin keine Bürgschaft für Forderungen gegen die Schuldnerin abgefordert. Die Bürgschaft sichere allein Forderungen gegen das einzelkaufmännische Unternehmen des Beklagten zu 1), zu dem die Klägerin seit 1991 Geschäftsbeziehungen unterhalten habe. Aus dem Bürgschaftstext gehe auch nicht hervor, dass diese Ansprüche, die "über den 05.10.1995 hinausgingen" habe absichern sollen. Jedenfalls aber verstoße eine Erstreckung auf künftige Forderungen gegen §§ 3, 9 AGBG und sei unwirksam.

Das Landgericht hat der Klage mit dem am 07.07.2000 verkündeten Urteil (Bl. 70 bis 77 d.A.), auf das Bezug genommen wird, mit Ausnahme eines Teils der geforderten Zinsen stattgegeben. Gegen die ihnen am 20.07.2000 zugestellte Entscheidung haben die Beklagten am 21.08.2000, einem Montag, Berufung eingelegt und diese mit dem am 21.09.2000 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage begründet.

Zur Begründung ihres Rechtsmittels tragen sie im Wesentlichen vor:

Entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung erfasse die Bürgschaft vom 05.10.1995 bereits nach ihrem eindeutigen Wortlaut keine nach diesem Zeitpunkt entstandenen Forderungen der Klägerin, jedenfalls greife zu ihren Gunsten die Unklarheitenregel des § 5 AGBG. Eine Ausdehnung der Haftung auf künftige Verbindlichkeiten aus der Geschäftsbeziehung stelle zudem eine unangemessene Benachteiligung dar. Das berechtigte Interesse des Bürgen, nicht für Forderungen einstehen zu müssen, deren Inhalt und Umfang er bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht absehen könne, sei bei zukünftigen Ansprüchen nur dann gewahrt, wenn der Kreis der Hauptschulden, auf die sich seine Verpflichtung beziehe, nach Grund und Umfang von Anfang an klar und übersichtlich abgesteckt sei. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Wie in dem vergleichbaren Fall der Bürgschaft für einen unlimitierten Kontokorrentkredit begrenze daher grundsätzlich das aktuelle Sicherungsbedürfnis des Gläubigers bei Übernahme der Bürgschaft die Haftung. Die Argumentation des Landgerichts, die Erstreckung einer Höchstbetragsbürgschaft für laufende Warenkredite auf künftig entstehende Forderungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei gegenüber Gesellschaftern/Geschäftsführern einer GmbH wirksam, sei unrichtig. Auch lasse die angefochtene Entscheidung unberücksichtigt, dass jedenfalls die Beklagte zu 2) erst nach Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde zur Geschäftsführerin der Schuldnerin bestellt worden sei. Einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft stehe schließlich auch die mangelnde Schriftform entgegen, zumal zukünftige Ansprüche im Text nicht erwähnt würden.

Die Beklagten stellen den Antrag,

das am 07.07.2000 verkündete Urteil des Landgerichts Leipzig, Az.: 15 O 2456/00, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt demgegenüber,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil, macht sich dessen Begründung zu Eigen und tritt - unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrages und Bezugnahme hierauf im Übrigen - dem Berufungsvorbringen der Beklagten im einzelnen entgegen.

Die Beklagten haben im Senatstermin vom 31.01.2001 zum Zustandekommen der Bürgschaft ergänzend vorgetragen und Beweis für ihre neuen Tatsachenbehauptungen angetreten; auf die Sitzungsniederschrift vom 31.01.2001 (Bl. 118 bis 121 d.A.) wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens und des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässigen Berufungen haben in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten aus der Höchstbetragsbürgschaft vom 05.10.1995 in Höhe von DM 85.000,00 nebst Zinsen zu Recht bejaht, §§ 765 Abs. 1, 767 Abs. 1, 769, 284 ff. BGB.

1. Bei dem Bürgschaftstext handelt es sich um vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne von § 1 AGBG (1), jedoch führt auch eine an den von der Rechtsprechung für Formularverträge entwickelten Kriterien ausgerichtete Auslegung zu keinem von der angefochtenen Entscheidung abweichenden Ergebnis (2).

1.1. Der Senat ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht der Überzeugung, dass die Höchstbetragsbürgschaft, was die Person der Hauptschuldnerin und die von der Klägerin behauptete Absicherung auch künftiger Verbindlichkeiten anbelangt, auslegungsbedürftig ist. Ungeachtet der Frage, ob die Voraussetzungen der §§ 3, 5 oder 9 AGBG gegeben sein mögen (hierzu nachfolgend), bedarf es einer Entscheidung über das Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen oder der Anwendbarkeit der Regelungen des AGB-Gesetzes deshalb, weil dies auch für die an die Vertragsauslegung anzulegenden Maßstäbe von Bedeutung ist. Liegt nämlich ein Individualvertrag vor, so hat die Auslegung darauf abzustellen, wie jeder Vertragspartner den objektiven Wert der Erklärung des anderen Teils nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte verstehen musste (§§ 133, 157 BGB). Handelt es sich demgegenüber um einen Formularvertrag, so sind dessen Bedingungen nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (vgl. BGH NJW-RR 1996, 375 ff., 375).

Die Klägerin hat dem pauschalen Einwand der Beklagten, es handele sich um einen Formularvertrag, entgegengehalten, es liege ein von ihr aufgesetzter Individualvertrag deshalb vor, weil dieser allein der Absicherung wegen des ständigen Zahlungsverzuges der Schuldnerin gedient habe und eine Mehrfachverwendung nicht beabsichtigt gewesen sei (§ 1 Satz 1 AGBG). Hierzu haben sich die Beklagten nicht erklärt. Wer sich auf den Schutz des AGB-Gesetzes beruft, muss jedoch im Streitfall beweisen, dass die zum Vertragsbestandteil gemachten Klauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 1 AGBG sind. Solches ist prima facie nur dann anzunehmen, wenn ein gedrucktes oder sonst vervielfältigtes Klauselwerk oder Muster des anderen Teils Verwendung gefunden hat (vgl. Palandt-Heinrichs, 60. Aufl., Rz. 20 zu § 1 AGBG). Zwar spricht vorliegend - entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung - nicht bereits das äußere Erscheinungsbild der Bürgschaftsurkunde für eine Einordnung als Allgemeine Geschäftsbedingung der Klägerin: Der Text wurde auf deren Geschäftspapier aufgesetzt und ist ersichtlich allein für eine Verwendung den Beklagten gegenüber bestimmt. Allerdings sprechen die Formulierungen: "zur Sicherung bestimmter Forderungen" und "für das Bürgschaftsverhältnis gilt deutsches Recht" dafür, dass die Klägerin den Bürgschaftstext aus einem ihr - oder einer möglicherweise zugezogenen Ratsperson - vorliegenden Formular oder aus einer Mustersammlung entnommen ("abgeschrieben") hat. Für diese Wertung sprechen auch die Klammerzusätze im letzten Absatz der ersten Seite der Bürgschaft, die sich als Erläuterungen der jeweils vorangegangenen Regelungen darstellen, wie diese typischerweise in Formularsammlungen enthalten sind. Nachdem Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen auch ist, wer ohne Wiederholungsabsicht ein gebräuchliches Vertragsmuster ganz oder teilweise benutzt (Palandt-Heinrichs, a.a.O., Rz. 6 zu § 1 AGBG), hätte es der Klägerin oblegen, ihre Behauptung, es handele sich um eine Individualvereinbarung, näher zu substantiieren. Solches ist indes auch in Kenntnis der Rechtsauffassung des Senats im Verhandlungstermin vom 31.01.2001 unterblieben, weshalb vom Vorliegen Allgemeiner Geschäftsbedingungen auszugehen ist, ohne dass es auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob es sich bei der Bürgschaft um einen Formularvertrag im Sinne von § 24a AGBG handelt, ankäme.

1.2. Auch eine an objektiven Maßstäben ausgerichtete Auslegung unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise führt allerdings nicht zu dem von den Beklagten angestrebten Ergebnis:

a) Was die Person des Hauptschuldners anbelangt, wird auf die zutreffende - und mit der Berufung auch nicht angegriffene - Begründung des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO), zumal die Behauptung des Beklagten zu 1), die Klägerin habe eine Geschäftsverbindung auch zu seinem Einzelunternehmen unterhalten, noch nicht erklärt, aus welchen Gründen sie insoweit einer Absicherung durch eine Bürgschaft bedurft haben sollte, obgleich ihr gegenüber der Beklagte zu 1) als Geschäftsinhaber für etwaige Verbindlichkeiten aus Warenlieferungen ohnehin persönlich einzustehen hatte. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, weshalb sich die Beklagte zu 2), die nur an der Schuldnerin, nicht hingegen an dem Einzelunternehmen des Beklagten zu 1) beteiligt war, für etwaige und im Verfahren nicht näher dargestellte Verbindlichkeiten des letzteren verbürgt haben sollte.

b) In Übereinstimmung mit dem Landgericht ist der Senat in Würdigung der Gesamtumstände auch der Überzeugung, dass die Bürgschaftserklärungen der Beklagten nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise an "Warenkreditgeschäften" beteiligten Kreise nur so zu verstehen sind, dass sich diese auch auf künftige Forderungen der Klägerin aus Warenlieferungen bezogen haben.

aa) Bereits der Urkundenwortlaut trägt dieses Ergebnis, obgleich den Beklagten zuzugeben ist, dass - für sich betrachtet - die Formulierung "sämtliche Ansprüche, die (...) aus Warenlieferungen (...) zustehen" dahin verstanden werden kann, dass lediglich die zum Zeitpunkt der Urkundenerrichtung bestehenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin eine Absicherung erfahren sollten. Indes sprechen überwiegende Gesichtspunkte gegen dieses Auslegungsergebnis. So entspricht es allgemeinem (Umgangs-) Sprachgebrauch, in der (unmittelbaren) Zukunft liegende Ereignisse durch Verwendung des Präsens auszudrücken. Der Urkundenwortlaut lässt sich daher auch - grammatikalisch - ohne weiteres um ein "(zustehen) werden" ergänzen. Für dieses Verständnis spricht zudem der vorletzte Absatz der ersten Seite der Bürgschaftsurkunde, in dem auf die Fälligkeit der Forderung der Klägerin abgestellt wird. Dessen hätte es nicht bedurft, würde sich die Bürgschaft tatsächlich, wie die Beklagten behaupten, nicht auf "über den 05.10.1995 hinausgehende" Ansprüche bezogen haben.

bb) Auch für Formularverträge ist im Übrigen anerkannt, dass die Begleitumstände zur Auslegung herangezogen werden können, soweit sie einer typisierten Betrachtung zugänglich sind. Zu berücksichtigen ist daher, dass die Klägerin als Warenlieferantin in einer ständigen Geschäftsverbindung mit der Schuldnerin stand, hinsichtlich der damals aufgelaufenen Zahlungsrückstände von jedenfalls 135.000,00 DM über "überwiegende Wechselforderungen" verfügte und die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung von der Gewährung einer Bürgschaft abhängig gemacht hatte. Nach Erlangung der Bürgschaft hat sie die Schuldnerin weiterhin und in erheblichem Umfang mit Waren beliefert und, wie aus der "offenen-Posten-Liste vom 08.12.1998" hervorgeht, für eine - lediglich teilweise - "Absicherung" der seither aufgelaufenen Außenstände durch Wechsel Sorge getragen. Ihr weiteres Verhalten macht damit - ebenso wie der Umstand, dass die Beklagten nach Tilgung der bei Abgabe der Bürgschaftserklärungen vorhandenen Verbindlichkeiten durch die Schuldnerin die Bürgschaftsurkunde nicht zurückgefordert haben, - deutlich, dass sie von einer teilweisen Absicherung auch der nach dem 05.10.1995 begründeten Warenlieferantenforderungen durch die Bürgschaft ausgegangen sind. Die Vorgehensweise der Klägerin entspricht, worauf die Parteien im Verhandlungstermin hingewiesen wurden, auch den dem Senat aus anderen Verfahren bekannten Gepflogenheiten von Warenlieferanten. Diese räumen ihren Geschäftspartnern im Rahmen ständiger Geschäftsbeziehungen häufig "Kreditlinien" ein, machen jedoch regelmäßig spätestens im Falle der "Überziehung des Warenkredites" die Fortsetzung der Vertragsbeziehungen von der Begleichung der Rückstände und der Gewährung von Sicherheiten abhängig, weil sie anderenfalls des Versicherungsschutzes ihrer Warenkreditversicherer verlustig gehen. Demgegenüber ist es nicht nur mit kaufmännischen Gepflogenheiten unvereinbar, sondern auch unüblich, eine Geschäftsbeziehung im Falle erheblicher und lediglich teilweise abgesicherter Rückstände fortzusetzen, ohne jedenfalls künftige Lieferungen von einer vorangegangenen Bezahlung der Waren ("Vorauskasse") abhängig zu machen. Aus diesem Grunde entspricht es nach der Überzeugung des Senats dem Verständnis der typischerweise mit derartigen Geschäften befassten Kreise, dass sich die Übernahme einer (Höchstbetrags-) Bürgschaft für "alle" oder "sämtliche" Forderungen aus regelmäßigen Warenlieferungen im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung nicht nur auf bestehende Rückstände sondern auch auf künftige Verbindlichkeiten bezieht (im Ergebnis ähnlich: BGH, Urteil vom 06.07.1957, WM 1957, 876 f.).

cc) Das neue Tatsachenvorbringen der Beklagten im Senatstermin vom 31.01.2001 rechtfertigt keine andere Beurteilung. Dieses ist vielmehr als verspätet zurückzuweisen, §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO, und damit unbeachtlich (Zöller-Greger, ZPO, 22. Aufl., Rdz. 33 zu § 296).

(1) Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz darauf hingewiesen, dass die Formulierung "sämtliche Ansprüche, die (...) aus Warenlieferungen (...) zustehen" nicht losgelöst von den nachfolgenden Bestimmungen in der Bürgschaftsurkunde betrachtet werden kann. Zudem hatte sie unter Beweisantritt vorgetragen, dass sich die "überwiegend" durch Wechsel gesicherten Verbindlichkeiten der Schuldnerin vor Abgabe der Bürgschaftserklärungen auf etwa DM 200.000,00 belaufen hatten, weshalb sie die künftige Geschäftsbeziehung auf einen "tragfähigen Boden" habe stellen wollen und die Fortsetzung der Geschäftsverbindung von der Gewährung einer (weiteren) Sicherheit abhängig gemacht habe. Dem sind die Beklagten nicht mit konkretem Tatsachenvortrag entgegengetreten. Aus dem von der Klägerin zu den Akten gereichten vorprozessualen Schreiben der Beklagten zu 2) ergab sich zwar, dass sich die Verbindlichkeiten der Schuldnerin bei Abgabe der Bürgschaftserklärung "nach diesseitiger Kenntnis" auf (lediglich) rund DM 135.000,00 belaufen hatten. Ihre Auffassung, sie hafteten nicht für nach dem 05.10.1995 entstandene Forderungen, haben sie indes allein damit begründet, dass solches "aus der Bürgschaftsurkunde" nicht hervorgehe. Auch der Auslegung des Landgerichtes haben sie lediglich entgegengehalten, die "eindeutige" Formulierung - "zustehen" - lasse eine Erstreckung auf künftige Verbindlichkeiten nicht zu. Auf die Berufungserwiderung der Klägerin haben sie schließlich zwar unter dem 24.11.2000 repliziert, deren in zweiter Instanz wiederholtes Tatsachenvorbringen haben sie jedoch erstmals im Senatstermin vom 31.01.2001 und damit verspätet im Sinne von § 527 ZPO bestritten: In der Berufungsbegründung unterlassenes und später nachgeholtes Bestreiten nämlich unterfällt dem Anwendungsbereich des § 527 ZPO (vgl. Zöller-Gummer, a.a.O., Rdz. 12 zu § 527). Entsprechendes gilt - erst recht (vgl. § 528 Abs. 2 ZPO) - dann, wenn das Bestreiten in erster Instanz gänzlich unterblieben ist und - wie hier - auch ein Gegenbeweisantritt erstmals in zweiter Instanz und nach Ablauf der Frist des § 519 Abs. 2 S. 2 ZPO erfolgt. Denn erst das von der bislang unstreitigen Darstellung des Zustandekommens der Bürgschaftserklärungen abweichende Vorbringen der Beklagten im Senatstermin hatte die Beweisbedürftigkeit der wechselseitigen Tatsachenbehauptungen zur Folge. Eine Sachaufklärung jedoch hätte die Anberaumung eines Fortsetzungstermins erforderlich gemacht und daher zu einer für die Klägerin nicht hinnehmbaren Verzögerung des - im Falle "ungestörten" Ablaufs (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Rdz. 22 zu § 296) entscheidungsreifen - Verfahrens geführt.

(2) Hierauf wurden die Beklagten im Senatstermin hingewiesen. Zur Rechtfertigung ihrer Vorgehensweise haben sie lediglich angeführt, sie hätten die Auslegung des Urkundenwortlauts durch das Landgericht für eine "glatte Fehlentscheidung" gehalten, weshalb sie sich zu weiterem Tatsachenvorbringen erst veranlasst gesehen hätten, nachdem der Senat zu erkennen gegeben hatte, dass er sich dem Landgericht insoweit anschließen werde. Dies vermag sie allerdings nicht zu entlasten, §§ 527, 296 Abs. 1 ZPO. Vielmehr trifft die Beklagten entweder deshalb ein Verschuldensvorwurf, weil sie ihren Prozessbevollmächtigten nicht im Interesse einer sorgfältigen und förderungsbedachten Prozessführung rechtzeitig über die der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde zugrundeliegenden Umstände informiert haben (§ 276 BGB) oder sie müssen sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen. Allein der Umstand, dass die Formulierung "zustehen" auch - und ungeachtet der weiteren Regelungen in der Bürgschaftsurkunde - die Auslegung zulässt, die Bürgschaft beziehe sich lediglich auf bereits am 05.10.1995 begründete Verbindlichkeiten der Schuldnerin, entband sie nämlich nicht von ihrer Obliegenheit, dem Tatsachenvorbringen der Klägerin im einzelnen entgegenzutreten und die für die Auslegung maßgeblichen tatsächlichen Begleitumstände vorzutragen, zumal bereits die angefochtene Entscheidung - zutreffend - darauf hingewiesen hatte, dass zur Auslegung einer Bürgschaft auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden können. Im Übrigen steht der Annahme von Verschulden die falsche Einschätzung der Rechtslage durch einen Rechtsanwalt nur ausnahmsweise dann entgegen, wenn dieser die äußerste zumutbare Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen (vgl. hierzu auch: Zöller-Greger, a.a.O., Rdz. 23 zu § 233, Stichwort "Rechtsirrtum"). Solches wurde indes weder glaubhaft gemacht noch liegt dies mit Rücksicht auf die Vielzahl der von der Klägerin bereits in erster Instanz zur Unterlegung ihrer Rechtsposition herangezogenen Argumente, mit denen sich die Beklagten nicht auseinandergesetzt haben, nahe.

(3) Die mit dem verspäteten Vorbringen einhergehende Verfahrensverzögerung beruht schließlich auch auf dem Verschulden der Beklagten. Wären die Behauptungen der Klägerin binnen der Frist des § 519 Abs. 2 S. 2 ZPO - oder selbst in der Replik vom 24.11.2000 - bestritten worden und entsprechende Gegenbeweisantritte erfolgt, dann hätte der Senat den von der Klägerin angebotenen Zeugen K. gemäß § 273 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO vorbereitend geladen und diesen im Verhandlungstermin vom 31.01.2001 vernommen. Auch wäre - vorsorglich - das persönliche Erscheinen beider gesetzlicher Vertreter der Klägerin - unter Hinweis auf eine mögliche Parteivernehmung - angeordnet worden. Das persönliche Erscheinen der - von der Klägerin (auch) als Beweismittel angebotenen - Beklagten zu 1) und zu 2) gemäß § 141 Abs. 1 ZPO war angeordnet, diese haben den Termin auch wahrgenommen. Abhängig von dem Ergebnis der Vernehmung des Zeugen K. hätte daher im Verhandlungstermin vom 31.01.2001 auch über deren Vernehmung gemäß § 445 Abs. 1 ZPO befunden werden können. Eine Vernehmung der gesetzlichen Vertreter der Klägerin - des Geschäftsführers K.S. auf deren Antrag hin, der Geschäftsführer K.S. und A.S. auf Antrag der Beklagten - wäre demgegenüber nur unter den besonderen Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO einerseits und der §§ 445, 448 ZPO andererseits in Betracht gekommen. Vor diesem Hintergrund können sich die Beklagten daher auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der - nach Angaben der Klägerin allein mit der Sache befasste und informierte - Geschäftsführer K.S. krankheitsbedingt und entschuldigt trotz der mit Verfügung vom 27.09.2000 erfolgten Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht zum Senatstermin erschienen ist. Ungeachtet des Umstands nämlich, dass die Beklagten nicht vorgetragen haben, aus welchen Gründen "beide" Geschäftsführer der Klägerin zur Sachaufklärung hätten beitragen können, ist zu berücksichtigen, dass § 445 Abs. 2 ZPO die Vernehmung des Beweisgegners untersagt, wenn in Würdigung anderer Beweise das Gegenteil bereits als erwiesen anzusehen ist. Denn keiner Partei ist es zumutbar, trotz des Erfolges der eigenen Beweisführung das ihr günstige Prozessergebnis durch eine eigene Aussage in Frage zu stellen (vgl. Zöller-Greger, a.a.O., Rdz. 4 zu § 445). Infolgedessen hätte über die Erheblichkeit des Gegenbeweisantritts der Beklagten erst nach Ausschöpfung und Würdigung der von der Klägerin angebotenen Beweismittel befunden werden können. Ein lediglich möglicherweise im Anschluss an die Erhebung der "Hauptbeweise" erforderlicher weiterer Beweistermin vermag jedoch die Ursächlichkeit des Verschuldens der Beklagten für die Verfahrensverzögerung - bezogen auf die vorrangige (§§ 445 Abs. 1, 450 Abs. 2) Ausschöpfung der sonstigen Beweise - nach der Überzeugung des Senats nicht in Frage zu stellen.

2. Nachdem infolgedessen die Auslegung der Bürgschaftsurkunde zu einem eindeutigen Ergebnis führt, ist für die Anwendung der Unklarheitenregel (§ 5 AGBG) entgegen der von den Beklagten vertretenen Auffassung kein Raum (Palandt-Heinrichs, BGB, 60. Aufl., Rdz. 8 zu § 5 AGBG).

3. Ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis, §§ 766 Satz 1, 126 Abs. 1, 125 BGB, ist mit Rücksicht auf das Auslegungsergebnis ebenfalls nicht gegeben. Auch bei einer Formularbürgschaft ist zunächst gemäß §§ 133, 157 BGB der Inhalt des Vertrags auszulegen. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob die Erteilung der in einem bestimmten Sinne auszulegenden Bürgschaftserklärung dem gesetzlichen Schriftformerfordernis genügt. Soweit bei der Auslegung einer unklaren Formulierung - wie hier - auf Anhaltspunkte in der Urkunde zurückgegriffen werden kann, ist die Schriftform gewahrt. Das Formerfordernis, das den Bürgen warnen und vor nicht ausreichend überlegten Erklärungen sichern soll, bezieht sich zwar auf alle wesentlichen Teile einer Bürgschaftserklärung. Diese brauchen sich allerdings nicht zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Erklärung zu ergeben. Eine unklare oder mehrdeutige Formulierung schadet nicht, wenn sich Zweifel im Wege der Auslegung beheben lassen (so auch BGH, Urt. v. 17.02.2000, NJW 2000, 1569 f., 1570).

4. Die Erstreckung der Bürgschaft auch auf künftige Verbindlichkeiten der Hauptschuldnerin ist nicht als überraschend im Sinne von § 3 AGBG anzusehen, weil es sich - insoweit wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen - um eine für auf Dauer angelegte Warenlieferungsvertragsverbindungen objektiv nicht ungewöhnliche Bestimmung handelt. Nachdem die Klägerin die Fortsetzung ihrer Geschäftsverbindung mit der Schuldnerin von der Gestellung der Bürgschaften abhängig gemacht hatte, sich diese im Übrigen zum maßgeblichen Zeitpunkt in einem den verbürgten Betrag wesentlich übersteigenden Zahlungsrückstand befand, mussten die Beklagten auch mit einem in die Zukunft gerichteten Absicherungsbegehren der Klägerin rechnen. Bezeichnenderweise haben sie sich auch bis zum Senatstermin vom 31.01.2001 lediglich darauf berufen, dass aus der Bürgschaftsurkunde selbst nicht hervorgehe, dass diese Ansprüche, die über den 05.10.1995 hinausgingen, erfassen sollte.

5. Soweit die Formularbürgschaft vom 05.10.1995 die Haftung der Beklagten (auch) auf sämtliche zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung der Klägerin "zustehenden" Ansprüche erstreckt, ist ein Verstoß gegen § 9 Abs. 1 AGBG nicht gegeben. Der Beklagte zu 1) bedarf bereits aufgrund seiner Stellung als damals alleinvertretungsberechtigter gesetzlicher Vertreter der Schuldnerin keines besonderen Schutzes (1). Im Übrigen jedoch sieht die Bürgschaft auch keine Ausdehnung der Bürgenhaftung auf etwaige Forderungen der Klägerin, die nicht Anlass zur Verbürgung gaben, vor (2).

5.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 28.10.1999, NJW 2000, 658 ff., 659), der sich der Senat anschließt, führt eine Klausel in einem Bürgschaftsformular, die die Haftung des Bürgen auf alle bestehenden Ansprüche des Gläubigers gegen den Hauptschuldner erstreckt, ohne die verbürgten Forderungen näher zu bezeichnen, grundsätzlich zu einer den Geboten von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widersprechenden, unangemessenen Benachteiligung des Bürgen und ist daher gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam. Die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze gelten indes nicht für Fallgestaltungen, in denen sich Gesellschafter oder Geschäftsführer der Hauptschuldnerin verbürgen (a.a.O., 660; insoweit ohne Differenzierung nach Allein-, Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligungen), weil diese sich aufgrund der ihnen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben bzw. bestehender Informations- und Einsichtsrechte Kenntnis vom Umfang der Geschäftsverbindlichkeiten, für die sie einstehen sollen, verschaffen können. Jedenfalls für den hier bezüglich des Beklagten zu 1) gegebenen Fall einer Verbürgung durch den alleinvertretungsbefugten geschäftsführenden Mehrheitsgesellschafter ist auch der Senat der Überzeugung, dass der Bürge keines besonderen Schutzes bedarf, weil für ihn die Sicherung des Gesamtengagements des Gesellschaftsgläubigers im Vordergrund steht.

5.2. Ob Entsprechendes auch für die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaft noch nicht zur alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführerin bestellten Minderheitsgesellschafterin, die Beklagte zu 2), gilt, bedarf keiner Entscheidung. Vorliegend nämlich war, was die bei Begebung der Bürgschaft bestehenden Verbindlichkeiten der Schuldnerin anbelangt, die Bürgenhaftung auf "die Anlassforderung" beschränkt, weshalb die Erstreckung der Bürgschaft auf "sämtliche" bei Abgabe der Erklärung bestehenden Forderungen der Klägerin auch keine unangemessene Benachteiligung darstellt.

Anders, als in dem der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 28.10.1999, a.a.O.) zugrunde liegenden Sachverhalt - dort hatte eine Bank der Hauptschuldnerin sowohl verschiedene Kredite gewährt als auch in Bezug auf ein Kontokorrentkonto eine Kreditlinie eingeräumt - ergeben sich hier nämlich aus dem Bürgschaftsformular Gegenstand und Umfang des Risikos der Bürgen klar und eindeutig: Die Bürgschaft sollte sich allein auf Ansprüche der Klägerin aus Warenlieferungen an die Schuldnerin beziehen. Zwar mag es grundsätzlich einem Kreditgeber zumutbar sein, auch den "Höchstbetragsbürgen" anlässlich der Bürgschaftsübernahme über Umfang und Höhe der zu diesem Zeitpunkt bestehenden - abzusichernden - Verbindlichkeiten aufzuklären, beispielsweise durch Aufnahme des Betrages oder aber der "Kreditkontonummer" in den Vertrag. Allerdings ist es zu weitreichend, von Warenlieferanten zu fordern, die Höhe der bis dato aufgelaufenen Verbindlichkeiten in dem Bürgschaftsformular zu beziffern oder gar eine Aufstellung der Einzelforderungen zum Vertragsgegenstand zu machen, zumal sich - wie auch die von der Klägerin zu den Akten gereichte "Saldenliste" verdeutlicht - in derartigen Fällen die Hauptschuld aus einer Vielzahl von Einzelforderungen zusammensetzt und auch nicht die Möglichkeit besteht, dass der Gläubiger den Bürgen wegen einer im Vertrag nicht bezeichneten Verbindlichkeit in Anspruch nimmt, die nicht Anlass der Verbürgung war. Maßgeblich ist in derartigen Fällen vielmehr allein der dem Hauptschuldner faktisch - durch Fortsetzung der Geschäftsbeziehung trotz unterbliebener Berichtigung der Kaufpreise für bereits gelieferte Waren - eingeräumten "Warenkredit". Nach der Überzeugung des Senats ist daher auch die vorliegende Fallgestaltung - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - vergleichbar mit der Einräumung eines Kontokorrentkredites: Wenn die bei Abgabe der Bürgschaftserklärung bestehende Hauptschuld durch Angabe eines bestimmten Kontokorrentkreditverhältnisses eindeutig bezeichnet ist, dann muss dies auch für die Bezugnahme auf "Forderungen aus Warenlieferungen" im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung gelten.

6. Die formularmäßige Ausdehnung einer Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus der (bankmäßigen) Geschäftsverbindung (sog. "weite Zweckerklärung") ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch insoweit unwirksam, als sie Forderungen aus künftigen Verträgen und nachträglichen Vertragsänderungen betrifft (BGHZ 132, 7 ff.). Dies (vgl. BGH NJW 2000, 2580 ff.) gilt auch für Höchstbetragsbürgschaften. Ein Bürge, dem formularmäßig die Haftung für andere Forderungen auferlegt wird als für jene, die objektiv die Verbürgung veranlassen, wird dadurch in der Regel unangemessen benachteiligt. Ihn mit einem Risiko zu belasten, dessen Umfang allein vom Handeln Dritter bestimmt wird, das er infolgedessen weder beeinflussen noch kalkulieren kann, widerspricht den Grundsätzen der im Vertragsrecht geltenden Privatautonomie (BGH NJW 1998, 450 ff., 451).

Eine Ausnahme gilt allerdings auch nach der Überzeugung des Senats, soweit ein allein zur Geschäftsführung befugter Mehrheitsgesellschafter für Verbindlichkeiten "seiner" Gesellschaft bürgt, weil ein solcher Bürge die Entstehung und Entwicklung der Gesellschaftsschulden beeinflussen kann und daher die Bürgschaft in der Regel nicht sittenwidrig sein wird (BGH WM 1996, 588 ff., 592, NJW 1999, 3708 ff., NJW 2000, 1179 ff., 1181). Nachdem der Beklagte zu 1) sowohl in seiner Eigenschaft als - zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaftserklärung und auch danach - alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der Schuldnerin als auch aufgrund seiner Stellung als Mehrheitsgesellschafter auf die Begleichung der Warenlieferantenforderungen der Klägerin ebenso Einfluss hatte, wie auf die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes der Schuldnerin bis einschließlich Januar 1998 bei der Klägerin ausgelösten Bestellungen, stellt ihm gegenüber die Erstreckung der Bürgenhaftung auch auf nach dem 05.10.1995 entstandene Verbindlichkeiten der Schuldnerin keine unangemessene Benachteiligung dar. Koch (Anwendung der Anlassrechtsprechung auf Bürgschaften von Geschäftsführern und Gesellschaftern, NJW 2000, 1996 ff., 1997) vertritt zwar die Auffassung, dass die Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anhand einer "individuell-generalisierenden, typisierenden Betrachtungsweise" erfolgen müsse, weshalb die besonderen Verhältnisse der individuellen Vertragspartner ebenso außer Betracht bleiben müssten, wie die Handhabung der Klausel im Einzelfall. Zudem hält er es für "ungenau", zu behaupten, zumindest die Geschäftsführer hätten es stets in der Hand, die Verbindlichkeiten der Gesellschaften zu steuern (letzteres bejaht er für den Alleingeschäftsführer). Diese Bedenken teilt der Senat indes nicht. Das "generalisierende" Element der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist darin zu erblicken, dass diese einerseits auf die dem Geschäftsführer gesetzlich zugewiesenen Aufgaben abstellt, andererseits auf die - den allgemeinen Geschäftsverkehr prägenden - Einwirkungsmöglichkeiten jedenfalls der Mehrheitsgesellschafter. Im Übrigen ist es, soweit Allgemeine Geschäftsbedingungen für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber verschiedenen Verkehrskreisen verwendet werden und deren Interessen, Verhältnisse sowie Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, auch nach der Überzeugung des Senats sachgerecht, die Abwägung in den Vertrags- und Fallgruppen vorzunehmen, die durch die am Sachgegenstand ausgerichtete typische Interessenlage gebildet werden (vgl. auch: BGH, Urteil vom 28.10.1999, a.a.O., S. 660, m.w.N.).

7. Die - seit 1994 - mit 49% an der Schuldnerin beteiligte Beklagte zu 2) war demgegenüber zwar zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde - noch - nicht Geschäftsführerin der Schuldnerin; sie wurde zur - alleinvertretungsbefugten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten - gesetzlichen Vertreterin ausweislich des von der Klägerin zu den Akten gereichten Handelsregisterauszuges erst mit Beschluss vom 04.12.1995 bestellt. In Höhe der - den Betrag des "Anlasskredites" von jedenfalls DM 135.000,00 unterschreitenden - Bürgschaftsforderung von DM 85.000,00 ist ihre Haftung aus der Bürgschaftserklärung vom 05.10.1995 jedoch auch ungeachtet der Wirksamkeit der weiten Zweckerklärung zu bejahen. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob sich die "Warenkreditverbindlichkeiten" der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung, wie die Klägerin behauptet hat, auf einen DM 135.000,00 übersteigenden Betrag belaufen haben.

7.1. Nachdem eine formularmäßige Ausdehnung der Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten des Hauptschuldners aus der (bankmäßigen) Geschäftsverbindung grundsätzlich auch gegenüber Kaufleuten unwirksam (BGH NJW 1998, 3708 ff.) ist, kann zunächst dahinstehen, ob der Beklagten zu 2), die ausweislich des zu den Akten gereichten Handelsregisterauszuges jedenfalls am 15.04.1996 Kauffrau war, bereits am 05.10.1995 Kaufmannseigenschaft zukam.

7.2. Zwar besteht nach den die Rechtsprechung zur weiten Zweckerklärung tragenden Grundgedanken für die Anwendung des § 9 AGBG auch dann kein Bedürfnis, wenn der Bürge als Gesellschafter der Hauptschuldnerin auf die Erweiterung der Kreditverbindlichkeiten Einfluss nehmen kann. Für Gesellschafter, die nicht Geschäftsführer sind, ist das grundsätzlich dann anzunehmen, wenn sie über die Mehrheit der Anteile verfügen oder wenn gesellschaftsrechtlich sichergestellt ist, dass Erweiterung und Neubegründung von Verbindlichkeiten nicht ohne ihre Mitwirkung herbeigeführt werden können (BGH NJW 1999, 3708 ff., 3709; BGHZ 142, 213 ff., 216). Dass die Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt der Abgabe der Bürgschaftserklärung als - mit einer Beteiligung von 49% - Minderheitsgesellschafterin der Schuldnerin über Einflussmöglichkeiten im aufgezeigten Sinne verfügte, kann nach der Aktenlage nicht angenommen werden. Es mag zwar zweifelhaft erscheinen, ob diese Grundsätze in sinnvoller Weise auf "Warenkreditverhältnisse", die von einer faktischen Inanspruchnahme von "Lieferantenkrediten" durch Nichtbezahlen der für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderlichen, und was die einzelnen Lieferungen anbelangt, wenig kostenintensiven Materialien geprägt sind, übertragbar sind. Dem Alleingeschäftsführer eines Handwerksbetriebes sind regelmäßig - wie auch hier - derart alltägliche Geschäfte, wie die Bestellung von Baumaterialien im Rahmen einer laufenden Geschäftsbeziehung ohne jede Hinzuziehung der Gesellschafter gestattet. Auch wären gesellschaftsvertragliche Zustimmungserfordernisse in Bezug auf jede einzelne Warenbestellung ebenso "unpraktikabel", wie eine ständige Kontrolle des Geschäftsführers dahin, ob die Warenlieferungen bezahlt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat Bedenken, ob die vom Bundesgerichtshof mit Urteil vom 15.07.1999 (BGHZ 142, a.a.O.) herausgearbeiteten Kriterien auch faktischen "Warenkreditverhältnissen" und der Übung von - auf regelmäßige Warenlieferungen zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes angewiesenen - Handwerksbetrieben Rechnung tragen. Dies bedarf jedoch vorliegend keiner Entscheidung.

7.3. Es kann nämlich nach der Überzeugung des Senats letztlich dahinstehen, ob die Erstreckung der Bürgschaft auf künftige Verbindlichkeiten im hier gegebenen Fall wirksam war oder nicht, weil die Beklagte zu 2) jedenfalls auf der Grundlage der auch für Kontokorrentkredite entwickelten "Anlassrechtsprechung" des Bundesgerichtshofs haftet. Soll danach (vgl. BGH NJW 1998, 450 ff.) die Bürgschaft einen betragsmäßig nicht limitierten Kontokorrentkredit sichern, ist für den Bürgen zwar ohne weiteres ersichtlich, dass die Hauptschuld in Zukunft über den aktuellen Stand hinaus steigen kann. Den Umfang der späteren Kreditverbindlichkeit vermag er jedoch nicht einmal in Umrissen abzuschätzen. Eigene Einflussmöglichkeiten stehen ihm in der Regel nicht oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Bezieht sich die formularmäßige Haftung auf ein solches Kreditverhältnis, ist daher das Risiko des Bürgen demjenigen vergleichbar, das bei einer Haftung für Verbindlichkeiten aus der gesamten bankmäßigen Geschäftsverbindung begründet wird. Eine entsprechende Bestimmung würde daher einer unbeschränkten Haftung des Bürgen im Wesentlichen gleichstehen, weshalb eine solche Formularklausel im Regelfall zu einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG führt. Allerdings ist die formularmäßig erteilte Bürgschaft mit weiter Zweckerklärung auch dann nicht insgesamt wirkungslos, wenn sie die Schuld aus einem Kontokorrent ohne Kreditlimit sichern soll, denn dies hätte einen Wegfall der Bürgschaftsverpflichtung und damit einen von den Zielsetzungen des AGB-Gesetzes nicht gedeckten Vorteil des Kunden, der das Vertragsgefüge völlig einseitig zu seinen Gunsten verschiebt, zur Folge. Vielmehr entspricht es auch nach der Überzeugung des Senats Sinn und Zweck der §§ 6 und 9 AGBG, die Haftung des Bürgen im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf den mit seiner Erklärung verbundenen Anlaß zu begrenzen (vgl. BGH NJW 1998, a.a.O., 451; NJW 2000, a.a.O., 660). Der Anlass der Verbürgung ist dabei im Rahmen des § 9 AGBG objektiv nach dem aktuellen Sicherungsinteresse des Gläubigers zu bestimmen.

Ungeachtet der Frage, ob hier die Forderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin vereinbarungsgemäß im Kontokorrent geführt wurden - die vorliegende "offene-Posten-Liste" gibt hierzu nichts her -, ist der Senat der Auffassung, dass sich die genannten Grundsätze ohne weiteres auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen lassen. Auch die Geschäftsbeziehung zu einem Warenlieferanten ist nämlich durch die Besonderheit geprägt, dass laufend neue Verbindlichkeiten eingegangen und "alte" getilgt werden. Hinzu kommt vorliegend, dass im Verhältnis zwischen den Parteien keine "Kreditlinie" vereinbart war und dass die Klägerin - einem Kreditinstitut ähnlich - der Schuldnerin durch die im Gegenzug zu der Abgabe der maßgeblichen Bürgschaftserklärung zugesagte Fortsetzung der Geschäftsbeziehung die weitere Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes über mehr als zwei Jahre hinweg ermöglicht hat. Unter diesen Umständen wäre es nicht sach- und interessengerecht, der Beklagten zu 2) die Berufung darauf, dass die bei Abgabe der Bürgschaftserklärung bestehenden Teilforderungen zwischenzeitlich getilgt wurden, zu gestatten. Vielmehr würde diese einen unbilligen Vorteil aus der Unwirksamkeit der weiten Zweckerklärung ziehen, weil es die Ausgewogenheit der beiderseitigen Leistungen verändern, zu einer mit der Zielsetzung des AGB-Gesetzes nicht zu vereinbarenden Benachteiligung der Klägerin als Klauselverwenderin führen und der Beklagten als Nutznießerin einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen würde (so: BGH, Urteil vom 01.02.1984, BGHZ 90, 69 ff., 77, 78). Es kann infolgedessen bei der Bestimmung der "Anlassforderung" nicht darauf ankommen, wie sich diese damals im einzelnen zusammengesetzt hat, sondern allein darauf, in welchem Umfang ein Sicherungsbedürfnis der Klägerin gegeben war. Auch ist es unerheblich, ob etwa zwischenzeitlich eine vollständige Tilgung sämtlicher damals bestehenden Einzelforderungen der Klägerin gegen die Schuldnerin erfolgte (ebenso für Kontokorrentkredite: BGH NJW 1998, a.a.O., 453), solange die in der Folgezeit erneut angewachsenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin nicht auf einem anderen, rechtlich selbständigen Schuldgrund beruhen. Solches jedoch ist vorliegend weder dargetan noch sind auch nur Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens und die Beschwer der Beklagten betragen jeweils DM 85.000,00.



Ende der Entscheidung

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