Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: 19 U 1678/02
Rechtsgebiete: ZVG, ZPO, BGB


Vorschriften:

ZVG § 57 a
ZVG § 57 c
ZVG § 57 c Abs. 1
ZVG § 57 d
ZVG § 57 d Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 1
ZPO § 511 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 713
BGB § 1004 Abs. 1
Kein Anspruch des Grundpfandgläubigers auf Feststellung, dass sich Mieter in einem anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren auf ein beschränktes Sonderkündigungsrecht i.S.d. § 57 c ZVG nicht berufen können.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 19 U 1678/02

Verkündet am 12.12.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxx Richter am Oberlandesgericht xxxxxx und Richterin am Amtsgericht xxxxx

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 16.08.2002, Az.: 2 O 674/02, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin, eine durch Grundschuld gesicherte Gläubigerin, begehrt mit der vorliegenden Klage die Feststellung, dass sich die Beklagten, als Nutzer der Wohnungen des streitgegenständlichen Grundstücks, in dem anhängigen Zwangsversteigerungsverfahren nicht auf ein beschränktes Sonderkündigungsrecht des Erstehers gemäß § 57 c ZVG berufen können. Durch das der Klägerin am 20.08.2002 zugestellte Urteil vom 16.08.2002, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), hat das Landgericht Zwickau die Klage als unzulässig abgewiesen mit der Begründung, ein Feststellungsinteresse der Klägerin sei nicht gegeben, weil ein die Feststellungsklage rechtfertigendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht bestehe. Eine mögliche Beschränkung des Sonderkündigungsrechts nach § 57 c ZVG sei für die Versteigerung des Grundstücks rechtlich nicht relevant und erst nach dem Zuschlag und der etwaigen Sonderkündigung des Erstehers gemäß § 57 a ZVG rechtlich bedeutsam. Daran seien indes nur der Ersteher und die Beklagten, nicht hingegen die Klägerin beteiligt.

Hiergegen richtet sich die - eingegangen am 02.09.2002 - mit Schriftsatz vom 30.08.2002 eingelegte und begründete Berufung der Klägerin. Sie rügt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens - die Verneinung des Feststellungsinteresses durch das Erstgericht. Die - bestrittenen und substanzlos - angemeldeten Rechte der Beklagten würden jeden nur ansatzweise interessierten Ersteher von einem Gebot abhalten. Die Begründetheit der angemeldeten Rechte sei zwar erst nach Zuschlag und erfolgter Sonderkündigung in einem Kündigungsrechtsstreit zu prüfen. Gleichwohl bestehe derzeit ein Feststellungsinteresse hinsichtlich des Bestandes der behaupteten Ansprüche. Die Beklagte zu 2. als Eigentümerin und die Beklagte zu 4. als Gewerbemieterin könnten sich ohnehin nicht auf die Beschränkung des § 57 c ZVG berufen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 16.08.2002, Az.: 2 0 674/02, aufzuheben und festzustellen, dass sich die Beklagten bezüglich der von ihnen jeweils im Mietobjekt xxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxxxxxxxxxx genutzten Wohnungen im Zwangsversteigerungsverfahren - Az.: 10 C 456/97 - Amtsgericht Zwickau nicht im Sinne von § 57 c ZVG auf ein beschränktes Sonderkündigungsrecht des Erstehers berufen können.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung und tragen ergänzend vor, die Beklagte zu 2. sei testamentarische Alleinerbin der Beklagten zu 3., der beantragte Erbschein sei bislang noch nicht erteilt worden.

Wegen der Einzelheiten zum Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2002 Bezug genommen. Die Akten des Zwangsversteigerungsverfahrens (Amtsgericht Zwickau, Az. 10 K 456/97) wurden zu Informationszwecken beigezogen.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

1. Die gemäß § 511 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO statthafte Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 517, 519 ZPO). Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, weil das Urteil des Erstgerichts mit der Behauptung angegriffen wird, es beruhe auf einer Rechtsverletzung. Die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO) werden benannt.

2. Die Berufung ist indes nicht begründet. Das Landgericht hat nach Auffassung des Senats die Klage zu Recht mangels Feststellungsinteresse als unzulässig behandelt.

2.1 Neben den allgemeinen Prozessvoraussetzungen gelten für die Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO besondere Sachurteilsvoraussetzungen. Streitgegenstand der Feststellungsklage kann nur der Streit über ein Rechtsverhältnis oder die Tatfrage der Echtheit einer Urkunde sein (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 256 Rdn. 2 a). Ein solches zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehenden Rechtsverhältnis liegt hier nicht vor.

Rechtsverhältnis ist die rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache. Nur das Rechtsverhältnis selbst kann Gegenstand der Klage sein, nicht hingegen seine Vorfragen oder einzelne Elemente. Das Rechtsverhältnis muss grundsätzlich ein gegenwärtiges sein und grundsätzlich zwischen den Parteien bestehen (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rdn. 3 ff.).

Mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, führt das Landgericht aus, dass ein die Feststellungsklage rechtfertigendes Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nicht besteht. Die mögliche Beschränkung des Sonderkündigungsrechts für den - zukünftigen und gegenwärtig nicht feststehenden - Ersteher nach § 57 c ZVG ist für die Zwangsversteigerung des streitgegenständlichen Grundstückes derzeit rechtlich nicht von Bedeutung. Dies wird insbesondere daraus ersichtlich, dass die Erklärungen der Beklagten als Mieter über von ihnen geleistete Beiträge gemäß § 57 d Abs. 2 ZVG im Zwangsversteigerungstermin vom Vollstreckungsgericht lediglich - ungeprüft - bekannt zu geben sind.

2.2 Die Klägerin kann auch kein rechtliches Interesse an der Klärung eines fremden Rechtsverhältnisses - und zwar zwischen dem zukünftigen Ersteher und den Beklagten als Mieter - im Wege der Feststellungsklage geltend machen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann zwar auch ein Drittrechtsverhältnis Gegenstand der Feststellungsklage sein (vgl. BGH, VersR 2000, 866 m.w.N.; a.A. Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rdn. 3 b m.w.N.). Für die Zulässigkeit eines solchen Feststellungsbegehrens ist jedoch grundsätzlich vorauszusetzen, dass die Drittrechtsbeziehung auf die rechtliche Situation des Klagenden unmittelbaren Einfluss hat. Ein lediglich wirtschaftliches Interesse reicht im allgemeinen aber nicht aus (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 256 Rdn. 27; OLG Düsseldorf, NVersZ 2000, 347). Nach Überzeugung des Senats zielt das Interesse der Klägerin vorliegend auf eine bessere Verwertung des der Zwangsversteigerung unterliegenden Grundstücks und damit ausschließlich auf ein wirtschaftliches Interesse. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen den Dritten - Ersteher und Mieter - gegenwärtig noch kein Rechtsverhältnis besteht. Der zukünftige Ersteher ist noch nicht bekannt und es steht ferner noch nicht fest, ob der potentielle Ersteher das ihm zustehende Sonderkündigungsrecht überhaupt ausüben wird. Daher ist eine Klage auf Feststellung von Rechtsfolgen aus einem künftig - möglicherweise - entstehenden Rechtsverhältnis unzulässig (vgl. BGH, MDR 2001, 829; Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rdn. 3 a).

Die Versagung eines Feststellungsinteresses der Klägerin erscheint vorliegend auch nicht untragbar unbillig. Denn - entgegen dem Vortrag der Klägerin - hat sich im ersten Versteigerungstermin ein Interessent gefunden. Das Vollstreckungsgericht hat den Zuschlag nur deshalb versagt (§ 85 a Abs. 1 ZVG) und von Amts wegen einen neuen Versteigerungstermin bestimmt, weil das Gebot inklusive etwaiger bestehenbleibender Rechte nicht mindestens 50 % des Verkehrswertes erreicht hat.

2.3 Im Übrigen dürfte der Klägerin ein Feststellungsinteresse auch deswegen fehlen, weil ihr eine Klage auf Leistung möglich und zumutbar ist. Die Klägerin könnte verlangen, dass die Beklagten ihre Anmeldungen nach §§ 57 c, 57 d ZVG widerrufen und es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes unterlassen, diese Mieterrechte erneut anzumelden (vgl. BGH, NJW-RR 2002, 1304). Der Anspruch könnte dabei aus entsprechender Anwendung von § 1004 Abs. 1 BGB hergeleitet werden (vgl. OLG Düsseldorf, ZfIR 1997, 571).

2.4 Da ein Feststellungsinteresse der Klägerin zu verneinen ist, kann offenbleiben, ob sich die Beklagte zu 2. als Eigentümerin und die Beklagte zu 4. als Gewerbemieterin grundsätzlich auf § 57 c ZVG berufen können. Ebenso kann wegen der vorstehenden Ausführungen dahinstehen, ob es sich bei den behaupteten Aufwendungen der Beklagten um Beiträge handelt, die im Sinne des § 57 c Abs. 1 ZVG "zur Schaffung oder Instandsetzung von Mietraum" geleistet worden sind. Der Senat verkennt nicht das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Feststellung, weil potentielle Bietinteressenten verunsichert werden können und gar keine oder weit unter Wert liegende Gebote abgeben (vgl. Witthinrich, RPfleger 1986, 46 mit Beispielen aus der Zwangsversteigerungspraxis). Insbesondere ist vorliegend nach dem Akteninhalt festzustellen, dass der Beklagte zu 1. mit Schreiben vom 10.10.2001 seine Ansprüche angemeldet und einen zwischen ihm als Mieter und seiner Ehefrau als Vermieterin geschlossenen Mietvertrag vom 01.07.1992 vorgelegt hat. Die Mietparteien geben dabei als Wohnanschrift und Anschrift des Mietobjekts xxxxxxxxxxxxxxxxx in xxxxx xxxxxx an, obwohl die neuen fünfstelligen Postleitzahlen erst zum 01.07.1993 eingeführt worden sind. Die Beklagte zu 2. hat ihre Ansprüche ebenfalls mit Schreiben vom 10.10.2001 unter Vorlage eines Mietvertrages angemeldet. Hierbei erscheint widersprüchlich, dass die Beklagte zu 2. als Eigentümerin und Vermieterin der Beklagten zu 3. mit Mietvertrag vom 30.10.1988 Wohnraum von ca. 46 m² vermietet hat und von der Beklagten zu 3. - offensichtlich in Untermiete - eine Wohnfläche von 120 m² zum 01.12.2000 angemietet haben will. Hinsichtlich der Beklagten zu 4., deren Vorstand u.a. die Beklagte zu 2. ist, erscheint nicht widerspruchsfrei, dass die behaupteten Aufwendungen im Jahr 1999 getätigt worden sein sollen, der Mietvertrag hingegen am 01.05.2000 geschlossen worden ist.

Da die Feststellungsklage bereits mangels Feststellungsinteresses nicht greift, ist eine Prüfung der behaupteten Aufwendungen aber nicht geboten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Der Gegenstandswert der Berufung und die Beschwer der Klägerin betragen jeweils 15.000,00 Euro (§ 3 ZPO).

IV.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück