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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 15.05.2003
Aktenzeichen: 19 U 1972/02
Rechtsgebiete: Zweite Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes, BRAO


Vorschriften:

Zweite Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes § 1 Abs. 2
BRAO § 43a Abs. 1
BRAO § 43a Abs. 4
BRAO § 45 Abs. 2 Nr. 2
BRAO § 209 Abs. 1
1. Zur berufsrechtlich unzulässigen Wahrnehmung widerstreitender Interessen eines Rechtsbeistandes nach § 1 Abs. 2 der Zweiten Verordnung zur Ausführung des Rechtsberatungsgesetzes.

2. Die Anwendung der § 43a Abs. 1 und 4, § 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO ist auf Rechtsbeistände beschränkt, welche die Kammermitgliedschaft nach § 209 Abs. 1 BRAO erlangt haben.


Oberlandesgericht Dresden

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

Aktenzeichen: 19 U 1972/02

Verkündet am 15.05.2003

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.04.2003 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Z , Richter am Oberlandesgericht H und Richterin am Landgericht A

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Leipzig vom 26.09.2002, Az. 15-O-8990/01, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 29.654,93 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 37.000,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte eine Vergütung für die treuhänderische Verwaltung eines Gesellschaftsanteils der Beklagten aus den Jahren 1999 und 2000 geltend. Die Beklagte begehrt im Wege der Widerklage von der Klägerin und Herrn P F (fortan: Streitverkündeter) als Gesamtschuldner Rückzahlung der für das Jahr 1998 geleisteten Vergütung.

Durch das der Klägerin am 01.10.2002 zugestellte Urteil vom 26.09.2002, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), hat das Landgericht Leipzig die Klage abgewiesen und der Widerklage betreffend die Klägerin stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, auch unter Zugrundelegung des Vorbringens der Klägerin bestehe kein Vergütungsanspruch, weil der Treuhandvertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei. Dem in Rede stehenden Treuhandvertrag seien Mandatsverhältnisse zwischen dem Streitverkündeten und dem Ehemann der Beklagten vorausgegangen, deren Gegenstand auch die Sicherung von Vermögenswerten im Falle der Insolvenz gewesen seien. Der Streitverkündete habe auf die Möglichkeit einer Treuhand hingewiesen. Auch habe die Beklagte an Gesprächen teilgenommen. Spätestens mit drohender Insolvenz und etwaiger Abgabe der eidesstattlichen Versicherung des Ehemanns der Beklagten seien durch den Streitverkündeten auch die Vermögensinteressen der Beklagten zu berücksichtigen gewesen. Es handele sich um dieselbe Angelegenheit, auch wenn die Firmengründung und Übertragung der Treuhandschaft auf Initiative der Beklagten zustande gekommen sein sollte. Der Streitverkündete sei geschäftsführender Alleingesellschafter der Klägerin gewesen, die die Treuhandschaft im Rahmen einer anderweitigen beruflichen Tätigkeit des Streitverkündeten übernommen habe. Die Tätigkeit der Klägerin sei dem Streitverkündeten als eine gewerbliche berufliche Tätigkeit zuzuordnen. Der Sachverhalt berühre den Schutzbereich des § 45 BRAO und führe zur Nichtigkeit gem. § 134 BGB. Die Frage der Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB könne offen bleiben.

Mit Beschluss vom 26.09.2002 hat das Landgericht das Verfahren betreffend die Widerklage gegen den Streitverkündeten abgetrennt und an das Landgericht Düsseldorf verwiesen.

Gegen das Urteil vom 26.09.2002 richtet sich die Berufung der Klägerin mit der Begründung, das Landgericht habe den Sachverhalt nicht ordnungsgemäß festgestellt, gebotene Differenzierungen zwischen den Verfahrensbeteiligten unterlassen und verkannt, dass weder der Streitverkündete noch die Klägerin den Vorschriften der BRAO unterworfen seien und im Übrigen auch ein in § 45 BRAO geregeltes Tätigkeitsverbot nicht verletzt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 29.656,93 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen und die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, es komme im Ergebnis auf die Anwendbarkeit der §§ 43 a Abs. 4, 45 BRAO nicht an. Der Streitverkündete hafte unabhängig von seiner konkreten berufsrechtlichen Stellung aus einem Beratungs- und Geschäftsbesorgungsvertrag.

Wegen der weitergehenden Einzelheiten des Verfahrens und des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf den Akteninhalt und die Sitzungsprotokolle vom 06.03. und 24.04.2003 Bezug genommen. Der Senat hat zur Frage der Kammerzugehörigkeit des Streitverkündeten im Zeitpunkt des Treuhandvertrages gemäß Beschluss vom 24.04.2003 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.04.2003 Bezug genommen. Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 02.05.2003 ergänzend vorgetragen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

1. Die form- und fristgerecht eingereichte Berufung ist auch im Übrigen zulässig. Die Klägerin rügt, das Landgericht habe keinen ordnungemäß festgestellten Sachverhalt zugrunde gelegt (§ 520 Abs. 3 Nr. 3 ZPO) und verkannt, dass weder der Streitverkündete noch die Klägerin den Vorschriften der BRAO unterworfen seien und ein dort geregeltes Tätigkeitsverbot nicht verletzt worden sei (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO).

2. Die Berufung ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Vergütung i.H.v. 29.654,93 Euro, weil dem zugrunde liegenden Treuhandvertrag keine Nichtigkeit gem. § 134 BGB oder § 138 Abs. 1 BGB entgegensteht. Demzufolge ist die widerklagend geltend gemachte Rückzahlung nicht begründet. Soweit die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung einen Betrag von 29.656,93 Euro geltend macht, handelt es sich um ein offensichtliches Schreibversehen.

2.1 Entgegen der Auffassung des Landgerichts geht mit dem Treuhandvertrag vom 23.07.1998 keine Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB i.V.m. §§ 43 a Abs. 1 und 4, 45 Abs. 2 Nr. 2 BRAO einher.

a) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Streitverkündete eine behördliche Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten besitzt (§ 1 Abs. 1 RBerG). Der Streitverkündete hat in seiner zweitinstanzlichen Vernehmung insoweit bekundet, im Jahre 1978 vom Präsidenten des Amtsgerichts Düsseldorf zum Rechtsbeistand bestellt worden zu sein.

b) Entgegen dem Landgericht kann die Nichtigkeit des Treuhandvertrages nicht mit einem Verstoß gegen §§ 43 a, 45 BRAO begründet werden, weil die Vorschriften der BRAO nicht - auch sinngemäß - anwendbar sind.

Im Zusammenhang mit der Neuregelung des Rechts der Rechtsbeistände durch das Fünfte Gesetz zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1503) sind natürliche Personen, denen nach altem Recht eine Vollerlaubnis - wie vorliegend dem Streitverkündeten - zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden ist und die sie auch unter dem neuen Recht behalten, auf Antrag in die für den Ort ihrer Niederlassung zuständige Rechtsanwaltskammer aufzunehmen (§ 209 Abs. 1 Satz 1 BRAO). Hiervon hat der Streitverkündete im Jahre 1999 Gebrauch gemacht. Denn ausweislich der Bescheinigung des Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf vom 22.09.1999 wurde der Streitverkündete zu diesem Zeitpunkt erstmals in die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf aufgenommen. Die Echtheit der Bescheinigung und den Umstand der erstmaligen Aufnahme hat der Streitverkündete zur Überzeugung des Senats in seiner zeugenschaftlichen Vernehmung im Senatstermin am 24.04.2003 bestätigt. Nur durch die Mitgliedschaft und erst mit der Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer erlangen die unter § 209 BRAO fallenden Rechtsbeistände alten Rechts grundsätzlich die vollen Mitgliedschaftsrechte und Mitgliedschaftspflichten wie die anwaltlichen Mitglieder. Sie unterliegen dann der Aufsicht des Vorstands der Rechtsanwaltskammer und der Anwaltsgerichtsbarkeit für Rechtsanwälte und nicht wie bisher der Aufsicht des für ihre Zulassung zuständigen Land- oder Amtsgerichtspräsidenten. Über die §§ 43 ff., 113 BRAO sind die Kammerrechtsbeistände grundsätzlich den für die Rechtsanwälte geltenden Berufspflichten unterworfen (vgl. BVerfG, NVwZ 1998, 830; BGH, NJW 1988, 208; Feuerich/Braun, BRAO, 5. Aufl., § 209 Rdn. 12). Erst durch die Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer ist die Stellung des Rechtsbeistandes der eines Rechtsanwalts angenähert (vgl. Feuerich/Braun, a.a.O., § 209 Rdn. 50 m.w.N.). Da der in Rede stehende Treuhandvertrag am 23.07.1998 geschlossen und der Streitverkündete mit Wirkung zum 22.09.1999 in die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf aufgenommen wurde, finden die §§ 43 ff. BRAO auf den Streitverkündeten keine - auch nur sinngemäße - Anwendung.

c) Dem gefundenen Ergebnis steht nicht entgegen, dass die Klägerin im Senatstermin am 06.03.2003 unstreitig gestellt hat, dass der Streitverkündete zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Vertragsschlusses bei der Rechtsanwaltskammer zugelassener Rechtsbeistand gewesen ist. Denn die Klägerin hat ihre Erklärung mit Schriftsatz vom 14.03.2003 wegen Irrtums widerrufen und vorgetragen, dass der Streitverkündete erst am 22.09.1999 als Mitglied in die Rechtsanwaltskammer aufgenommen worden ist und die anderslautende Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin auf einem Irrtum beruht habe.

Der Widerruf hat auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses nur dann Einfluss, wenn die widerrufende Partei beweist, dass das Geständnis der Wahrheit nicht entspreche und durch einen Irrtum veranlasst sei. In diesem Fall verliert das Geständnis seine Wirksamkeit (§ 290 ZPO). So liegt hier der Fall. Die Beklagte hat mit ihrer am Tag des Senatstermins eingegangenen Berufungserwiderung vorgetragen, der Streitverkündete sei als Rechtsbeistand Mitglied der Rechtsanwaltskammer Düsseldorf. Im Senatstermin hat die Klägerin durch ihren Vertreter die streitige Erklärung abgegeben. Die als Geständnis zu bewertende Erklärung beruhte zur Überzeugung des Senats auf einem Irrtum und konnte daher wirksam widerrufen werden. Irrtum ist die unbewusste Unkenntnis des wirklichen Sachverhaltes. Die Art des Irrtums, mit Ausnahme des Motivirrtums, ist für den Widerruf gleichgültig. Insbesondere ist es unerheblich, ob es sich um einen Tatsachen- oder Rechtsirrtum sowie um einen verschuldeten oder entschuldbaren Irrtum handelt (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 290 Rdn. 2; MünchKommZPO-Prütting, 2. Aufl., § 290 Rdn. 5). Die Klägerin war sich auch nicht bewusst, den Inhalt der Erklärung nicht zu kennen oder die Ungewissheit in Kauf zu nehmen. Denn der Geschäftsführer der Klägerin hat gerade den außerhalb des Sitzungssaals anwesenden Streitverkündeten befragt, ob er im Jahr 1998 verkammerter Rechtsbeistand gewesen ist, wobei dieser selbst einem Irrtum erlegen war. Nach Auffassung des Senats ist unter den gegebenen Umständen und bei lebensnaher Betrachtung deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin eine Ungewissheit nicht bewusst in Kauf genommen hat und mithin keine Erklärung "ins Blaue hinein" abgegeben hat. Dies gilt umso mehr, als der Senat auf die Bedeutung der Kammermitgliedschaft im vorliegenden Fall hingewiesen hatte.

2.2 Der Pflichtenkreis des Rechtsbeistandes ohne Kammermitgliedschaft ist nach § 1 Abs. 2 der 2. AVO zum Rechtsberatungsgesetz zu beurteilen. Ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot i.S.v. § 134 BGB lässt sich für den vorliegenden Fall hieraus nicht ableiten.

a) Es ist bereits fraglich, ob § 1 Abs. 2 der 2. AVO zum Rechtsberatungsgesetz unter den Schutzzweck des § 134 BGB fällt. Nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist das Rechtsberatungsgesetz allgemein als Verbotsgesetz anzusehen (vgl. BGH, NJW 1962, 2010; BGH, NJW 1995, 3122; MünchKommBGB-Mayer-Maly/Armbrüster, 4. Aufl., § 134 Rdn. 92; Staudinger/Sack, BGB (1996), § 134 Rdn. 272; Schorn, Die Rechtsberatung, S. 289). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen den Fall des ohne behördliche Erlaubnis agierenden Rechtsbeistandes zum Gegenstand hatten. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt ist indes die Bestimmung des § 1 Abs. 2 der 2. AVO zum Rechtsberatungsgesetz maßgeblich. Streitig ist insoweit, ob es sich bei § 1 Abs. 2 der 2. AVO um eine rein berufsrechtliche Regelung handelt (vgl. VG Minden, Rechtsbeistand 1991, 25 mit zustimmender Anmerkung von Hoechstetter) oder um ein gesetzliches Vertretungsverbot (vgl. OVG Münster, Rechtsbeistand 1991, 67; dahingehend MünchKommBGB, a.a.O., § 134 Rdn. 92; offen gelassen bei Rennen/Caliebe, RBerG, 3. Aufl., § 1 der 2. AVO Rdn. 18). Für die zuletzt genannte Auffassung, also auch die Ausführungsverordnungen zum Rechtsberatungsgesetz in die Grenzen des § 134 BGB einzuordnen, sprechen gute Gründe. Denn im Ergebnis dürfte es keinen Unterschied machen, ob der Rechtsbeistand eine grundsätzlich erlaubte Tätigkeit ohne behördliche Erlaubnis oder eine unerlaubte Tätigkeit mit behördlicher Erlaubnis ausübt. Die Frage kann vorliegend aber offen bleiben, weil zur Überzeugung des Senats ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 der 2. AVO zum Rechtsberatungsgesetz nicht vorliegt.

b) § 1 Abs. 1 der 2. AVO verpflichtet den Rechtsbeistand zur redlichen, gewissenhaften und ordnungsgemäßen Führung der übernommenen Geschäfte. Diese Begriffe sind programmatischer Natur und gehen über das hinaus, was in der 2. AVO selbst als Einzelfälle einer redlichen (§ 1 Abs. 2 der 2. AVO), gewissenhaften und ordnungsgemäßen (§ 2 der 2. AVO) Berufsausübung hervorgehoben worden ist (vgl. Rennen/Caliebe, a.a.O., § 1 der 2. AVO, Rdn. 8).

Unredlich ist gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 der 2. AVO die Mitwirkung in Angelegenheiten, bei denen erkennbar unerlaubte oder unlautere Zwecke verfolgt werden. Unerlaubt ist der Zweck dann, wenn er gegen die verfassungsgemäße Ordnung, also insbesondere gegen Strafgesetze, strafrechtliche Nebengesetze oder behördliche Verbote verstößt. Sinn der Vorschrift ist, dem Rechtsbeistand vor Augen zu führen, dass seine Pflichten seinem Mandanten gegenüber ihre Grenzen haben müssen, wo er erkennt, dass er mit seiner Tätigkeit für den Mandanten gegen die von der Rechtsordnung geschützten Interessen der Allgemeinheit verstoßen würde, zu denen auch der Schutz des Schuldners gehört (vgl. Rennen/Caliebe, a.a.O., § 1 der 2. AVO Rdn. 11). Umstände, die auf das Vorliegen entsprechender Verstöße (z.B. Insolvenzstraftaten) schließen lassen könnten, sind von den Parteien - insbesondere der Beklagten - nicht dargetan und aus den Gesamtumständen nicht zwingend ersichtlich.

Unredlich handelt der Rechtsbeistand darüber hinaus bei Ausübung einer Tätigkeit, nachdem eine solche bereits für einen anderen Beteiligten in einem entgegengesetzten Sinn ausgeübt war (§ 1 Abs. 2 Satz 2 der 2. AVO). Dem Rechtsbeistand ist es daher untersagt, in derselben Rechtsangelegenheit, an der mehrere Personen mit widerstreitenden Interessen beteiligt sind, für eine der Beteiligten die eine und für einen anderen Beteiligten eine andere, entgegengesetzte Rechtsansicht zu vertreten (vgl. Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., § 1 der 2. AVO, Rdn. 1177; Rennen/Caliebe, a.a.O., § 1 der 2. AVO Rdn. 14). Die Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor.

Zwar kann eine berufsrechtlich unzulässige Wahrnehmung widerstreitender Interessen nicht nur vorliegen, wenn der Rechtsbeistand zwei Parteien mit in derselben Sache entgegengesetzten Interessen vertritt, sondern auch dann, wenn er nur eine Partei in einer Sache vertritt, an der er mit eigenen konkreten oder möglichen gegensätzlichen Interessen beteiligt ist. In einem solchen Fall besteht die Befürchtung, dass der Rechtsanwalt von vornherein seiner Aufgabe, die Interessen des Mandanten uneingeschränkt zu verfolgen, nicht nachkommen kann. Dies gilt aber nicht für den vorliegenden Sachverhalt. Denn gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 der 2. AVO zum Rechtsberatungsgesetz handelt der Rechtsbeistand nur dann unredlich, wenn er die Beteiligten im entgegengesetzten Sinn berät. Die gleichzeitige Beratung von zwei Vertragsgegnern - und nichts anderes kann für die hier vorliegende Konstellation gelten - im gegenseitigen Einvernehmen ist dem Rechtsbeistand daher gestattet (vgl. Rennen/Caliebe, a.a.O., § 1 der 2. AVO, Rdn. 17).

Dabei kann dahinstehen, ob zwischen dem Streitverkündeten und der Beklagten vor Abschluss des Treuhandvertrages überhaupt ein Beratungsverhältnis bestand bzw. die Beklagte in das Beratungsverhältnis des Streitverkündeten mit dem Ehemann der Beklagten einzubeziehen ist. Ebenso kann offen bleiben, ob eine Parteienidentität zwischen der Klägerin und dem Streitverkündeten bestand und ob die Sanierungs- und Insolvenzberatung des Ehemanns der Beklagten und die treuhänderische Verwaltung ein einheitliches Lebensverhältnis darstellen. Denn zur Überzeugung des Senats erfolgte die treuhänderische Verwaltung und insbesondere die Wahl hinsichtlich des Stammkapitals i.H.v. 500.000,00 DM auf ausdrücklichen Wunsch der Beklagten bzw. deren Ehemanns. Dabei ist zu bedenken, dass der Beklagten wegen der - zu unterstellenden - Erfahrung ihres Ehemanns in wirtschaftlichen Angelegenheiten bekannt gewesen ist, dass ein Stammkapital von 50.000,00 DM zur Gründung einer GmbH ausreicht. Bei lebensnaher Betrachtung des Sachverhalts und Würdigung der Gesamtumstände muss davon ausgegangen werden, dass die Höhe des Stammkapitals dem Wunsch der Beklagten entsprach. Denn es sind keinerlei Umstände ersichtlich oder von der Beklagten dargetan, dass die Klägerin die Übernahme der Treuhandschaft von der Höhe eines bestimmten Stammkapitals abhängig gemacht hat.

Gegen eine Beratung im entgegengesetzten Sinn spricht zudem, dass sowohl der Abschluss des Treuhandvertrages als auch die Gründung der S P gesellschaft mbH am 23.07.1998 vor demselben Notar in Essen erfolgte. Den Termin nahmen die Eheleute St - nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin - gemeinsam war, nachdem ihnen die Vertragsentwürfe vorab zugesandt worden waren. Die Gesellschafter der S P gesellschaft mbH haben nach Errichtung und Gesellschaftsvertragsbeschluss sogleich eine erste Gesellschafterversammlung abgehalten und den Ehemann der Beklagten zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Die Treuhandgebühr für das Jahr 1998 hat die Beklagte am 09.04.1999 einredelos an die Klägerin gezahlt. Unter den obwaltenden Umständen liegt zur Überzeugung des Senats keine Beratung im entgegengesetzten Sinn und damit auch keine berufsrechtlich unzulässige Wahrnehmung widerstreitender Interessen vor.

2.3 Wie bereits vorstehend ausgeführt, sind für den Senat keine zwingenden und konkreten Anhaltspunkte ersichtlich oder von den Parteien dargetan, die im Zusammenhang mit dem Treuhandvertrag vom 23.07.1998 auf einen Verstoß gegen die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB) schließen lassen. Die Klägerin kann daher für die treuhänderische Verwaltung eine Vergütung für die Jahre 1999 und 2000 i.H.v. insgesamt 29.654,93 Euro geltend machen. Da die Vergütung für das Jahr 1998 durch die Beklagte nicht rechtsgrundlos gezahlt worden ist, bleibt die Widerklage ohne Erfolg.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Gegenstandswert der Berufung und die Beschwer der Beklagten betragen jeweils 44.482,40 Euro.

IV.

Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass (§ 543 Abs. 2 ZPO).



Ende der Entscheidung

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