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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 08.07.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 130/05
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 318 | |
StGB § 69a |
Oberlandesgericht Dresden Im Namen des Volkes URTEIL
Aktenzeichen: 2 Ss 130/05
in der Strafsache gegen
wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort u. a.
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Dresden in der am 08. Juli 2005 durchgeführten Hauptverhandlung, an der teilgenommen haben
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Drath als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Schüddekopf, Richterin am Landgericht Kuschel als Beisitzer Staatsanwältin Andrae als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft Dresden
Rechtsanwältin Czerwenka, Chemnitz als Verteidigerin des Angeklagten
Justizobersekretär Kuntsche als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 23. August 2004 wird verworfen.
Die Kosten der Revision einschließlich der dem Angeklagten hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Am 05. August 2003 hat das Amtsgericht Chemnitz gegen den Angeklagten Strafbefehl erlassen, weil er am 20. Mai 2003 gegen 18.00 Uhr in Chemnitz vorsätzlich im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug geführt haben soll, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholkonsums nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen und weil er, nachdem er mit seinem Pkw gegen eine Straßenlaterne geprallt war, sich unerlaubt mit dem Fahrzeug von Unfallort entfernt haben soll, wobei er weiterhin fahruntüchtig gewesen sei.
Am 31. März 2004 sprach ihn das Amtsgericht auf seinen form- und fristgerechten Einspruch hin frei, weil es in der Hauptverhandlung festgestellt hatte, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt wegen einer Depressionserkrankung unter Medikamenteneinfluss gestanden hat und wegen gleichzeitigen Alkoholkonsums in einem Rauschzustand war, der ihn schuldunfähig im Sinne des § 20 StGB sein ließ. Zugleich hat das Gericht es abgelehnt, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis zu entziehen. Sachverständig beraten war es zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Angeklagten im Zeitpunkt der Hauptverhandlung eine Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr festzustellen sei.
Gegen dieses Urteil wandte sich die Staatsanwaltschaft Chemnitz mit ihrer Berufung vom 02. April 2004, die sich allein gegen das Unterlassen des Fahrerlaubnisentzugs richtete. Nach Durchführung der Berufungshauptverhandlung am 23. August 2004 hat das Landgericht Chemnitz das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft als unbegründet verworfen.
Mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet die Staatsanwaltschaft eine ihrer Meinung nach unzureichende Beweiswürdigung. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist dagegen der Ansicht, dass schon die Berufungsbeschränkung nicht wirksam gewesen sei, weil die aus der Schuldunfähigkeit herzuleitende Ungeeignetheit im Sinne des § 69 StGB nicht von der Schuldfrage zu trennen sei. Die Berufungskammer habe daher zumindest die Schuldfähigkeit, aber auch die Frage, ob der Angeklagte den Tatbestand einer mit Strafe bedrohten Handlung verwirklicht habe, selbstständig aufgrund eigener Feststellungen nachprüfen müssen.
II.
Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
1. Entgegen der Rechtsauffassung der Generalstaatsanwaltschaft war die Beschränkung der Berufung allein auf den Ausspruch über die Ablehnung der Entziehung der Fahrerlaubnis wirksam. Eine solche Beschränkung - insoweit besteht Übereinstimmung in der obergerichtlichen Rechtsprechung - ist immer dann möglich, wenn sich die Entscheidung über die Maßregel unabhängig von den übrigen Strafzumessungserwägungen beurteilen lässt. Dies wird von der überwiegenden Rechtsprechung allerdings nur angenommen, wenn die Ungeeignetheit eines Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen auf körperlichen oder geistigen Mängeln beruht. Ist seine Ungeeignetheit dagegen auf Charaktermängel zurückzuführen, so stehen Straf- und Maßregelausspruch nach dieser Auffassung in einer so engen gegenseitigen Abhängigkeit, dass sich ein Angriff gegen die (nicht erfolgte) Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB auch auf die Strafzumessung (hier: die Schuldfrage) erstreckt. Der Bundesgerichtshof hat insoweit in allen dazu ergangenen Entscheidungen auf die jeweilige Sach- und Verfahrenslage abgestellt. Der Senat teilt zu diesem Problem die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Stuttgart, das in seinem Urteil vom 07. Januar 1997 - Az.: 4 Ss 672/96 - (abgedruckt in NZV 1997, 316 f.) ausgeführt hat:
a) "Ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass die Strafe wegen des Fahrerlaubnisentzuges milder bemessen oder dass sie wegen der Ablehnung des Entzuges höher angesetzt wurde, ist die Revision wegen der aus dem Urteil selbst ersichtlichen engen Verzahnung beider Komplexe nicht beschränkbar.
b) Gleiches gilt, wenn die Revision doppelrelevante Tatsachen in Frage stellt, also solche, die für die Entscheidung nach § 69 StGB und die Strafzumessung gleichermaßen von Bedeutung sind, indem sie etwa im Wege einer Verfahrensrüge nach § 244 Abs. 3 oder Abs. 2 StPO ihre Unvollständigkeit behauptet.
c) Stellt hingegen der Rechtsmittelführer die die Entscheidung nach § 69 StGB tragenden Feststellungen nicht in Frage, sondern geht selbst von ihnen aus und ist nur der Meinung, sie trügen zum Beispiel die Ablehnung des Fahrerlaubnisentzuges nicht, so ist die Revision auf die Maßregelfrage beschränkbar. Denn bei dieser Konstellation geht es nur noch um die rechtliche Zulässigkeit der Anordnung oder Ablehnung der Maßregel auf dem Boden der getroffenen oder verwerteten Feststellungen im angefochtenen Urteil. Diese Überlegungen gelten unabhängig davon, ob sich die Frage des Fahrerlaubnisentzugs nach § 69 Abs. 1 StGB oder nach dessen Abs. 2 beurteilt."
Diese Ausführungen betreffen zwar das Rechtsmittel der Revision, gleiches gilt aber für die Möglichkeit, eine Berufung beschränken zu können.
Der vorliegende Fall entspricht der im Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart unter c) angeführten Variante.
Der Berufungsbegründung der Staatsanwaltschaft lässt sich klar entnehmen, dass sie weder doppelrelevante Tatsachen in Frage stellen noch Feststellungen des Amtsgerichts zum Rechtsfolgenausspruch angreifen wollte. In ihrer Berufungsbegründung kam vielmehr zum Ausdruck, dass die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils insgesamt nicht angegriffen, sondern Grundlage der Berufungsentscheidung sein sollten. Ebenso kommt zum Ausdruck, dass mit dem Rechtsmittel auch nicht der Freispruch angegriffen werden sollte. Angriffsziel der Berufung war ausschließlich, dass die Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil trotz des Freispruchs die Anordnung der Maßregel nach §§ 69, 69 a StGB erfordert hätten. Darin liegt eine wirksame und zulässige Beschränkung des Rechtsmittels auf diese Frage.
2. Entgegen der Revisionsführerin lässt die rechtliche Bewertung der Feststellungen keine Rechtsfehler erkennen. Insbesondere ist die Behauptung der Revision, die Urteilsgründe ließen nicht erkennen, woraus sich der Abbau der Depressionen innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr vier Monaten ergebe, angesichts der Ausführungen der Strafkammer nicht nachvollziehbar. Nach deren in der Berufungshauptverhandlung ergänzend getroffenen Feststellungen befand sich der Angeklagte nämlich vom 21. Mai 2003 bis Oktober 2003 in stationärer Behandlung in einem Klinikum in . Anschließend unterzog er sich ambulanter psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung und ging schließlich am 22. April 2004 erneut für sechs Wochen in eine stationäre Heilbehandlung. Die Feststellung des Landgerichts, die Depressionen seien "abgebaut", basiert deshalb auf tragfähigen Tatsachen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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