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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: 2 Ss 303/04
Rechtsgebiete: StPO, GKG


Vorschriften:

StPO §§ 44 ff.
StPO § 345 Abs. 1
StPO § 345 Abs. 2
StPO § 346 Abs. 1
StPO § 346 Abs. 3 Satz 1
GKG § 21
1. Bei Aufnahme einer Revisions- (oder Rechtsbeschwerde-) Begründung/"zu Protokoll der Geschäftsstelle/" hat der zuständige Rechtspfleger die Niederschrift inhaltlich zu gestalten, ihren Sachinhalt prüfen und hierfür die Verantwortung zu übernehmen. Er darf sich nicht auf die bloße Niederschrift eines Begründungsvortrags oder auf die bloße Entgegennahme einer vorbereiteten Rechtsmittelbegründung beschränken. Erst recht ist eine Bezugnahme auf anliegende Schriftstücke unzulässig. Der Rechtspfleger hat sich vielmehr an der für ihn verbindlichen Richtlinie Nr. 150 RistBV zu orientieren, die ihm zugleich entsprechende Belehrungspflichten auferlegt.

2. Zur Sachkompetenz einer Strafkammer bei § 346 Abs. 1 StPO. OLG Dresden, 2. Strafsenat, Beschluss vom 28.04.2005, Az. 2 Ss 303/04


Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat

Aktenzeichen: 2 Ss 303/04

Beschluss

vom 28. April 2005

in der Strafsache gegen

wegen Trunkenheit im Verkehr

Tenor:

1. Auf den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts wird der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 05. April 2004 aufgehoben.

2. Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 13. November 2003 gewährt.

3. Nach Zustellung dieses Beschlusses kann die Begründung des Rechtsmittels innerhalb einer Woche nachgeholt werden.

4. Kosten der Wiedereinsetzung werden nicht erhoben.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Dresden hatte den Angeklagten am 26. November 2002 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Darüber hinaus hat es dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von 24 Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Landgerichts Dresden vom 13. November 2003 als unbegründet verworfen.

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 18. November 2003 Revision eingelegt. Die Urteilsausfertigung, die dem Beschwerdeführer am 05. Januar 2004 zunächst formlos zugesandt wurde, wurde ihm am 02. März 2004 noch einmal, diesmal förmlich zugestellt. Bereits zuvor, am 26. Februar 2004, hatte er seine Revision zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Dresden mit Sachausführungen und einem Aufhebungsantrag begründet.

Am 05. April 2004 verwarf die Strafkammer die Revision des Angeklagten als unzulässig. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass dem Angeklagten das Urteil zwar bereits am 05. Januar 2004 zugesandt worden sei. Da sich aber keine Zustellungsurkunde bei den Akten befunden habe, sei ihm das Urteil am 02. März 2004 förmlich zugestellt worden. In der erst damit ausgelösten Revisionsbegründungsfrist sei allerdings eine Revisionsbegründungsschrift nicht eingegangen, weshalb die Revision gemäß § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen gewesen sei.

Gegen diesen ihm am 14. April 2004 zugestellten Beschluss hat der Angeklagte am 21. April 2004 zu Protokoll der Geschäftsstelle sofortige Beschwerde eingelegt.

In einer Verfügung vom 19. April 2004 anlässlich der Aktenübersendung an den Senat führt die Vorsitzende der Berufungskammer aus, dass gegen die vor Zustellung der Urteilsurkunde erfolgte Revisionsbegründung "Bedenken zur Zulässigkeit" bestanden hätten, weshalb mit der förmlichen Zustellung der Urteilsausfertigung zugleich der Hinweis erfolgt sei, "dass die Revisionsbegründungsfrist von vier Wochen erneut beginnt und die Revisionsbegründung von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden muss".

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, den Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 05. April 2004 als unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Der gemäß § 346 Abs. 3 Satz 1 StPO statthafte und fristgerecht gestellte Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts hat Erfolg. Das Landgericht hat die Revision des Angeklagten in mehrfacher Hinsicht zu Unrecht nach § 346 Abs. 1 StPO verworfen.

Zum einen war die Berufungskammer für diese Entscheidung gar nicht zuständig. Ihre Befugnis zur Verwerfung der Revision ist nämlich auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebene Form oder Frist nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Ein solcher Fall liegt ersichtlich nicht vor.

Die Revisionsbegründung vom 26. Februar 2004 war bereits zu Protokoll der Geschäftsstelle des Landgerichts Dresden abgegeben worden, und darüber hinaus auch vor Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1 StPO. Denn die Sachausführungen des Revisionsführers und sein Aufhebungsantrag vom 26. Februar 2004 sind eine Revisionsbegründung, die zu Protokoll der Geschäftsstelle - und damit zunächst der äußeren Form entsprechend - erklärt worden war. Über ihre inhaltliche Zulässigkeit hat gemäß § 349 Abs. 1 StPO der Senat als Revisionsgericht zu entscheiden.

Zum anderen war die Zustellung der Urteilsgründe am 02. März 2004 wirksam erfolgt, weshalb die Revisionsbegründungsfrist erst mit Ablauf des 01. April 2003 geendet hat. Zu diesem Zeitpunkt war die Revisionsbegründung aber schon (nämlich am 26. Februar 2004) zu den Akten gelangt. Dass die Revisionsbegründung schon vor der förmlichen Zustellung der Urteilsausfertigung erfolgte, ist ohne Belang, da die angefochtene Entscheidung zu diesem Zeitpunkt bereits existent und anfechtbar war.

Die Zustellung der Urteilsurkunde bewirkt nur die Beendigung der Revisionsbegründungsfrist nach einem Monat (nicht, wie das Landgericht meint: nach vier Wochen), sofern sie wirksam erfolgte, § 345 Abs. 1 StPO.

2. Gleichwohl kann der Senat noch nicht entscheiden, obwohl die Revisionsbegründung in ihrer jetzigen Form unzulässig ist. Die fristgerecht angebrachte Begründung entspricht nicht der gebotenen Form, ohne dass dies allerdings vom Beschwerdeführer zu vertreten gewesen wäre.

Weil zwischenzeitlich die Frist abgelaufen ist, kann der Beschwerdeführer sie auch nicht mehr nachholen.

Dem Betroffenen ist daher gemäß §§ 44 ff. StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung seiner Revision zu gewähren.

Nach § 345 Abs. 2 StPO müssen Revisionsanträge und -begründung in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (zuständig: Rechtspfleger) angebracht werden. Der Gesetzgeber wollte damit erreichen, dass Anträge und Begründung von sachkundiger Seite stammen. Daher kann sich die Mitwirkung des Urkundsbeamten nicht in einer bloßen Entgegennahme selbst gefertigter Begründungsschriften eines Angeklagten oder in bloßer Niederschrift erschöpfen. Er hat sich vielmehr an der Begründung gestaltend zu beteiligen, den Inhalt der abgegebenen Erklärung zu prüfen und hierfür die Verantwortung zu übernehmen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 345 Rdnr. 21). Dies folgt schon aus Nummer 150 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV), an welche die Justizverwaltung gebunden ist. Danach belehrt der Rechtspfleger den Angeklagten über die richtige Art der Revisionsrechtfertigung und wirkt auf eine den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Fassung hin. Er ist an den Wortlaut und die Form des zur Begründung der Revision Vorgebrachten nicht gebunden, wohl aber an dessen sachlichen Kern. Dabei nimmt er in das Protokoll auch das Vorbringen auf, für das er die Verantwortung ablehnt. Er belehrt den Angeklagten über die sich daraus ergebenden Folgen und vermerkt diese Belehrung im Protokoll. Ferner folgt aus Nummer 150 Abs. 3 RiStBV, dass eine Bezugnahme auf andere Schriftstücke unwirksam ist, was vor allem für handschriftliche Erklärungen eines Beschwerdeführers gilt.

Diesen Anforderungen genügt das Aufnahmeprotokoll vom 26. Februar 2004 nicht.

Ausweislich der Niederschrift hat sich die Tätigkeit des Urkundsbeamten ersichtlich in der bloßen Aufnahme der Erklärung erschöpft, ohne für den Revisionsvortrag Verantwortung zu übernehmen. Dies folgt vor allem aus dem distanzierenden Vermerk, der Angeklagte habe "in der Form auf der Aufnahme der Erklärung bestanden".

Dass der Urkundsbeamte den Angeklagten jedoch zuvor entsprechend Nummer 150 RiStBV über die Unzulässigkeit dieser Form der Revisionsbegründung belehrt und auf die Stellung eines ordnungsgemäßen Antrages hingewirkt hat, lässt sich dem Protokoll jedoch nicht, jedenfalls nicht in ausreichendem Umfang entnehmen.

Da der Rechtspfleger bei der Aufnahme des Protokolls seiner prozessualen Fürsorgepflicht nicht nachgekommen ist, der Formmangel folglich auf ein amtliches Verschulden zurückzuführen ist, muss dem Angeklagten die Möglichkeit zur Korrektur seines Vortrags durch Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ermöglicht werden (vgl. BVerfG RPfl 2002, 279; OLG Koblenz VRS 75, 57; Meyer-Goßner a.a.O § 345 Rdnr. 22). Der Senat weist auf die nachfolgende Belehrung hin.

3. Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens werden wegen des aufgezeigten Justizverschuldens nicht erhoben, § 21 GKG.

Ende der Entscheidung

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