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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 2 U 1539/06
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 112
AktG § 121
AktG § 20 Abs. 1
AktG § 20 Abs. 7
AktG § 16 Abs. 4
1. Dem Anwendungsbereich von § 112 AktG unterfallen auch Streitigkeiten darüber, ob ein Prätenden um das Vorstandsamt wirksam berufen wurde oder nicht.

2. Die Grundsätze zur organschaftlichen Vertretung von Kapitalgesellschaften bei Statusklagen gelten nicht nur für Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen, sondern auch für Streit- und einstweilige Verfügungsverfahren, in denen über die Wirksamkeit organschaftlicher Bestellungsakte gestritten wird.

3. Nach Wortlaut und Normzweck von § 121 Abs. 6 AktG liegt eine Vollversammlung nur dann vor, wenn entweder sämtliche - auch die gemäß § 20 Abs. 1, Abs. 7 AktG nicht teilnahmeberechtigten - Aktionäre bei Beginn der Hauptversammlung präsent sind oder aber eine gesetzgemäße Bekanntgabe nach § 121 Abs. 3 AktG erfolgt ist.


Oberlandesgericht Dresden 2. Zivilsenat IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 2 U 1539/06

Verkündet am 04.09.2006

In dem Verfahren der einstweiligen Verfügung

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 04.09.2006 durch

Vizepräsident des Oberlandesgerichts Hagenloch, Richterin am Oberlandesgericht Bokern und Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schönknecht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Verfügungskläger gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 11.08.2006 - 5 O 2281/06 EV - wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungskläger tragen zu jeweils 1/3 die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der im Rechtsmittelverfahren angefallenen Kosten der Nebenintervention.

- Streitwert der Berufung: EUR 50.000,00 -

Gründe:

A.

Die sich auf eine organschaftliche Vertretungsbefugnis durch den Verfügungskläger zu 2) (im Folgenden: Kläger zu 2)) berufende Verfügungsklägerin zu 1) (im Folgenden: Klägerin zu 1)) begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, dem Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) zu untersagen, als ihr Vorstand zu handeln. Das gleiche Rechtsschutzziel verfolgen der Kläger zu 2) und der Verfügungskläger zu 3) (im Folgenden: Kläger zu 3), die jedenfalls bis zu den in ihren Wirkungen strittigen Beschlussfassungen der Hauptversammlung bzw. des Aufsichtsrats der Klägerin zu 1) vom 27.07.2006 deren Vorstand bzw. Aufsichtsratsvorsitzender waren.

Die Klägerin zu 1) wurde im Mai 2000 errichtet und im Juli 2000 in das Handelsregister eingetragen. An ihrem Grundkapital von EUR 500.000,00 waren die L S G (im Folgenden: Sachsen LB) zu 51 % und die Nebenintervenienten zu 49 % beteiligt. Zwischen diesen beiden Aktionären bestehen seit Jahren erhebliche Meinungsverschiedenheiten, die sich seit der außerordentlichen Hauptversammlung der Klägerin zu 1) vom 30.09.2003, auf welcher mit den Stimmen der Sachsen LB beschlossen wurde, das Grundkapital um EUR 5 Mio. zu erhöhen, verschärft haben. Nachdem die gegen diese Beschlussfassung gerichtete Anfechtungsklage der Nebenintervenientin rechtskräftig abgewiesen worden war (vgl. BGH, Urteil vom 24.04.2006 - II ZR 30/05 - AG 2006, 501 ff.), betrieb die Sachsen LB die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister weiter. Mit Urteil vom 25.07.2006 - 2 U 969/06 - (Anlage HRO 8, Bl. 190 ff. dA) wies der Senat einen Antrag der Nebenintervenientin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit welcher der Klägerin zu 1) die weitere Durchführung der Kapitalerhöhungsverfahren untersagt werden sollte, zurück. Zwei Tage später, am 27.07.2006, fand nach Darstellung der Nebenintervenientin in den Räumen ihrer Prozessbevollmächtigten eine außerordentliche Hauptversammlung der Klägerin zu 1) statt. In der hierüber errichteten notariellen Niederschrift heißt es (vgl. Anlage AG 2, Bl. 137 ff. dA):

I. Teilnehmer

Anwesend waren:

1. Vom Aufsichtsrat: niemand

2. Vom Vorstand: niemand

3. Der Aktionär und der Aktionärsvertreter, wie sie in dem dieser Niederschrift als Anlage 1 beigefügten Teilnehmerverzeichnis aufgeführt sind.

II. Vorsitz, Präsenz, Tagesordnung, Art der Abstimmung

Der Vertreter des einzigen teilnahmeberechtigten Aktionärs bestimmte Herrn R E zum Versammlungsleiter, dieser übernahm den Vorsitz und eröffnete um 12:25 Uhr die Versammlung.

Der Vorsitzende stellte fest, dass es sich um eine Spontanversammlung handele und keine Einladungen bekanntgemacht und verschickt worden seien. Die Verwaltungsorgane seien als solche ebenfalls nicht förmlich informiert. Es handele sich jedoch um eine Vollversammlung, da dem weiteren Aktionär wegen der Verletzung von § 20 Abs. 1 AktG weder ein Stimmrecht noch ein Teilnahmerecht zustehe:

Zwar habe die Gesellschaft (Anmerkung des Senats: die Klägerin zu 1)) die Mitteilung des weiteren Aktionärs Sachsen LB L S G über seine Beteiligung an der Gesellschaft im elektronischen Bundesanzeiger vom 05.05.2004 und vom 14.03.2005 bekanntgemacht. Über diese Mitteilung hinaus sei gemäß § 20 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 4, Abs. 1 und § 17 Abs. 2 AktG jedoch auch der Umstand mitteilungspflichtig, dass die Sachsen Finanzgruppe durch ihre Beteiligung an der Aktionärin Sachsen LB L S G (mittelbar) mehr als 25 % an der Gesellschaft erworben habe. Eine solche Mitteilung sei nicht erfolgt. Damit sei die Aktionärin Sachsen LB L S G temporär sämtlicher Verwaltungsrechte verlustig (BGH II ZR 30/05, Urteil vom 24.04.2006). Durch Einsicht in den elektronischen Bundesanzeiger kurz vor Beginn der Hauptversammlung habe er sich davon überzeugt, dass die Gesellschaft keine diesen Annahmen entgegenstehende Mitteilung gemacht habe.

Demgegenüber habe die Aktionärin IIL I- und I-L GmbH durch Mitteilung vom 12.02.2004, bekanntgemacht von der Gesellschaft durch Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger vom 05.05.2004, ihre Mitteilungspflichten erfüllt. Des Weiteren haben die herrschenden Unternehmen der IIL I- und I-L GmbH, denen jeweils die Anteile der IIL I- und I-L GmbH an der Gesellschaft gemäß § 16 Abs. 4 AktG zuzurechnen sind, entsprechende Mitteilungen vor Beginn der Hauptversammlung abgegeben. Kurz vor der Hauptversammlung hat mich Herr A W telefonisch darüber informiert, dass er als Bote der herrschenden Unternehmen der IIL I- und I-L GmbH (nachfolgend auch IIL GmbH) um 12:00 Uhr eine Meldung der BBFG B B und Fxxxxxvermittlung GmbH und eine Meldung von Herrn L M. H z.H. des Vorstands der Gesellschaft persönlich übergeben habe.

Der Vorsitzende gab die Präsenz der Hauptversammlung wie folgt bekannt:

Von dem Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von EUR 500.000,00, eingeteilt in 10.000 Stück-Aktien ohne Nennbetrag, sind alle teilnahme- und stimmberechtigten Aktien, nämlich diejenigen der IIL GmbH (4.900 Stück) vertreten. Der Zahl der Aktien entspricht jeweils die gleiche Zahl an Stimmen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 der Satzung). Sämtliche Aktien sind voll eingezahlt. Der Aktionär bzw. Aktionärsvertreter hat seine Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts nachgewiesen.

Aus den Aufzeichnungen der Gesellschaft über ihre Aktionäre und dem Teilnehmerverzeichnis ergibt sich, dass alle teilnahmeberechtigten Aktionäre erschienen oder vertreten sind und das gesamte teilnahme- bzw. stimmberechtigte Grundkapital repräsentieren. Die heutige Hauptversammlung ist damit als Vollversammlung beschlussfähig, solange alle teilnahmeberechtigten Aktionäre bzw. Aktionärsvertreter anwesend bzw. vertreten sind und kein Aktionär bzw. Aktionärsvertreter der Beschlussfassung widerspricht. Der Vertreter des allein stimm- und teilnahmeberechtigten Aktionärs verzichtete vorsorglich auf die Einhaltung sämtlicher nach Gesetz oder Satzung erforderlicher Form- und Fristvorschriften für die Einberufung und Abhaltung einer Hauptversammlung.

...

Der Vorsitzende gab die dieser Niederschrift als Anlage 2 beigefügte Tagesordnung bekannt.

Der Vorsitzende stellte nach entsprechender Frage an die Aktionäre fest: keiner der anwesenden Aktionäre bzw. Aktionärsvertreter hat der Beschlussfassung zu diesen Tagesordnungspunkten widersprochen. Der Vorsitzende bestimmte satzungsgemäß die Art (Form und Verfahren) der Abstimmung wie folgt: Die Abstimmung erfolgt durch Handaufheben.

III. Erledigung der Tagesordnung.

Pkt. 1. der Tagesordnung:

Der Vorsitzende stellt ohne Aussprache den in der Tagesordnung zu Pkt. 1 bekannt gemachten Beschlussvorschlag des Aktionärs über die Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 30.09.2003 zur Abstimmung.

Die Abstimmung nach dem festgelegten Verfahren ergab

Präsenz: 4.900

Ergebnis Ja-Stimmen: 4.900

Der Vorsitzende gab dieses Ergebnis bekannt. Er stellte fest:

Bei einer Präsenz von 4.900 Stimmen ist der zu diesem Tagesordnungpunkt 1. unterbreitete Beschlussvorschlag über die Aufhebung des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom 30.09.2003 einstimmig angenommen. Der Kapitalerhöhungsbeschluss ist damit aufgehoben.

Pkt. 2. der Tagesordnung:

Der Vorsitzende stellte ohne Aussprache den in der Tagesordnung zu Pkt. 2 bekannt gemachten Beschlussvorschlag des Aktionärs über den Vertrauensentzug gegen das Vorstandsmitglied des R B zur Abstimmung.

Die Abstimmung nach dem festgelegten Verfahren ergab:

Präsenz: 4.900

Ergebnis Ja-Stimmen: 4.900

Der Vorsitzende gab dieses Ergebnis bekannt. Er stellte fest: Bei einer Präsenz von 4.900 Stimmen ist der zu diesem TOP 2. unterbreitete Beschlussvorschlag über den Vertrauensentzug gegen das Vorstandsmitglied R B einstimmig angenommen.

Pkt. 3. der Tagesordnung:

Der Vorsitzende stellte ohne Aussprache den in der Tagesordnung zu Pkt. 3. bekannt gemachten Beschlussvorschlag des Aktionärs über die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder G und Z zur Abstimmung.

Die Abstimmung nach dem festgelegten Verfahren ergab:

Präsenz: 4.900

Ergebnis Ja-Stimmen: 4.900

Der Vorsitzende gab dieses Ergebnis bekannt. Er stellte fest:

Bei einer Präsenz von 4.900 Stimmen ist der zu diesem Tagesordnungspunkt 3. unterbreitete Beschlussvorschlag über die Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder G und Z einstimmig angenommen.

Pkt. 4. der Tagesordnung:

Der Vorsitzende stellte ohne Aussprache den in der Tagesordnung zu Pkt. 4 bekannt gemachten Beschlussvorschlag des Aktionärs über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern zur Abstimmung. Die vorgeschlagenen Aufsichtsratsmitglieder hätten für den Fall ihrer Wahl erklärt, das Amt anzunehmen.

Die Abstimmung in getrennten Wahlgängen nach dem festgelegten Verfahren ergab jeweils:

Präsenz: 4.900

Ergebnis Ja-Stimmen: 4.900

Der Vorsitzende gab dieses Ergebnis bekannt. Er stellte fest:

Bei einer Präsenz von 4.900 Stimmen sind die zu diesem Tagesordnungspunkt 4. unterbreiteten Beschlussvorschläge über die Neuwahl von Aufsichtsratsmitgliedern einstimmig angenommen und somit Herr R E und Herr Dr. U G zu Mitgliedern des Aufsichtsrat bestellt und zwar für die Zeit bis zur Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das 4. Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt, wobei das Geschäftsjahr, in dem die Amtszeit beginnt, nicht mitgerechnet wird.

Pkt. 5. der Tagesordnung:

Der Vorsitzende stellte ohne Aussprache den in der Tagesordnung zu Pkt. 5. bekanntgemachten Beschlussvorschlag des Aktionärs über die Bestellung des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2006 zur Abstimmung.

...

Der Vorsitzende gab dieses Ergebnis bekannt. Er stellte fest:

Bei einer Präsenz von 4.900 Stimmen ist der zu diesem Tagesordnungspunkt 5. unterbreitete Beschlussvorschlag über die Bestellung des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2006 einstimmig angenommen.

IV. Anfechtungsfrist

Schließlich erklären sämtliche erschienenen Aktionäre und Aktionärsvertreter auf nochmalige Rückfrage ausdrücklich, dass sie unwiderruflich für sich und ihre Vollmachtgeber auf das Recht zur Anfechtung sämtlicher in dieser Hauptversammlung gefassten Beschlüsse sowie auf die Erhebung von Widersprüchen gegen diese Beschlüsse verzichten, ferner auf etwaige weitergehende Berichte, Bekanntmachungen und dergleichen.

Damit war die Tagesordnung erledigt. Der Vorsitzende schloss die ordentliche Hauptversammlung um 12:42 Uhr.

V. Feststellungen des Notars

...

Über die Frage der ordnungsgemäßen Einberufung habe ich im Vorfeld der Hauptversammlung mit den anwaltlichen Vertretern der Aktionärin IIL GmbH ein ausführliches Rechtsgespräch geführt. ...

Rechtliche Anhaltspunkte, die Sanktionen des § 20 Abs. 7 AktG bei Verletzung der Mitteilungspflichten durch das nur mittelbar beteiligte Unternehmen nach den Grundsätzen des BGH-Urteils vom 24.04.2006 milder zu gestalten, sehe ich nicht. Dass § 121 Abs. 6 AktG vor dem Hintergrund des heutigen Sachverhalts vor Gericht eine einschränkende Auslegung erfahren könnte (Vollversammlung nur bei Präsenz auch der nichtteilnahmeberechtigten Aktionäre), etwa, weil die Treuepflicht des Aktionärs es gebieten könnte, dem anderen Aktionär die Nachholung der nach § 20 AktG erforderlichen Mitteilung zu ermöglichen, habe ich ebenfalls mit den anwaltlichen Vertretern der Aktionärin IIL Ixxxxxxxx- und Ixxxxxxxxx-Lxxxxxx GmbH erörtert. Unter Abwägung der mit der Vornahme bzw. der Ablehnung meiner Amtshandlung verbundenen Nachteile habe ich keine Gründe gesehen, die Amtstätigkeit zu versagen. ...

Im Anschluss an diese Hauptversammlung fand eine - nach der Satzung der Klägerin zu 1) (vgl. Anlage K 4, Bl. 29 ff. dA; dort § 11 Abs. 7, Bl. 33 dA) zugelassene - telefonische Aufsichtsratssitzung statt, an der die neu bestellten Aufsichtsratsmitglieder R E und Dr. U G sowie das dem Aufsichtsrat mittels Berufung durch die Nebenintervenientin (vgl. § 9 Abs. 3 der Satzung, Bl. 19 dA) bereits zuvor angehörende Aufsichtsratsmitglied Dr. J G teilnahmen. Hierbei wählte der Aufsichtsrat zu seinem Vorsitzenden R E und zu dessen Stellvertreter Dr. U G. Sodann fasste er den Beschluss, den bisherigen Vorstand R B, den Kläger zu 2), mit sofortiger Wirkung abzuberufen, seinen Dienstvertrag außerordentlich mit sofortiger Wirkung zu kündigen und zum neuen Vorstand für die Dauer von fünf Jahren den Beklagten zu bestellen (vgl. Protokoll in Anlage K 9, Bl. 55 f. dA). In unmittelbarem Anschluss hieran führte der Beklagte als aus seiner Sicht neu bestellter Vorstand der Klägerin zu 1) mit Billigung von R E eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der MDL F S GmbH, einer 100 %-igen Tochtergesellschaft der Klägerin zu 1), durch. In deren Rahmen wurden mit sofortiger Wirkung der Kläger zu 2) als Geschäftsführer abberufen und der Beklagte zum neuen Geschäftsführer bestellt (vgl. Anlage K 11, Bl. 59 dA).

Mit Schreiben vom 27.07.2006 unterrichtete der Beklagte als neuer Vorstand den Kläger zu 2) von diesen Entwicklungen und erteilte ihm zugleich Hausverbot (vgl. Anlage K 10, Bl. 57 dA). Zeitgleich forderte der Beklagte die Mitarbeiter der Klägerin zu 1) auf, mit deren bisherigen Organmitgliedern weder persönlich noch schriftlich oder fernmündlich in Kontakt zu treten (vgl. Anlage K 12, Bl. 60 dA). Des Weiteren kündigten der Beklagte und R E in ihrer Funktion als Vorstand bzw. Aufsichtsratsvorsitzender der Klägerin zu 1) das von dieser ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten erteilte Mandat (vgl. Schreiben vom 27.07.2006 in Anlage K 13, Bl. 61 dA). Mit Schreiben vom 14.08.2006 sagte der Beklagte die bereits vor dem 27.07.2006 auf den 17.08.2006 angesetzte Hauptversammlung der Klägerin zu 1) ab (vgl. Anlage BK 1, Bl. 354 dA).

Die Kläger haben die Auffassung vertreten, eine Vollversammlung habe am 27.07.2006 nicht ohne Ladung und Mitwirkung der Klägerin zu 1) stattfinden können. Diese sei an der Hauptversammlung teilnahmeberechtigt gewesen, weil sie nicht von der Sachsen Finanzgruppe (im Folgenden: SFG) beherrscht werde und von daher ihre Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 4 AktG nicht verletzt habe. Die SFG sei zwar an der Klägerin zu 1) mit rund 63 % beteiligt (vgl. Satzung in Anlage K 15, Bl. 247 ff. dA); einer Beherrschung stehe aber entgegen, dass alle wesentlichen Entscheidungen der Sachsen LB mit einer 3/4-Mehrheit gefasst würden und daher nicht allein mit den Stimmen der SFG ergehen könnten. Jedenfalls seien aber die Beschlussfassungen vom 27.07.2006 sittenwidrig, weil der Vorstand der Klägerin zu 1) über die Durchführung der Hauptversammlung nicht unterrichtet worden sei und daher keine Gelegenheit erhalten habe, noch vor dem Hauptversammlungstermin etwaigen Mitteilungspflichten nachzukommen.

Die Kläger haben beantragt,

dem Beklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu untersagen, als Vorstand der Klägerin zu handeln, insbesondere in deren Namen Erklärungen abzugeben, sich als Vorstandsmitglied der Klägerin zu gerieren und Hauptversammlungen einzuberufen.

Der Beklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung zurückzuweisen.

Nachdem das Landgericht Dresden mit Beschluss vom 31.07.2006 dem - zu diesem Zeitpunkt allein von der Klägerin zu 1) - gestellten Antrag zunächst entsprochen hatte (Bl. 63 dA), hat es auf entsprechenden Widerspruch des Beklagten sowie der Nebenintervenientin mit Urteil vom 11.08.2006, unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 31.07.2006, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen (Bl. 337 ff. dA). Den von der Klägerin zu 1) gestellten Antrag hat das Landgericht für unzulässig erachtet, da jene entgegen § 112 AktG nicht durch ihren Aufsichtsrat, sondern durch ihren Vorstand vertreten sei. Die Anträge der Kläger zu 2) und 3) seien unbegründet, da der Beklagte nicht in deren persönlichen Rechte eingreife.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, in der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen bekräftigen und beantragen,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 11.08.2006 gemäß seinem erstinstanzlichen Begehren zu erkennen.

Der Beklagte und dessen Nebenintervenientin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen die landgerichtliche Entscheidung.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf das wechselseitige Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht sowie dem Senat verwiesen.

B.

Die Berufung der Kläger ist unbegründet.

I.

Das Landgericht hat den von der Klägerin zu 1) gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu Recht mangels einer gesetzgemäßen organschaftlichen Vertretung als unzulässig erachtet.

1. Im vorliegend verfahrensgegenständlichen Rechtsverhältnis zum Beklagten wird die Klägerin zu 1) nicht vom Vorstand, sondern vom Aufsichtsrat vertreten.

a) § 112 AktG erfasst nicht nur die Rechtsbeziehungen zu gegenwärtigen und ehemaligen Vorstandsmitgliedern (vgl. BGHZ 130, 108 [111 f.]; BGHZ 157, 151 [153 f.]; BGH NZG 2004, 327; BGH NJW 1999, 3263). Vielmehr unterfallen dem Anwendungsbereich von § 112 AktG auch Streitigkeiten darüber, ob ein Prätendent um das Vorstandsamt wirksam berufen wurde oder nicht (vgl. Großkommentar AktG/Hopt/Roth, § 112 Rn. 40 m.w.N.; Semler, Festschrift Rowedder, 1994, 441 [447]).

b) Die vorstehende Fallgestaltung gibt nicht Anlass, aus Normzweckaspekten von dieser Kompetenzzuweisung des § 112 AktG abzuweichen.

Im Ausgangspunkt geht der Senat allerdings davon aus, dass die Zuständigkeitsverlagerung des § 112 AktG eine organschaftliche Sonderrechtsbeziehung zwischen der Aktiengesellschaft und dem Prätendenten für das Vorstandsamt voraussetzt, also nicht eingreift, wenn sich ein Dritter ohne jedwede Beschlussfassung des Aufsichtsrats einer Vorstandsstellung berühmt und hierdurch in deliktsrechtlich relevanter Weise in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Aktiengesellschaft eingreift (vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 09.05.2006 - 4 U 334/05; OLG Hamm NZG 1999, 597 f.). Eine derartige Situation, bei der es bei der organschaftlichen Vertretung durch den Vorstand nach § 78 AktG zu verbleiben hat, ist aber vorliegend auch nach dem - für die organschaftliche Vertretungskompetenz maßgeblichen - Sachvortrag der Klägerin zu 1) nicht gegeben. Selbst auf der Grundlage ihres Vorbringens handelt es sich nämlich bei der am 27.07.2006 in den Kanzleiräumen der Prozessbevollmächtigten der Nebenintervenientin durchgeführten Versammlung nicht um eine bloße Schein-Hauptversammlung, da immerhin mit der Nebenintervenientin 49 % des Grundkapitals vertreten war, der äußere Ablauf den aktienrechtlichen Anforderungen der §§ 129 ff. AktG genügte und die Einschätzung der Nebenintervenientin, dass mangels einer Teilnahmeberechtigung der Sachsen LB die Voraussetzungen für die Durchführung einer spontanen Vollversammlung vorlägen, - wie bereits die Erwägungen im Urteil des Landgerichts München II vom 14.08.2006 (9 O 4357/06) zeigen - nicht schlechthin unvertretbar war.

c) Auch das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert nicht, den Anwendungsbereich von § 112 AktG bei Fallgestaltungen der vorliegenden Art in verfassungskonformer Weise gegen den Wortlaut zu beschränken und es für Rechtsverfolgungen gegen den Prätendenten für das Vorstandsamt bei der allgemeinen organschaftlichen Vertretungskompetenz des § 78 AktG zu belassen.

Jene Erschwernisse, welche die Klägerin zu 1) bei einer wirkungsvollen Rechtsverfolgung gegenüber dem Beklagten treffen, resultieren nämlich nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder normativen Lücken, sondern allein daraus, dass sich das Aufsichtsratsmitglied Dr. Jxxxxx Gxxxxxxxx nach dem Vortrag der Klägerin zu 1) der Erfüllung seiner organschaftlichen Pflichten versagen soll. Beruht aber das verfahrensrechtliche Dilemma der Klägerin zu 1) darauf, dass - ihrem Vortrag zufolge - ihre Aufsichtsratsmitglieder an Sitzungen des Aufsichtsrates nicht vollständig teilnehmen, kann dies zu keiner Verschiebung der organschaftlichen Vertretungskompetenz von § 112 AktG auf § 78 AktG führen. Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, dass auf die Herbeiführung einer Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrates gerichtete Maßnahmen von vornherein nicht Erfolg versprechend wären:

aa) Die Klägerin zu 1) wird im verfahrensgegenständlichen Rechtsverhältnis zum Beklagten durch den Aufsichtsrat in der früheren personellen Besetzung organschaftlich vertreten.

(1) Es spricht bereits viel dafür, dass dies schon aus jenen Erwägungen folgt, die zur organschaftlichen Vertretung von Kapitalgesellschaften bei Statusklagen entwickelt wurden (vgl. BGH NJW-RR 1992, 993; BGH WM 1981, 1353 [1354]; OLG Köln NZG 1999, 773). Dies gilt umso mehr, als der Senat bereits mehrfach dahin erkannt hat, dass diese Prinzipien nicht auf gesellschaftsrechtliche Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklagen beschränkt sind, sondern darüber hinaus auch in jenen Streit- oder einstweiligen Verfügungsverfahren zu gelten haben, in denen in der Sache über die Wirksamkeit organschaftlicher Bestellungsakte gestritten wird. Ansonsten müsste über die materielle Rechtslage nicht auf der Ebene der Begründetheit, sondern - systemwidrig - bereits bei der Prozessführungsbefugnis, also der Zulässigkeit, entschieden werden (vgl. u.a. Senatsurteile vom 30.08.1999 - 2 U 2119/99 - und vom 30.10.2003 -2 U 1494/03 -; vgl. des Weiteren: OLG Hamm GmbHR 1993, 743 [745]).

(2) Unabhängig hiervon besteht aber auch objektiv der Aufsichtsrat in seiner früheren Besetzung fort, weil die auf der Hauptversammlung vom 27.07.2006 beschlossene Bestellung zweier neuer Aufsichtsratsmitglieder wegen eines Verstoßes gegen § 121 Abs. 2 bis 4 AktG nichtig ist (vgl. § 241 Nr. 1 AktG).

(2.1) Im Ausgangspunkt ist dem Beklagten allerdings zuzugeben, dass die Sachsen LB ihrer Mitteilungspflicht gemäß § 20 Abs. 1, § 16 Abs. 4 AktG nicht nachgekommen ist und daher an der Hauptversammlung vom 27.07.2006 nicht teilnahme- und stimmberechtigt war.

(2.1.1) Die Klägerin zu 1) hat die aus § 17 Abs. 2 AktG folgende Vermutung dafür, dass die Sachsen LB von der SFG beherrscht wird, nicht widerlegt.

Zwar kommt der SFG, die eine Mehrheitsbeteiligung von 62,96 % an der Sachsen LB hält, nicht die Möglichkeit zu, bei dieser Personalentscheidungen alleine zu treffen, insbesondere ohne Mitwirkung anderer die Besetzung des Verwaltungsrats - und damit mittelbar des Vorstandes - vorzugeben, da nach § 6 der Satzung der Sachsen LB für die Bestellung des Verwaltungsrats eine Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen erforderlich ist. Die fehlende personelle Alleinbestimmungsbefugnis (vgl. hierzu: MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 20 und § 17 Rn. 95 ff.) ändert aber bei der gebotenen Gesamtschau nichts an einer aus der Mehrheitsbeteiligung folgenden Beherrschung (vgl. MünchKommAktG/Bayer, § 17 Rn. 32 und 97). Für diese spricht bereits, dass zumindest insoweit eine personelle Verflechtung besteht, als der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der SFG auch Vorstandsvorsitzender der Sachsen LB ist. Zudem hat die Nebenintervenientin unwidersprochen ausgeführt, dass die SFG zum einen über die neue Ausrichtung der Sachsen LB entschieden und hierbei die Führungsrolle übernommen habe und zum anderen die Einhaltung dieser Konzeption durch ein spezifisches Steuerungsmodell sicherstelle.

(2.1.2) Damit sind der SFG als herrschendem Unternehmen ohne Aktienbesitz gemäß § 20 Abs. 1, § 16 Abs. 4 AktG die Aktien der Sachsen LB als abhängigem Unternehmen zuzurechnen und hätten für beide, Sachsen LB und SFG, entsprechende Mitteilungspflichten bestanden (vgl. BGHZ 114, 203 [217]; MünchKommAktG/Bayer, § 20 Rn. 9 und Rn. 15).

(2.1.3) Wurden diese Mitteilungspflichten verletzt, stand der Sachsen LB kein Teilnahmerecht an einer Hauptversammlung zu (vgl. BGH AG 2006, 501 [502]; MünchKommAktG/Bayer, § 20 Rn. 46 ff.).

(2.2) Die fehlende Teilnahmeberechtigung der Sachsen LB ändert aber nichts daran, dass es sich bei der - nicht unter den Anforderungen von § 121 Abs. 2 bis 4 AktG einberufenen - Hauptversammlung um keine (spontane) Vollversammlung i.S.v. § 121 Abs. 6 AktG handelt.

(2.2.1) Hierfür genügte nicht, dass mit der Ne-benintervenientin die einzige teilnahme- und stimmrechtsbefugte Aktionärin anwesend war.

[1] Entgegen dem missverständlichen Wortlaut von § 121 Abs. 6 AktG ist zwar für die Durchführung einer Vollversammlung nicht erforderlich, dass auch jene Aktionäre, denen gemäß § 20 Abs. 7 AktG eine Teilnahmebefugnis nicht zusteht, bei Beginn der Hauptversammlung zugegen sind und diese dann nach Feststellung ihrer Präsenz zu verlassen haben. Solches wäre eine unnütze Förmelei, die der Gesetzgeber mit § 121 Abs. 6 AktG nicht gewollt haben kann.

[2] Andererseits kann der Nebenintervenientin aber nicht darin beigetreten werden, dass ein seine Mitteilungspflichten aus § 20 AktG verletzender Aktionär wegen des Ruhens seiner mitgliedschaftlichen Rechte im Rahmen von § 121 Abs. 6 AktG wie ein Nichtaktionär zu behandeln sei. Vielmehr gebieten Wortlaut und Normzweck von § 121 Abs. 6 AktG, dass eine Vollversammlung nur vorliegt, wenn entweder sämtliche - auch nicht teilnahmeberechtigte - Aktionäre bei Beginn der Hauptversammlung präsent sind oder aber eine gesetzgemäße Bekanntgabe nach § 121 Abs. 3 AktG erfolgte (zumindest im Kern ebenso: Quack, Festschrift Semler, 1993, S. 581 [588]).

Mögen auch jenen Aktionären gegenüber, die ihre Anzeigepflicht aus § 20 Abs. 1 AktG verletzt haben, nicht nach näherer Maßgabe von § 125 AktG Mitteilungen zu machen sein, muss ihnen doch eröffnet werden, sich die nach § 121 Abs. 3 AktG erforderlichen Mindestinformationen durch Einblick in die Gesellschaftsblätter verschaffen zu können (ebenso: Quack a.a.O.). Nur so können sie Gelegenheit erhalten, die Konsequenzen einer anhaltenden Verletzung der Mitteilungspflicht sachgerecht einzuschätzen und durch eine umgehende Anzeige abzuwenden.

Welch unangemessenen Eingriffe in die Rechtsstellung der gemäß § 20 Abs. 7 AktG nicht teilnahmeberechtigten Aktionäre ansonsten entstünden, zeigt die vorliegende Sachgestaltung, bei welcher die Nebenintervenientin die sie selbst treffende Mitteilungspflicht weniger als eine halbe Stunde vor der durchgeführten Hauptversammlung erfüllt hat, sinnfällig. Wären derartige Anforderungen an das Vorliegen einer spontanen Vollversammlung entbehrlich, könnte bei Aktiengesellschaften, bei denen zunächst keiner der Aktionäre den Pflichten aus § 20 Abs. 1, § 16 Abs. 4 AktG nachgekommen ist, jeder Aktionär nach eigenem Belieben und zu einem ihm genehm erscheinenden Zeitpunkt durch eine Erfüllung seiner eigenen gesetzlichen Pflicht seine Teilnahmeberechtigung an einer Hauptversammlung herbeiführen und eine solche im unmittelbaren Anschluss hieran spontan als Vollversammlung durchführen. Ein derartiges Normverständnis wäre aber mit schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Rechte der anderen Aktionäre verbunden und kann daher der objektiven Rechtslage nicht entsprechen.

(2.2.2) Dahinstehen kann deshalb, ob die Nebenintervenientin mit ihrem Vorgehen nicht ohnehin ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verletzt hat und deshalb von einer wirksamen Stimmabgabe nicht ausgegangen werden kann.

bb) Besteht aber der Aufsichtsrat in seiner alten Besetzung fort, kann die Klägerin zu 1) der aus ihrer Sicht kumulierten Rechtsverletzung durch Hauptversammlung und Aufsichtsrat nicht derart begegnen, dass dem früheren Vorstand in einer Art Durchgriff die Vertretungsbefugnis in Rechtsangelegenheiten mit dem Beklagten als Prätendenten für das Vorstandsamt erwächst. Vielmehr hat sie sich an der Kompetenzvorgabe des § 112 AktG festhalten zu lassen und - so sie ihr Sachbegehren weiterverfolgen will - zunächst die Beschlussfähigkeit ihres Aufsichtsrates herbeizuführen. Dies ist ihr auch trotz Eilbedürftigkeit mit Aussicht auf Erfolg möglich:

Sollte sich das Aufsichtsratsmitglied Dr. G auch in Kenntnis der vorliegenden Senatsentscheidung weigern, an Aufsichtsratssitzungen teilzunehmen, könnte ihn die Klägerin zu 1) im Verfahren der einstweiligen Verfügung zur Teilnahme an einer ordnungsgemäß einberufenen Aufsichtsratssitzung anhalten lassen. Einen derartigen Antrag könnte die Klägerin zu 1) auch unabhängig davon durch ihren früheren Vorstand in prozessordnungsgemäßer Weise stellen, ob die Beschlussfassungen des ("neuen") Aufsichtsrats, wovon der Senat im Übrigen ausgeht, nichtig sind. Bei derartigen Sachlagen wären nämlich - spiegelbildlich zu gesellschaftsrechtlichen Statusklagen - jene Personen zur organschaftlichen Vertretung berufen, die dies bei einer Nichtigkeit der auf die Abberufung und Neubestellung von Vorstandsmitgliedern gerichteten Aufsichtsratsbeschlüsse wären.

Ein derartiges Rechtsschutzverlangen hätte auch in der Sache Aussicht auf Erfolg, da es zu den elementaren Pflichten eines Aufsichtsratsmitgliedes gehört, an ordnungsgemäß einberufenen Sitzungen teilzunehmen (vgl. Großkommentar AktG/Hopt/Roth § 109 Rn. 16 m.w.N.; MünchKommAktG/Semler, § 109 Rn. 19 m.w.N.). Auch wird der Erlass einer Leistungsverfügung angesichts der Offenkundigkeit dieser Mitwirkungspflicht und der schwerwiegenden Nachteile, welche die Klägerin zu 1) durch eine von einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied herbeigeführte Beschlussunfähigkeit erleidet, zumindest ernsthaft in Betracht kommen. Dies gilt umso mehr, als Dr. J G jedenfalls Mitglied des Aufsichtsrates ist und es grundsätzlich einem Aufsichtsratsmitglied nicht zukommen kann, durch eine Verweigerung eigener Mitwirkung eine Art eigene Entscheidungskompetenz darüber zu beanspruchen, ob andere Personen wirksam zu Aufsichtsratsmitgliedern bestellt sind.

2. Liegt aber die organschaftliche Vertretungskompetenz für die Klägerin zu 1) bei deren Aufsichtsrat, ist ihr Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unzulässig (vgl. BGHZ 130, 108 [110 ff.]; BGH WM 1999, 2026; BGH AG 1991, 269; BGH WM 1990, 630 [631]; Großkommentar AktG/Hopt/Roth, 4. Aufl., § 112 Rn. 112 m.w.N.).

II.

Zu Recht hat das Landgericht des Weiteren dahin entschieden, dass der vom Kläger zu 2) gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unbegründet ist.

Diesem stehen eigene Abwehrrechte gegen den Beklagten mangels einer organschaftlichen oder sonstigen Sonderrechtsbeziehung nicht zu. Insbesondere vermögen die vom Kläger zu 2) erwogenen Gründe keine subjektiven Rechtsbeziehungen zum Beklagten zu schaffen. Ebenso wenig greift der Beklagte in irgend einer Weise in absolut geschützte Rechtsgüter des Klägers zu 2) ein.

III.

Ebenso wenig stehen dem Kläger zu 3) irgend welche Ansprüche gegen Beklagten zu.

1. Soweit der Kläger zu 3) Ansprüche des Gesamt-Aufsichtsrats verfolgen will, ist für eine Prozessführungsbefugnis nach den Grundsätzen der actio pro socio nichts erkennbar.

Abgesehen davon, dass dieses Rechtsinstitut nur restriktiv zur Anwendung kommt, besteht vorliegend kein zu vollziehender Beschluss des Aufsichtsrates, der von dem Kläger zu 3) als einzelnem Aufsichtsratsmitglied im Wege der actio pro socio verfolgt werden könnte. Unabhängig hiervon kommt einem einzelnen Aufsichtsratswmitglied ohnehin nicht die Befugnis zu, Konflikte, die zwischen Mehrheit und Minderheit im Aufsichtsrat auftreten, über den Umweg einer gerichtlichen Inanspruchnahme des Vorstandes (vgl. BGHZ 106, 54 [66]) oder der von diesem vertretenen Aktiengesellschaft (vgl. hierzu Senatsurteil vom 09.05.2006 - 2 U 372/06 -; OLG Celle AG 1990, 264) auszutragen. Entsprechendes muss erst recht gelten, wenn ein solcher Konflikt noch gar nicht offen zutage getreten ist, weil es an einer Beschlussfassung des Aufsichtsrates fehlt, der 3-köpfige Aufsichtsrat vielmehr in seiner Gesamtheit noch keinen Beschluss gefasst hat.

Im Übrigen können dem Aufsichtsrat keine subjektiven Rechte gegen den Beklagten zustehen.

2. Ebenso wenig vermag der Senat eine aus einem eigenen Recht des Klägers zu 3) abzuleitende Anspruchsgrundlage gegen den Beklagten zu erkennen. Zwischen diesen Verfahrensbeteiligten ist eine organschaftliche Sonderrechtsbeziehung, aus der Ansprüche des Klägers zu 3) erwachsen könnten, nicht ersichtlich. Insbesondere sind auch die von diesem herangezogenen Aspekte nicht geeignet, subjektive Rechte gegenüber dem Beklagten zu begründen.

C.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen gemäß § 97 Abs. 1, § 101 ZPO den Klägern zu je 1/3 zur Last.

Ende der Entscheidung

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