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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 07.01.2002
Aktenzeichen: 2 U 2841/01
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 161
Einer Inhaltskontrolle nach § 242 BGB hält stand, wenn bei einem geschlossenen Immobilienfonds mit Ansparphase die ordentliche Kündigung für einen Zeitraum von 30 Jahren ausgeschlossen ist.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 2 U 2841/01

des 2. Zivilsenats

vom 07.01.2002

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vizepräsident des Oberlandesgerichts H., Richterin am Landgericht B. und Richterin am Landgericht E.

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten/Widerklägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz wird

zurückgewiesen.

Gründe:

Dem Beklagten/Widerkläger (künftig: Beklagter) war Prozesskostenhilfe zu versagen, da die beabsichtigte Berufung keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§§ 114, 115 ZPO).

1. Die Vorinstanz hat den Beklagten unter Abweisung der von diesem erhobenen Widerklage zu Recht zur Zahlung einer Beteiligungssumme von DM 2.000,00 verurteilt, da die von diesem am 11.06.1998 ausgesprochene Kündigung das Gesellschaftsverhältnis zumindest zum 31.12.1999 nicht beendigt hat.

a) Entgegen der Sicht des Beklagten verstößt nicht gegen § 9 Abs. 1 AGBG, dass die Kündigung des Gesellschaftsvertrages nach dessen § 29 Abs. 1 frühestens zum 31.12.2026 erfolgen kann. Nach gefestigter Rechtsprechung unterliegen nämlich Satzungen selbst dann der Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG, wenn sich die Gesellschaft an eine Vielzahl von potentiellen Anlegern wendet und zwischen diesen persönliche Beziehungen nicht bestehen (vgl. BGH ZIP 2001, 243 [244]; BGHZ 127, 176 [183]; BGHZ 104, 51 [53]).

b) Die Beschränkung der Kündigungsbefugnis hält auch zumindest für den streitgegenständlichen Zeitraum einer Inhaltskontrolle Stand.

aa) Allerdings hat sich die Beschränkung der Kündigungsbefugnis an § 242 BGB messen zu lassen, da die Satzung der Klägerin von den Fonds-Initiatoren vorgegeben wurde und für die Anleger keine Möglichkeit bestand, in irgendeiner Weise auf die inhaltliche Ausgestaltung der vertraglichen Beziehungen Einfluss zu nehmen (vgl. BGH ZIP 2001, 243 [244]; BGHZ 104, 51 [53 f.]).

bb) Werden die Belange des einzelnen Anlegers gegen die Interessen der Gesamtheit der Gesellschafter, einschließlich der Fonds-Initiatoren, abgewogen, ist es aber nicht unangemessen, dass der Gesellschaftsvertrag vor dem 31.12.2026 einer ordentlichen Kündigung entzogen ist (unten (1)). Selbst bei einer gegenteiligen Sicht wäre zumindest rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass es dem Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum verschlossen ist, sich einseitig von seinen rechtlichen Beziehungen zur Klägerin zu lösen (unten (2)).

(1) Die mit § 29 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages faktisch verbundene Vertragsbindungsfrist von (knapp) 30 Jahren ist jedenfalls bei der vorliegenden Gestaltung des geschlossenen Immobilienfonds durch überwiegende Belange der anderen Gesellschafter gerechtfertigt, da innerhalb der bis zum Jahre 2012 vorgesehenen Ansparphase zunächst die zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks notwendige Eigenkapitalausstattung erlangt werden soll und sich hierdurch der anschließende Zeitraum für die Bindung des gesamten von den Gesellschaftern investierten Kapitals auf 14 bis 15 Jahre beschränkt. In Anbetracht dieser Besonderheiten des Ansparmodells (vgl. hierzu auch: LG Gera, Urteil vom 30.07.2001 - 7 O 684/01 -) können sich Bedenken gegen eine dreißigjährige Bindungsfrist, die in Rechtsprechung und Literatur bei Gesellschaftsverträgen weit überwiegend Anerkennung findet, nicht ergeben (vgl. BGH WM 1967, 315 [316]; LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 11.05.2001 - 16 T 63/01 -; LG Dessau, Beschluss vom 19.04.2001 - 1 S 21/01 -; LG Gera, a.a.O.; Beck Hdb. Personengesellschaften/Sauter, § 7 Rn. 35; MünchHdb. StG/Polzer, § 27 Rn. 5; MünchKomm/Ulmer, BGB, 3. Aufl., § 723 Rn. 47 m.w.N.).

(1.1) Da die Klägerin vor Abschluss der Ansparphase nicht über genügende Eigenmittel verfügt, um ihren Gesellschaftszweck dauerhaft erreichen zu können, kann in diesem Zeitraum nur durch den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung sichergestellt werden, dass das zur Ablösung der aufgenommenen Fremdmittel vorgesehene Eigenkapital auch tatsächlich aufgebracht wird.

(1.1.1) In dieser Zeit ist es zum Schutz der anderen Gesellschafter nachgerade unabdingbar, jede ordentliche Kündigung zu verhindern, da ansonsten durch Anleger, die sich einseitig von ihren gesellschaftsrechtlichen Bindungen lösen, die statuarisch vorgesehene Eigenkapitalausstattung vereitelt und damit - insbesondere bei Massenkündigungen - die Realisierung des Gesellschaftszwecks zum Schaden der Mitgesellschafter ernsthaft gefährdet werden könnte (vgl. bei Kündigung der Treuhandbeteiligung: OLG Hamm NZG 2000, 500).

Die anerkennenswerten Belange der Investoren werden in dieser Phase hinreichend dadurch gewahrt, dass sie - entgegen dem gesetzlichen Leitbild - nach § 28 Abs. 1 der Satzung über ihren Geschäftsanteil zu Beginn jeden Kalenderjahres verfügen können, ohne hierzu der Zustimmung der Klägerin oder der Mitgesellschafter zu bedürfen. Unerheblich ist, dass eine derartige Veräußerung und Abtretung des Geschäftsanteils mangels eines geordneten Marktes mit gewissen Erschwernissen verbunden sein mag und bei einem Gesellschafter, der - wie der Beklagte - seine Beteiligungssummen nicht in der geschuldeten Weise entrichtet hat, nahezu ausgeschlossen sein dürfte. Diese faktische Unveräußerlichkeit von Geschäftsanteilen mit rückständiger Einlagepflicht ist nämlich nicht Folge der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages der Klägerin, sondern der Vertragsuntreue eines in Zahlungsrückstand geratenen Gesellschafters und damit im Rahmen der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB nicht zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen.

(1.1.2) Auch die Dauer der Ansparphase verstößt nicht gegen Treu und Glauben, da die sich über 190 Monate erstreckende Laufzeit der Eigenkapitalaufbringung noch keine unangemessene Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit bedingt.

(1.2) Aber auch für die Zeit nach der Ansparphase erachtet der Senat eine (weitere) Vertragsbindung von 14 bis 15 Jahren nicht für unangemessen, da diese Frist anerkennenswerten Belangen der anderen Gesellschafter dient.

(1.2.1) Wie sich aus dem Emissionsprospekt im Einzelnen ergibt, beruht die Prognoserechnung des zum 31.12.1997 geschlossenen Fonds darauf, dass die in der Ansparphase erbrachten Einlagen in der Folge nicht durch das Ausscheiden von Gesellschaftern abfließen.

Dieser Kalkulation würde - zum Nachteil der anderen Gesellschafter - die Grundlage entzogen, wenn einzelne Anleger vor Ablauf der Bindungsfrist aus der Klägerin austreten könnten, da den hiermit verbundenen Einlagenrückerstattungen entweder durch Nachschussleistungen der anderen Gesellschafter, durch zusätzliche Aufnahme von Fremdkapital oder durch Beschränkungen bei den Investitionen begegnet werden müsste.

(1.2.2) Dürfen aber die anderen Investoren bei ihrer unternehmerischen Entscheidung darauf vertrauen, dass die mit dem finanziellen Engagement einhergehenden wirtschaftlichen Erwartungen nicht durch vorzeitige ordentliche Kündigungen anderer Gesellschafter verschlechtert werden, hat deren Interesse an einer einseitigen Loslösung von den vertraglichen Verpflichtungen zurückzutreten. Dies gilt umso mehr, als dem Anleger über die Einschränkung seiner wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit hinausgehende Nachteile nicht drohen und die gesellschaftsrechtliche Struktur der Klägerin von vornherein nicht auf eine über die Kapitalerbringung hinausgehende statuarische Verpflichtung, wie etwa Geschäftsführungsaufgaben, ausgerichtet ist.

Im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist zudem zu berücksichtigen, dass die Investoren mit ihrem Beitritt zur Klägerin ausschließlich Kapitalanlageinteressen - und nicht eigene unternehmerischen Ziele - verfolgen und von daher zwischen den Gesellschaftern weder spezifische Konfliktlagen zu erwarten sind noch besondere persönliche Bindungen oder Beziehungen entstehen. Überdies ist der einzelne Anleger bis zum 31.12.2026 nicht gänzlich an einer Beendigung seiner Gesellschafterstellung gehindert, da ihm über § 28 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Befugnis eröffnet ist, seinen Gesellschaftsanteil ohne Zustimmung der Klägerin oder der Mitgesellschafter an Dritte zu übertragen (vgl. oben 1.b)bb)(1.1.1)).

(2) Unabhängig hiervon bliebe die Berufung des Beklagten selbst dann ohne Erfolgsaussicht, wenn entgegen der Sicht des Senats sowohl gegen die Dauer der Ansparphase als auch gegen die nachfolgende Bindungsfrist bis 31.12.2026 unter dem Blickwinkel von § 242 BGB Bedenken bestünden.

Nach gefestigter Rechtsprechung führen über- lange Bindungsfristen bei Dauerschuldverhält- nissen außerhalb des gegenständlichen Anwendungsbereichs des AGB-Gesetzes (dazu zuletzt: BGHZ 143, 103 [119 ff.]; BGHZ 127, 35 [47]) nicht zu deren generellen Unwirksamkeit, sondern zu einer Vertragsanpassung (vgl. BGH NJW-RR 1990, 816 m.w.N.).

Eine solche wäre vorliegend auch nicht dadurch gehindert, dass die Bindungsfrist nicht einzelvertraglich, sondern statuarisch vorgegeben war, da entscheidend für die Rückführung einer überlangen Vertragsdauer nicht das Zustandekommen des einzelnen Vertrages, sondern die Struktur der rechtlichen Beziehung ist. Bei Gesellschaftsverträgen weist bereits die Bereichsausnahme von § 23 Abs. 1 AGBG darauf hin, dass die zu § 9 Abs. 1 AGBG entwickelten Grundsätze zum Ausschluss geltungserhaltender Reduktion keine Anwendung finden. Vor allem aber gebieten die schützenswerten Belange der anderen - auf die Bindungsfrist vertrauenden - Kapitalanleger, dass die Kapitalausstattung der Gesellschaft möglichst lange gesichert bleibt (vgl. hierzu oben 1.b)bb)(1.2)). Dies gilt umso mehr, als ansonsten auf die Rechtsbeziehungen zwischen den einzelnen Gesellschaftern von Beginn an die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft Anwendung fänden und diese eine Verwirklichung des von den anderen Kapitalinvestoren erstrebten Gesellschaftszwecks nicht zuließen.

2. ...

Ende der Entscheidung

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