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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 23.07.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 368/09
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 b
StGB § 57 Abs. 3
1. Die grundsätzlich mögliche Anordnung belastender Bewährungsauflagen bei Reststrafenaussetzung ist wegen des strafähnlichen Charakters der Auflage nur auf wenige Fälle begrenzt, in denen Genugtuungsbelange sie trotz Teilverbüßung der Strafe ausnahmsweise noch erfordern.

2. Der Gesetzgeber hat mit § 57 StGB eine abwägende Regelung getroffen, die auch das Genugtuungsinteresse von Allgemeinheit und Geschädigten berücksichtigt; regelmäßig ist diesen Genugtuungsbelangen durch die dort geregelte Teilverbüßung hinreichend Rechnung getragen.


Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat

Aktenzeichen: 2 Ws 368/09

Beschluss

vom 23. Juli 2009

in der Strafvollstreckungssache gegen

Tatbestand:

Die Strafvollstreckungskammer hatte die Aussetzung eines Strafrechts widerrufen, weil der Verurteilte nur unzureichend mit der Bewährungshilfe zusammengearbeitet und eine ihm mit der Aussetzungsentscheidung erteilte Arbeitsauflage nicht vollständig erfüllt hatte.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Ein Widerrufsgrund nach §§ 57 Abs. 5, 56 f Abs. 1 StGB ist nicht ersichtlich. Als solcher käme vorliegend allein die mangelhafte Zusammenarbeit des Verurteilten mit der Bewährungshilfe in Betracht.

Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit in dem nur sporadischen Aufsuchen des Bewährungshelfers schon ein "beharrliches Sichentziehen" im Sinne des § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB erblickt werden kann. Voraussetzung ist insoweit nämlich u.a. ein in objektiver Hinsicht wiederholtes bzw. andauerndes Verhalten des Verurteilten, das auf einer endgültig ablehnenden Haltung gegenüber der Beaufsichtigung durch den Bewährungshelfer beruht (vgl. Schönke/Schröder-Stree, StGB 27. Aufl. § 56 f Rdnr. 6).

Selbst wenn dies nach den Umständen des Falles noch angenommen werden kann, setzt der Widerruf aber zudem voraus, dass der Verstoß eine negative Prognose begründet (BVerfG NStZ-RR 2007, 338) und Anlass zu der Besorgnis gibt, der Verurteilte werde erneut Straftaten begehen. Der Weisungsverstoß nach § 56 f Abs. 1 Nr. 2 StGB für sich allein lässt dies indes noch nicht besorgen.

Anhaltspunkte für einen Rückfall in erneut delinquentes Verhalten des Beschwerdeführers sind nicht ersichtlich. Mit Recht hat die Strafvollstreckungskammer auch betont, dass die jüngst vom Amtsgericht Bautzen mit Strafbefehl vom 30. April 2009 geahndeten Taten in der Vergangenheit liegen und daher nicht als tragendes Indiz gewertet werden können. Der Beschwerdeführer hatte zeitlich nach diesen Taten die hier maßgebliche, nach Verbüßung von zwei Dritteln zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe verbüßt. Für den Zeitraum danach sind keine weiteren strafrechtlich relevanten Aktivitäten des Beschwerdeführers bekannt.

2. Der Widerruf kann auch nicht gemäß § 56 f Abs. 1 Nr. 3 StGB auf einen Verstoß gegen die Arbeitsauflage gestützt werden.

Wenngleich die Strafvollstreckungskammer ihre Entscheidung nicht ausdrücklich auf einen solchen Verstoß gestützt hat, lassen ihre Ausführungen in der Entscheidungsbegründung gleichwohl befürchten, dass sie sich auch von diesem Gesichtspunkt hat beeinflussen lassen. Immerhin führt sie als Beleg für ihre negative Kriminalprognose auch "Ausflüchte" des Verurteilten bei seiner "Verantwortung" zur Arbeitsauflagenerfüllung an.

Hierzu ist zu bemerken:

Die im Beschluss der Strafvollstreckungskammer anlässlich der Strafrestaussetzung angeordnete Arbeitsauflage ist im Sinne des § 453 Abs. 2 Satz 2 StPO gesetzeswidrig und aus diesem Grund als Widerrufsgrund ungeeignet.

Zwar ist nach dem klaren Verweis in § 57 Abs. 3 StGB auf die §§ 56 a bis 56 e StGB die Erteilung von Auflagen auch bei einer Reststrafenaussetzung grundsätzlich möglich. Voraussetzung ist aber, dass sie der (noch erforderlichen) Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Dies ist vorliegend allerdings nicht der Fall.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass durch die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe dem Genugtuungsinteresse der Geschädigten hinreichend Rechnung getragen ist (OLG Frankfurt NStZ-RR 1998, 126 f.; OLG Celle StV 1981, 554; Schönke/Schröder-Stree a.a.O. § 57 Rdnr. 32). Unter Berücksichtigung dieses Aspekts hat der Gesetzgeber mit § 57 StGB allerdings auch dem verfassungrechtlichen Gebot der möglichen Wiedereingliederung straffällig gewordener Mitmenschen Rechnung getragen und insoweit abwägend bestimmt, dass (erst) nach Verbüßung eines (überwiegenden) Teils der verhängten Strafe mit der Erprobung eines Verurteilten in Freiheit (regelmäßig unter Aufsicht, §§ 57 Abs. 3, 56 d StGB) begonnen werden darf.

Wenngleich in einem solchen Fall der bloß teilweisen Vollstreckung mit Reststrafenaussetzung dem Genugtuungsinteresse der Geschädigten wegen der vorzeitigen Entlassung eines Verurteilten in die Freiheit möglicherweise (noch) nicht hinreichend Rechnung getragen sein kann, ist dies jedoch auf besondere Einzelfälle begrenzt. Denkbar ist beispielsweise, dass einem Täter nach der Haftentlassung die Früchte seines strafbaren Tuns belassen werden müssten, weil keiner der Tatgeschädigten auf das aus der Straftat erlangte und zu ihrer Sicherung mit einem dinglichen Arrest belegte Geld zugegriffen hatte (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2008, 159). Voraussetzung ist daher stets, dass Genugtuungsbelange trotz (Teil)Verbüßung noch bestehen (OLG Frankfurt a.a.O).

Solche Genugtuungsbelange sind hier angesichts der zu zwei Drittel verbüßten Gesamtfreiheitsstrafe von (nur) zehn Monaten, gebildet aus vier Geld- und einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, nicht (mehr) ersichtlich. Der Unrechtsgehalt der jeweils zugrundeliegenden Einzeltaten war mit der tatsächlich erlittenen Strafzeit abgegolten. Die Erteilung einer Auflage (mit Strafcharakter, OLG Köln StV 1998, 177; Schönke/Schröder-Stree a.a.O., § 56 b Rdnr. 4) war gesetzeswidrig (und von der Strafvollstreckungskammer außer mit einer Leerformel auch nicht ermessensfehlerfrei begründet) und hätte einer Anfechtung nach §§ 453 Abs.2 Satz 2 StPO nicht standgehalten.

Der Senat, dem die Sache im Rahmen der Widerrufsentscheidung als Beschwerdegericht vorgelegt worden ist, hat die Auflage aufgehoben (§§ 57 Abs. 3, 56 e StGB), weil sie als Widerrufsgrundlage ohnehin nicht herangezogen werden kann.

Ende der Entscheidung

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