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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 14.09.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 433/09
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 56 Abs. 1
StGB § 56 g
StGB § 56 g Abs. 1
StPO § 456 a
Eine Strafvollstreckungskammer kann bei der Frage des Straferlasses gemäß § 56 g Abs. 1 StGB nur über den Teil der Strafe entscheiden, deren Vollstreckung zuvor zur Bewährung ausgesetzt worden ist und den sie gemäß § 56 Abs. 1 widerrufen könnte. Der Entscheidung steht nicht entgegen, dass der Verurteilte bereits vor Verbüßung von Zweidritteln der Strafe aufgrund einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft gemäß § 456 a StPO aus der Strafhaft entlassen worden ist. Der bis zum Zweidrittelzeitpunkt verbleibende Strafrest wird von der Entscheidung nach § 56 g StGB nicht erfasst.
Oberlandesgericht Dresden

2. Strafsenat

Aktenzeichen: 2 Ws 433/09

Beschluss

vom 14. September 2009

in der Strafvollstreckungssache

wegen Computerbetruges u. a.

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden vom 30. Juli 2009 wird mit der klarstellenden Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das letzte Drittel der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 17. August 2005 (Az.: 204 Ls 803 Js 18868/05) erlassen ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Mit Beschluss vom 07. Juni 2006 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden die Vollstreckung des Restes der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 17. August 2005 (Az.: 204 Ls 803 Js 18868/05) nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe, jedoch nicht vor Rechtskraft des Beschlusses, zur Bewährung ausgesetzt und die Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt. Zwei Drittel der Strafe wären am 30. Oktober 2006 verbüßt gewesen.

Mit Bescheid vom 06. Juni 2006 hat die Staatsanwaltschaft zuvor von der weiteren Vollstreckung der gegen den Verurteilten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe gemäß § 456 a Abs. 1 StPO zum Zeitpunkt der Abschiebung des Verurteilten aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, frühestens jedoch zum 01. Juli 2006 abgesehen. Der Verurteilte wurde am 05. Juli 2006 aus der Haft nach Rumänien abgeschoben, nachdem die Staatsanwaltschaft am 12. September 2006 einen Vollstreckungshaftbefehl hinsichtlich der verbleibenden 117 Tage Freiheitsstrafe (vom Zeitpunkt der Haftentlassung bis zum Zwei-Drittel-Termin) erlassen hatte.

Einem Straferlass gemäß § 56 g StGB war die Staatsanwaltschaft entgegengetreten, weil ein Teil der nicht ausgesetzten Strafe noch nicht verbüßt sei und eine Nachholung der Vollstreckung bis zum Eintritt der Vollstreckungsverjährung im Jahr 2016 möglich sein müsse.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dresden "die Reststrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 17. August 2005 (Az.: 204 Ls 803 Js 18868/05) erlassen, da die Bewährungszeit abgelaufen ist und Widerrufsgründe nicht ersichtlich sind".

Gegen den der Staatsanwaltschaft am 04. August 2009 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 06. August 2009 beim Landgericht eingegangene sofortige Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft den Beschluss des Landgerichts aufzuheben. Die Voraussetzungen für einen Straferlass nach § 56 g Abs. 1 StGB lägen nicht vor. Denn eine Strafaussetzung zur Bewährung habe auf der Grundlage des Beschlusses des Landgerichts Dresden vom 07. Juni 2006 nicht stattgefunden, weshalb die Bewährungszeit von drei Jahren nicht ablaufen könne. Die Strafaussetzung zur Bewährung stünde unter der aufschiebenden Bedingung der Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe. Diese Bedingung sei nicht erfüllt. Denn der Verurteilte sei vor Ablauf des Zwei-Drittel-Zeitpunkts aus der Haft entlassen und abgeschoben worden.

II.

Die gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde erweist sich als unbegründet.

Gemäß § 56 g Abs. 1 StGB hat die im vorliegenden Fall gemäß § 462 a StPO zuständige Strafvollstreckungskammer die Strafe zu erlassen, wenn die Voraussetzungen für den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht gegeben sind und die Bewährungszeit abgelaufen ist (Fischer, StGB 56. Aufl. § 56 g Rdnr. 1). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt.

Anhaltspunkte, die Anlass für einen Widerruf der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung gegeben hätten, sind nicht ersichtlich; die Bewährungszeit war zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses bereits abgelaufen. Denn die Bewährungszeit beginnt gemäß §§ 57 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1, 56 a Abs. 2 Satz 1 StGB mit der Rechtskraft des die Strafaussetzung anordnenden Beschlusses und nicht mit der Entlassung (Fischer, a.a.O. § 57 Rdnr. 37 m.w.N.). Die Bewährungszeit hat sich im vorliegenden Fall gemäß § 454 a Abs. 1 StPO lediglich um die Zeit von der Rechtskraft der Aussetzungsentscheidung am 14. Juni 2006 bis zur Entlassung am 05. Juli 2006 verlängert, weil die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe mehr als drei Monate vor dem beabsichtigten Entlassungszeitpunkt nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe am 30. Oktober 2006 beschlossen hatte.

Dem Straferlass nach § 56 g Abs. 1 StGB steht auch nicht entgegen, dass der Verurteilte vor Erreichen des Zwei-Drittel-Zeitpunktes aufgrund des Bescheides der Staatsanwaltschaft nach § 456 a Abs. 1 StPO bereits am 05. Juli 2006 nach Rumänien abgeschoben worden ist. Denn der verbleibende Strafrest von 117 Tagen wird von der Entscheidung nach § 56 g StGB nicht erfasst (vgl. LK-Hubrach, StGB 12. Aufl. § 56 g Rdnr. 1).

§ 56 g StGB stellt sich als komplementäre Vorschrift zu § 56 f StGB dar. Daraus folgt, dass die Strafvollstreckungskammer bei der Frage des Straferlasses nur über den Teil der Strafe entscheiden kann, deren Vollstreckung sie zuvor zur Bewährung ausgesetzt und den sie auch nur gemäß § 56 f Abs. 1 StGB widerrufen könnte (vgl. MK-Groß, StGB § 56 g Rdnrn. 1 und 3). Der noch verbleibende Strafrest in Höhe von 117 Tagen, von deren Vollstreckung die Staatsanwaltschaft gemäß § 456 a StPO abgesehen hat, unterliegt der Entscheidung des Gerichts nicht. Denn - wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden in ihrer Antragsschrift zutreffend unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe (StV 2000, 322) hinweist - handelt es sich bei der Entscheidung nach § 456 a StPO nur um eine vorläufige Maßnahme, die den Strafvollstreckungsanspruch und die Ergreifung von Fahndungsmaßnahmen unberührt lässt und die sich von der Aussetzung des Strafrestes nach Zuständigkeiten, Voraussetzungen und Wirkungen unterscheidet.

Der Senat hat jedoch die Beschlussformel der angefochtenen Entscheidung klargestellt, weil sich aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses ergibt, dass die Strafvollstreckungskammer augenscheinlich die vollständige noch zu vollstreckende Strafe erlassen wollte.

III.

Mangels eines anderen Kostenschuldners waren die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Staatskasse aufzuerlegen. Die Entscheidung über die notwendigen Auslagen folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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