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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 07.10.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 455/08
Rechtsgebiete: RVG, StPO
Vorschriften:
RVG § 17 | |
RVG § 18 | |
RVG § 15 Abs. 2 | |
RVG § 33 Abs. 3 | |
RVG § 56 Abs. 2 Satz 1 | |
StPO § 216 | |
StPO § 217 | |
StPO § 217 Abs. 2 | |
StPO § 217 Abs. 3 | |
StPO § 243 Abs. 1 Satz 1 |
Oberlandesgericht Dresden 2. Strafsenat
Aktenzeichen: 2 Ws 455/08
Beschluss
vom 07. Oktober 2008
in der Strafsache gegen
wegen Vergewaltigung u. a.
hier: Beschwerde im Verfahren über die Festsetzung der Pflichtverteidigervergütung
Tenor:
Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 11. August 2008 wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Mit Verfügungen vom 13. Februar 2008 (3 KLs 440 Js 64762/07) und vom 22. Februar 2008 (3 KLs 440 Js 57577/07) wurde Rechtsanwalt dem in Haft befindlichen Angeklagten als Pflichtverteidiger in den Verfahren vor der 3. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Leipzig beigeordnet.
Im Verfahren 3 KLs 440 Js 57577/07 wurde Termin zur Hauptverhandlung auf den 28. Februar 2008 bestimmt. Nach Aufruf der Sache, Feststellung der Erschienenen und der Angaben des Angeklagten zu seiner Person gab der Vorsitzende ausweislich des Protokolls bekannt, dass unter dem Aktenzeichen 3 KLs 440 Js 64762/07 ein weiteres Verfahren gegen den Angeklagten anhängig sei und beabsichtigt werde, das Verfahren hinzuzuverbinden. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stimmte der Verfahrensverbindung zu. Rechtsanwalt und die Nebenklägervertreterin gaben keine Erklärung ab. Der Vorsitzende verkündete sodann den Beschluss, dass die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen wird, das Verfahren vor der Jugendkammer eröffnet und dem Verfahren 3 KLs 440 Js 57577/07 hinzuverbunden wird.
Das am selben Tag verkündete Urteil wurde sofort rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 29. Februar 2008 beantragte Rechtsanwalt Klein die Festsetzung seiner Pflichtverteidiger- vergütung. Dabei machte er für das hinzuverbundene Verfahren 440 Js 64762/07 eine Terminsgebühr mit Zuschlag gemäß Nr. 4115 VV RVG in Höhe von 263,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer geltend. Für das Einziehungsverfahren beantragte er auch ein Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7007 VV RVG (pauschal) in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer.
Mit Beschluss vom 22. Mai 2008 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die zu zahlende Vergütung auf 2.010,33 EUR fest, setzte allerdings die Gebühr nach Nr. 4115 VV RVG im Verfahren 440 Js 64762/07 und die im Einziehungsverfahren geltend gemacht Gebühr nach Nr. 7002 VV RVG ab. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 28. Februar 2008 sei erst nach Verkündung des Verbindungsbeschlusses hinsichtlich des hinzuverbundenen Verfahrens verhandelt worden. Das Verfahren über die Einziehung stelle keine "verschiedene" oder "besondere" Angelegenheit im Sinne von §§ 17, 18 RVG dar.
Gegen den Festsetzungsbeschluss richtete sich die Erinnerung des Verteidigers, mit der er die Festsetzung wie im Vergütungsfestsetzungsantrag vom 29. Februar 2008 beantragte. In der Begründung der Erinnerung richtete er sich ausschließlich gegen die Absetzung der Gebühr gemäß Nr. 4115 VV RVG.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle half der Erinnerung nicht ab.
Mit Beschluss vom 11. August 2008 hat das Landgericht die Erinnerung des Verteidigers zurückgewiesen. Ein eigenständiger Termin habe in dem hinzuverbundenen Verfahren nicht stattgefunden. Ab Verbindung der Verfahren habe es sich um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG gehandelt. Der Verteidiger könne die Terminsgebühr gemäß Nr. 4115 VV RVG nur einmal fordern.
Gegen diesen Beschluss, der das Landgericht formlos am 15. August 2008 verlassen hat, richtet sich die am 22. August 2008 beim Landgericht eingegangene "sofortige" Beschwerde des Verteidigers. Das Landgericht hat keine Entscheidung über eine Abhilfe der Beschwerde getroffen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.
II.
1. Nachdem das Verfahren vor dem Landgericht der Kammer übertragen war, entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
2. Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
Der Verteidiger kann in dem hinzuverbundenen Verfahren keine Terminsgebühr nach Nr. 4115 VV RVG beanspruchen.
Nach in Rechtsprechung und Literatur vertetener Meinung kommt es für die Entstehung einer Terminsgebühr bei Verfahren, die erst in der Hauptverhandlung verbunden werden, darauf an, dass in allen Verfahren eine Hauptverhandlung stattgefunden hat (Gerold/Schmidt-Burhoff, RVG, 18. Aufl. VV Vorbemerkung 4 Rdnr. 35; Burhoff-Burhoff, RVG 2. Aufl. Vorbemerkung 4 Rdnr. 76 - jeweils m.w.N.).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die hinzuverbundene Sache ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls nicht ausdrücklich durch den Vorsitzenden der Strafkammer gemäß § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO aufgerufen worden. Allerdings ist der Aufruf der Sache keine wesentliche Förmlichkeit des Verfahrens. Unterbleibt er, so ist der Beginn der Hauptverhandlung deshalb von dem Zeitpunkt an anzunehmen, in welchem der Vorsitzende kundgibt, die Verhandlung durchführen zu wollen (KK-Tolksdorf, StPO 5. Aufl. § 243 Rdnr. 10). Dies ist mit der Mitteilung des Vorsitzenden, dass das Gericht eine Hinzuverbindung beabsichtige, noch nicht geschehen.
Zwar haben der Angeklagte und der Verteidiger auf die dispositiven Förmlichkeiten und Fristen gemäß §§ 216, 217 StPO verzichtet und damit teilweise die Voraussetzungen für eine Durchführung der Hauptverhandlung in dem hinzuverbundenen Verfahren geschaffen (vgl. Burhoff-Burhoff, Vorbemerkung 4 Rdnr. 76 m.w.N.); denn der Verteidiger hatte zu der beabsichtigten Verbindung der Verfahren keine Erklärung abgegeben und damit sowie durch sein späteres schlüssiges Verhalten - insbesondere durch Unterlassen des Antrages auf Aussetzung der Verhandlung nach § 217 Abs. 2 StPO - erklärt, dass er auf die Einhaltung der Ladungsfrist gemäß § 217 Abs. 3 StPO verzichtet (Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 217 Rdnr. 10).
Eine Hauptverhandlung war damit jedoch gleichwohl noch nicht möglich, weil es noch an der Prozessvoraussetzung eines Eröffnungsbeschlusses (§§ 203, 207 StPO) fehlte und der Strafkammer dadurch die Durchführung der Hauptverhandlung verboten war (BGH NJW 1980, 1858).
Unmittelbar nach Verkündung des Eröffnungbeschlusse sind die Verfahren sodann miteinander verbunden worden, ohne dass zuvor eine Hauptverhandlung in der hinzuverbundenen Sache stattgefunden hat.
Der vorliegende Fall ist deshalb nicht anders zu bewerten, als wenn das Gericht das Hauptverfahren richtigerweise vor Beginn der Hauptverhandlung eröffnet und die Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung miteinander verbunden hätte.
III.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Ende der Entscheidung
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