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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 14.10.1999
Aktenzeichen: 2 Ws 596/99
Rechtsgebiete: JGG, StPO, StGB
Vorschriften:
JGG § 85 Abs. 6 | |
JGG 89 a | |
StPO § 454 b | |
StGB § 57 |
Bestimmung des Prüfungszeitpunkts der Unterbrechung bzw. der Strafrestaussetzung einer Jugendstrafe.
0berlandesgericht
Dresden
2. Strafsenat
Aktenzeichen: 2 Ws 596/99 4 StVK 395/99 LG Bautzen 530 VRs 302 Js 40323/96 StA Dresden Ws-G 687/88 S StA OLG Dresden
Beschluss
vom 14. Oktober 1999
in der Strafvollstreckungssache
gegen
geboren am in,
zz. in der Justizvollzugsanstalt,
wegen vorsätzlicher Körperverletzung u. a.
hier: Bestimmung des Prüfungszeitpunkts der Unterbrechung
bzw. Strafrestaussetzung einer Jugendstrafe
Tenor:
1. Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 16.06.1999 (4 StVK 395/99) aufgehoben.
Die Sache wird an die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zur Entscheidung über den Unterbrechungszeitpunkt der Jugendstrafe in eigener Zuständigkeit zurückgegeben.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
I.
Der Verurteilte befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt zur Vollstreckung nachfolgender Straferkenntnisse:
1. Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 26.09.1995 (251 Ls 602 Js 11766/94),
2. Gesamtfreiheitsstrafen von vier Monaten und zwei Wochen und von drei Monaten und zwei Wochen aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 13.01.1999 (217 Ds 306 Js 41356/96),
3. Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus dem Urteil des Landgerichts vom 14.10.1997 (12 Ns 302 Js 40323/96).
Hinsichtlich der Jugendstrafe ist die Abgabe der Vollstreckung durch den Vollstreckungsleiter an die Staatsanwaltschaft gemäß §§ 89 a Abs. 3, 85 Abs. 6 JGG erfolgt. Mit Verfügung vom 25.05.1999 hat sich die Staatsanwaltschaft an die Strafvollstreckungskammer mit der Bitte gewandt, "gemäß § 88 JGG die Prüfungstermine bzw. hier die notwendigen Unterbrechungstermine zu bestimmen, damit eine ordnungsgemäße Anschlussvollstreckung durchgeführt werden kann". Die Strafvollstreckungskammer hat daraufhin mit Beschluss vom 16. Juni 1999 den Zeitpunkt für die Prüfung einer Aussetzung des Restes sämtlicher zu verbüßender Strafen auf den 23.06.2000, mithin auf den Zeitpunkt, zu dem zwei Drittel sämtlicher oben genannter Strafen (einschließlich der Jugendstrafe) verbüßt sein werden, festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die mit "Rechtsbeschwerde" bezeichnete Beschwerde des Verurteilten vom 26.06.1999.
Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht hat beantragt, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
II.
Die zulässige (§ 304 Abs. 1 StPO) Beschwerde des Verurteilten führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts war zum einen für die von ihr getroffene Entscheidung sachlich nicht zuständig; zum anderen ist die Entscheidung auch inhaltlich zu beanstanden, weil die Strafvollstreckungskammer einen unzutreffenden Unterbrechungszeitpunkt hinsichtlich der Jugendstrafe festgelegt hat.
1. Die Strafvollstreckungskammer ist für die Bestimmung des Termins der Unterbrechung der Vollstreckung der Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts vom 26.09.1995 nicht zuständig.
Die Herausnahme des Verurteilten aus dem Jugendstrafvollzug und Abgabe der Vollstreckung an die Staatsanwaltschaft nach §§ 89 a Abs. 3, 85 Abs. 6 JGG führt zu einem Wegfall der Doppelfunktion des Jugendrichters als Vollstreckungsleiter einerseits und als dem zur Entscheidung über die Strafrestaussetzung berufenen Richter andererseits. Die diesbezüglichen Kompetenzen sind statt dessen nunmehr bei verschiedenen Institutionen Staatsanwaltschaft bzw. Strafvollstreckungskammer) angesiedelt.
Die Strafvollstreckungskammer hat im Falle der Anschlussvollstreckung nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Entscheidung rechtzeitig vor dem nach §§ 89 a Abs. 1 JGG, 454 b Abs. 2, 3 StPO zu bestimmenden Termin über die Strafrestaussetzung zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Unterbrechung der Strafvollstreckung obliegt jedoch nach den Regelungen der StPO der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde (§ 454 b Abs. 2 StPO). Für die Vollstreckung einer nach §§ 89 a Abs. 3, 85 Abs. 6 JGG abgegebenen Jugendstrafe gilt insoweit nichts anderes (vgl. § 85 Abs. 6 Satz 2 JGG), allerdings hat die Staatsanwaltschaft hierbei die materiellen Regelungen des § 89 a Abs. 1 JGG zu Grunde zu legen und damit selbst vorläufige Bewertungen hinsichtlich der in § 89 a Abs. 1 Satz 3 JGG abverlangten Prognoseerwägungen anzustellen (vgl. auch Kühn, NStZ 1992, 527). Diese allein von der Staatsanwaltschaft zu treffende Entscheidung über den Unterbrechungszeitpunkt darf nicht - wie vorliegend geschehen - von vornherein der Strafvollstreckungskammer übertragen werden.
Gegen die durch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde vorgenommene Unterbrechung (nach den Kriterien des § 89 a Abs. 1 JGG) kann der Verurteilte Einwendungen erheben, über die erst bei ablehnender Entscheidung des Staatsanwalts gegebenenfalls die Strafvollstreckungskammer gemäß § 458 Abs. 2 StPO zu entscheiden hätte.
2. Im vorliegenden Falle müsste die Vollstreckung der Jugendstrafe nach Maßgabe des § 89 a Abs. 1 JGG spätestens nach Verbüßung der Hälfte dieser Strafe unterbrochen werden. Der gemeinsame Prüfungstermin ergibt sich sodann hinsichtlich der Anschlussvollstreckung aus der Regelung des § 454 b Abs. 2 und 3 StPO. Für eine Entscheidung über die Strafaussetzung erst nach Verbüßung von zwei Dritteln der Jugendstrafe ist kein Raum, da § 89 a Abs. 1 JGG lediglich eine frühere, nicht jedoch eine nach dem Halbstrafzeitpunkt liegende Unterbrechung zulässt. Die von der Strafvollstreckungskammer vertretene Rechtsauffassung, wonach sich die Prüfungszeitpunkte der Jugendstrafe an den in § 57 Abs. 1, 2 StGB genannten Zeitpunkten zu orientieren haben, findet weder in der gesetzlichen Regelung der §§ 89 a Abs. 3, 85 Abs. 6 JGG selbst noch in der Entwurfsbegründung zum 1. JGG-ÄndG eine Stütze (vgl. BT-Dr. 11/5829). Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass sich nach Abgabe der Vollstreckung gemäß §§ 85 Abs. 6, 89 a Abs. 3 JGG eine einheitliche Zuständigkeit für Unterbrechung und Aussetzung von Jugend- und Freiheitsstrafe ergibt. Eine Anwendung der materiellrechtlichen Vorschriften des § 57 StGB an Stelle der - für den Verurteilten günstigeren - Regelungen des JGG bezüglich der Unterbrechungszeitpunkte ist dagegen vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt und verstieße wegen der dadurch de facto vollzogenen Umwandlung einer Jugend- in eine Freiheitsstrafe gegen das Verbot der Schlechterstellung (vgl. Kühn, a.a.O., Eisenberg, JGG 7. Aufl. § 85 Rdnr. 17).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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