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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 16.09.1999
Aktenzeichen: 2 Ws 637/98
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70
Leitsatz:

Kauf, Aushändigung und Besitz eines Computertelespiels "Sony Playstation" oder ähnlicher Produkte im Strafvollzug.


0berlandesgericht

Dresden

2. Strafsenat

Aktenzeichen: 2 Ws 637/98 3 StVK 652/98 LG Bautzen 4514E-IV.32-90/98 SSMJ

Beschluss

vom 16. September 1999

in der Strafvollzugssache des

geb. am in

zz. in der Justizvollzugsanstalt

- Antragsteller -

gegen

die Justizvollzugsanstalt,

vertreten durch den Anstaltsleiter

- Antragsgegnerin -

und

das Sächsische Staatsministerium der Justiz - Beschwerdeführerin -

wegen Ablehnung des Kaufs und der Aushändigung eines Computertelespiels

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die dem Antragsteller im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat, verworfen.

Der Streitwert beträgt 500,00 DM.

Gründe:

I.

Der Antragsteller, der zurzeit Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt verbüßt, beantragte am 30.08.1998 die Erlaubnis zum Kauf eines nicht programmierbaren Telespielgrundgerätes der Marke Sony Playstation oder der Marken "SEGA" und Nintendo - im Weiteren steht "Sony Playstation" auch für die anderen Geräte. Nach Ablehnung des Antrages am 08.09.1998 hat er gerichtliche Entscheidung beantragt. Die Strafvollstreckungskammer hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 28.10.1998 angewiesen, den Antragsteller unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Die Ablehnung der Zulassung eines Telespielgeräts sei ermessensfehlerhaft gewesen. Im Rahmen des § 70 Abs. 1 StVollzG sei der Antragsteller berechtigt, Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung zu besitzen, daher dürfe er sich auch ein Telespielgerät beschaffen. Eine das Verbot der Beschaffung rechtfertigende Ausnahme nach § 70 Abs. 2 StVollzG sei nicht gegeben.

Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die zulässige Rechtsbeschwerde für begründet, hilfsweise auch gegen formelles Recht verstoßend.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist erforderlich, um eine Fortbildung des Rechts zu ermöglichen. Sie gibt dem Senat Anlass, sich grundsätzlich zu der Frage zu äußern, ob ein Strafgefangener sich im Rahmen seines Rechts auf Besitz an Gegenständen zur Freizeitbeschäftigung auch Telespiele anschaffen darf.

Die Entscheidung im Verfahren 2 Ws 639/98, in der die Anschaffung eines Telespielgerätes der Marke "Sony Playstation" durch den Senat für zulässig erachtet wurde, steht der Zulässigkeit nicht entgegen, da sie zeitgleich am 16.09.1999 gemeinsam ergangen ist.

III.

Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet. Die Strafvollstreckungskammer hat die die Erlaubnis zur Beschaffung eines Telespielgerätes ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin zu Recht als fehlerhaft angesehen.

1. Ein Telespielgerät ist ein Gegenstand zur Freizeitbeschäftigung, den der Gefangene gemäß § 70 Abs. 1 StVollzG grundsätzlich besitzen darf. Eine Ausnahme im Sinne des § 70 Abs. 2 StVollzG ist nicht gegeben. Der Besitz eines Telespielgerätes der genannten Art ist weder mit Strafe oder Geldbuße bedroht, noch liegt - wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat - darin eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt. Gemäß § 70 Abs. 1 StvollzG darf der Strafgefangene in angemessenem Umfang Bücher und andere Gegenstände zur Fortbildung oder zur Freizeitbeschäftigung besitzen. Davon macht § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG eine Ausnahme unter anderem für den Fall, dass die Sicherheit der Anstalt durch den Besitz, die Überlassung oder Benutzung des Gegenstandes gefährdet würde. Die Strafvollstreckungskammer hat dies verneint und dazu dargelegt, dass es zwar in den Spielgeräten Hohlräume gäbe, die als Versteck dienen könnten, dieser Gefahr aber mit einem vertretbaren Kontrollaufwand begegnet werden könnte, indem die entsprechenden Geräte auf Kosten des Strafgefangenen versiegelt oder verplombt würden. Auch nach Auffassung des Senats ist das Missbrauchsrisiko bei Videospielen der Marke Sony Playstation nicht größer als bei Schachcomputern oder Computerspielen der Marke Gameboy. Es besteht so gut wie keine Eingriffsmöglichkeit in die Technik, sofern das Gerät funktionsfähig bleiben soll. Die Funktionsfähigkeit ist ohne großen Aufwand durch Einschalten des Gerätes festzustellen; fehlt etwa ein Baustein oder ist an einem solchen manipuliert worden, so ist das Gerät nicht mehr funktionsfähig (vgl. OLG Düsseldorf, StV 1992, 477 unter Hinweis auf eine durch das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen eingeholte gutachterliche Stellungnahme des Fernmeldetechnischen Dienstes der Polizei betreffend eines Videospielgerätes der Marke Gameboy).

Auch der Umstand, dass bei der Sony Playstation als Programm- und Datenträger eine CD benutzt wird, ist unschädlich. Aus der "Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Einführung der Verwaltungsvorschrift zum Strafvollzugsgesetz und zur Aufhebung und Änderung von Justizverwaltungsvorschriften sowie zur Inkraftsetzung bundeseinheitlicher Verwaltungsvorschriften" (SVVStVollzG) vom 9. Januar 1998 ergibt sich, dass CD-Player grundsätzlich zu den Gegenständen gehören, die als Gegenstand zur Freizeitbeschäftigung zugelassen sein können, SVVStVollzG zu § 70 Nr. 1 Abs. 1. Nach Absatz 2 dieser SSV sind allerdings CD-Player mit ausfahrbarem Plattenteller nicht zugelassen, jedoch besitzt auch eine Sony Playstation keinen ausfahrbaren Plattenteller, so dass es einen besonders leichten Zugang zu Hohlräumen nicht gibt.

Weder die CD noch andere Bauteile der Sony Playstation können zu unkontrollierter Datenübertragung dienen.

Die Strafvollstreckungskammer hat zwar hinsichtlich der technischen Merkmale der in Rede stehenden Playstation keine Feststellungen getroffen. Dies ist aber unschädlich, weil die wesentlichen Merkmale und die gängige Grundausstattung derartiger Telespiele auf Grund ihres Verbreitungsgrades inzwischen allgemein bekannt sind. Außerdem hat der Senat aus anderen Verfahren Kenntnis von der Bedienungs- und Funktionsweise einer solchen Playstation. Einer Zurückverweisung zur Sachaufklärung bedarf es daher nicht. Auch die Erstellung eines Gutachtens ist nicht erforderlich. Anders als ein Notebook (s. OLG Frankfurt a.M. - NStZ 99, 156 ff) besitzt eine Sony Playstation weder eine Festplatte noch einen frei beschreibbaren Datenträger, so dass es insoweit keine Missbrauchsmöglichkeit gibt. Mit der Sony Playstation können lediglich Spielstände und Ranglisten gespeichert und theoretisch übermittelt werden.

Es ist auch nicht zu befürchten, dass elektronische Bauteile der Sony Playstation dazu benutzt werden könnten, um Sender oder Empfänger von Funkwellen herzustellen. Die rein abstrakte Möglichkeit hierzu besteht zwar, ist aber jedenfalls wesentlich geringer einzuschätzen als bei den Bauteilen, die in Rundfunk- oder Fernsehempfängern benutzt werden. Dabei ist - wie bereits erwähnt - besonders zu beachten, dass jeder Ausbau von Teilen aus dem Telespielgerät zu dessen Gebrauchsunfähigkeit führt.

Soweit CD-Kassetten geeignet sind, als Versteck zu dienen, gilt dafür der gleiche Maßstab wie für den Besitz von Audio-CD-Kassetten, die der Gefangene nach den jeweiligen JVA-Hausordnungen in einem begrenzten Umfang ohne weiteres besitzen darf. Es spricht nichts dagegen, in die Obergrenze für den Besitz von Audio-CD-Kassetten auch die Videospielkassetten einzubeziehen. Desgleichen darf der Gefangene gleichzeitig nur die in der Hausordnung vorgesehene Höchstzahl von elektrischen bzw. elektronischen Geräten besitzen.

2. Mit dem Oberlandesgericht Celle (NStZ 1994, 360 - 1 Ws 324/93) ist der Senat der Auffassung, dass in dem Besitz eines Telespielgerätes auch nicht deshalb eine Gefährdung des Vollzugsziels liegt, weil menschenverachtende oder gewaltverherrlichende Spielprogramme verwendet werden können oder die häufige Benutzung zu einer Konzentration auf die eigene Person und damit zu einer Vereinsamung und Einschränkung der Kommunikationsfähigkeit führen könnte. Das Oberlandesgericht Celle (a.a.O.) hat dazu Folgendes ausgeführt:

"... Dabei scheint schon fraglich, ob insoweit überhaupt eine konkrete Gefährdung vorliegt. Die Anstalt kann durch Kontrolle der Spiele, die der Gefangene erwirbt, verhindern, daß solche mit überwiegend menschenverachtendem und gewaltverherrlichendem Inhalt benutzt werden. Eine Umetikettierung kann dadurch ausgeschlossen werden, daß dem Gefangenen lediglich gestattet wird, originalverpackte Spiele über den Fachhandel zu beziehen. Zwar verkennt der Senat nicht, daß die Kontrolle unter Umständen schwierig sein kann, insbesondere wenn eine Vielzahl von Gefangenen den Besitz eines Spielgeräts und zahlreicher unterschiedlicher Spiele beantragt. Dem kann jedoch dadurch begegnet werden, daß Listen aufgestellt werden, in denen häufig benutzte, im Wesentlichen als gewaltfrei einzustufende Spiele aufgeführt sind. Zwar ist auch dann nicht auszuschließen, daß Gefangene die Aushändigung von nicht auf dieser Liste aufgeführten Spielen beantragen. Die dann erforderlichen Einzelprüfungen dürften jedoch den Umfang dessen, was die Anstalt leisten kann und hinnehmen muß, nicht übersteigen.

Zwar ist nicht zu verkennen, daß die häufige Benutzung von Telespielgeräten dazu führen kann, daß sich der Gefangene von der Allgemeinheit abkapselt und dadurch seine Kommunikationsfähigkeit vermindert wird. Dies kann indessen jede Benutzung eines Gegenstands zur Freizeitbeschäftigung mit sich bringen. Insoweit ist das Spielen beim Telespielgerät nicht anders zu bewerten als Fernsehen, das Lesen von Büchern oder die Benutzung eines Schachcomputers. Im Übrigen soll nach § 3 I StVollzG das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen so weit wie möglich angeglichen werden. Telespiele sind in der heutigen Zeit weit verbreitet, sie sind als Spielzeug bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Wenn die Allgemeinheit von in einer entscheidenden Entwicklungsphase befindlichen Menschen erwartet, die Benutzung von Telespielen ohne Vereinsamung und Verlust der Kommunikationsfähigkeit fertig zu werden, so wird das die Vollzugsanstalt für einen erwachsenen Gefangenen nicht anderes bewerten können."

Dieser Auffassung des Oberlandesgerichts Celle tritt der Senat bei, so dass es keiner Vorlage gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 3 GVG bedarf. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht Celle bei dieser Entscheidung inzidenter berücksichtigt, dass von Telespielgeräten keine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt ausgeht. Auch insoweit deckt sich die Auffassung des Senats mit der des Oberlandesgerichts Celle, so dass eine Verpflichtung zur Vorlage zum Bundesgerichtshof nicht besteht.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung von § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG; die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus den §§ 48 a, 13 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

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