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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 22.03.2006
Aktenzeichen: 20 UF 60/06
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1601 | |
BGB § 1603 |
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 20 UF 60/06
Beschluss
des 20. Zivilsenats - Familiensenat - vom 22.03.2006
In der Familiensache
wegen Kindesunterhalts;
hier: Prozesskostenhilfe für beabsichtigte Berufung
hat der 20. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bastius, Richter am Oberlandesgericht Piel und Richterin am Oberlandesgericht Maciejewski
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ihre beabsichtigte Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Leipzig vom 29.12.2005 -331 F 3963/04 - wird zurückgewiesen.
Gründe:
Der Kläger schuldete der Beklagten Kindesunterhalt nach Maßgabe eines im Vorverfahren abgeschlossenen Prozessvergleichs vom 10.06.2004 (333 F 2012/03 AG Leipzig) und hat mit der vorliegenden Abänderungsklage die Herabsetzung dieses Unterhalts auf Null mit Wirkung vom 01.12.2004 geltend gemacht; das Familiengericht hat dem mit der angefochtenen Entscheidung teilweise entsprochen. Mit der beabsichtigten Berufung erstrebt die Beklagte die vollständige Klageabweisung, d.h. im Ergebnis die Wiederherstellung des vormaligen Unterhaltstitels. Der hierfür gestellte Prozesskostenhilfeantrag ist zulässig, aber unbegründet, weil das ins Auge gefasste Rechtsmittel in der Sache ohne Erfolg bleiben müsste, so dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt (§ 114 ZPO).
1. Das Familiengericht hat seiner Unterhaltsberechnung das vom Kläger im hier streitbefangenen Zeitraum erzielte Einkommen als Umschüler (monatlich netto 761,63 EUR, ab 01.05.2005 770,76 EUR) zugrunde gelegt und dieses um den notwendigen Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen vermindert, den es zusätzlich wegen der vom Kläger aus gemeinsamer Wirtschaftsführung mit seiner jetzigen Lebensgefährtin erzielten Kostenvorteile um monatlich 150,00 EUR auf dann 500,00 EUR, ab 01.07.2005 auf 560,00 EUR gekürzt hat.
Jedenfalls aus dem Blickwinkel der Beklagten begegnet diese Berechnung keinen Bedenken: Allenfalls ließe sich umgekehrt die Frage stellen, ob einem Umschüler tatsächlich nur der Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen zugute kommen soll (so allerdings das in anderer Besetzung ergangene Urteil des 20. Zivilsenats des OLG Dresden vom 20.01.1999, FamRZ 1999, 1015; ebenso OLG Dresden -10. Zivilsenat - FPR 2003, 481; dagegen mit Recht OLG Dresden - 22. Zivilsenat -, Beschlüsse vom 09.02.2001, 22 UF 590/00 und vom 23.07.2004, 22 UF 117/04). Denn die mit einer beruflichen Betätigung typischerweise verbundenen besonderen Aufwendungen, die auch nicht in jedem Fall als berufsbedingter Mehraufwand i.S.v. Ziff. 10.2 der Unterhaltsleitlinien quantifizierbar sein werden, treffen einen Umschüler häufig in gleicher Weise wie einen Beschäftigen in einem regulären Erwerbsverhältnis; das gilt jedenfalls dann, wenn die Umschulung, wie hier, nach den mit ihr verbundenen Unterrichts- und Ausbildungszeiten den Unterhaltspflichtigen in wenigstens gleichem Maße zeitlich in Anspruch nimmt, wie wenn er vollschichtig in Arbeit stände. Auch die mit dem höheren Selbstbehalt des Erwerbstätigen verbundene Anreizfunktion lässt sich aus Sicht des Senats bei einem Umschüler nicht von vornherein ausschließen; denn die Erwägung, denjenigen Unterhaltsverpflichteten (auch finanziell) besonders zu motivieren, der sich mit Erfolg um die Erzielung von Erwerbseinkommen bemüht, trifft auf den Umschüler sogar in besonderem Maße zu, weil es hier nicht nur um den Erhalt des während der Umschulung selbst erzielten Einkommens geht, sondern darüber hinaus um die mittel- und langfristige Verbesserung der Arbeitsmarktchancen des Umschülers, die wiederum gerade auch dem Unterhaltsberechtigten zugute käme (im Ergebnis ebenso OLG Hamm, FamRZ 1999, 1015, 1016; OLG Koblenz, FamRZ 2002, 1215, 1216; Scholz in Wendl/Staudigl, Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. 2004, § 2 Rn. 266; Schumacher in: Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 10. Aufl. 2004, Rn. 3197; Palandt/Diederichsen, 65. Aufl. 2005, § 1603 BGB Rn. 32).
2. Letztlich kann der Senat diese Frage jedoch offen lassen, weil der Kläger bisher keine Anschlussberufung eingelegt hat, eine weitere Herabsetzung der vom Familiengericht errechneten Unterhaltsbeträge also derzeit nicht Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist. Die beabsichtigte Berufung ist demgegenüber im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger bereits mit seiner Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme seine gesteigerte Erwerbsobliegenheit gegenüber der Beklagten verletze; diese Überlegung überzeugt den Senat nicht.
Sie wäre u. U. tragfähig, wenn der Kläger zum Zwecke der Umschulung eine zuvor bekleidete besser entlohnte Stellung aufgegeben hätte; tatsächlich war er aber vor Antritt der Umschulung arbeitslos und hat sein Einkommen sogar mit der derzeit bezogenen Umschulungsbeihilfe, verglichen mit der zuvor gezahlten Arbeitslosenunterstützung, gesteigert. Im Übrigen hat das Aus- und Weiterbildungsinteresse eines unterhaltspflichtigen Elternteils zwar grundsätzlich hinter dem Unterhaltsinteresse eines minderjährigen Kindes zurückzustehen; das gilt jedoch nicht, wenn die Erwerbschancen des Unterhaltsschuldners im erlernten Beruf oder in ungelernten Tätigkeiten auf Dauer gering wären. So ist es hier. Denn der Kläger hat in seinem zwischen 1992 und 1995 erlernten Beruf als Kfz-Mechaniker (wobei zudem nach Aktenlage unklar ist, ob er diese Ausbildung im 3. Lehrjahr abgeschlossen oder abgebrochen hat) seither praktisch nicht gearbeitet, sondern sich mit ausbildungsfremden Tätigkeiten, z.B. als Möbelpacker "durchgeschlagen", die überdies, zuletzt in verstärktem Maße, durch Zeiten von Arbeitslosigkeit unterbrochen waren. Außerdem ist der Kläger infolge gesundheitlicher Probleme an der weiteren Ausübung eines handwerklichen Berufs gehindert; die Parteien haben dies selbst zur Grundlage des Prozessvergleichs vom 10.06.2004 gemacht.
Bei dieser Sachlage kann der Senat nicht davon ausgehen, dass der Kläger vor Beginn der Umschulungsmaßnahme noch ernsthafte Beschäftigungsaussichten in seinem erlernten Beruf oder realistische Vermittlungschancen in eine ungelernte Tätigkeit gehabt hätte; dies wird auch dadurch bestätigt, dass die Arbeitsverwaltung - aus eben diesem Grund - die Umschulung bewilligt hat. Vor diesem Hintergrund kann keine Rede davon sein, dass der Kläger gerade durch die Teilnahme an der Umschulung seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit (und sei es auch nur für die Dauer der Maßnahme) reduziert hätte; im Gegenteil dient die Umschulung längerfristig der Behebung seiner Erwerbslosigkeit, so dass der Kläger hierdurch seiner Obliegenheit nachkommt, alles zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft Erforderliche zu tun, um damit auch seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Der zeitliche Umfang dieser Maßnahme, die einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entspricht, daneben einen mehrstündigen Fahrtaufwand auslöst und überdies häusliche Übungen zur Aufarbeitung des Ausbildungsstoffes erfordert, schließt zudem eine zusätzliche Nebentätigkeit des Klägers aus, die allenfalls geeignet wäre, den Erfolg der Umschulung zu gefährden.
Aber selbst wenn man all dem nicht folgen und den Kläger nach Maßgabe von § 1603 Abs. 2 BGB anstelle der Umschulung zu einer entgeltlichen Erwerbstätigkeit für verpflichtet halten wollte, wäre das Ergebnis der Beklagten nicht günstiger. Denn nach der oben erörterten Erwerbsbiografie des Klägers stände nicht zu erwarten, dass dieser unter den gegenwärtigen Arbeitsmarktbedingungen etwas anderes als eine ungelernte Tätigkeit erlangen könnte. Eine solche eröffnet, auch wenn man die hierfür in Ziff. 9 der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts vorgesehene Verdienstspanne voll ausschöpft, regelmäßig keine Chance auf ein 900,00 EUR monatlich netto übersteigendes Erwerbseinkommen. Behandelt man den Kläger solchermaßen fiktiv als erwerbstätig, müsste man allerdings das ihm daraus zuzurechnende Einkommen ebenso fiktiv um pauschale berufsbedingte Aufwendungen (5 % von 900,00 EUR = 45,00 EUR monatlich) kürzen, da er konkrete Aufwendungen schlechterdings nicht geltend machen kann. Überdies müsste zu seinen Gunsten der notwendige Selbstbehalt eines Erwerbstätigen der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt werden; selbst wenn dieser Selbstbehalt (750,00 EUR monatlich bis 30.06.2005 und 820,00 EUR danach) aus den vom Familiengericht angestellten Erwägungen jeweils um monatlich 150,00 EUR vermindert würde, wofür viel spricht, verbliebe mithin nur eine Verteilungsmasse, die mit 255,00 EUR monatlich bis 30.06.2005 und 185,00 EUR monatlich danach nicht höher, sondern sogar geringfügig niedriger läge als der vom Familiengericht in seine Berechnung eingestellte Betrag. Folglich würde sich in keinem Fall ein höherer Unterhaltsanspruch der Beklagten ergeben als der, den das Familiengericht ihr (ab Januar 2005 unter zusätzlicher Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger seither drei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig ist) mit der beanstandeten Entscheidung zugesprochen hat.
Ende der Entscheidung
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