Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 04.05.2001
Aktenzeichen: 20 WF 160/01
Rechtsgebiete: ZPO, KindUG


Vorschriften:

ZPO § 645 Abs. 1
KindUG Art. 5 § 3 Abs. 1
KindUG Art. 5 § 3 Abs. 2
Leitsatz

§§ 645 Abs. 1 ZPO, Art. 5 § 3 Abs. 1 und 2 KindUG

Die Begrenzung auf das 1 1/2 - fache des Regelbetrages nach der Regelbetrags-VO ( = 150 % ) in § 645 I ZPO gilt nicht entsprechend im Abänderungsverfahren nach Art. 5 § 3 KindUG.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 20 WF 160/01 051 FH 00082/00 Amtsgericht Weißwasser

Beschluss

des 20. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 4. Mai 2001

In der Familiensache

wegen Vereinfachten Unterhaltsverfahrens

hier: Sofortige Beschwerde gegen den Umstellungsbeschluss

hat der 20. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Oberlandesgericht und Richter am Landgericht

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Weißwasser vom 7. März 2001 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsgegner ist Vater des am 26.05.1990 geborenen , für den eine Beistandschaft durch das besteht.

Mit Urkunde vom 23.08.1994 verpflichtete sich der Antragsgegner vor dem Jugendamt, für seinen Sohn den Regelunterhalt zuzüglich eines Zuschlags von 53 % abzüglich der Hälfte des staatlichen Kindergeldes zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 07.04.2000 hat das Jugendamt beim Amtsgericht - Familiengericht - Weißwasser beantragt, diesen Vollstreckungstitel im vereinfachten Verfahren gemäß Artikel 5 § 3 Kindesunterhaltsgesetz abzuändern und ab dem 01.01.2001 153 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe abzüglich des jeweiligen hälftigen Kindergeldes festzusetzen.

Nachdem sich der Antragsgegner am Verfahren I. Instanz nicht beteiligt hat, hat das Familiengericht am 07.03.2001 einen entsprechenden Beschluss gefasst und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt. Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner am 09.03.2001 zugestellt worden.

Am 13.03.2001 ist die persönlich vom Antragsgegner verfasste Beschwerde gegen die vorerwähnte Entscheidung bei Gericht eingegangen. Der Antragsgegner wendet ein, ein Regelbetrag in Höhe von 153 % sei zu hoch, da er für drei Kinder Unterhalt zahlen müsse und zur Zeit arbeitslos sei. Er habe auch keine Veranlassung für das Gerichtsverfahren gegeben, weshalb es unverständlich sei, dass ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt worden seien.

II.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die im vereinfachten Verfahren erfolgte Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels ist gemäß Art. 5 § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (KindUG vom 6. April 1998, BGBl.I, S. 666), § 652 Abs.1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die sofortige Beschwerde unterliegt keinem Anwaltszwang, sie ist innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 577 Abs.2 ZPO beim Prozessgericht eingegangen.

Das Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Soweit sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde gegen die Höhe seiner Unterhaltsverpflichtung wendet und auf die zwischenzeitlich eingetretene Arbeitslosigkeit verweist, ist diese Einwendung im Abänderungsverfahren nach Art. 5 § 3 Abs.1 KindUG nicht zu überprüfen.

Der Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit gemäß § 648 Abs. 2 ZPO ist im Abänderungsverfahren schon deshalb unbeachtlich, weil Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG diese Norm ausdrücklich von der Verweisung ausnimmt.

Darüber hinaus findet auch bei den gemäß Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG, § 648 Abs. 1 ZPO zulässigen Einwendungen nur eine begrenzte Prüfung im Abänderungsverfahren statt. Art. 5 § 3 KindUG hat den Zweck, bereits bestehende Unterhaltstitel in einem vereinfachten Verfahren in Vomhundersätze der nach den §§ 1 und 2 RegelbetragsVO geltenden Regelbeträge der einzelnen Altersstufen festzusetzen. Es handelt sich hierbei lediglich um eine Anpassung der vor dem 01.07.1998 erwirkten Unterhaltstitel an die geänderte Rechtslage; eine inhaltliche Überprüfung der bestehenden Urteile, Beschlüsse oder anderen Schuldtitel findet dabei aber nicht statt. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des KindUG (vgl. hierzu BT-Drucks. 959/96, S. 1, 24) sowie daraus, dass Art. 5 § 3 Abs.1 KindUG hinsichtlich der Einwendungen § 648 Abs.2 ZPO ausdrücklich ausnimmt und im Übrigen § 648 Abs. 1 und 3 ZPO nur für entsprechend anwendbar erklärt.

Nach § 648 Abs.1 ZPO können lediglich die enumerativ aufgezählten Einwendungen geltend gemacht werden, die sich gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens, den Zeitpunkt, von dem an Unterhalt gezahlt werden soll, die Höhe des Unterhalts, soweit er geltend gemacht wird, beschränkt auf die Eingruppierung in die erste, zweite und dritte Altersstufe sowie die Bestimmung der Regelbeträge, die Abweichung von der beantragten Festsetzung sowie die Anrechnung kindbezogener Leistungen richten können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Erheben derartiger Einwendungen zulässig ist, sofern es um die erstmalige Titulierung eines Unterhaltsanspruchs nach §§ 645 ff. ZPO geht. Um ein solches Verfahren handelt es sich bei der bloßen Abänderung eines vor dem 01.07.1998 erstellten Unterhaltstitels jedoch gerade nicht. Bei dem Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG geht es allein um die künftige Dynamisierung unter Fortschreibung der bereits bestehenden titulierten Unterhaltspflicht.

Die von Art. 5 § 3 Abs.2 KindUG vorgenommen Verweisung ist daher einschränkend dahin auszulegen, dass Einwendungen des Unterhaltsschuldners gemäß § 648 Abs.1 ZPO, die allein bei der erstmaligen Festsetzung des umzustellenden Titels zu prüfen sind, im Abänderungsverfahren nach Art. 5 § 3 KindUG ausgeschlossen sind.

Dem Antragsgegner bleibt es aber unbenommen, seine Einwendungen zur Leistungsfähigkeit in einem separaten Abänderungsverfahren mit dem Ziel der Herabsetzung seiner Unterhaltspflicht zu verfolgen.

2. Soweit die Festsetzung des Amtsgerichts in Höhe von 153 % erfolgt und damit über 150 % hinausgegangen ist, ist dies zulässig.

Zwar bestimmt § 645 Abs.1 ZPO, dass im vereinfachten Verfahren lediglich das 1 1/2-fache des Regelbetrages nach der Regelbetrags-Verordnung (= 150 %) festgesetzt werden kann; doch § 645 Abs.1 ZPO gilt nach Art. 5 § 3 Abs.2 KindUG ebenfalls lediglich "entsprechend" im hier zu beurteilenden Abänderungsverfahren.

Da es sich nicht um die erstmalige Titulierung eines Unterhaltsanspruchs, sondern um die bloße Umschreibung eines in der Höhe bereits geprüften Schuldtitels handelt, ist kein sachlicher Grund erkennbar, die vom Gesetzgeber gewünschte vereinfachte Abänderung der Titel auf 150 % des Regelbetrages nach der Regelbetrags-Verordnung zu begrenzen. Andernfalls wäre der Unterhaltsberechtigte gezwungen, den über 150 % hinausgehenden Unterhalt mit einer weiteren Klage geltend zu machen. Damit würde der gesetzgeberische Wille, die Dynamisierung von bestehenden Unterhaltstiteln auf beschleunigtem und vereinfachtem Wege zu erreichen, verfehlt (vgl. hierzu auch OLG Köln FamRZ 2000, 903; AG Tempelhof-Kreuzberg FamRZ 2000, 679; AG Tübingen FamRZ 2000, 902; Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., Anh. § 660 Rdn.3; a.A.: OLG Frankfurt FamRZ 2000, 902).

3. Soweit sich der Antragsgegner gegen die Kostenentscheidung des Familiengerichts wendet, ist diese Einwendung nach § 652 Abs.2 ZPO zulässig, jedoch unbegründet.

Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens veranlasst. Er hat den Zugang der durch das Jugendamt veranlassten außergerichtlichen Aufforderung, den bestehenden Titel abzuändern, nicht in Abrede gestellt. Nach seiner eigenen Einlassung hatte er - nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub - im Januar 2001 auch die Gelegenheit, die Sache außergerichtlich mit dem Jugendamt zu klären. Der Umstellungsbeschluss des Amtsgerichts ist erst am 07.03.2001 ergangen.

III.

Eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren hat nicht zu erfolgen. Die Höhe der wertunabhängigen Gebühr für die sofortige Beschwerde im Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG ergibt aus dem Gesetz (50,00 DM; Art. 5 § 4 Abs.1 KindUG).

Ende der Entscheidung

Zurück