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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 29.07.2005
Aktenzeichen: 20 WF 99/05
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG a.F. § 12 Abs. 2 S. 1
GKG § 48 Abs. 2 S. 1

Entscheidung wurde am 08.09.2005 korrigiert: Schlagworter wurde durch Stichworte als Metaangabe ersetzt
1. Für die Berechnung des Streitwerts in Ehesachen sind von dem hierfür heranzuziehenden Einkommen der Parteien Aufwendungen für unterhaltsberechtigte Kinder mit einen Pauschalbetrag von 250,00 Euro je Kind und Monat abzuziehen.

2. Selbstgenutztes Immobilienvermögen der Parteien ist streitwerterhöhend in der Weise zu berücksichtigten, dass der Verkehrswert nach Abzug von dinglichen Belastungen um Freibeträge vom 30.000,00 Euro je Ehegatten und 10.000,00 Euro je Kind vermindert und der danach verbleibenede Restbetrag mit 5% in den Streitwert einzubeziehen ist.


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 20 WF 99/05

Beschluss

des 20. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 29.07.2005

In der Familiensache

wegen Scheidung;

hier: Streitwertfestsetzung

hat der 20. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Richter am Oberlandesgericht Piel, Richterin am Oberlandesgericht Maciejewski und Richterin am Amtsgericht Brendel

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 10.01.2005 wird der Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meißen vom 29.12.2004 - 6 F 255/04 - abgeändert und der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens für die Ehesache auf 9 680,00 EUR festgesetzt.

Hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich verbleibt es bei dem vorläufig festgesetzten Streitwert von 500,00 EUR.

Gründe:

Der Rechtsbehelf bleibt ohne Erfolg, weil das Familiengericht den Gegenstandswert des Scheidungsverfahrens mit dem angefochtenen Beschluss nicht in einer die Gebühreninteressen des beschwerdeführenden Rechtsanwalts verletzenden Weise zu niedrig, sondern im Ergebnis zu hoch festgesetzt hat. Da für Streitwertbeschwerden das Verbot der Schlechterstellung nicht gilt (allg. Meinung, vgl. zuletzt Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl. 2004, § 25 GKG a.F. Rn. 73 m.w.N.), kann sich der Senat nicht auf die Zurückweisung der Beschwerde beschränken, sondern hat die erstinstanzliche Entscheidung insgesamt zu überprüfen und den zutreffenden (niedrigeren) Streitwert festzusetzen.

1. Das Amtsgericht hat in seine Berechnung in Übereinstimmung mit dem ausdrücklichen Wortlaut des hier noch einschlägigen § 12 Abs. 2 S. 2 GKG a. F. zunächst die Einkommensverhältnisse der Parteien in der Weise einbezogen, dass es das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute (1 200,00 EUR + 3 000,00 EUR = 4 200,00 EUR x 3 = 12 600,00 EUR) eingesetzt hat. Hiervon hat es wegen der den Parteien für zwei unterhaltsberechtigte Kinder entstehenden Verpflichtungen pro Monat und Kind jeweils einen Pauschalbetrag von 250,00 EUR, insgesamt mithin 1 500,00 EUR abgezogen; das entspricht der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Dresden und der ganz herrschenden Auffassung in Schrifttum und Judikatur, der sich der Senat anschließt (vgl. nur OLG Dresden, Beschluss vom 12.12.2001, 22 WF 414/01; Beschluss vom 14.08.2000, 22 WF 324/00; Lappe in: Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Loseblattsammlung Stand Oktober 1994, Teil IX, Rn. 15 m.w.N.). Die Beschwerde greift das letztlich auch nicht an.

2. Kern ihrer Beanstandung ist der Betrag, mit dem das Amtsgericht die Vermögensverhältnisse der Parteien bei der Streitwertbemessung berücksichtigt hat (vgl. § 12 Abs. 2 S. 1 GKG a.F.); hier hat die Familienrichterin vom Wert des unbelasteten Wohngrundstücks der Parteien (100 000,00 EUR) einen Ehegattenfreibetrag von 15 000,00 EUR und einen Kinderfreibetrag von 5 000,00 EUR abgezogen und den danach verbleibenden Restbetrag (80 000,00 EUR) mit 3 %, also 2 400,00 EUR, in die Berechnung des Gegenstandswerts eingestellt. Das Amtsgericht ist so zu einem Gesamtstreitwert für die Ehesache von 13 500,00 EUR gelangt; dem vermag sich der Senat im Ergebnis nicht anzuschließen.

Die Einbeziehung der Vermögensverhältnisse der Parteien bei der Bemessung des Streitwerts in Ehesachen ist sowohl methodisch als auch in den Einzelheiten des jeweiligen Rechenwegs umstritten (vgl. etwa die Darstellung bei Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. 1996, Rn. 1091 ff). Wenn, wie hier, das zu berücksichtigende Vermögen in einer Wohnimmobilie besteht, soll nach verbreiteter Auffassung das in einem Zeitraum von drei Monaten ersparte Nutzungsentgelt für ein vergleichbares Mietobjekt (Nettokaltmiete) in die Berechnung einfließen (z.B. OLG Köln, FamRZ 1987, 183). Demgegenüber wird vertreten, es sei - wie bei anderen Vermögensobjekten auch - auf den Verkehrswert der Immobilie abzustellen, von dem allerdings, nach Abzug von Freibeträgen, nur ein (niedriger) prozentualer Anteil in Ansatz zu bringen sei; die dabei in Erwägung gezogenen Freibeträge liegen je Ehegatten zwischen 15 000,00 EUR (siehe Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl. 2003, § 606 ZPO Rn. 33) und - in Anlehnung an die zuletzt geltenden vermögenssteuerlichen Freibeträge - rund 60 000,00 EUR (OLG Koblenz, JurBüro 2003, 474, 475; Schneider/Herget, aaO., Rn. 1120). Die auf den verbleibenden Restbetrag anzuwendenden Prozentsätze werden zwischen 2 % und max. 10 % angesetzt, wobei für ein selbst genutztes Einfamilienhaus der Parteien ein höherer Satz als 5 % nirgends vertreten wird (vgl. Schneider/ Herget, aaO., Rn. 1113 m.w.N.). Nach allen Berechnungsmethoden hat das Amtsgericht im vorliegenden Fall den Gegenstandswert indes nicht zu niedrig bemessen; im Gegenteil liegt der festgesetzte Betrag im Ergebnis nicht unbeträchtlich zu hoch.

3. Den Wert der Wohnnutzung des hier in Rede stehenden Anwesens nimmt die Beschwerde selbst mit 500,00 EUR monatlich an; damit würde sich der aus den Einkommensverhältnissen der Beteiligten herrührende Ausgangsbetrag des Gegenstandswerts von 11 100,00 EUR um 1 500,00 EUR (500,00 EUR x 3 Monate) auf insgesamt 12 600,00 EUR erhöhen und entspräche damit dem vom Beschwerdeführer selbst mit der Antragsschrift vorläufig bezifferten Streitwert, der noch unter der Festsetzung des Amtsgerichts läge. Die dem zugrunde liegende Bewertungsregel mag in den meisten Fällen praktisch sein (Schneider/Herget, aaO., Rn. 1115 f), hat allerdings den Nachteil, dass sie ohne greifbare Rechtsgrundlage eine bestimmte Gruppe von Vermögensobjekten grundsätzlich anders bewertet als alle übrigen. Aus Sicht des Senats ist daher eine im Ansatz am Verkehrswert des Vermögens orientierte Lösung vorzuziehen (wobei der daraus resultierende Betrag selbstverständlich alternativ zu dem vorstehend erörterten Nutzungswert einzubeziehen ist, nicht etwa kumulativ, wie es offenbar der Beschwerde vorschwebt). Dabei wird - wiederum entgegen der mit der Beschwerde vertretenen Auffassung - eine Lösung, die auf die Zubilligung von Freibeträgen für die Parteien, z. T. auch zusätzlich für deren Kinder, gänzlich verzichtet, nicht ernsthaft vertreten: Eine vereinzelt gebliebene Entscheidung dieses Inhalts (OLG Saarbrücken, JurBüro 1982, 421) wird in der Literatur explizit als "ersichtlich unrichtig" eingestuft (Schneider/Herget, aaO., Rn. 1124). Wenn der Grund für die Berücksichtigung von Freibeträgen in Anlehnung an das frühere Vermögenssteuerrecht darin liegt, dass unter diesen Beträgen liegendes Vermögen nur eine selbst steuerrechtlich respektierte durchschnittliche Vorsorge für die Wechselfälle des Lebens zum Ausdruck bringe, die deshalb im Rahmen von § 12 Abs. 2 GKG a. F. nicht streitwerterhöhend wirken dürfe (so Mümmler, JurBüro 1982, 423 in ablehnender Anmerkung zu OLG Saarbrücken aaO.), so käme sogar eine Berechnung in Betracht, die in die Streitwertbestimmung nur Vermögen oberhalb der zuletzt geltenden vermögenssteuerlichen Freibeträge von rund 60 000,00 EUR je Ehegatten, ggf. zzgl. Kinderfreibeträgen, einzubezöge (so ausdrücklich OLG Koblenz aaO.) Nach dieser Berechnungsweise hätte das Amtsgericht im vorliegenden Fall den Gegenstandswert nach Maßgabe der Vermögensverhältnisse der Beteiligten gar nicht erhöhen dürfen, weil die Freibeträge nicht einmal ausgeschöpft gewesen wären.

Wer die Freibeträge demgegenüber am anderen Ende des hierzu vorhandenen Meinungsspektrums ansiedelt, etwa bei 15 000,00 EUR pro Beteiligten, der muss konsequenterweise allerdings dann auch die dort vertretenen - niedrigen - Prozentsätze heranziehen, mit denen das nach Abzug der Freibeträge verbleibende Restvermögen in den Streitwert einbezogen wird. So hat das Amtsgericht hier auf der Basis der bei Johannsen/Henrich, aaO., mitgeteilten Freibeträge seiner Berechnung einen Prozentsatz von 3 % zugrunde gelegt; allerdings hat es - im Gegensatz zu der von ihm selbst herangezogenen Belegstelle - den Freibetrag von 15 000,00 EUR für die Ehegatten nur einmal abgezogen und nicht, wie es richtig gewesen wäre, pro Ehegatten, so dass auch insoweit der tatsächlich ermittelte Gegenstandswert als zu hoch, nicht aber als zu niedrig erscheint.

Der Senat hält - in Anlehnung an vorhandene Rechtsprechung des OLG - eine vermittelnde Lösung für vorzugswürdig, welche die vermögenssteuerlichen Freibeträge nur mit Abschlägen berücksichtigt. So hat das OLG Dresden in einem Beschluss vom 01.09.99 (22 UF 309/99) pro Ehegatten einen Freibetrag von 60 000,00 DM, also rund 30 000,00 EUR, und zusätzlich für jedes berücksichtigungsfähige Kind einen Freibetrag von 20 000,00 DM, also rund 10 000,00 EUR abgezogen und das Restvermögen mit einem Betrag von 5 % in den Streitwert eingestellt; nach diesen dem Senat auch heute (insbesondere vor dem Hintergrund des zuletzt eingetretenen Wertverfalls von Wohnimmobilien) sachgerecht erscheinenden Maßstäben hätten hier in den Streitwert unter dem Aspekt der Vermögensverhältnisse der Beteiligten zusätzlich 1 000,00 EUR (100 000,00 EUR ./. 2 x 30 000,00 EUR ./. 2 x 10 000,00 EUR = 20 000,00 EUR x 5 %) einbezogen werden müssen (statt der vom Amtsgericht tatsächlich veranschlagten 2 400,00 EUR). Insgesamt läge der rechnerisch ermittelte Gesamtstreitwert des Eheverfahrens damit bei 12 100,00 EUR.

4. Zu einem höheren Wert gelangt im vorliegenden Fall nach alledem nur, wer, wie die Beschwerde, auf Freibeträge verzichtet oder sie zumindest am unteren Rand der diskutierten Skala veranschlagt und zugleich einen hohen Prozentanteil des verbleibenden Vermögens (10 % oder mehr) dem Streitwert zuschlägt. Eine solche Vorgehensweise würde indes dem Aspekt der Vermögensverhältnisse der Beteiligten innerhalb des nach § 12 Abs. 2 GKG a.F. für die Berechnung des Gegenstandswerts relevanten Kriterienspektrums ein zu hohes Gewicht verleihen und wird deshalb mit gutem Grund von niemandem vertreten. Hinzu kommt überdies, dass selbst der o. g. rechnerisch ermittelte Wert, der allein auf der Basis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten beruht, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles (§ 12 Abs. 2 Satz 1 GKG a. F.) noch überhöht erscheint. Weiterhin sind nämlich Umfang und Bedeutung der Sache in die Streitwertbestimmung einzustellen (vgl. § 12 Abs. 2 S. 1 GKG a.F.). Im vorliegenden Fall umfasst die Antragsschrift des Beschwerdeführers gerade zwei Seiten (ohne Rubrum), die Antragserwiderung ist noch kürzer; beide Schriftsätze beschränken sich, da zwischen den Parteien in allen Punkten Einvernehmungen über die Scheidung bestand, im Wesentlichen auf den Austausch von Statusdaten. Weitere schriftliche Stellungnahmen erfolgten beiderseits nicht, die Scheidung wurde auf der Grundlage des ersten Verhandlungstermins nach einer Verfahrensdauer von wenigen Monaten ausgesprochen. Die Streitsache wies damit keine tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, ihr Umfang und die Intensität der darin eingeflossenen Sachbearbeitung (auch des Beschwerdeführers) liegen vielmehr insgesamt so weit unter dem Durchschnitt vergleichbarer Angelegenheiten, dass dem Senat ein Abschlag von zumindest 20 % vom rechnerisch ermittelten Streitwert angemessen erscheint (vgl. mit ausführlicher Begründung OLG Dresden, Beschluss vom 02.09.2002, 22 UF 115/02). Der danach verbleibende Wert (12 100,00 EUR x 80 % = 9 680,00 EUR) liegt unter dem mit der Beschwerde angefochtenen Betrag; der angefochtene Beschluss ist daher abzuändern und der zutreffende (niedrigere) Gesamtwert festzusetzen. Hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich konnte es bei dem vorläufig festgesetzten Streitwert von 500,00 EUR verbleiben.

Ende der Entscheidung

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