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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 23.02.2001
Aktenzeichen: 21 U 1605/00
Rechtsgebiete: VermG, BGB, EGBGB, SachenRBerG, ZGB, ZPO


Vorschriften:

VermG § 1
BGB § 812
BGB § 988
BGB § 260
BGB § 994
BGB § 996
BGB § 1002 Abs. 1
BGB § 94 Abs. 1 Satz 1
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 993
BGB § 990 Abs. 1
EGBGB § 2a
EGBGB § 2a Abs. 1 Satz 1b
EGBGB § 2b Abs. 1
EGBGB § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b
SachenRBerG § 121
SachenRBerG § 7 Abs. 2 Nr. 1
SachenRBerG § 8
SachenRBerG § 7 Abs. 1
SachenRBerG § 3 Abs. 2 Nr. 3
ZGB § 295 Abs. 1
ZGB § 295 Abs. 2
ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 530 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 1605/00 7 O 6325/99 LG Chemnitz

Verkündet am 23.02.2001

Die Urkundsbeamtin: Justizsekretärin

In dem Rechtsstreit

- Klägerin und Berufungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt

gegen

- Beklagter und Berufungskläger -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Nutzungsentschädigung

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 05.05.2000, Az.: 7 O 6325/99, wird zurückgewiesen.

II. Die Widerklage wird abgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

IV. Die Beschwer des Beklagten beträgt 62.201,56 DM.

V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 6.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Dem Beklagten wird gestattet, die Sicherheit durch Stellung einer selbstschuldnerischen, unbefristeten und unbedingten Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu leisten.

Beschluss:

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 62.201,56 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Herausgabe für den Zeitraum vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1997 von der Beklagten vereinnahmter Mieten abzüglich zugestandener Aufwendungen in Höhe von zusammen 47.551,76 DM. Die Beklagte wendet sich gegen diese Forderung und hat für den Fall der Erfolglosigkeit der Berufung Eventualwiderklage in Höhe eines Teilbetrages von 15.000,00 DM als Verwendungsersatz bzw. aus ungerechtfertigter Bereicherung erhoben.

Die Klägerin ist nach Art. 22 Abs. 1 EV Eigentümerin des im Grundbuch von , Blatt , Gemarkung , Flurstück eingetragenen Grundstückes geworden, dass mit einem Wohnhaus mit Laden bebaut ist. Das Gebäude wurde 1926 von der seinerzeitigen Eigentümerin, der erworben. Im September 1937 wurde nach Zwangsauflösung der der Kolonialwarenhändler als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. 1946 wurde dieser aufgrund des SMAD-Befehls Nummer 64 und nach dem Volksentscheid im Lande vom 30.06.1946 enteignet. Aufgrund des Beschlusses des Präsidiums der Landesregierung vom 02.08.1946 und einer "Beauftragung" des Ministeriums für Wirtschaft und Wirtschaftsplanung des Landes vom 30.10.1947 (Anlage B2) wurde die ermächtigt, die erforderlichen Anträge zur Berichtigung des Grundbuches zu stellen. Nach einem Antrag vom 08.11.1947 (Anlage B3) wurde die am 07.02.1948 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

Das Amt zum Schutz des Volkseigentums im Ministerium des Inneren des Landes stellte am 24.08.1948 eine Urkunde aufgrund der zweiten Verordnung vom 28.04.1948 (ZVOBl. Seite 141) zur Ausführung des SMAD-Befehls Nummer 64 aus, in der die als Verwalterin und Nutznießerin des volkseigenen Grundstücks eingetragen wurde. Am gleichen Tag erfolgte die Umschreibung auf das Eigentum des Volkes. Das bebaute Grundstück blieb in der Folgezeit bis zum 03.10.1990 in der Rechtsträgerschaft der .

Die schloss sich mit anderen zur zusammen. Diese stellte beim Amt zur Regelung offener Vermögensfragen einen Antrag unter anderem auf Rückübertragung dieses Grundstücks, der mit Bescheid vom 07.03.1995 (Anlage K6) abschlägig beschieden wurde. Darin führte das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen aus:

"Der Anspruch auf Rückübertragung oder Entschädigung nach den Regeln des Vermögensgesetzes setzt voraus, dass der Antragstellerin (Gemeinschuldnerin) ein ihr zuzuordnender Vermögenswert durch eine zivilrechtlich wirksame Schädigungshandlung im Sinne von § 1 VermG entzogen worden ist. Ein derartiger Schadenstatbestand ist hier jedoch nicht erkennbar."

Am 01.01.1994 war über das Vermögen der das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet und der Beklagte als Verwalter bestellt worden (AG ).

Mit Bescheid des Präsidenten der Oberfinanzdirektion vom 14.02.1997 (Anlage K1) wurde der Eigentumsübergang nach Art. 22 Abs. 1 EV auf die Klägerin zum 03.10.1990 hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstückes festgestellt. Am 12.01.1998 hat die (ein Tochterunternehmen der Gemeinschuldnerin) der Klägerin den Besitz an dem Grundstück mit Wirkung zum 01.01.1998 herausgegeben. Weiter wurden seinerzeit vier der sechs Mietverträge der Klägerin ausgehändigt (vgl. Anlage K2).

Mit Schreiben vom 10.06.1998 stellten die Prozessbevollmächtigten des Beklagten erstmals eine Abrechnung der Mieteinnahmen auf, denen sie Abzüge in Höhe von 16.425,34 DM gegenüberstellten (Anlage B12). Gleichwohl verneinten sie eine Auszahlungspflicht, da aufrechenbare Gegenansprüche in Höhe von 65.000,00 DM bestünden. In der Folgezeit forderte die Klägerin den Beklagten mehrfach zum Nachweis der Mieteinnahmen und der geltend gemachten Abzugspositionen auf.

Die Klägerin hat zunächst in Höhe von 33.685,00 DM eine Zahlungsklage erhoben und darüber hinausgehend Stufenklage zur Vorlage entsprechender Unterlagen über die Mieteinnahmen und die behaupteten Abzüge. Nachdem der Beklagte in der Klageerwiderung (Anlage B10/B11) eine Aufschlüsselung der einzelnen Positionen vorgelegt hat, hat sie den Rechtsstreit hinsichtlich der Stufenklage für erledigt erklärt und die Zahlungsklage auf den Betrag von 47.551,76 DM erhöht. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Die Klägerin trägt vor, dass nur im Rahmen der zuerkannten Abzüge berücksichtigungsfähige Aufwendungen auf das Gebäude vorlägen. Der Beklagte sei auch zur Herausgabe der Nutzung verpflichtet. Selbständiges Gebäudeeigentum habe die Gemeinschuldnerin nicht begründet.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit, soweit es den Antrag auf Auskunft betrifft, erledigt ist und

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 47.551,76 DM zuzüglich 4 % Zinsen daraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Er trägt vor:

Nutzungsansprüche und Herausgabeansprüche der Klägerin bestünden nicht. Die Gemeinschuldnerin sei als Gebäudeeigentümerin zum Besitz berechtigt gewesen. Im Übrigen stünde ihr ein Wertersatzanspruch in Höhe von mindestens 95.000,00 DM zu, mit dem diese hilfsweise die Aufrechnung erklärt habe. Der Höhe nach seien über die von der Klägerin zuerkannten Abzugspositionen weitere Aufwendungen in Höhe von 350,20 DM und 1.309,00 DM in Abzug zu bringen. Die Verwaltungskosten seien statt mit 5.063,11 DM mit 7.920,00 DM anzusetzen.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 05.05.2000 der Klage überwiegend stattgegeben und dazu in den Gründen ausgeführt:

Nach §§ 988, 812 BGB stünde der Klägerin ein Anspruch in Höhe von 47.201,56 DM zu. Über die von ihr anerkannten Abzugspositionen sei ein weiterer Reparaturaufwand in Höhe von zusammen 350,20 DM zu berücksichtigen. Weitere Abzugspositionen seien nicht substantiiert vorgetragen worden. Selbständiges Gebäudeeigentum sei nicht begründet worden. Dem stehe bereits entgegen, dass es sich um ein sogenanntes Altgebäude handle und der Beklagte nicht einmal vorgetragen habe, ob und welche Investionen von der Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin in der Zeit der Rechtsträgerschaft erbracht worden seien. Einen Wertausgleich schulde die Klägerin ebenfalls nicht.

Der Feststellungsantrag sei zulässig und begründet. Eine Erledigung sei nach Klageerhebung eingetreten, weil der Beklagte erst im Verfahren die mit dem Auskunftsanspruch begehrte Auskunft erteilt habe.

Mit der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung begehrt der Beklagte in erster Linie Klagabweisung und im Rahmen seiner im Berufungsverfahren erstmals erhobenen Eventualwiderklage die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 15.000,00 DM.

Das Landgericht sei unzutreffenderweise von einer Vindikationslage ausgegangen, die nicht vorläge, da die Gemeinschuldnerin ein Recht zum Besitz gehabt habe. Die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin habe selbständiges Gebäudeeigentum begründet. Zumindest sei Art. 233 § 2b Abs. 1 EGBGB dahingehend auszulegen, dass auch Konsumgenos- senschaften selbständiges Gebäudeeigentum begründen konnten. Ebenso sei eine Erledigung der ursprünglich erhobenen Stufenklage im Laufe des Prozesses nicht eingetreten. Die Klägerin sei bereits vorprozessual ausreichend über die bestehenden Mietverhältnisse und die Aufwendungen der Gemeinschuldnerin informiert worden.

Im Rahmen der Eventualwiderklage, die für den Fall der Erfolglosigkeit der Berufung gestellt wird, verlangt der Beklagte in Höhe eines Teilbetrages von 15.000,00 DM Ausgleich des durch Verlust des Gebäudes (des Gebäudeeigentums) erlittenen Schadens.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts vom 05.05.2000 abzuändern und die Klage abzuweisen und

auf die Eventualwiderklage hin die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten 15.000,00 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Zurückweisung der Berufung und die Abweisung der Widerklage.

Sie verteidigt unter Ergänzung und Vertiefung ihres bisherigen Sachvortrages das Urteil des Landgerichts . Selbstständiges Gebäudeeigentum der Gemeinschuldnerin sei nicht begründet worden. Art. 233 § 2b Abs. 1 EGBGB sei nicht einschlägig. Auch der mit der Eventualwiderlage geltend gemachte Wertersatzanspruch bestünde nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 17.08.2000 (Bl. 108 bis 127 d.A.), die Berufungserwiderung vom 05.10.2000 (Bl. 130 bis 137 d.A.) und die Replik vom 14.12.2000 (Bl. 142 bis 146 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 988 BGB auf Herausgabe der im Zeitraum vom 01.01.1995 bis 31.12.1997 gezogenen Nutzungen (1.). Das Landgericht hat auch zutreffend die Erledigung des ursprünglich geltend gemachten Feststellungsantrages ausgesprochen, da ein Auskunftsanspruch nach § 260 i.V.m. § 988 BGB bestand, und eine Erledigung des Auskunftsanspruchs nach dessen Rechtshängigkeit eingetreten ist (2.). Die erhobene Eventualwiderklage ist zulässig, aber unbegründet. Ein Anspruch der Beklagten auf Wertersatz besteht nicht (3.).

1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Herausgabe der vom 01.01.1995 bis 31.12.1997 gezogenen Nutzungen hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks in Höhe von 47.201,56 DM aus § 988 BGB.

a) Die Klägerin ist nach Art. 22 Abs. 1 EV Eigentümerin des vormals volkseigenen Grundstücks geworden, was durch den Zuordnungsbescheid des Präsidenten der Oberfinanzdirektion vom 14.02.1997 rechtskräfig festgestellt wurde (Anlage K1). Die Gemeinschuldnerin war bis zur Übergabe am 12.01.1998 an die Bundesvermögensverwaltung (Amt ) Besitzerin des streitgegenständlichen Grundstückes.

Der Gemeinschuldnerin stand vom 01.01.1995 an kein gesetzliches Recht zum Besitz nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b EGBGB mehr zu. Zwar hatte die Gemeinschuldnerin bis zum Auslaufen des Moratoriums auch als Konsumgenossenschaft für Altgebäude ein Besitzrecht aufgrund des Moratoriums nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b EGBGB (vgl. BGH, Urteile vom 19.12.1997, V ZR 54/97, BGHZ 136, 212 f. und V ZR 56/97, NL-BzAR 1998, 107). Dieses Besitzrecht war aber seit dem 31.12.1994 grundsätzlich erloschen. Es bestand nur noch nach Satz 3 unter der Voraussetzung fort, dass der Nutzer nach § 3 Abs. 3, 4, § 4 oder § 121 SachenRBerG anspruchsberechtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 04.07.1997, V ZR 54/96, BGHZ 136, 212 ff.).

b) Eine Anspruchsberechtigung nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz liegt jedoch nicht vor. Zwar sind Genossenschaften in § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SachenRBerG anspruchsberechtigt, wenn sie entweder Inhaber eines verliehenen Nutzungsrechts waren oder das Grundstück ganz oder überwiegend mit eigenen Mitteln bebaut haben. Die Nutzung von vor dem 08.05.1945 errichteten oder erworbenen sogenannten Altgebäuden begründet jedoch - wie sich auch aus der Bestimmung über die zeitliche Begrenzung des Anwendungsbereichs in § 8 SachenRBerG ergibt - keinen Anwendungsfall aus der Nutzung fremder Grundstücke durch den Bau oder Erwerb von Gebäuden (=Kapitel 2 des SachenRBerG). Dieses Gesetz soll allein die in sozialistischer Zeit zwischen dem 08.05.1945 und dem 02.10.1990 entstandenen Rechtstitel umwandeln, geschaffene Investitionen BGB-konform absichern und einen materiellen Ausgleich zwischen den Beteiligten herbeiführen. Dass die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin in dieser Zeit Baumaßnahmen getätigt habe, die einer Neuerrichtung gleichstehen, ist nicht vorgetragen worden.

c) Ein Besitzrecht ergibt sich auch nicht aus fortbestehendem selbstständigen Gebäudeeigentum der Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin. Eine Anwendung der Generalklausel in § 7 Abs. 1 SachenRBerG scheidet ebenfalls aus. Dies wäre nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 SachenRBerG möglich, wenn die Gemeinschuldnerin nach § 3 Abs. 2 Nr. 3 SachenRBerG Eigentümerin des auf dem Grundstück der Klägerin stehenden Gebäudes gewesen wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.

aa) Selbständiges Gebäudeeigentum aufgrund der Vorschriften der DDR ist nicht begründet worden. Gebäude waren sowohl nach dem bis zum 31.12.1975 fortgeltenden BGB als auch unter Geltung des ZGB vom 01.01.1976 bis zum 02.10.1990 grundsätzlich wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (vgl. § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 295 Abs. 1 ZGB). Selbständiges Gebäudeeigentum konnte in der DDR nur dort entstehen, wo dies gesetzlich bestimmt war (§ 295 Abs. 2 ZGB). Eine entsprechende Regelung, die die Entstehung selbständigen Gebäudeeigentums bei der Nutzung eines Gebäudes in Rechtsträgerschaft durch eine Konsumgenossenschaft bestimmt hätte, gab es nicht.

bb) Selbständiges Gebäudeeigentum ist auch nicht durch Bundesgesetz nach Art. 233 § 2b Abs. 1 EGBGB begründet worden. Die Konsumgenossenschaften sind in Art. 233 § 2b Abs. 1 EGBGB ausdrücklich nicht erwähnt worden. Der Gesetzgeber hat vielmehr zur Förderung agrarstruktureller und wohnungswirtschaftlicher Ziele den LPG Nachfolgeunternehmen und den Wohnungsgenossenschaften eine Finanzierungsgrundlage vor Regelung der Rechtsverhältnisse an dem betroffenen Grundstücke an die Hand geben wollen. Eine systemwidrige Regelungslücke liegt mithin gerade nicht vor (vgl. Thüringer OLG, Urteil vom 22.08.1996, OLG-NL 1997, 83, 84 und Urteil vom 24.10.1995, 8 U 188/95, OLG-NL 1996, 56 f.; OLG Dresden, Urteil vom 07.07.1998, 3 U 921/98, VIZ 1999, 111 f.).

d) Die Gemeinschuldnerin hat nach dem 01.01.1995 das Grundstück auch rechtsgrundlos besessen.

aa) Das Landgericht hat den § 988 BGB unmittelbar angewandt. Es ist dabei davon ausgegangen, dass eine Übertragung einer Rechtsträgerschaft in der DDR unentgeltliche Besitzerlangung sei.

Davon wird man zwar grundsätzlich ausgehen können, weil für die Einsetzung oder Übertragung der Rechtsträgerschaft an einem volkseigenen Grundstück (zuletzt geregelt durch dei Anordnung vom 07.07.1969 - GBl. II, S. 433) - anders als für die Übertragung der volkseigenen Grundmittel (Gebäude, Anlagen etc.) - eine Gegenleistung nicht vorgesehen war. Im vorliegenden Fall ist die Annahme einer unentgeltlichen Besitzerlangung jedoch jedenfalls nach dem Vortrag des Beklagten zweifelhaft, weil die Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin den Besitz als Maßnahme zur Wiedergutmachung von NS-Unrecht zurückerlangt haben könnte.

Dies wäre jedenfalls nach dem Vortrag des Beklagten so: Die Rechtsvorgänger der Gemeinschuldnerin haben den Besitz an dem streitgegenständlichen Grundstück infolge politisch motivierter Gleichserhaltungsmaßnahmen in der NS-Zeit verloren gehabt. Die Wiedereinräumung des Besitzes in der SBZ-Zeit/DDR-Zeit war auf Wiedergutmachung des vorangegangenen Unrechts gerichtet. Allerdings wurde seinerzeit der Gemeinschuldnerin nur die Rechtsträgerschaft zur Nutzung überlassen. Eine (vollständige) Rückführung des Grundstückes in das Eigentum der Genossenschaft fand nicht statt. Ob die Gemeinschuldnerin trotz fehlender Rückführung des Eigentums am Grundstück den Besitz unentgeltlich im Sinne des § 988 BGB erlangt hat, erscheint daher problematisch.

bb) Dies kann aber dahingestellt bleiben, da die Gemeinschuldnerin keinen Anspruch auf Rük-kerstattung des Grundstücks hatte (dazu unten 3) und die Rechtsgrundlosigkeit des Besitzes nach Auslaufen des Moratoriums nach dem EGBGB die Anwendung des § 988 BGB gebietet (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 29.05.1997, 4 U 250/96, NJW 1997, 670). Der Beklagte schuldet daher nach § 988 BGB die Herausgabe der in der Zeit vom 01.01.1995 bis zum 31.12.1997 gezogenen Nutzungen.

Zwar ist streitig, ob die Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses nach Ende eines gesetzlichen Besitzrechts anzuwenden sind (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 60. Aufl., vor § 987 Rn. 11, 12). In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass der rechtsgrundlose Besitz dem untentgeltlichen gleichzustellen ist (BGH, Urteile vom 25.02.1960, II ZR 125/58, BGHZ 32, 76, 94 und vom 03.12.1976, V ZR 154/75, BGHZ 71, 216, 227; Brandenburgisches OLG, Urteil vom 21.12.1994, 3 U 81/94, OLGR 1995, 70, 71). Dies gilt auch für den sog. "nicht-mehr-berechtigten" Besitzer (BGH, Urteil vom 25.02.1960, a.a.O.). Die Anwendung des § 988 BGB auf den (jetzt) rechtsgrundlosen Besitzer sei dadurch gerechtfertigt, dass ansonsten der rechtsgrundlose Besitzer bei Nichtigkeit des zum Besitz berechtigenden schuldrechtlichen Geschäftes, aber wirksamer Eigentumsübertragung alle Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben hätte, während der (nur) rechtsgrundlose Besitzer lediglich für gezogene Übermaßfrüchte haften würde (vgl. Staudinger/Gursky, BGB, 12. Auflage, Vorbem. zu §§ 987-993, Rn. 12; Brandenburgisches OLG, a.a.O.).

Der Senat lässt dahinstehen, ob diese allgemeinen Erwägungen zum Anwendungsbereich des §§ 988, 989 BGB unter teleologischer Reduktion der Sperrwirkung für den redlichen Besitzer in § 993 BGB, die Rechtsprechung und Literatur durch Vergleich der Rechtsfolgen unter bestimmten Prämissen (Wirksamkeit bzw. Nichtwirksamkeit des Kausal- und/oder des Erfüllungsgeschäftes) gewinnen, auch auf die Besitzerlangung nach einer auf den Besitz beschränkten Restitution in der SBZ-Zeit passen. Im vorliegenden Fall ist die Anwendung des § 988 BGB auf den jetzt rechtsgrundlosen Besitz jedenfalls auch aus einem anderen Vergleich geboten.

Würde man § 988 BGB für den Fall des rechtsgrundlosen Besitzers nach Ende des Moratoriums aus Art. 233 § 2a Abs. 1 EGBGB nicht zu Anwendung kommen lassen, hätte dies zur Folge, dass der unberechtigte Besitzer nach Auslaufen des gesetzlichen Besitzrechts nach dem Moratorium des Art. 233 § 2a EGBGB besser dastünde als der aus dem SachenRBerG weiterhin zum Besitz berechtigte Besitzer, der nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Sätze 4 und 8 EGBGB auf Verlangen des Grundstückseigentümers zur Zahlung eines Moratoriumszinses bis zur sachenrechtlichen Bereinigung verpflichtet wäre.

Bei dieser Sachlage kann dahingestellt bleiben, ob die Gemeinschuldnerin nach Auslaufen des Besitzmoratoriums nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1b EGBGB bösgläubig i.S.d. § 990 Abs. 1 BGB war; was dann anzunehmen wäre, wenn ihr die o.g. rechtspolitische Diskussion um die Erstreckung des Art. 233 § 2b EGBGB auch auf die Konsumgenossenschaften und ihre Ablehnung im Gesetzgebungsverfahren zum 2. VermRÄndG bekannt gewesen wäre. Der Beklagte hat dies im Termin vor dem Senat allerdings ausdrücklich bestritten.

e) Die Höhe des erlangten Nutzungsentgeltes ist im Berufungsverfahren unstreitig. Einwendungen gegen die Höhe werden von dem Beklagten nicht mehr weiterverfolgt. Weitere Feststellungen zur Höhe der erlangten Nutzungen bedurfte es im Berufungsverfahren daher nicht.

2. Das Landgericht hat auch zutreffend festgestellt, dass der erstinstanzlich geltend gemachte Feststellungsantrag zulässig und begründet ist.

a) Der nach einseitiger Erledigungserklärung der Klägerin weiter verfolgte Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO). Zwar wird teilweise vertreten, dass der Kläger, der im Laufe eines Verfahrens den Antrag auf Auskunft fallenlässt, ohne Erledigungserklärung zur Zahlungsklage übergehen kann (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 91a Rn. 58, Stichwort: Stufenklage; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, 839). Tut er das nicht, so entfiele ein Rechtsschutzbedürfnis für ein nach Erledigung der Auskunftsklage verfolgten Feststellungsantrag wegen einseitiger Erledigungserklärung. Dieser Ansicht schließt sich der Senat nicht an. Bei der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs im Rahmen einer Stufenklage, handelt es sich um einen gehäuften Streitgegenstand. Daher kann auch bezüglich der ersten Stufe (Auskunftsklage) der Rechtsstreit für erledigt erklärt werden (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 20. Aufl., § 254 Rn. 6, Lüke in MünchKomm-ZPO, § 254 Rn. 23).

b) Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Ein Auskunftsanspruch der Klägerin bestand nach § 260 BGB. Die Auskunftsklage hat sich durch die im Prozess erteilte Auskunft des Beklagten nach Rechtshängigkeit erledigt.

Soweit ein Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen nach § 987 oder § 988 BGB besteht, ist der Besitzer dem Grundstückseigentümer gegenüber auch nach § 260 BGB zur Auskunft über die gezogenen Nutzungen verpflichtet (vgl. BGHZ 31, 76, 96; OLG Dresden, Beschluss vom 19.08.1997, 6 W 960/97, OLGR Dresden 1998, 151 ff.). Da der Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen nach § 988 BGB verpflichtet ist (siehe oben 1.) und die vorprozessual erteilte Auskunft unvollständig war, bestand zum Zeitpunkt der Klageerhebung der ursprünglich geltend gemachte Auskunftsanspruch.

Die Beklagte hat diesen Auskunftsanspruch im Laufe des Prozesses erfüllt. In der Klageerwiderung hat diese erstmals umfassend Auskunft zu den Mieteinnahmen und den behaupteten Aufwendungen erteilt (Anlage B10/B11). Zwar hatte die Klägerin von der bei Besitzübergabe einen Teil der maßgeblichen Mietverträge erhalten (vgl. Anlage 2). Diese Auskunft war aber nicht ausreichend. Über die bestehenden Mietverträge hinaus war der Klägerin auch Auskunft über die Mietverträge zu erteilen, die 1995 bestanden hatten, zwischenzeitlich aber gekündigt waren. Diese Auskunft wurde erstmals im Laufe des Verfahrens mit Vorlage der Anlage B10 erteilt. Erst aus dieser Aufstellung konnte die Klägerin ersehen, welche Mieteinnahmen aus den Mietverträgen herrührten, die ihr nicht bei der Besitzübergabe ausgehändigt worden waren.

3. Die im Wege der Eventualwiderklage geltend gemachte Forderung hinsichtlich eines Teilbetrags in Höhe von 15.000,00 DM besteht nicht.

a) Die Eventualwiderklage ist zulässig. Der Beklagte hat die Erhebung der Eventualwiderklage von einer innerprozessualen Bedingung (Unterliegen mit dem Berufungsantrag) abhängig gemacht. Dies ist auch in Form einer "unechten" Eventualwiderklage möglich, in welcher der Widerklageanspruch nur für den Fall geltend gemacht wird, dass er mit seinem Hauptantrag (hier: Klagabweisung) scheitert (vgl. BGH, Urteile vom 17.04.1955 - VII ZR 65/57 - MDR 1958, 598, 599 und vom 13.05.1996 - II ZR 275/94 - BGHZ 132, 390, 397).

Die Zulassung der Eventualwiderklage in der Berufungsinstanz ist auch sachdienlich im Sinne von § 530 Abs. 1 ZPO. Der behauptete Verwendungsersatz- bzw. Bereicherungsanspruch betrifft denselben Streitgegenstand des Hauptanspruches. Es ist daher zu erwarten, dass eine Entscheidung über den Gegenstand der Widerklage einer endgültigen Streitbeilegung dient.

b) Die Eventualwiderklage ist jedoch unbegründet. Ein Anspruch des Beklagten lässt sich weder aus §§ 994, 996 BGB, noch aus Bereicherungsrecht herleiten.

aa) Der Beklagte hat keine Verwendungen dargelegt. Die Kosten des Erwerbs in den 20er Jahren selbst sind keine Verwendungen (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.1989, V ZR 143/87, NJW 1990, 470). Darunter sind nur solche Vermögensaufwendungen zu verstehen, die der Sache zugute kommen sollen. Es muss sich daher um Maßnahmen handeln, die der Erhaltung, wie der Herstellung oder Verbesserung der Sache dienen. Solche Verwendungen hat der Beklagte nicht dargetan. Allein der Hinweis auf den Wert des Gebäudes reicht dazu nicht aus.

Im Übrigen sind Ansprüche des Beklagten nach §§ 994, 996 BGB auf Verwendungsersatz nach § 1002 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil sie nicht innerhalb von sechs Monaten nach Übergabe des Besitzes an die Klägerin rechtshängig gemacht worden sind und die Klägerin diese auch nicht genehmigt hat.

Eine Genehmigung seitens der Klägerin liegt nicht vor. Die Besitzübergabe erfolgte am 12.01.1998. Gegenansprüche des Beklagten wurden erst mit Erhebung der Eventualwiderklage rechtshängig gemacht.

bb) Der Beklagte hat auch keinen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. HS BGB.

Das Besitzrecht aus Rechtsträgerschaft erlosch am 02.10.1990, dasjenige aus dem Moratorium am 31.12.1994. Bei solchen Rechtsveränderungen auf Grund gesetzlicher Anordnung (hier des Rechts der Wiedervereinigung) muss nach dem Zweck der einschlägigen Bestimmungen entschieden werden, inwieweit die Zuweisung der Rechtstitel zugleich Rechtsgrund gegenüber dem verlierenden Teil (früheren Berechtigten) war oder ob diese Wertverschiebung durch Anwendung des allgemeinen Bereicherungsrechts auszugleichen ist. Letzteres ist zu verneinen. Die Vermögensverschiebung ist möglicherweise (bei unterstellter Richtigkeit des Vortrags des Beklagten) Folge einer unvollständigen Wiedergutmachung von Unrecht in der NS-Zeit.

Das ordentliche Gericht darf jedoch nicht Fehlentscheidungen der für die Entscheidung über Wiedergutmachungsansprüche zuständigen Behörden und Verwaltungsgerichte oder Unvollständigkeiten im Wiedergutmachungsrecht dadurch korrigieren, dass es dem Geschädigten, der nicht restitutionsberechtigt ist, einen Ausgleichsanspruch in Form eines Wertersatzes nach Bereicherungsrecht gegenüber den Körperschaften des öffentlichen Rechts der Bundesrepublik zuerkennt, die durch den Einigungsvertrag vormals volkseigenes Eigentum erworben haben.

Die Gemeinschuldnerin ist als nicht restitutionsberechtigt zu behandeln. Dies steht nach der Ablehnung ihres Antrages durch den Bescheid des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen des Landratsamtes vom 07.03.1995 (Anlage K6) fest. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden. Die Zivilgerichte sind an diese Feststellungen gebunden (Tatbestandswirkung). Ob und inwieweit dem Beklagten noch Entschädigungsansprüche zustehen, ist ebenfalls hier nicht zu entscheiden.

Die Tatbestandswirkung einer bestandskräftigen Abweisung eines Restitutionsanspruchs hat dann zur Folge, dass die Gemeinschuldnerin auch vor den Zivilgerichten keinen Anspruch auf Ausgleich der dadurch erlittenen Rechtsnachteile geltend machen kann. Die Gemeinschuldnerin steht bezüglich des Verlustes ihres Rechts zum Besitz aus erloschener Rechtsträgerschaft anderen Genossenschaften gleich, denen in der SBZ- und DDR-Zeit Rechtsträgerschaften an Grundstük-ken übertragen wurden, die diesen nicht zwischen dem 31.03.1933 und dem 08.05.1945 (rechtmäßig oder durch staatliches Unrecht) entzogen worden waren. Für den Wegfall unentgeltlich übertragener Besitz- und Nutzungsrechte hat der Gesetzgeber keinen Ausgleichsanspruch begründet. Diese Entschiedung kann nicht über das Bereicherungsrecht korrigiert werden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

III.

Der Streitwert ergibt sich aus den §§ 4, 5 ZPO. Der Wert der Klage und der geltend gemachten Eventualwiderklage war zusammenzurechnen, da auch über die Eventualwiderklage entschieden wurde (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 20.10.1989 - 2 W 181/89 - JurBüro 1990, 246).



Ende der Entscheidung

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