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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 05.04.2002
Aktenzeichen: 21 U 1930/01
Rechtsgebiete: SachenRBerG


Vorschriften:

SachenRBerG § 116 Abs. 1
1. § 116 Abs. 1 SachenRBerG ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 21.01.1999 - 1 BVR 645/96 - ZOV 1999, 111, 112) verfassungskonform dahin auszulegen, dass die vor dem 03.10.1990 bestehende Mitbenutzung eines fremden Grundstücks, zu deren Absicherung die Bestellung einer Dienstbarkeit begehrt wird, mit Billigung staatlicher Stellen der DDR begründet worden sein muss.

2. Die Duldung einer Mitbenutzung durch den Eigentümer des betroffenen Grundstücks vor dem 03.10.1990 reicht zur Begründung eines Anspruchs auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht aus.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 21 U 1930/01

Verkündet am 05.04.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Grunddienstbarkeit

hat der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatznachlass für beide Parteien bis zum 14.03.2002 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richter am Landgericht und Richter am Amtsgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28.06.2001 (Aktenzeichen: 17 O 2377/00) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des im Grundbuch von , Bl. , Flurstück der Gemarkung , eingetragenen Grundstücks zu Lasten der im Grundbuch von , Bl. und , Gemarkung eingetragenen Grundstücke mit den Flurstücks-Nr. und eine Grunddienstbarkeit mit folgendem Inhalt zu bestellen:

Der jeweilige Eigentümer des im Grundbuch von , Bl. , eingetragenen Grundstückes, Gemarkung , Flurstück hat das Recht, den Wirtschaftsweg mit dem Verlauf, wie er sich aus dem dem Urteil als Anlage beigefügten Flurkartenauszug ergibt und dort mit "rot" eingezeichnet ist, von der nördlichen Grenze des Flurstücks Nr. der Gemarkung , Bl. des Grundbuches von , in südlicher Richtung bis zur nördlichen Grenze des Flurstücks Nr. der Gemarkung , Bl. des Grundbuches von und von der nördlichen Grundstücksgrenze des Flurstückes Nr. weiter in südlicher Richtigung bis an die nördliche Grenze des Flurstücks Nr. der Gemarkung in jede Richtung zu begehen und zu befahren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreit werden gegeneinander aufgehoben, mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Anrufung des Amtsgerichts Dippoldiswalde entstanden sind, welche der Kläger allein zu tragen hat.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500,00 EUR abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 5.879,86 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Eintragung eines Wegerechts als Grunddienstbarkeit gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG.

Der Kläger ist seit 1977 zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer des im Grundbuch von auf Bl. eingetragenen Grundstücks, Gemarkung , Flurstück (Lageskizze K 8, Bl. 76 d.A.). Der Erwerb erfolgte aufgrund Kaufvertrages des Staatlichen Notariats Dippoldiswalde vom 27.07.1977 mit den Eheleuten (K 9, Anlagenband). Das Flurstück ist 612 m² groß und mit einem Holzwochenendhaus bebaut. Es hat keinen eigenen Zugang zu öffentlichen Straßen und wurde anlässlich des Erwerbs vom Grundstück der Eheleute (heute Flurstück ) abgeschrieben.

Der Beklagte ist Eigentümer der Grundstücke eingetragen im Grundbuch von auf Bl. und der Gemarkung mit den Flurstücks-Nr. und . Er hat diese Flurstücke nach dem 03.10.1990 von Frau erworben.

Von der öffentlichen Straße " " aus verläuft seit jeher ein Wirtschaftsweg in südlicher Richtung über die Flurstücke und bis zum Haus " " des Zeugen (Flurstück ).

Der Kläger hat behauptet, er habe schon immer den bis zum " " verlaufenden Wirtschaftsweg über die Flurstücke und als Zufahrt genutzt. Zu Beginn sei er dann unmittelbar vor dem Haus Nr. scharf rechts abgebogen und zwischen dem Haus und einem dort befindlichen Brunnen auf dem Flurstück hindurchgefahren (Lichtbilder K 7, Bl. 74 ff.d.A.). In den 80-iger Jahren habe er sich jedoch statt eines Trabants einen Skoda gekauft und mit diesem - größeren - Fahrzeug sei er dann schon unmittelbar hinter dem Haus Nr. abgebogen und über eine dort befindliche und zum Flurstück gehörende Wiese auf das Flurstück und von dort weiter zu seinem Grundstück gefahren. Grund für die geänderte, dem Verlauf des jetzt begehrten Wegerechts entsprechende Fahrstrecke sei das größere Auto gewesen, mit dem ein Umfahren des Brunnens in der bisherigen Weise nicht oder nur schwer möglich gewesen sei.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:

Der Beklagte wird verurteilt, zu Lasten der im Grundbuch von , Bl. und , Gemarkung , eingetragenen Grundstücke mit den Flurstücks-Nr. und eine Grunddienstbarkeit folgenden Inhalts zu bestellen:

Der jeweilige Eigentümer des im Grundbuch von eingetragenen Grundstückes: Gemarkung , Flurstück hat das Recht, den Wirtschaftsweg mit dem Verlauf, wie er sich aus der dem Protokoll als Anlage beigefügten Flurkartenauszug für die Gemeinde das Staatlichen Vermessungsamtes Freiberg ergibt und dort mit gelbem Stift eingezeichnet ist, von der nördlichen Grenze des Flurstücks Nr. der Gemarkung , Bl. des Grundbuches von , in südlicher Richtung bis zur nördlichen Grenze des Flurstücks Nr. der Gemarkung , Bl. des Grundbuches von und von der nördlichen Grundstücksgrenze des Flurstückes Nr. weiter in südlicher Richtigung, dann südwestlicher Richtung bis an die nördliche Grenze des Flurstücks Nr. (früher ) der Gemarkung in jede Richtung zu begehen und zu befahren.

Der Beklagte hat erstinstanzlich beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Beklagte hat behauptet, die vom Kläger geschilderte Zufahrt ab dem Haus Nr. rechts abbiegend über die Wiese habe nie existiert und sei vom Kläger vor dem 03.10.1990 nie genutzt worden. Der beschriebene Weg sei durch Gartenzäune und eine Teppichstange bis zum Jahr 1992 versperrt gewesen. Der Kläger habe immer den Brunnen umfahren. Eine andere Zuwegung sei auch nicht erforderlich. Ein Überfahren seiner Wiese habe die völlige Wertlosigkeit seines Grundstückes und damit einen Schaden in Höhe von DM 130.000,00 zur Folge. Dies sei unzumutbar.

Das Landgericht hat zur Frage der Nutzung des Weges über die Wiese vor dem 03.10.1990 insgesamt sechs Zeugen vernommen und der Klage im Ergebnis stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Ergebnis der Beweisaufnahme sei bewiesen, dass der Kläger bereits vor dem 03.10.1990 die von ihm jetzt als Wegerecht begehrte Route befahren habe. Die Zuwegung sei zur Erschließung auch erforderlich und ein förmliches Nutzungsrecht sei nicht vereinbart worden. Einwendungen gemäß § 117 Abs. 1 SachenRBerG griffen nicht durch, da nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung des Grundstücks des Beklagten auszugehen sei. Zudem habe der Beklagte in der Verhandlung selbst zugestanden, dass eine Zufahrt um den Brunnen herum mit dem heutigen Pkw nicht mehr möglich sei.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringen die vollständige Klageabweisung begehrt. Insbesondere greift er die Beweiswürdigung des Landgerichts hinsichtlich der strittigen Frage der tatsächlichen Nutzung der jetzt begehrten Zufahrt auch schon vor dem 03.10.1990 an. Eine in sich stimmige, ausdrucksstarke und übereinstimmende Aussage mehrerer Zeugen spräche entgegen dem Landgericht nicht für die Wahrheit der Aussage, sondern dafür, dass es sich um eine abgesprochene Lüge handele. Hierzu bietet er weitere Zeugen an.

Ergänzend trägt der Beklagte vor, der Kläger habe verschwiegen, dass er sich im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf vom Verkäufer durch den privatschriftlichen "Kauf-Nutzungsvertrag" vom 15.12.1976 ein Wegerecht über dessen Grundstück habe gewähren lassen (K 1, Bl. 173 ff.d.A.).

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28.06.2001, Aktenzeichen: 17 O 2377/00, wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bietet zu dem streitigen Punkt der tatsächlichen Nutzung seinerseits weitere Zeugen an.

Zur Ergänzung der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in erster und zweiter Instanz zur Akte gereichten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen. Der Senat hat die mündliche Verhandlung am 07.02.2002 durchgeführt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache teilweise Erfolg, denn dem Kläger steht zwar gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG ein Anspruch auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit als Wegerecht im Umfang der ursprünglichen, d.h. nach Erwerb des Grundstücks begründeten Zufahrtsnutzung zu (I.), nicht aber in Art und Umfang der vom Kläger später veränderten tatsächlichen Nutzung (II.).

I.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit in dem zuerkannten Umfang gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG zu, denn der Anwendungsbereich des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ist eröffnet (1.), der Kläger ist Mitnutzer der zu belastenden Grundstücke (2.), die Nutzung ist vor Ablauf des 02.10.1990 begründet worden (3.), die Nutzung ist für die Erschließung eines Grundstücks des Klägers erforderlich (4.), ein entgegenstehendes Mitbenutzungsrecht gemäß den §§ 321, 322 ZGB ist nicht begründet worden (5.) und die Mitnutzung der zu belastenden Grundstücke ist mit Billigung staatlicher Stellen der DDR erfolgt (6.). Dem Anspruch steht weder entgegen, dass der Kläger nicht alleiniger Eigentümer des begünstigten Grundstücks ist (7.) noch die durch den Beklagten erhobene Einrede gemäß § 117 SachenRBerG (8.).

1. Die Anwendbarkeit des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes ist hinsichtlich des Bereinigungsanspruches gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG auch dann eröffnet, wenn zwar die Mitnutzung eines fremden Grundstücks besteht, auf diesem fremden Grundstück aber durch den Anspruchsteller weder bauliche Anlagen noch sonstige Investitionen errichtet bzw. vorgenommen worden sind.

Zwar ergibt sich die Anwendbarkeit des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes grundsätzlich aus § 1 SachenRBerG. § 1 Abs. 1 Nr. 4 SachenRBerG bestimmt, dass das Gesetz Rechtsverhältnisse an Grundstücken in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet regelt, auf denen andere natürliche oder juristische Personen als der Grundstückseigentümer bauliche Erschließungs-, Entsorgungs- oder Versorgungsanlagen, die nicht durch ein mit Zustimmung des Grundstückseigentümers begründetes Mitbenutzungsrecht gesichert sind, errichtet haben.

Doch verlangt § 116 Abs. 1 SachenRBerG nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte (vgl. dazu BT-Drucks. 12/5992, Seite 179) und Sinn nur, dass vor dem Beitritt eine für die Erschließung oder Entsorgung des eigenen Grundstücks oder Bauwerks erforderliche Nutzung begründet wurde. An eine Investition des Nutzers auf dem fremden Grundstück knüpft § 116 Abs. 1 SachenRBerG, anders als andere Bereinigungstatbestände des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes nicht an. Wie sich aus dem negativen Tatbestandsmerkmal des § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG, wonach die Begründung eines Mitbenutzungsrechts gemäß den §§ 321, 322 ZGB unterblieben sein muss, ergibt, tritt der Bereinigungsanspruch des § 116 Abs. 1 SachenRBerG insoweit an die Stelle des nicht zustande gekommenen Mitbenutzungsrechts, das ebenfalls keine Investition des Berechtigten, sondern lediglich ein berechtigtes Interesse voraussetzte (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.2000, V ZR 203/99, WM 2000, 1163; a.A. LG Chemnitz, Urteil vom 17.03.1998, 6 S 4900/97, VIZ 1998, 585).

2. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass der Kläger die Grundstücke des Beklagten im Umfang des zuerkannten Wegerechts tatsächlich als Zufahrt bzw. Zuwegung seines Grundstückes nutzt.

3. Diese Mitnutzung der Grundstücke des Beklagten wurde -was ebenfalls zwischen den Parteien unstreitig ist - vor dem 03.10.1990, nämlich im Zusammenhang mit dem Erwerb des klägerischen Grundstücks aufgrund des Kaufvertrages des Staatlichen Notariat Dippoldiswalde vom 27.07.1977 (Anlage K 9, Anlagenband) begründet.

4. Diese Nutzung der Grundstücke des Beklagten ist auch für die Erschließung des klägerischen Grundstücks erforderlich.

Erforderlich im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG ist eine Nutzung, wenn sie den gesetzlichen Zwecken, also der Erschließung oder Entsorgung des eigenen Grundstücks oder Bauwerkes objektiv dient und die Zweckerreichung auf anderem Wege kostspieliger, technisch aufwendiger oder anderweitig belästigender wäre (vgl. KG, Urteil vom 18.11.1998, 11 U 1664/98, VIZ 1999, 356, 359; OLG Dresden, Urteil vom 21.06.1999, 17 U 3693/98, VIZ 2000, 428, 429).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn das Grundstück des Klägers verfügt über keinerlei eigene Zufahrt zu öffentlichen Straßen oder Wegen.

Auch eine andere, bereits bestehende Zufahrtsmöglichkeit zu öffentlichen Straßen oder Wegen über fremde, aber nicht dem Beklagten gehörende Grundstücke ist weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die - mögliche - erstmalige Schaffung einer solchen alternativen Zuwegung wäre in jedem Fall kostspieliger als die Nutzung der bestehenden Zufahrtsmöglichkeit und steht deren Erforderlichkeit daher nicht entgegen.

5. Ein Mitbenutzungsrecht gemäß den §§ 321, 322 ZGB ist hinsichtlich des hier begehrten Wegerechts unstreitig nicht vereinbart worden.

Dem steht die mögliche Vereinbarung eines Mitbenutzungsrechts gemäß den §§ 321, 322 ZGB in § 4 des "Kauf-Nutzungsvertrages" vom 15.12.1976 zwischen dem Kläger und Herrn nicht entgegen, denn das dort bezeichnete Wegerecht stellt zu dem hier zuerkannten Wegerecht keine Alternative, sondern eine notwendige Ergänzung dar.

6. Die Mitnutzung der Grundstücke des Beklagten durch den Kläger in Form und Umfang des jetzt zuerkannten Wegerechts ist auch mit der für einen Anspruch gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG erforderlichen Billigung staatlicher Stellen der DDR (a) erfolgt (b).

a) Zwar ist im Text des § 116 Abs. 1 SachenRBerG eine solche Billigung der Mitnutzung durch staatliche Stellen der DDR nicht erwähnt, doch ist die Vorschrift verfassungskonform in diesem Sinne auszulegen.

aa) Mit dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sollten nur solche vom Gesetzgeber nach der Wiedervereinigung vorgefundenen Rechtsverhältnisse sozialverträglich in BGB-konforme Rechtsgestaltungen überführt werden, die durch die Rahmenbedingungen der sozialistischen Planwirtschaft in der Deutschen Demokratischen Republik geprägt und dem Recht des Bügerlichen Gesetzbuches fremd waren. Während das Schuldrechtsanpassungsgesetz der Überführung vertraglicher Nutzungsverhältnisse dient, sollen mit dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz DDR-spezifische dingliche Nutzungsverhältnisse und die aus der mit Billigung staatlicher Stellen erfolgten baulichen Nutzung fremder Grundstücke entstandenen Rechtsverhältnisse an das Recht des Bürgerlichen Gesetzbuches angepasst werden. Für Sachverhalte, die nur durch das Fehlen einer Vereinbarung von Nachbarn über die Bestellung einer Grunddienstbarkeit nach dem BGB oder die Begründung eines Mitbenutzungsrechts nach dem ZGB gekennzeichnet sind, bestand keine Veranlassung, im Gefolge der Wiedervereinigung besondere Überleitungs- oder Überführungsvorschriften zu erlassen. Es war insbesondere nicht geboten, über die nachbarrechtlichen Abreden hinaus, einem Nutzer nach dem 03.10.1990 einen gesetzlichen Anspruch auf Verdinglichung einer allein auf einer faktischen Duldung beruhenden Mitbenutzung fremden Eigentums zu gewähren. Solche Nutzungen beruhen insoweit nicht auf den Bedingungen der sozialistischen, staatlich gelenkten und kontrollierten Bodenordnung in der Deutschen Demokratische Republik. Sie sind vielfach auch in den alten Bundesländern in gleicher Form anzutreffen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 21.01.1999, 1 BvR 645/96, ZOV 1999, 111, 112).

Maßgebend für die einschränkende Auslegung des § 116 Abs. 1 SachenRBerG ist danach, dass eine dem Wortlaut verhaftete Auslegung zu einer Ungleichbehandlung von Nutzungen fremder Grundstük-ke im Beitrittsgebiet im Vergleich zu gleichen Nutzungen fremder Grundstücke in den Altländern führen würde, für die es in diesem Umfang keine Rechtfertigung gibt. Zudem war es auch nicht Zielsetzung des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes, tatsächliche Nutzungsverhältnisse auch dort mit Bestandskraft zu versehen, wo sie weder nach dem Recht noch nach der ständigen Verwaltungspraxis der DDR als rechtmäßig zu beurteilen waren (vgl. Eickmann, SachenRBerG, 7. Lfg. 2/98, § 116 Rn. 3; Smid in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 116 SachenRBerG Rn. 6; a.A. KG, Urteil vom 18.11.1998, 11 U 1664/98, 356 ff.).

Solche sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen werden dadurch vermieden, dass man - wie in den Fällen der baulichen Nutzung nach Kapitel 2 des SachenRBerG auch - den gesetzlichen Anspruch auf Begründung von Dienstbarkeiten nach §§ 116 ff. SachenRBerG an die Voraussetzung bindet, dass der Mitbenutzung eine Billigung staatlicher Stellen im Sinne des § 10 SachenRBerG zugrunde liegt. Vereinbarte widerrufliche Gestattungen der Mitbenutzung oder wie hier die rein faktische Duldung einer unrechtmäßigen Mitbenutzung eines fremden Grundstücks begründen daher keinen Anspruch aus § 116 Abs. 1 SachenRBerG.

bb) Die Anwendung des § 116 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG bei Nichtvorliegen einer Billigung staatlicher Stellen lässt sich auch nicht mit dem Hinweis des Klägers auf den gesetzlichen Anspruch auf Einräumung eines gesetzlichen Mitbenutzungsrechts aus § 321 Abs. 2 ZGB-DDR begründen. Eine solche Nachzeichnung des DDR-Rechts in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 2 Satz 2 SachenRBerG (zu diesem Grundsatz - BGH - Urteil vom 16.10.1998 - V ZR 390/97 - VIZ 1999, 40 ff.) ist nicht gerechtfertigt. Hierfür spricht einmal schon die systematische Erwägung, dass auch die Absicherung der sog. hängenden Fälle nach dem Kapitel 2 des SachenRBerG an zwei Voraussetzungen geknüpft ist, dass 1. die bauliche Nutzung die Begründung eines sog. dinglichen Nutzungsrechts erfordert hätte (Nachzeichnung des DDR-Rechts) und 2., dass die bauliche Nutzung fremden Eigentums mit Billigung staatlicher Stellen erfolgte. An der letztgenannten fehlt es im vorliegenden Fall.

Würde man in den Fällen des § 116 Abs. 1 SachenRBerG die Billigung staatlicher Stellen für entbehrlich halten, ergäbe sich einmal das schon unter aa) dargestellte Problem einer Ungleichbehandlung gleichartiger Mitbenutzungen in Ost- und West-Deutschland. Abgesehen davon erweist sich das Kriterium der Billigung staatlicher Stellen auch bei den nicht nach § 321 Abs. 1, § 322 ZGB-DDR begründeten Mitbenutzungen als unverzichtbar, um nicht zu einer nachträglichen dinglichen BGB-konformen rechtlichen Absicherung auch der eigenmächtig herbeigeführten, gesetzeswidrigen und auch von den staatlichen Stellen nicht gebilligten Mitbenutzungen zu kommen. Ein Mitbenutzungsrecht entstand bei Widerspruch des Nachbarn erst aufgrund gerichtlicher Entscheidung. Der gesetzliche Anspruch aus § 321 Abs. 2 ZGB-DDR ging auch nicht so weit, dass auf die Interessen des benachbarten Grundstückeigentümers keine Rücksicht genommen wurde und so auch eigenmächtige Mitbenutzungen stets nach § 321 Abs. 2 ZGB-DDR rechtlich abgesichert werden konnten.

Richtig ist der auf das Recht der DDR bezogene Einwand des Klägers nur im Ausgangspunkt. Auf der Grundlage des § 321 Abs. 2 ZGB-DDR wurde ein Mitbenutzungsrecht grundsätzlich dann zuerkannt, wenn das Grundstück über keinen eigenen Zugang zur öffentlichen Straße verfügte und eine vormals bestehende Zuwegung vom Nachbarn versperrt wurde (vgl. OG - Urteil vom 14.07.1981 - 2 OZK 17/81 - NJ 1981, 570). Dieser Anspruch war allerdings nicht unbeschränkt. Es war eine Abwägung auch unter Berücksichtigung der Interessen des betroffenen Nachbarn vorzunehmen. Dessen Interessen sollten durch Grundstücksteilungen tunlichst nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass nach der Teilung die Zuwegung für das Trennstück nunmehr über das Grundstück des Nachbarn zu laufen hatte (vgl. Janke, NJ 1983, 17, 18). Soweit das Trennstück über das bisherige (Stamm-)Grundstück erreichbar war, sollte es grundsätzlich bei dieser Form der Zuwegung verbleiben (vgl. auch OG - Urteil vom 29.01.1985 - 2 OZK 44/84 - NJ 1985, 295, 296).

So war es auch hier. Nach dem Vertrag vom 27.07.1977 (Anlage K 9), der beigefügten Liegenschaftskarte mit Datum vom 07.06.1977 und dem eigenen Vortrag des Klägers nutzte er bis Mitte der 80er Jahre die Zuwegung unmittelbar vor dem Haus der Verkäufer Geithner auf deren Grundstück, ohne insoweit das Nachbargrundstück in Anspruch zu nehmen. Die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks erfolgte eigenmächtig erst nach Anschaffung eines größeren Fahrzeugs in der Mitte der 80er Jahre.

Eine solche Mitbenutzung widersprach dem Grundsatz, dass bei Grundstücksteilungen auf das Interesse des Nachbarn grundsätzlich Rücksicht zu nehmen war. Ob diese Mitbenutzung dem gesellschaftlichen Interesse an einer ordnungsgemäßen Nutzung der benachbarten Grundstücke entsprach, und damit den gesetzlichen Anspruch aus § 321 Abs. 2 ZGB-DDR begründet hätte, ist zweifelhaft. Man würde dies nur dann bejahen können, wenn die Inanspruchnahme des Nachbargrundstücks infolge des Erwerbs eines größeren Fahrzeugs im Interesse einer ordnungsgemäßen Nutzung der benachbarten Grundstücke gelegen hätte.

Eine vertragliche Vereinbarung mit der Rechtsvorgängerin des Beklagten oder eine gerichtliche Entscheidung dazu hat es nicht gegeben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass staatliche Stellen diese Zuwegung überhaupt gekannt haben, was Voraussetzung für eine Billigung wäre. Eine solche eigenmächtig begründete Mitbenutzung erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Verdinglichung nach dem gesetzlichen Anspruch aus § 116 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG.

b) Für die Nutzung der Grundstücke des Beklagten in dem Umfang der zuerkannten Grunddienstbarkeit lag dagegen eine Billigung staatlicher Stellen vor.

Sie ergibt sich aus der Genehmigung des Kaufvertrages des Staatlichen Notariats Dippoldiswalde vom 27.07.1997 durch den Rat des Bezirkes Dresden - Liegenschaftsdienst - am 20.09.1977. Die Genehmigung erfolgte auf der Grundlage der Grundstücksverkehrsverordnung vom 16.03.1962 (GBl. II 1963, 159 ff.). Gemäß § 4 Abs. 2 GVVO umfasst die Genehmigung die Bestätigung, dass gegen die Übertragung des Eigentumsrechts baurechtlich und städtebaulich keine Bedenken bestehen. Gemäß § 5 Abs. 5 c GVVO war die Genehmigung zu versagen, wenn durch den Erwerber die ordnungsgemäße Verwaltung und volkswirtschaftlich erforderliche Nutzung des Grundstücks nicht gewährleistet ist. Danach beinhaltete die Erteilung der Genehmigung auch die Feststellung einer bestehenden Erschließung.

Zwar hat der Beklagte bestritten, dass der Flurkartenauszug des Rates des Bezirkes Dresden vom 07.06.1977 zur Vorlage für den Vertragsabschluss beim Staatlichen Notariat Dippoldiswalde damals bereits die farblich rot markierte Eintragung des heute vom Kläger beanspruchten Wegerechts aufwies. Hierauf kommt es indess nicht an, weil auch nach dem Vorbringen des Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für das Flurstück , aus dem das Grundstück des Klägers abgeschrieben wurde, nur diese eine Zuwegung zu einer öffentlichen Straße bestand. Das Fehlen einer anderweitigen Zuwegung ergibt sich aus dem Flurkartenauszug auch ohne die farbige Markierung. Offen wäre danach nur gewesen, wie und ob die weitere Zuwegung zum neuen Grundstück über das Flurstück verläuft. Dies ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

7. Der Kläger kann den Anspruch gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG auch geltend machen, obwohl er nur neben seiner Ehefrau Miteigentümer des begünstigten Grundstücks ist, denn jeder Miteigentümer kann die Ansprüche aus dem Eigentume Dritten gegenüber in Ansehung der ganzen Sache geltend machen, § 1011 BGB.

8. Die durch den Beklagten erhobene Einrede gemäß § 117 Abs. 1 SachenRBerG greift nicht durch, denn in der weiteren Mitbenutzung des auch die Flurstücke 314/2 und erschließenden Zufahrtsweges über die Grundstücke des Beklagten auch durch den Kläger zur Erschließung seines Grundstücks liegt keine erhebliche Beeinträchtigung der Grundstücke des Beklagten. Da es sich hierbei um die einzige Zufahrtsmöglichkeit für das herrschende Grundstück handelt und keine erhebliche Beeinträchtigung des belasteten Grundstücks vorliegt, kann auch kein Überwiegen der Nachteile für das zu belastende Grundstück festgestellt werden.

II.

Demgegenüber hat die Berufung des Beklagten insoweit Erfolg, als das Landgericht dem Kläger auch ein Wegerecht hinsichtlich einer zwischen dem Brunnen und dem Gebäude " Nr. " verlaufenden Umfahrung des Brunnens zugesprochen hat.

Hinsichtlich dieser auch nach dem Vortrag des Klägers von der zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses genutzten Zufahrtsroute abweichenden Zuwegung steht dem Kläger ein Anspruch gemäß § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht zu, denn eine Billigung staatlicher Stellen der DDR liegt hierfür nicht vor. Dies hat der Kläger selbst nicht behauptet und es ist auch sonst nicht ersichtlich. Auf die zwischen den Parteien heftig umstrittene Frage, ob der Kläger diese abweichende Umfahrung bereits vor dem 03.10.1990 genutzt hat, kommt es somit nicht an.

Da der Kläger vorrangig ein Wegerecht unter Einschluss dieser Umfahrung und nur hilfsweise ein Wegerecht auf der ursprünglich genutzten Route begehrt hat, war die Klage insoweit unter teilweiser Aufhebung des landgerichtlichen Urteils abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 92 ZPO. Da der Kläger zwar in laufenden Metern gerechnet mit dem größeren Teil des von ihm begehrten Wegerechts obsiegt hat, er jedoch mit der ihm besonders wichtigen Umfahrung des Brunnens unterlegen ist, erscheint es unter Berücksichtigung des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens angemessen, die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, denn die Rechtssache hat im Hinblick auf die einschränkende Auslegung des § 116 Abs. 1 SachenRBerG grundsätzliche Bedeutung.

Der Streitwert war entsprechend der übereinstimmenden Schätzung der Parteien (11.500,00 DM) auf 5.879,86 EUR festzusetzen, da tatsächliche Anhaltspunkte, die Anlass zu einer abweichenden Festsetzung geben könnten, nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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