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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 13.02.2002
Aktenzeichen: 22 UF 562/01
Rechtsgebiete: GKG


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 2
1. Endet das Rechtsmittelverfahren durch frühzeitige Rücknahme der Berufung gegen den Scheidungsausspruch, kommt wegen geringen Umfangs bei der Streitwertbemessung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG ein Abschlag von dem dreifachen monatlichen Nettoeinkommen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 GKG) in Betracht. Erfolgt die Rücknahme nach Terminsbestimmung aber geraume Zeit vor dem vorgesehenen Termin, kann ein Abzug von 20% angemessen sein.

2. Anders als Sozialhilfe gehört Arbeitslosenhilfe zum Einkommen i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 22 UF 0562/01

des 22. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 13. Februar 2002

In der Familiensache

wegen Ehescheidung

hat der 22. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxx und Richter am Landgericht xxxxxxxxx

beschlossen:

Tenor:

1. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

2. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.105,00 DM festgesetzt.

3. Dem Antragsteller wird für die Rechtsverteidigung gegen die Berufung rückwirkend ab 30.11.2001 Prozesskostenhilfe bewilligt.

Ihm wird Rechtsanwältin xxxxxxxxx, xxxxxxx, beigeordnet.

Gründe:

1.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da sie ihr Rechtsmittel zurückgenommen hat (§§ 515 Abs. 3 ZPO, 26 Nr. 5 EGZPO).

2.

Die Bemessung des Streitwertes des Berufungsverfahrens beruht auf §§ 14 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 GKG, und zwar in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung. Die grundsätzlich ab Beginn des Jahres 2002 geltenden Änderungen durch das Gesetz zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf EURO vom 27.04.2001 (BGBl. I, S. 751 ff.) sind vorliegend nicht zu berücksichtigen, da die Berufung im Jahr 2001 eingelegt worden ist (§ 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GKG). Der Streitwert ist deshalb nicht in EURO, sondern in Deutsche Mark auszudrücken.

2.1.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG ist der Wert der Ehesache unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögensund Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG ist für die EinkommensVerhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen beider Eheleute einzusetzen, wobei nach § 15 GKG für die Wertberechnung der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung maßgebend ist - hier also September 2001.

2.2.

Die Antragsgegnerin erhält eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 1.340,43 DM. Der Antragsteller bezieht seit Februar 2001 Arbeitslosenhilfe in Höhe von (25,86 DM x 365 Tage : 12 Monate =) 786,57 DM monatlich. Arbeitslosenhilfe ist im Rahmen der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen. Sie dient der Bedarfsdeckung und ist als Einkommen zu bewerten (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 250; Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., § 3, Rdnr. 16, Stichwort: Ehesachen; Hartmann, Kostengesetze, 31. Aufl., § 12 GKG, Rdnr. 37). Der hiervon abweichenden Auffassung, nach der Arbeitslosenhilfe - in gleicher Weise wie Sozialhilfe - nicht zum Einkommen i. S. des § 12 Abs. 2 GKG zähle (so OLG Gelle, FamRZ 2000, 1520; OLG Karlsruhe, FamRZ 1998, 572; OLG Bremen, JurBüro 1992, 113), kann nicht gefolgt werden.

Zwar gilt sowohl für die Sozialhilfe als auch für die Arbeislosenhilfe der Grundsatz der Subsidiarität. Danach besteht ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe nur dann, wenn der Erwerbslose bedürftig ist (§ 190 Abs. 1 SGB III), er also seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Die §§ 190 ff. SGB III enthalten jedoch von den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes abweichende und eigenständige Regelungen zu den Voraussetzungen des Bezuges und der Höhe der Arbeitslosenhilfe, zu dem Erlöschen des Anspruchs sowie zum Übergang von Ansprüchen des Arbeitslosen. Weiter ist Sozialhilfe nachrangig gegenüber Arbeitslosenhilfe (§ 2 Abs. 1 BSHG) . Vor allem aber soll die Arbeitslosenhilfe nicht nur die Bedürftigkeit des Arbeitslosen mindern oder beseitigen, sondern ihm auch einen (teilweisen) Ausgleich für entgangenen Arbeitsverdienst verschaffen. Das zeigt sich deutlich darin, dass sie sich in ihrem Umfang an der Höhe des gewöhnlich erzielten Arbeitsentgeltes ausrichtet (§§ 132, 200 SGB III) . Sie muss weder bedarfsdeckend sein, noch findet sie nach oben hin in der Bedarfsdeckung ihre Grenze. Der Arbeitslosenhilfe kommt daher anders als der Sozialhilfe (auch) eine Lohnersatzfunktion zu (vgl. BGH, NJW 1984, 1811, 1812) . Zudem gilt der Grundsatz der Subsidiarität für die Arbeitslosenhilfe nicht uneingeschränkt. So entfällt etwa für Unterhaltsansprüche, die ein volljähriger Arbeitsloser gegen Verwandte hat, die Subsidiarität nach § 194 Nr. 11 SGB III (vgl. auch BSG, FamRZ 1992, 932). Anders als nach § 91 Abs. 1 BSHG setzt die Überleitung von Ansprüchen des Arbeitslosen gegen den Unterhaltspflichtigen auf den Bund gemäß § 203 Abs. 1 Satz 2 SGB III eine unverzügliche Anzeige des Arbeitsamtes an den Leistungspflichtigen über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe voraus. Geschieht dies nicht, erwächst für denjenigen, der dem Arbeitslosen unterhaltspflichtig ist, keine Erstattungspflicht und entfällt gleichfalls die Subsidiarität. In diesem Fall könnte der Berechtigte, dem die Leistungen der Arbeitslosenhilfe verblieben, auch im Rahmen des Unterhaltsrechtes nicht geltend machen, diese seien nicht als Einkommen anzusehen (vgl. BGH, FamRZ 1996, 1067, 1070). Die hiernach bestehenden erheblichen Unterschiede rechtfertigen es daher nicht, Arbeitslosenhilfe ebenso wie Sozialhilfe nicht als "erzieltes Nettoeinkommen" i.S. des § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG zu behandeln.

Für die Streitwertfestsetzung ist demgemäß von einem Monatseinkommen beider Eheleutte in Höhe von (1.340,43 DM + 786,57 DM =) 2.127,00 DM auszugehen. Der gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG zugrunde zu legende dreifache Wert beträgt somit (2.127,00 DM x 3 =) 6.381,00 DM.

2.3.

Da sich nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG auch Umfang und Bedeutung der Sache auf die Streitwertbemessung auswirken, ist weiter zu berücksichtigen, dass das Verfahren zweiter Instanz aufgrund der frühzeitigen Rechtsmittelrücknahme von geringem Umfang war. In Anbetracht dessen, dass aber bereits Termin bestimmt war, erscheint es angemessen, von dem ermittelten Wert in Höhe von 6.381,00 DM (nur) 20 % (= 1.267,20 DM) in Abzug zu bringen (vgl. nicht veröffentlichter Beschluss des Senats vom 11.09.2001, Az. 22 UF 541/00), so dass der Streitwert mit rund 5.105,00 DM zu bemessen ist. Weitere gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG zu berücksichtigende Kriterien sind nicht vorhanden.

2.4.

Eine Streitwerterhöhung gemäß § 17 a Nr. 1 GKG im Hinblick auf das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist nicht vorzunehmen. Denn das Familiengericht hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich ausgesetzt. Demgemäß hat die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung allein den Scheidungsausspruch angefochten.

3.

Dem Antragsteller ist rückwirkend ab Antragstellung Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren zu bewilligen.

3.1.

Dem steht nicht entgegen, dass das Verfahren in der Hauptsache aufgrund der Berufungsrücknahme bereits abgeschlossen ist. Es ist in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass die Prozesskostenhilfe rückwirkend und auch noch nach Abschluss des Verfahrens bewilligt werden kann, wenn der Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen während des Verfahrens gestellt, aber nicht verbeschieden worden ist (vgl. BGH, NJW 1982, 446; OLG Frankfurt, NJW-RR 1995, 703; Zöller-Philippi, a.a.O., § 117, Rdnr. 2 c).

3.2.

Nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ist dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Anordnung einer Ratenzahlung zu gewähren. Auf die Erfolgsaussichten seiner Rechtsverteidigung gegenüber der (zwischenzeitlich zurückgenommenen) Berufung der Antragsgegnerin kommt es nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht an.

Ende der Entscheidung

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