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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 08.11.2001
Aktenzeichen: 22 UF 563/01
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, VAÜG, FGG


Vorschriften:

GKG § 17 a
GKG § 12 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 3
ZPO § 621 e
ZPO § 252
ZPO § 239 ff.
ZPO § 608
ZPO § 624 Abs. 3
ZPO § 621a Abs. 1
ZPO § 606 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 621a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 629a Abs. 2 Satz 1
VAÜG § 2 Abs. 1 Satz 2
VAÜG § 2
FGG § 19 Abs. 1
FGG § 20
FGG § 19
FGG § 53c
1. Entscheidungen, mit denen der Versorgungsausgleich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Überleitung des Versorgungsausgleichs auf das Beitrittsgebiet (VAÜG) ausgesetzt wird, sind nicht mit der befristeten Beschwerde nach § 621 e ZPO, sondern mit einfacher Beschwerde anfechtbar. Das gilt auch, wenn die Aussetzung im Verbundurteil erfolgt.

2. Bei einer Beschwerde gegen die Aussetzung des Versorgungsausgleichs ist es dem Rechtsmittelgericht verwehrt, eine Sachentscheidung zu treffen. Vielmehr ist bei fehlerhafter Aussetzung das Verfahren zur Durchführung des Versorgungsausgleichs an das Familiengericht zurückzuverweisen.

3. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich in diesen Fällen nicht nach § 17 a GKG, sondern nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.


Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 22 UF 0563/01

des 22. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 8. November 2001

In der Familiensache

wegen Ehescheidung hier: Versorgungsausgleich

hat der 22. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxxx, Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxxx und Richter am Amtsgericht xxxxxxxxxxx

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wird die Entscheidung unter Nr. 2 des Endurteils des Amtsgerichtes - Familiengericht - Chemnitz vom 9. August 2001 aufgehoben. Das Verfahren wird zur Entscheidung in der Sache an das Familiengericht zurückverwiesen.

2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 600,00 DM.

Gründe:

I.

Auf den am 14.08.2000 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers hin hat das Amtsgericht - Familiengericht - Chemnitz mit Endurteil vom 9. August 2001 die am 6. September 1980 geschlossene Ehe der Parteien geschieden und gleichzeitig - unter Nr. 2 des Tenors - den Versorgungsausgleich ausgesetzt.

Beide Ehegatten lebten und leben im Gebiet der neuen Bundesländer. In der gesetzlichen Rentenversicherung haben sie daher Anwartschaften erworben, denen Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen. Diejenigen des Antragstellers sind höher als diejenigen der Antragsgegnerin. Sie hat aber noch eine Anwartschaft aus einer privaten Rentenversicherung.

Gegen die Aussetzung des Versorgungsausgleichs richtet sich die Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Sie verweist darauf, dass die Antragsgegnerin Rentnerin ist und deshalb der Versorgungsausgleich durchzuführen sei.

II.

Die Beschwerde ist - als einfache Beschwerde - zulässig und begründet. Allerdings führt sie nur zur Aufhebung der Aussetzung. Zur Sachentscheidung bleibt das Familiengericht berufen.

1.1.

Die Vorschriften des § 621e ZPO, auf deren entsprechende Anwendung § 629a Abs. 2 Satz 1 ZPO verweist, wenn ein Urteil nur insoweit angefochten werden soll, als darin über eine Folgesache der in § 621 Abs. 1 Nr. 6 bezeichneten Art erkannt ist, sind hier nicht anzuwenden. Denn sie gelten nach § 621e Abs. 1 ausschließlich für die Anfechtung von Endentscheidungen. Darunter fallen grundsätzlich nur solche Entscheidungen, die das Verfahren in der Instanz ganz oder in Teilen endgültig abschließen. Die Aussetzung eines Verfahrens bedeutet demgegenüber nur eine vorläufige Regelung, mit der das Verfahren in der Instanz nur aufgeschoben, aber nicht abgeschlossen wird. Das gilt auch für eine Aussetzung des Versorgungsausgleiches nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG. Denn in den Absätzen 2 und 3 des § 2 VAÜG ist ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen das ausgesetzte Versorgungsausgleichsverfahren wieder aufzunehmen ist, und dass in jedem Fall die Durchführung des Versorgungsausgleiches in dem zunächst ausgesetzten Verfahren und nicht etwa in einem neu einzuleitenden gesonderten Verfahren zu erfolgen hat.

Somit sind die Vorschriften des § 621e ZPO auf eine Beschwerde gegen die Aussetzung des Versorgungsausgleiches nicht anwendbar (ebenso OLG Brandenburg in FamRZ 1996, 496 f., 497 und dem zustimmend Zöller/Philippi, 22. Aufl., Rdnr. 8 zu § 621e ZPO und Baumbach/Albers, 59. Aufl., Rdnr. 9 zu § 621e).

Dem steht nicht entgegen, dass die Aussetzung hier in einem Endurteil erfolgt ist, in dem gleichzeitig die Scheidung ausgesprochen wurde. Denn richtigerweise handelt es sich lediglich um ein Teil-Endurteil, weil eine Sachentscheidung über den Versorgungsausgleich noch nicht getroffen wurde.

1.2.

Daraus folgt allerdings nicht ohne weiteres, dass Statthaftigkeit der Beschwerde und Beschwerdeberechtigung sich nach den §§ 19 Abs. 1, 20 FGG richten würden. Als Rechtsgrundlage könnte insoweit stattdessen § 252 ZPO in Betracht kommen. Nach dieser Vorschrift findet gegen eine Entscheidung, durch die aufgrund der Vorschriften dieses Titels oder aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, Beschwerde, im Falle der Ablehnung sofortige Beschwerde statt.

Das sechste Buch der Zivilprozessordnung enthält zwar besondere Vorschriften für das Verfahren in Familiensachen, schließt aber die Anwendung der im ersten Buch enthaltenen allgemeinen Vorschriften (§§ 1 bis 252 ZPO) keineswegs generell aus. Soweit im sechsten Buch das Verfahren in Familiensachen geregelt ist, wird wiederum in den einzelnen Abschnitten nach der Art der Verfahren unterschieden. Während der erste Abschnitt allgemeine Vorschriften für das Verfahren in den in § 606 Abs. 1 Satz 1 ZPO gesetzlich definierten Ehesachen enthält, regelt der zweite Abschnitt das "Verfahren in anderen Familiensachen" und der dritte Abschnitt das "Verfahren in Scheidungs- und Folgesachen". Im ersten und dritten Abschnitt wird in den §§ 608 und 624 Abs. 3 ZPO jeweils ergänzend auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Verfahren vor den Landgerichten verwiesen. Diese Regelungen erklären sich daraus, dass ansonsten, weil die Familiengerichte Abteilungen der Amtsgerichte sind, die Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten im zweiten Abschnitt des zweiten Buches der Zivilprozessordnung (§§ 495 bis 510b) vorrangig anwendbar wären. Eine weitergehende Bedeutung haben die §§ 608 und 624 Abs. 3 nicht; insbesondere lässt sich daraus nicht ableiten, dass die allgemeinen Vorschriften des ersten Buches für die Verfahren in Ehesachen und - wie hier - in Scheidungs- und Folgesachen nicht anwendbar wären.

Eine Einschränkung hinsichtlich der Anwendung der zivilprozessualen Verfahrensvorschriften enthält allerdings § 621a Abs. 1 ZPO. Indessen darf nicht übersehen werden, dass § 621a ZPO im zweiten Abschnitt des sechsten Buches der Zivilprozessordnung steht, der die "allgemeinen Vorschriften für Verfahren in anderen Familiensachen" enthält. § 621a ZPO betrifft daher unmittelbar nur die sogenannten isolierten Familiensachen, nicht aber das Verfahren in Scheidungs- und Folgesachen, das im dritten Abschnitt des sechsten Buches in den §§ 622 bis 630 ZPO gesondert geregelt ist. Indessen entspricht es allgemeiner Auffassung, dass die Aufspaltung der Verfahrensregelungen nach § 621a Abs. 1 ZPO auch insoweit gilt, als über Folgesachen im Verbund mit der Scheidungssache entschieden wird (KG, FamRZ 1984, 495, rechte Spalte; OLG Hamm, FamRZ 1980, 702 ff, 703 linke Spalte; Baumbach/Albers, 59. Aufl., Rdnr. 1 zu § 621a und Zöller/Philippi, 22. Aufl., Rdnr. 2 zu § 621a). Folgt man dem, so könnte, weil in § 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO auch für das Versorgungsausgleichsverfahren (Familiensache nach § 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) auf die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit verwiesen wird, daraus abgeleitet werden, dass für die Anfechtung der Aussetzung § 19 FGG maßgebend ist (so OLG Brandenburg in FamRZ 1996, 497 und Zöller/Philippi, Rdnr. 27 zu § 621a).

Von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 621a Abs. 1 ZPO für den im Scheidungsverbund durchzuführenden Versorgungsausgleich geht auch der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 15.02.1984 (NJW 1984, 2829 ff., Seite 1830 rechte Spalte) aus. Gleichwohl wendet er für den Fall des Todes einer Partei die in § 239 ff. ZPO getroffenen Regelungen sinngemäß an, und zwar mit der Begründung, dass das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit den § 239 ff. ZPO vergleichbare Regelungen nicht enthalte. Diese Erwägungen treffen nicht nur für die verfahrensmäßigen Folgen beim Tod einer Partei, sondern ganz allgemein zu für die Unterbrechung und Aussetzung eines Verfahrens und die Frage, welche Rechtsmittel gegen entsprechende Entscheidungen gegeben sind. Zwar enthält § 53c FGG Vorschriften über die Aussetzung des Verfahrens über den Versorgungsausgleich. Sie betreffen aber weder den hier vorliegenden Fall einer Verfahrensaussetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 VAÜG, noch regeln sie, inwieweit eine Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens anfechtbar ist.

Ob nach alledem die Statthaftigkeit der Beschwerde der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus § 19 Abs. 1 FGG oder aus § 252 ZPO (so wohl auch Bergerfurt "Der Ehescheidungsprozess", 11. Aufl., Rdnr. 277) folgt, kann indessen dahingestellt bleiben. Denn sowohl nach der einen wie nach der anderen Vorschrift ist gegen eine Aussetzungsentscheidung die einfache Beschwerde statthaft.

1.3.

Die Beschwerdeberechtigung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ergibt sich zum einen daraus, dass sie gemäß § 53b Abs. 2 Satz 1 FGG an dem Versorgungsausgleichsverfahren beteiligt ist und zum anderen daraus, dass sie durch die Aussetzung des Verfahrens in ihren Rechten beeinträchtigt wird. Sie hat ein berechtigtes Interesse an einer baldmöglichen Sachentscheidung, weil andernfalls die grundsätzlich ausgleichsberechtigte Antragsgegnerin eine zu geringe Rente erhält. Schließlich spricht für eine Beschwerdeberechtigung des Versorgungsträgers auch die Vorschrift des § 2 Abs. 2 VAÜG, wonach nach einer Verfahrensaussetzung unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG auch der Versorgungsträger berechtigt ist, einen Antrag auf die Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen.

2.1.

Die Beschwerde ist auch begründet. Das Familiengericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen, nach denen bereits vor der Einkommensangleichung der Versorgungsausgleich durchzuführen ist, nicht gegeben wären.

Ausweislich der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Sachsen vom 14.02.2001 hat der Antragsteller in der Ehezeit angleichungsdynamische Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 872,72 DM erlangt. Die ehezeitlichen Anwartschaften der Antragsgegnerin in der gesetzlichen Rentenversicherung sind ebenfalls angleichungsdynamisch und belaufen sich auf 404,08 DM. Sie hat aber darüber hinaus bei der xxxxxxx Lebensversicherung AG ein Anrecht auf eine Rente, für das zum Ende der Ehezeit ein Deckungskapital in Höhe von 5.763,80 DM zur Verfügung stand. Dieses Anrecht ist nicht angleichungsdynamisch i.S. des § 1 Absätze 2 oder 3 VAÜG. Damit liegen zwar die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 VAÜG nicht vor. Da aber die Antragsgegnerin Rentnerin ist, sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 VAÜG für die Durchführung des Versorgungsausgleiches gegeben. Die Aussetzungsentscheidung ist daher aufzuheben.

2.2.

Eine abschließende Sachentscheidung kann der Senat, obwohl die Sache zur Entscheidung reif ist, nicht treffen. Denn die Beschwerde nach § 252 ZPO eröffnet nur die Nachprüfung der Entscheidung auf Verfahrensfehler, so dass es dem Beschwerdegericht verwehrt ist, anstelle des erstinstanzlichen Gerichtes eine Sachentscheidung zu treffen (Zöller/Greger, Rdnr. 3 zu § 252 ZPO). Nichts anderes könnte gelten, wenn man die Anfechtbarkeit der Aussetzung auf § 19 FGG gründet (so OLG Brandenburg, FamRZ 1996, 496 f., 477). Zur Sachentscheidung ist das Verfahren daher an das Familiengericht zurückzugeben.

3.1.

Die Entscheidung darüber, dass Gerichtskosten über das Beschwerdeverfahren nicht erhoben werden, beruht auf § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG. Diese Vorschrift und nicht etwa die entsprechende Regelung der Kostenordnung ist hier anzuwenden, weil § 1 Abs. 2 Satz 1 GKG bestimmt, dass die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes auch für die sogenannten FGG-Familiensachen gelten, wenn sie Folgesachen einer Scheidungssache sind.

3.2.

Im Übrigen gilt für die Kostenentscheidung die Grundregel des § 93a Abs. 1 Satz 1 ZPO, von der abzuweichen kein Anlass besteht. Diese Vorschrift und nicht etwa § 13a FGG ist maßgebend, weil die Zivilprozessordnung die Kosten im Verbundverfahren ausdrücklich regelt und daher die Kostenvorschriften der Zivilprozessordnung eine nach § 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO vorrangige Sonderregelung darstellen (vgl. Johannsen/Henrich/Thalmann, 3. Aufl., Rdnrn. 97 und 98 und die Übersicht Rdnr. 117, Seiten 1652/1653 zu § 621 ZPO).

3.3.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich nicht nach § 17a GKG, da diese Vorschrift ihrem Sinn nach nur das Hauptsacheverfahren zum Versorgungsausgleich betrifft. Maßgebend für die Wertbemessung ist vielmehr gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 erster Halbsatz ZPO. Bei der Beschwerde gegen eine Aussetzung kommt es auf das Interesse des Rechtsmittelführers an, dass eine Aussetzung unterbleibt.

Dieses Interesse ist regelmäßig mit einem Bruchteil der Hauptsache zu bewerten (ebenso Zöller/Herget, Rdnr. 16 zu § 3 ZPO, Stichwort "Aussetzungsbeschluss"). Der Senat hält daher eine Wertbemessung mit einem Betrag, der innerhalb der ersten, bis 600,00 DM reichenden Gebührenstufe liegt, für angemessen.

Ende der Entscheidung

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