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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 24.10.2000
Aktenzeichen: 23 U 1660/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB §§ 537 ff.
BGB § 242
Leitsatz:

§§ 537 ff. BGB, 242 BGB

Nimmt der Vermieter in dem Einkaufszentrum, in welchem sich die Mieträume befinden, Umbauarbeiten vor, die zu einer Änderung des Kundenverhaltens führen (hier: die Kunden passieren den vermieteten Laden im Anschluss an den Einkauf im Supermarkt mit gefülltem Einkaufswagen), steht dem Mieter ein Recht zur Mietminderung nach § 537 BGB nicht zu.

Eine allgemeine Aufklärungspflicht des Vermieters hinsichtlich geplanter Umbaumaßnahmen besteht nicht. Hinweispflichtig ist er dem Mieter bei Abschluss des Mietvertrages nur, wenn ihm bekannt ist, dass die bevorstehenden Umbauten wegen der Lage des gemieteten Ladens für den Mieter nachteilige Auswirkungen (etwa wegen einer Änderung der Kundenströme) haben können.

Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 24.10.2000 - Az. 23 U 1660/00 -


Oberlandesgericht Dresden Im Namen des Volkes! Urteil

Aktenzeichen: 23 U 1660/00 14 O 5865/99 LG Dresden

Verkündet am 24.10.2000

Die Urkundsbeamtin: Justizobersekretärin

In dem Rechtsstreit

Kläger und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Beklagte / Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

wegen Mietzinsansprüchen aus Gewerbemiete

hat der 23. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.10.2000 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , Richterin am Landgericht und Richter am Landgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18.05.2000 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. Zivilkammer des Landgerichts Dresden - 14 O 5865/99 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 30.243,57 DM zuzüglich 4 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 22.947,10 DM seit dem 18.09.1999 sowie aus weiteren 7.296,47 DM seit dem 12.02.2000 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Streitwert des Berufungsverfahrens und Beschwer der Beklagten: 18.146,13 DM.

Zum Sachverhalt

Die in der Form einer GbR verbundenen Kläger haben mit der Beklagten im Oktober 1994 einen Mietvertrag über im Erdgeschoss und Obergeschoss des Einkaufszentrums gelegene Gewerberäume mit einer Gesamtfläche von rund 633 m² geschlossen. Nach Beendigung dieses Vertrages schlossen die Parteien am 22.12.1995 den hier streitgegenständlichen Vertrag über ein Ladenlokal im Erdgeschoss des Einkaufszentrums; dort betreibt die Beklagte auf einer Fläche von nunmehr rund 130 m² einen Fachmarkt für Jeans und Sportswear. Das Mietverhältnis begann am 01.01.1996, der Vertrag hat eine Laufzeit von 5 Jahren. Die vereinbarte Miete betrug einschließlich Betriebskostenvorauszahlung und Umsatzsteuer monatlich 8.468,18 DM.

Die Beklagte hat die Miete rückwirkend ab Mai 1998 um 20 % gemindert, nachdem es in dem Einkaufszentrum im Frühjahr 1998 zu Umbaumaßnahmen gekommen war. Dabei wurden im nordöstlichen Teil des Centers Rollsteige errichtet, über welche die Kunden im Gebäudeinneren in das Obergeschoss und von dort in die Verkaufsräume des Hauptmieters des Centers, der Firma gelangen können. Der Laden der Beklagten befindet sich unmittelbar neben dem im Erdgeschoss gelegenen Ein- bzw. Ausgang zum .

Die Beklagte macht geltend, sie habe Anspruch auf Herabsetzung der Miete, weil es infolge der Umbauten im Center zu einer Änderung der Kundenströme gekommen sei; die Kunden würden seit dem Einbau der Rollsteige nicht mehr mit dem leeren Einkaufswagen vorbei am Laden in Richtung gehen, sondern über die Rollsteige, so dass sie vor dem Betreten des den Laden nicht mehr passieren würden. Beim Verlassen des mit jetzt gefüllten Einkaufswagen sei die Kaufbereitschaft der Kunden nicht mehr vorhanden, so dass in dem Mietobjekt erhebliche Umsatzeinbrüche eingetreten seien.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und einen Minderungsanspruch der Beklagten verneint.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist nur hinsichtlich eines kleinen Teils der Zinsforderung begründet. Den Klägern, deren Aktivlegitimation nach Vorlage der Zeichnungs- und Gesellschafterlisten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr streitig gewesen ist, stehen gemäß § 535 Satz 2 BGB neben den vom Landgericht bereits zuerkannten restlichen Mieten für die Monate Mai bis Dezember 1999 auch die offenen Mieten für die Monate Dezember 1998 bis Februar 1999 sowie April 1999 zu.

1. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die vertraglich vereinbarte Miete wegen eines Sachmangels oder wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft des Mietobjekts gemäß § 537 Abs. 1, Abs. 2 BGB zu mindern. Dabei kann dahinstehen, ob der Vertrag vom 22.12.1995 in § 1 Abs. 1 oder § 10 Abs. 2 einen zulässigen Ausschluss der Gewährleistung der Vermieter für Sachmängel enthält.

Ein Mangel nach § 537 Abs. 1 BGB besteht in der für den Mieter nachteiligen Abweichung des tatsächlichen Zustands des Mietobjekts von dem vertraglich geschuldeten Zustand. Dabei scheiden jedoch Umstände aus, die die Eignung der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch nur mittelbar berühren; es muss eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache vorliegen (BGH NJW 2000, 1714, 1715). Das kann hier nicht festgestellt werden. Der gemietete Laden kann ungehindert von den Kunden betreten und zum Verkauf von Textilien genutzt werden. Dass die Kundenströme nicht mehr so verlaufen, wie es sich die Beklagte bei Anmietung nach ihrer Darstellung vorgestellt hat, führt nicht zur Annahme eines Sachmangels. Denn es handelt sich dabei nach Maßgabe der angesprochenen Rechtsprechung des BGH nicht um eine unmittelbare, sondern allenfalls eine mittelbare Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebs der Beklagten.

Entgegen der hierzu vertretenen Auffassung der Beklagten scheidet auch eine zugesicherte Eigenschaft i.S.v. § 537 III 1 BGB aus. Hierbei kann es sich zwar auch um eine rechtliche oder tatsächliche Beziehung der Mietsache zur Umwelt handeln, worunter man grundsätzlich durchaus die sog. Kundenakzeptanz eines vermieteten Ladens verstehen könnte. Da diese Beziehung des Mietobjektes zur Umgebung aber ihren Grund in seiner Beschaffenheit selbst haben, von ihm ausgehen und nicht lediglich durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung treten darf, die außerhalb der Mietsache liegen (BGH, a.a.O., 1715), kann die fehlende Kaufbereitschaft der Besucher des Centers im Streitfall eine solche Eigenschaft nicht ausmachen. Zudem fehlt es an einer Zusicherung durch die Kläger. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht.

Nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) und des Oberlandesgerichts Dresden (NZM 1999, 137) können allerdings auch äußere Einflüsse Fehler der Mietsache begründen, beispielsweise die Behinderung des beschwerdefreien Zugangs zu dem gemieteten Laden und die dadurch hervorgerufene Einwirkung auf das Verhalten der Käufer. Darum geht es hier aber nicht, denn unstreitig gelangen die Kunden nach wie vor ungehindert in das Erdgeschoss des Centers, wo sich der gemietete Laden befindet. Nach Darstellung der Beklagten hat sich auch an der Anzahl der Kunden selbst offensichtlich nichts geändert. Sie beklagt nur, dass deren Kaufverhalten jetzt ein anderes sei, weil die Kunden nach dem Verlassen des mit vollem Einkaufswagen keine Bereitschaft mehr verspüren würden, sich in den Laden der Beklagten zu begeben, um dort Kleidung anzuprobieren und ggf. zu erwerben. Dies ist mit einer Behinderung des Zugangs, die Gegenstand der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden war, nicht zu vergleichen und rechtfertigt daher keine Minderung nach § 537 I, II BGB.

2. Soweit sich die Beklagte auf eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage beruft, gilt im Ergebnis das selbe. Die Beklagte trägt als Mieterin des Ladens das geschäftliche Risiko. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin im Mietvertrag eine Übernahme dieses Risikos erklärt hätte; das folgt insbesondere nicht aus den von der Beklagten herangezogenen Vertragsbestimmungen (Sortimentsbeschränkung, Betriebspflicht, Werbegemeinschaft u.a.m.; vgl. hierzu BGH NJW 2000, 1714, 1717).

Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang weiter argumentiert, bei Abschluss des Mietvertrages habe man übereinstimmend die Vorstellung gehabt, durch eine Verlegung des Ladenlokals im Center und die damit geschaffene optimale Lage zum Kundenstrom den geschäftlichen Erfolg des Ladens herbeizuführen, ändert das an der rechtlichen Situation nichts. Denn die beabsichtigte vorteilhafte Lage des Geschäfts zum Kundenstrom ist unstreitig durch die Anmietung des Ladens unmittelbar am Ein- bzw. Ausgang zum geschaffen worden. Dass damals die gemeinsame Vorstellung der Parteien dahin ging, dass die Kunden vor dem Betreten des Supermarkts am Laden der Beklagten vorbeigehen würden, ist demgegenüber weder ersichtlich, noch von der Beklagten so behauptet und auch nicht unter Beweis gestellt. Die Kaufbereitschaft der Kunden war somit auch nach Darstellung der Beklagten keinesfalls Grundlage des Abschlusses des Mietvertrages. Dies könnte allenfalls die Kundenfrequenz gewesen sein, welche sich jedoch - wie schon dargelegt - offensichtlich auch nach dem Umbau nicht verändert hat.

3. Schließlich scheidet auch ein Recht der Beklagten auf Reduzierung der Miete unter dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Verpflichtungen der Kläger bzw. nach den Grundsätzen der positiven Vorderungsverletzung aus.

a) Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 2000, 1714, 1718) kommt allerdings ein solcher Anspruch des Mieters grundsätzlich in Betracht, wenn der Vermieter gegenüber dem Mieter unter Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht schuldhaft unzutreffende Informationen in Bezug auf das Mietobjekt erteilt hat, die keine zusicherungsfähige Eigenschaften i.S.v. § 537 Abs. 2 BGB betreffen. Der Mieter kann unter besonderen Umständen sogar verlangen, dass der Vermieter die Miete reduziert (BGH NJW 1998, 2900).

Die genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall jedoch nicht vor: Trifft es zu, was die Beklagte behauptet, bestand der Plan zur Umgestaltung des Centers bereits bei Abschluss des Mietvertrages Ende 1995. Offensichtlich haben die Kläger die Beklagte darüber zu diesem Zeitpunkt aber nicht informiert; das geschah erst später. Die Kläger haben damit jedoch nicht gegen ihre mietvertraglichen Verpflichtungen verstoßen. Zum einen erscheint es zweifelhaft, ob dem Vermieter gegenüber dem Mietinteressenten und späteren Mieter eine allgemeine Aufklärungspflicht im Hinblick auf derartige Umstände treffen kann. Das ist mit der herrschenden Meinung (Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdn. 158) abzulehnen. Zum anderen bestünde eine darartige Verpflichtung des Vermieters nur im Hinblick auf diejenigen Umstände mit Bezug auf die Mietsache, die für den Vermieter erkennbar von besonderer Bedeutung für den Entschluss des Mieters zur Eingehung des Vertrages sind (BGH, NJW 2000, 1714, 1718).

Im Streitfall kann eine Aufklärungspflicht des Vermieters im Hinblick auf die Umbaupläne vor diesem Hintergrund nicht bejaht werden. Sie würde voraussetzen, dass den Klägern bekannt war, welche Folgen der Einbau der Rollsteige für das Verhalten der Kunden des Centers haben würde. Das ist aber in keiner Weise ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Es fehlt aus diesem Grund auch ein für den Anspruch aus culpa in contrahendo erforderliches Verschulden der Kläger bzw. des für sie tätigen Center-Managements.

b) Ansprüche aus positiver Forderungsverletzung scheiden aus den vorstehenden Gründen ebenfalls aus. Die Kläger waren nicht verpflichtet, die Umbaumaßnahmen mit Rücksicht auf die zu diesem Zeitpunkt nicht erkennbare und nach Darstellung der Beklagten später eingetretene Umleitung der Kundenströme zu unterlassen oder sie anders zu gestalten. Abgesehen davon, dass es auch hier an der Vorhersehbarkeit in der Änderung des Kaufverhaltens der Kunden fehlt, ist offensichtlich die Anzahl der Personen, die das Geschäft der Beklagten passieren, gleichgeblieben oder hat sich nicht wesentlich geändert. Den Klägern kann daher nicht vorgeworfen werden, Umbaumaßnahmen vorgenommen zu haben, die vorhersehbar zu einem Abschneiden des Ladenlokals der Beklagten von den Kundenströmen geführt hat.

Hinzu kommt, dass die Kläger nach Maßgabe von § 10 Abs. 1 des Mietvertrages vom 22.12.1995 das Recht hatten, Umbauarbeiten vorzunehmen, die sie für zweckmäßig halten konnten, weil sie der Modernisierung und besseren Ausnutzung des Gebäudes dienten. Von diesem Recht haben die Kläger hier Gebrauch gemacht, ohne dass festzustellen wäre, dass sie dabei nicht in der gehörigen Art und Weise auf die Belange der Beklagtten Rücksicht genommen hätten.

Ende der Entscheidung

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