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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 18.09.2009
Aktenzeichen: 24 UF 63/09
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 1572 | |
BGB § 1578b | |
ZPO § 323 Abs. 5 |
2. Nachehelicher Unterhalt wegen Krankheit des Berechtigten, die schon in der Ehe begonnen hatte;
Begrenzung und Befristung:
14 Jahre Ehedauer, gemeinsame Tochter volljährig; keine ehebedingten Nachteile; Berechtigte bezieht 684 € EU-Rente; der Verpflichtete kann rund 1.400 € für Unterhalt einsetzen
Eheende: 2000
Unterhalt: 2009 - 2010: 234 €
2011 - 2018: 100 €
Oberlandesgericht Dresden 24. Zivilsenat - Familiensenat - IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Aktenzeichen: 24 UF 63/09
Verkündet am 18.09.2009
In der Familiensache
wegen Ehegattenunterhalt
hat der 24. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.08.2009 durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Söhnen Richterin am Oberlandesgericht Schaaf und Richter am Oberlandesgericht Dr. Hanke
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Chemnitz vom 01.12.2008, Az.: 4 F 450/08, abgeändert und wie folgt gefasst:
Das Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 15.07.2006, Az.: 4 F 1301/05, wird dahingehend abgeändert, dass der Kläger an die Beklagte wie folgt Unterhalt zu zahlen hat:
- vom 01.05.2008 bis zum 31.12.2010: 234,00 EUR
- vom 01.01.2011 bis zum 31.12.2018: 100,00 EUR.
Danach endet die Unterhaltsverpflichtung des Klägers.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen werden Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 3.288,00 EUR.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Abänderung eines Unterhaltstitels wegen nachehelichen Unterhalts.
Die Parteien waren von 1986 bis 2000 verheiratet und haben eine 1986 geborene Tochter. Im Scheidungsverfahren einigten sie sich vergleichsweise darauf, dass der Kläger bis September 2003 580,00 DM monatlich Unterhalt an die Beklagte zu zahlen hatte. Danach sollte neu verhandelt werden. Bei den Neuverhandlungen kam eine Einigung nicht zustande; der Kläger wurde im sodann geführten Unterhaltsrechtsstreit zur Zahlung monatlichen Unterhalts in Höhe von 274,00 EUR verurteilt (Amtsgericht Chemnitz, Urteil vom 15.06.2006, Az.: 4 F 1301/05). Auf den Inhalt dieser Entscheidung wird Bezug genommen.
Die Beklagte leidet unter einer bipolaren Störung in Form einer manisch-depressiven Erkrankung. Sie ist aus diesem Grund erwerbsunfähig und bezieht Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 684,00 EUR monatlich.
Der Kläger erzielt ein monatliches Einkommen in Höhe von bereinigt 1.242,51 EUR. Wegen der genauen Berechnung des Einkommens wird auf die Darstellung in der familiengerichtlichen Entscheidung Bezug genommen.
Der Kläger lebt in einer neuen Lebensgemeinschaft und ist Vater einer weiteren, am ......2005 geborenen Tochter.
Der Kläger hat gemeint, er sei in der titulierten Höhe nicht mehr zur Zahlung verpflichtet, da er nicht nur seine jüngere Tochter zu unterhalten habe, sondern auch seine Lebensgefährtin. Hinzu kämen Betreuungskosten für den Kindergarten in Höhe von 108,00 EUR. Mit der Heraufsetzung des Selbstbehalts ergebe sich für ihn daher eine maximale Zahlungsverpflichtung in Höhe von 130,00 EUR. Diese sei wegen der zum 01.01.2008 geänderten Gesetzeslage außerdem auf ein Jahr zu befristen.
Die Beklagte hat gemeint, eine Abänderung des Unterhalts sei nicht gerechtfertigt, weil sich das Einkommen des Klägers nicht wesentlich geändert habe. Eine Befristung komme nicht in Betracht, weil sie auch nach der Gesetzesänderung auf den Fortbestand der Unterhaltszahlungen vertrauen dürfe.
Das Familiengericht hat den Unterhaltsanspruch der Beklagten bis zum 30.09.2012 befristet. Eine Änderung der Höhe nach hat es abgelehnt, da die Wesentlichkeitsgrenze nicht überschritten sei.
Gegen diese Entscheidung wenden sich die Beklagte mit der Berufung und der Kläger mit der Anschlussberufung.
Die Beklagte meint weiterhin, eine Befristung des Unterhalts komme nicht in Betracht.
Sie beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 01.12.2008 teilweise abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt er außerdem,
unter teilweiser Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Chemnitz vom 01.12.2008 das Urteil des Amtsgerichts Chemnitz vom 15.07.2006, Az.: 4 F 1301/05, dahin abzuändern, dass der Kläger befristet für ein Jahr ab Klagezustellung einen Unterhalt in Höhe von 130,00 EUR an die Beklagte zu entrichten hat.
Der Kläger meint weiterhin, eine Unterhaltszahlung, die über die 9 Jahre hinausgehe, die er bereits gezahlt habe, sei unbillig und ihm nicht zuzumuten, zumal die Krankheit der Beklagten in der Ehezeit nicht aufgetreten sei.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
II.
Berufung und Anschlussberufung sind zulässig. Beide haben jedoch nur teilweise Erfolg.
Die Beklagte hat gegen den Kläger einen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit aus § 1572 BGB (1.). Der Kläger ist in der tenorierten Höhe leistungsfähig (2.). Der Unterhaltsanspruch ist zeitlich zu befristen, wobei eine längerfristige allmähliche Verringerung des Unterhaltsbetrages angemessen erscheint (3.).
1. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ergibt sich aus § 1572 BGB.
Dass die Beklagte derzeit wegen Krankheit erwerbsunfähig ist, ist unstreitig. Sie leidet seit Jahren an einer schweren depressiven Störung und bezieht aus diesem Grund Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Dies bestreitet auch der Kläger nicht. Wie das Familiengericht geht auch der Senat davon aus, dass die Krankheit bereits während der Ehe auftrat. Dies hat das Familiengericht bereits in der Entscheidung vom 15.07.2006, deren Abänderung hier begehrt wird, festgestellt. Änderungen haben sich insoweit nicht ergeben. Eine andere Beurteilung kommt daher im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht. In Abänderungsverfahren hat das Gericht bei der Prüfung, inwieweit das frühere Urteil aufrechtzuerhalten oder abzuändern ist, diejenigen Verhältnisse, die im Ersturteil festgestellt wurden und unverändert geblieben sind, samt ihrer rechtlichen Bewertung als maßgeblich zugrunde zu legen (Vollkommer in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 323 ZPO, Rdn. 41). Das heißt, der Senat hat ebenso wie das Familiengericht davon auszugehen, dass die Krankheit bereits in der Ehezeit auftrat und dementsprechend der Unterhaltsanspruch der Beklagten ein solcher wegen Krankheit gemäß § 1572 BGB ist. Im Übrigen verweist der Kläger auch im vorliegenden Verfahren zum Beweis für die Behauptung, dass die Krankheit zu Ehezeiten noch nicht bestand, nicht auf neue Erkenntnisse, sondern auf die im damaligen Verfahren vorgelegten ärztlichen Unterlagen. Aus diesen ergibt sich aber klar, dass die Beklagte bereits zu Ehezeiten an der Krankheit litt, die zur dauerhaften Erwerbsunfähigkeit führte. Aus den in der beigezogenen Akte des Amtsgerichts Chemnitz vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen (dort B 3, K 5 und K 11) ergibt sich, dass erste Symptome bereits Jahre vor der Scheidung auftraten und sich die Beklagte jedenfalls seit 1998 in kontinuierlicher psychiatrischer Behandlung befand. Die Scheidung der Parteien erfolgte im Jahr 2000. Damit ist der von § 1572 BGB vorausgesetzte zeitliche Zusammenhang der krankheitsbedingten Bedürftigkeit mit der Ehe gegeben. Auf ein Verschulden kommt es hierbei nicht an.
2. Der Kläger ist bis einschließlich September 2009 in Höhe von 234,00 EUR monatlich leistungsfähig. Insoweit liegt eine Änderung der Verhältnisse vor, die die Wesentlichkeitsgrenze von ca. 10 % überschreitet und die begehrte Abänderung des Unterhaltstitels in diesem Umfang rechtfertigt.
Das Familiengericht hat in der angegriffenen Entscheidung ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 1.242,51 EUR festgestellt. Diese Berechnung begegnet keinen Bedenken und wurde im Berufungsverfahren letztlich auch von keiner der Parteien angegriffen. Sie wird daher auch im folgenden der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt.
Streit herrscht zwischen den Parteien über die Frage, ob die Kindergartenbeiträge, die der Kläger für seine jüngere Tochter in Höhe von 108,00 EUR monatlich an den Montessori-Verein Chemnitz zahlt, von seinem Einkommen in Abzug zu bringen sind. Dies ist der Fall. Denn nach neuerer Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 26.11.2008, Az.: XII ZR 65/07) sind Kindergartenbeiträge in den Tabellenunterhaltsbeträgen nicht enthalten. Sie stellen vielmehr einen Mehrbedarf des Kindes dar, für den beide Eltern anteilig nach ihren (den Selbstbehalt übersteigenden) Einkommen aufzukommen haben. Die Lebensgefährtin des Klägers ist ausweislich der vom Kläger als Anlage zur Klageschrift beigefügten Lohnabrechnungen in einer Praxis für Ergotherapie tätig und verdient dort monatlich brutto 765,00 EUR (netto ca. 607,00 EUR). Dieses Einkommen unterschreitet den eigenen Selbstbehalt; die Zahlung von Kindergartenbeiträgen ist daraus nicht mehr möglich. Der Kläger muss daher die Kindergartenbeiträge aus seinem Einkommen allein zahlen und kann sie deshalb von seinem für Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkommen abziehen.
Der Betrag in Höhe von 108,00 EUR ist auch im vollen Umfang abzuziehen; dieser Betrag entspricht dem, was ein Kindergartenplatz regelmäßig kostet; es ist auszuschließen, dass hierin Essensgeld bereits enthalten ist.
Es verbleibt dem Kläger damit ein Einkommen von 1.134,51 EUR. Sein Selbstbehalt gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau beträgt 1.000,00 EUR (Ziffer 21.4 der Unterhaltsleitlinien des Oberlandesgerichts Dresden vom 01.01.2008); dieser Selbstbehaltsbetrag ist um 10 % zu kürzen, weil der Kläger in einer neuen Beziehung lebt und durch das Zusammenleben Ersparnisse in den Lebenshaltungskosten eintreten.
Bei einem Selbstbehalt von 900,00 EUR kann der Kläger 234,00 EUR Unterhalt zahlen. Dies gilt allerdings nur bis einschließlich September 2009: In diesem Monat zahlt der Kläger, worauf die Beklagte zu Recht hingewiesen hat, die letzte Rate seines Pkw-Kredits von 270,00 EUR monatlich, so dass ihm ein entsprechend höherer Betrag zur Verfügung steht. Allerdings kommt es hierauf letztlich nicht an (s. 3.).
3. Der Unterhaltsanspruch der Beklagten ist zu befristen. Er endet jedoch nicht abrupt im Jahr 2012. Vielmehr ist allmählich auslaufender Unterhalt zu zahlen bis zum Jahr 2018.
Der Unterhaltsanspruch wegen krankheitsbedingter Erwerbsunfähigkeit war bis zur Änderung des Unterhaltsrechts zum 01.01.2008 zeitlich nicht befristbar. Mit der Gesetzesänderung entstand die Möglichkeit, auch krankheitsbedingten Unterhalt nur noch befristet zu zahlen; dies rechtfertigt das Abänderungsbegehren des Klägers. Die Neuregelung erfasst auch Fälle wie den vorliegenden, also solche Unterhaltsansprüche, für die eine rechtskräftige Entscheidung bereits vor der Gesetzesänderung ergangen ist. Eine Übergangsregelung schafft hierzu § 36 EGZPO: Ziffer 1 bestimmt, dass eine Neuregelung wegen des Inkrafttretens des Unterhaltsänderungsgesetzes nur in Betracht kommt, wenn eine wesentliche Änderung der Unterhaltsverpflichtung eintritt und die Änderung dem anderen Teil unter Berücksichtigung seines Vertrauens in die getroffene Regelung zumutbar ist.
Maßgeblich ist daher, inwieweit die Beklagte auf den dauerhaften Fortbestand ihres Unterhaltsanspruchs vertrauen könnte. Diese Entscheidung erfordert eine umfassende Abwägung sämtlicher Gesamtumstände, zu denen neben der Dauer der Ehe und der Erziehung gemeinsamer Kinder die Möglichkeit der Beklagten gehören, für ihren Unterhalt selbst aufzukommen sowie auf Seiten des Klägers die Einschränkungen, die ihm und seiner Familie durch die Unterhaltszahlungen auferlegt werden.
Der Umstand, dass die Beklagte dauerhaft erkrankt und erwerbsunfähig ist, ist eine schicksalhafte Entwicklung. Der Kläger muss für diese Entwicklung im Rahmen der nachehelichen Solidarität mit einstehen. Allerdings rechtfertigt eine derartige Entwicklung eine dauerhafte Unterhaltsverantwortung des geschiedenen Ehegattens für das nicht von ihm zu verantwortende, sondern allein im zeitlichen Zusammenhang mit der Ehe stehende Krankheitsrisiko nicht ohne weiteres.
Ehebedingte Nachteile der Beklagten vermag der Senat nicht festzustellen. Die Beklagte war zu Beginn der Ehe berufstätig und versorgte auch die gemeinsame Tochter der Parteien. Der Umstand, dass sie heute nicht mehr erwerbsfähig ist, beruht nicht auf Entscheidungen, die beide Parteien während der Ehezeit getroffen haben, sondern auf ihrer Krankheit. Die Tochter der Parteien ist volljährig; ein Betreuungsbedarf besteht hier nicht mehr.
Die Verpflichtung zur Zahlung nachehelichen Unterhalts beruht daher vorliegend nicht darauf, dass ehebedingte Nachteile zu kompensieren sind, sondern allein auf der nachehelichen Solidarität. Die Parteien waren 14 Jahre lang verheiratet. Der Kläger hat regelmäßig und dauerhaft Unterhalt gezahlt, zunächst für die Tochter und die Beklagte, später für die Beklagte allein. Dieser Umstand ist allerdings nicht geeignet, das von der Beklagten geltend gemachte Vertrauen auf lebenslange Unterhaltszahlungen zu begründen. Nach dem Gesetzeswortlaut, nach den Verhältnissen der Parteien und insbesondere vor dem Hintergrund der Ehedauer ist eine Befristung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten möglich und zumutbar.
Bei der Bemessung des künftig zu zahlenden Unterhalts hat der Senat angenommen, dass für die Vergangenheit und für den Zeitraum bis zum 31.12.2010 die Situation der Beklagten weitere Unterhaltsansprüche im - geringfügig reduzierten - Umfang gebietet. Der Kläger ist derzeit leistungsfähig im Umfang von 234,00 EUR; hierbei verbleibt es zunächst, auch nach September 2009.
Vom 01.01.2011 an endet der Unterhaltsanspruch nicht, sondern verringert sich auf 100,00 EUR, die bis zum 31.12.2018 zu zahlen sind. Hintergrund dieser Regelung ist die finanzielle Situation der Beklagten; bei ihrem regelmäßigen geringen Einkommen aus Erwerbsunfähigkeitsrente erscheint ein längerfristiger reduzierter Unterhaltsanspruch sinnvoller als ein auf einen kürzeren Zeitraum befristeter voller Unterhaltsanspruch. Auch für den Kläger erleichtert die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs das Leben seiner neuen Familie.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 8, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Ende der Entscheidung
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