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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 31.05.2002
Aktenzeichen: 3 Ss 165/02
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 242
StGB § 263
Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug bei deliktischem "Einkauf" im Selbstbedienungsladen
Oberlandesgericht Dresden 3. Strafsenat

Beschluss

Aktenzeichen: 3 Ss 165/02

vom 31. Mai 2002

in der Strafsache gegen

wegen Diebstahls

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 11. Oktober 2001 wird als unbegründet verworfen.

2. Jedoch wird der Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Betruges schuldig ist.

3. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 29.06.2001 hat das Amtsgericht Leipzig den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Leipzig am 11.10.2001 als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung des formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, die Revision des Angeklagten durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

1. Die erhobene Aufklärungsrüge ist aus den in der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft Dresden vom 18.4.2002 genannten Gründen unzulässig. Im Übrigen liegen Rechtsfehler bei der Beweiswürdigung, der Strafzumessung sowie der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung nicht vor, weshalb die Revision insoweit auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Dresden gemäß § 349 Abs.2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen war.

Allerdings war der Schuldspruch zu berichtigen.

Das Landgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

"Am 27.04.2000 gegen 17.30 Uhr begaben sich der Angeklagte und der anderweitig Verfolgte M F gemeinsam in die Geschäftsräume der M. GmbH , . Dort entnahmen sie zwei verpackte Druckerpatronen aus einem Warenträger. Der Angeklagte riss die Verpackungen auf, entnahm die Druckerpatronen und warf die leeren Schachteln unter ein Regal. Anschließend begab er sich mit F zu einem Warenträger mit Druckerwalzen, wo einer von beiden im Einverständnis mit dem anderen aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes eine Druckerwalze aus ihrer Schachtel entnahm und stattdessen die beiden Druckerpatronen (Verkaufspreis: 76,99 DM und 69, 99 DM) sowie ein Mikrofon für eine Freisprecheinrichtung (Verkaufspreis: 30,00 DM) in die Verpackung füllte.

Nachdem sie die drei genannten Gegenstände, die sie ohne ordnungsgemäße Bezahlung für sich behalten wollten, auf diese Weise verborgen hatten, begaben sie sich zur Kasse, wo der Angeklagte entsprechend dem Tatplan die äußerlich unveränderte Schachtel der Druckerwalze vorlegte und den darauf mittels eines Strichcodes aufgebrachten Kaufpreis von 11,99 DM entrichtete.

Nach Passieren der Kassenzone wurden der Angeklagte und F von den Ladendetektiven B und S in das Büro gebeten (...)"

Diesen Sachverhalt hat die Kammer ohne nähere Begründung als Diebstahl (§ 242 StGB) und nicht als Betrug (§ 263 StGB) gewertet. Diese rechtliche Beurteilung trifft nicht zu.

Die Tatbestände des Diebstahls und des Betruges schließen einander aus. Für den Diebstahl ist es im Gegensatz zum Betrug kennzeichnend, dass der dem Verletzten zugefügte Schaden ausschließlich durch eine eigenmächtige Handlung des Täters herbeigeführt wird, während er beim Betrug infolge der Vermögensverfügung des (vom Täter getäuschten) Verletzten eintritt (BGHSt 17, 205, 209) . Dabei kommt es für die Abgrenzung von Wegnahme und Vermögensverfügung nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild des Tatgeschehens, sondern maßgeblich auf die Willensrichtung des Getäuschten an. Betrug liegt vor, wenn der Getäuschte auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen hat; Diebstahl ist gegeben, wenn die Täuschung lediglich dazu dient, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern (BGHR StGB, § 242 Abs. 1 Wegnahme 2) . Es kommt mithin darauf an, ob der Geschädigte bewusst über die Vermögensstücke zu Gunsten des Täters verfügt oder ob er den Gewahrsam behalten wollte.

Vorliegend hat der Angeklagte nach den Feststellungen die Verpackung mit den zuvor ausgetauschten Gegenständen an der Kasse zum Bezahlen vorgelegt, der Kassierer hat sodann den für den ursprünglichen Inhalt der Verpackung maßgeblichen Preis kassiert und dem Angeklagten gestattet, mit der Ware den Kassenbereich zu verlassen.

Dies erfüllt den Tatbestand des Betruges gemäß § 263 Abs. 1 StGB.

Der Angeklagte hat den Verkäufer getäuscht, indem er ihm Waren im Gesamtwert von 176,98 DM und nicht zum Preis von 11,99 DM zum Kauf mit anschließender Übereignung vorlegt hat. Der hierdurch getäuschte Kassierer hat irrtumsbedingt nur den geringeren Kaufpreis verlangt und durch Aushändigung der Verpackung mit den hochwertigen Waren eine den M. schädigende Vermögensverfügung getroffen, was der Angeklagte von vornherein beabsichtigt hatte.

Für die Anwendung des § 242 StGB ist dagegen kein Raum.

Diebstahl verlangt einen Gewahrsamsbruch, d. h. die eigenmächtige Aufhebung fremden und Begründung neuen Gewahrsams gegen den Willen des bisherigen Inhabers (BayObLG NJW 1992, 2051). Durch das Verstecken der Gegenstände in der offen zur Kasse getragenen Verpackung hatte der Angeklagte den Gewahrsam des Geschäftsinhabers noch nicht gebrochen, da dieser nach der allgemeinen Verkehrsauffassung noch jederzeit Zugriff auf die Verpackung und deren Inhalt nehmen konnte (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922, 923) . Da der Kassierer die Verpackung nebst Inhalt nach dem Kassiervorgang dem Angeklagten freiwillig übergeben hat, liegt ein Bruch fremden Gewahrsams nicht vor, weil der Wille des Verfügungsberechtigten (hier des Kassierers) einer Gewahrsamsübertragung nicht entgegengestanden hat. Das darin zum Ausdruck gekommene Einverständnis schließt die Wegnahme aus (LK-Ruß, StGB 25. Aufl., § 242 Rdnr. 34 m.w.N.). Der Gewahrsamsübertragungswille des Kassierers bezieht sich hierbei auf den "Gesamtgegenstand", also sowohl auf die Verpackung als auch auf deren Inhalt.

Die vom Amtsgericht zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 41, 198 ff.) steht dem nicht entgegen. Dem dort auf Vorlage des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken zu entscheidenden Fall lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Dort hatte der Täter Waren unter Werbeprospekten im Einkaufswagen versteckt und so vom Kassierer unbemerkt aus den Verkaufsräumen verbracht. Der Bundesgerichtshof hat hierzu entschieden, dass derjenige, der in einem Selbstbedienungsladen eine Ware in seinem Einkaufswagen verbirgt und die Kasse ohne Bezahlung der versteckten Ware passiert, regelmäßig Diebstahl (vollendet oder versucht) und nicht Betrug begeht. Zur Begründung hat er u. a. ausgeführt, dass es regelmäßig an einem auf die Übertragung des Gewahrsams auch an den verborgenen und nicht zur Bezahlung vorgelegten Waren gerichteten Willen des Kassierers fehlen dürfte. Wenn dieser nicht erkennt, dass sich im Einkaufswagen noch weitere Waren befinden, scheidet grundsätzlich schon gedanklich die Annahme bewusster Vermögensverfügung bezüglich dieser Waren aus.

Demgegenüber hat vorliegend der Kassierer willentlich den Gewahrsam an den in der Verpackung befindlichen Gegenständen übertragen, er irrte lediglich über deren Inhalt. Im Unterschied zu dem vom BGH zu beurteilenden Sachverhalt hat hier der Verfügungsberechtigte den konkreten Willen entwickelt, die Verfügungsgewalt über den soeben abkassierten Gegenstand auf den Kunden zu übertragen, mag er auch geglaubt haben, einen anderen Packungsinhalt zu übereignen. Zum Verfügungsbewusstsein des den Gewahrsam an einer Sache übertragenden Getäuschten gehört nicht, dass dieser sich auch der vermögensschädigenden Folge der getroffenen Verfügung bewusst ist (OLG Düsseldorf aaO, m.w.N.).

Nachdem der Senat mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden die Strafverfolgung gemäß § 154 a StPO auf den Tatvorwurf des Betruges beschränkt und eine eventuell tateinheitlich begangene Urkundenfälschung gemäß § 267 Abs. 1 StGB ausgeschieden ist, konnte der Senat den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da das Amtsgericht Leipzig die auf Diebstahl lautende Anklage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Betruges zur Hauptverhandlung zugelassen und in der Sitzung vom 29. Juni 2001 erneut auf die Möglichkeit der Verurteilung wegen Betruges hingewiesen hat.

Im Strafausspruch kann das Urteil bestehen bleiben, weil hier der Rechtsfolgenausspruch von der Änderung des Schuldspruchs nicht beeinflusst wird. Nach der Überzeugung des Senats wäre die erkannte Strafe auch auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs verhängt worden. Diebstahl und Betrug haben den gleichen Strafrahmen; der Unrechtsgehalt der Tat ändert sich nicht durch die anderweitige rechtliche Einordnung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

Trotz Änderung des Schuldspruchs ist das Rechtsmittel erfolglos im Sinne der genannten Bestimmung (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 473 Rdnr. 7 m.w.N.).

Ende der Entscheidung

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