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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 22.03.2002
Aktenzeichen: 3 Ss 89/02
Rechtsgebiete: JGG
Vorschriften:
JGG § 17 Abs. 2 |
Oberlandesgericht Dresden 3. Strafsenat
Beschluss
Aktenzeichen: 3 Ss 89/02
vom 22. März 2002
in der Strafsache gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Riesa vom 10. September 2001 mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an ein anderes Jugendschöffengericht des Amtsgericht Riesa zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 10. September 2001 hat das Amtsgericht Riesa - Jugendschöffengericht - den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung und der Sachbeschädigung schuldig gesprochen und gegen ihn eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt. Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung hat es für die Dauer von sechs Monaten ausgesetzt und ihm die Auflagen erteilt, sich sowohl einem Betreuungshelfer als auch einem Bewährungshelfer zu unterstellen, eine ihm angebotene berufsbildende Maßnahme unverzüglich zu beginnen und 50 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten.
Hiergegen wendet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, wobei er mit der Verfahrensbeschwerde die Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist rügt und die allgemeine Sachrüge erhebt.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das Urteil wegen Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist aufzuheben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Riesa zurückzuverweisen.
II.
1. Das Amtsgericht Riesa hat nach zweitägiger Hauptverhandlung am 10. September 2001 das angefochtene Urteil verkündet. Gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO endete die Fünf-Wochen-Frist, binnen derer die Urteilsurkunde zu den Akten zu bringen war am 15. Oktober 2001. Zur Akte gelangt ist die Urteilsurkunde jedoch erst am 22. Oktober 2001. Ein nicht voraussehbarer unabänderlicher Umstand im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO ist nicht ersichtlich.
Der unbedingte Revisionsgrund des § 338 Nr. 7 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen.
2. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Das Amtsgericht stützt seine Rechtsfolgenentscheidung, gegen den Angeklagten eine Jugendstrafe zu verhängen, auf § 17 Abs. 2 JGG, der Schwere der Schuld und führt insoweit aus, dass eine erhebliche Schuldschwere bei der unter 2. genannten Handlung vorliege, da der Angeklagte in menschenverachtender Weise gehandelt habe und nur mit dem Ausspruch einer Jugendstrafe reagiert werden könne. Ferner führt es aus, dass die Verhängung einer Jugendstrafe von einem Jahr notwendig sei, um erzieherisch auf den Angeklagten einzuwirken.
Das Amtsgericht hat insofern folgenden Sachverhalt festgestellt:
"Am 23.10.2000 zwischen 13.00 und 14.00 Uhr schoss der Angeklagte mit einem Luftdruckgewehr absichtlich und gezielt auf den Geschädigten D R um ihn zu treffen und zumindest nahm er billigend in Kauf, dass er dadurch Verletzungen erleiden könnte. D R erlitt hierdurch heftige Schmerzen und wurde durch das verschossene Diabolo am Knie verletzt. Das Diabolo blieb im Knie stecken und mußte ambulant im Krankenhaus Riesa ärztlich versorgt werden."
Schwere der Schuld ist vor allem dann zu bejahen, wenn der Jugendliche ein Kapitalverbrechen begeht (BGHR, JGG § 17 Abs. 2, Schwere der Schuld 2; OLG Hamm, StV 2001, 175) . Zwar können auch andere, besonders schwere Taten allein wegen der Schwere der Schuld die Verhängung von Jugendstrafe erfordern (BGH VRS 13, S. 125), doch kann ein Vergehen mit vergleichsweise geringem (zurechenbarem) Schaden, auch wenn es "bedenkenlos" begangen wird, die Schwere der Schuld nicht begründen, wenn das Gewicht der Tat gering ist (BGHR, JGG, § 17 Abs. 2 Schwere der Schuld 2.; OLG Hamm StV 2001, S. 175; Eisenberg, JGG 9. Aufl., § 17 Rdnr. 32). Daher sind auch für die Frage, ob und in welcher Höhe die "reine Schuldstrafe" nach § 17 Abs. 2 JGG verhängt werden soll, in erster Linie die erzieherischen Auswirkungen der Strafe auf den Jugendlichen maßgebend (vergl. BGHSt 15, 224: das "Wohl" des Jugendlichen). Von entscheidender Bedeutung sind die charakterliche Haltung und das gesamte Persönlichkeitsbild des Täters (KG Berlin, Beschluss vom 25. März 1998, Az.: (4) 1 Ss 62/98). Nach ihnen ist zu beurteilen, ob die Verhängung der Jugendstrafe erforderlich ist. Der äußere Unrechtsgehalt hat demgegenüber keine selbstständige Bedeutung. Er ist im Wesentlichen für die Frage heranzuziehen, welche Schlüsse er auf die Persönlichkeit des Täters und seine Schuld zulässt (BGH aaO; zustimmend Ostendorf, JGG, 5. Aufl., § 17 Rdnr. 5).
Den bisherigen Darlegungen sind ausreichende, die Schwere der Schuld begründende Feststellungen nicht zu entnehmen.
b) Bei der erneuten Prüfung, ob wegen der Schwere der Schuld Jugendstrafe zu verhängen ist, wird das Amtsgericht unter Berücksichtigung der aus § 54 Abs. 1 JGG folgenden, gegenüber § 267 Abs. 3 StPO erhöhten Begründungspflicht (OLG Hamm, StV 2001, 176, 177 m.w.N.), sich damit auseinanderzusetzen haben, aus welchen Motiven der Angeklagte gehandelt hat, welche Ziele er mit dem Schuss verfolgt und welche Vorstellungen er von den eventuellen Folgen seiner Tat gehabt hat. Wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass die Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld in Betracht kommt, wird es sodann prüfen, ob deren Verhängung auch (noch) erzieherisch notwendig ist. Hierbei wird es auch die verbüßte Untersuchungshaft berücksichtigen.
III.
Gemäß §§ 2 JGG, 354 Abs. 2 StPO wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels an ein anderes Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Riesa zurückverwiesen.
Ende der Entscheidung
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