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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 17.10.2007
Aktenzeichen: 3 W 1159/07
Rechtsgebiete: AufenthG, GG, FGG


Vorschriften:

AufenthG § 60a
AufenthG § 62
GG Art. 6
FGG § 29a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Zur Frage, inwieweit die Duldung gem. § 60 a AufenthG der Anordnung von Sicherungshaft entgegenstehen kann.
Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 3 W 1159/07

Beschluss

des 3. Zivilsenats vom 17.10.2007

In dem Abschiebehaftverfahren

wegen Anordnung von Sicherungshaft

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. N , Richter am Oberlandesgericht Dr. H und Richterin am Oberlandesgericht E

beschlossen:

Tenor:

1. Die weitere Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 01.10.2007 (Az.: 1 T 94/07) wird zurückgewiesen.

2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Betroffene ist nigerianischer Staatsangehöriger. Mit Beschluss vom 23.07.2007 ordnete das Amtsgericht Bautzen auf Antrag des Beteiligten vom 16.07.2007 Sicherungshaft für die Dauer von drei Monaten an (Az.: XIV 38/07). Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde sowie den hiermit verbundenen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wies das Landgericht Bautzen mit Beschluss vom 01.10.2007 (zugestellt am 04.10.2007) zurück.

Hiergegen erhebt der Betroffene mit am 08.10.2007 eingegangenem Schriftsatz (sofortige) weitere Beschwerde und beantragt zudem, ihm Prozesskostenhilfe zu gewähren. Der landgerichtliche Beschluss sei rechtsfehlerhaft, da ein Haftgrund nicht auf Umstände gestützt werden dürfe, die bereits vor der Aufhebung des früheren Haftbeschlusses gegeben gewesen seien. Auch sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die Verlobung mit einer deutschen Staatsangehörigen die Fluchtgefahr erhöhe. Entgegen der landgerichtlichen Sicht sei die am 23.07.2007 erfolgte Verhaftung zum Zwecke der Abschiebung vor Ablauf der bis zum 24.07.2007 währenden Duldung rechtswidrig. Darüber hinaus sei die Sicherungshaft nicht mit Verweis auf den für die Organisation eines Fluges notwendigen Aufwand zu rechtfertigen. Zudem sei es nicht zutreffend, dass der Flug bereits organisiert sei; vielmehr seien weitere Abklärungen bei der nigerianischen Botschaft notwendig. Schließlich müsse sich das Landgericht Verfahrensfehler vorwerfen lassen, weil es die Verlobte des Betroffenen nicht angehört und über den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor der persönlichen Anhörung des Betroffenen entschieden und so die Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten verhindert habe. Schließlich sei das Verfahren nicht zügig betrieben worden.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde ist gemäß § 27 Abs. 1, § 29 Abs. 1 und 2, § 22 Abs. 1 FGG, § 3 S. 2, § 7 Abs. 1 FEVG, § 106 AufenthG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung des Landgerichts lässt keine Rechtsfehler im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 2 FGG erkennen, da die Erstbeschwerde des Betroffenen zwar zulässig, aber unbegründet war und deshalb zu Recht zurückgewiesen wurde.

1. Der Betroffene ist infolge rechtskräftiger Ablehnung seines Antrages auf Aberkennung als Asylberechtigter ausreisepflichtig. Die Ausreisepflicht ist insbesondere nicht aufgrund einer vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gemäß § 60a AufenthG entfallen. Die Sicherungshaft gegen den Betroffenen durfte trotz der bis zum 24.07.2007 befristeten Duldung bereits am 23.07.2007 angeordnet werden. Eine Duldung stellt keinen Aufenthaltstitel im Sinne von § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG dar. Sie beseitigt weder die Ausreisepflicht noch deren Vollziehbarkeit; sie setzt nur den Vollzug zeitweilig aus (vgl. Renner, AuslR, 8. Aufl., AufenthG, § 60a Rn. 14 und 28).

2. Aufgrund seiner verfahrensfehlerfrei getroffenen tatsächlichen Feststellungen durfte das Landgericht auch davon ausgehen, dass gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG der begründete Verdacht besteht, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen will.

a) Zu Recht hat das Landgericht aus den Begleitumständen der beiden Abschiebungsversuche am 27.09.2004 und am 06.12.2004 sowie der gegenüber dem Amtsgericht Bautzen abgegebenen Erklärung des Betroffenen, dass es Gründe gebe, warum er nicht nach Nigeria zurück könne, auf eine Entziehungsabsicht geschlossen. Ohne Bedeutung ist hierbei, dass die der landgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Umstände teilweise bereits vor Aufhebung der früheren Haftanordnung gegeben waren. Das Erstbeschwerdegericht hat bei seiner Entscheidung alle bekannten Tatsachen - auch älteren Datums - zu berücksichtigen. Rechtfertigen diese bei Beachtung der jüngeren Entwicklung weiterhin die Annahme, dass der Betroffene die Abschiebung verhindern oder ihr sonst entgehen will, kann auf sie auch eine (erneute) Sicherungshaftanordnung gestützt werden. Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Betroffene selbst nicht behauptet, dass die frühere Anordnung der Sicherungshaft aufgehoben wurde, weil das Landgericht Wiesbaden keine Entziehungsabsicht mehr bejahen wollte.

b) Ebenfalls in nicht zu beanstandender Weise ging das Landgericht davon aus, dass die Abschiebung gemäß § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG in den nächsten drei Monaten durchgeführt werden kann. Es lagen keine konkreten Anhaltspunkte vor, die darauf schließen ließen, dass eine Ausreise des Betroffenen nicht zeitgerecht zu organsieren sei. An dieser Sichtweise ändert nichts, dass die für den 08.10.2007 geplante Abschiebung letztlich wegen eines mit einem falschen Bild versehenen Passersatzdokumentes scheiterte. Dieser Umstand war nicht vorhersehbar, eine Vorlage des Passersatzdokumentes deshalb nicht geboten.

c) Auch der verfassungsrechtliche Schutz der Familie steht der Anordnung von Sicherungshaft nicht entgegen. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die vom Betroffenen angesprochenen Aspekte überhaupt im Rahmen der angegriffenen Haftentscheidung, welche über die Grundvoraussetzungen der Haft nicht zu befinden hat, zum Tragen kommen können oder ob sie nicht vielmehr ausschließlich gegenüber dem für die Abschiebung zuständigen Verwaltungsgericht vorzubringen wären. Jedenfalls war sich das Landgericht der Reichweite des Art. 6 GG bewusst und ist ohne Verfahrensfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass eine mögliche Eheschließungsabsicht die Haftanordnung nicht hindert. Angesichts der in der persönlichen Anhörung des Betroffenen und dem Telefonat mit Frau Anett T erlangten Informationen und des Umstandes, dass noch keine konkreten Maßnahmen für eine Eheschließung in die Wege geleitet wurden, ist nicht zu beanstanden, dass auch nach Vorlage der sehr allgemein gehaltenen eidesstattlichen Versicherung auf eine persönliche Anhörung von Frau Anett T verzichtet wurde.

d) Es war auch verhältnismäßig, die Sicherungshaft während der noch laufenden Duldungsfrist anzuordnen. Angesichts des unmittelbar bevorstehenden Fristablaufs durfte die Haft zur Sicherung der Abschiebung bereits am Vortag angeordnet werden. Vor diesem Hintergrund ist die Sachlage auch nicht mit der in der zitierten Entscheidung des OLG Zweibrücken vergleichbar, bei der ein wesentlich längerer Zeitraum in Rede stand.

e) Die angefochtene Entscheidung steht weiter nicht im Widerspruch zur Fristregelung des § 62 Abs. 3 AufenthG. Dies hat das Landgericht zutreffend erläutert, was von der weiteren Beschwerde auch nicht angegriffen wird.

f) Letztlich ohne Belang sind die späten Entscheide des Landgerichts zur Prozesskostenhilfe und zur Erstbeschwerde. Zum einen ist nicht erkennbar, dass der anwaltliche Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen den landgerichtlichen Termin wahrgenommen hätte, wenn die Prozesskostenhilfe frühzeitig versagt worden wäre. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum das Landgericht bei Terminsteilnahme des Verfahrensbevollmächtigten zu einer anderen Entscheidung hätte kommen müssen. Schließlich wäre auch bei einer früheren Entscheidung des Landgerichts zur Sache die amtsgerichtliche Haftanordnung nicht aufgehoben worden. Das zeigen der zutreffende landgerichtliche Entscheid und der jetzige Beschluss des Senats.

III.

Vor diesem Hintergrund war der Antrag des Betroffenen Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen, da beabsichtigte Rechtsverfolgung gemäß § 14 FGG, § 114 keine Aussicht auf Erfolg bietet.

IV.

Kosten- und Wertentscheidung sind nicht veranlasst (§ 14 Abs. 1, § 16 FEVG).

Ende der Entscheidung

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