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Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 13.10.2005
Aktenzeichen: 3 Ws 49/05
Rechtsgebiete: JVEG
Vorschriften:
JVEG § 9 Abs. 1 S. 1 |
Oberlandesgericht Dresden
Aktenzeichen: 3 Ws 49/05
Beschluss
vom 13. Oktober 2005
in der Bußgeldsache gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
Tenor:
Die weitere Beschwerde des Sachverständigen Dr. . S gegen den Beschluss des Landgerichts Chemnitz vom 14. Juni 2005 wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Am 05. November 2004 stelltte der Sachverständige Dr. S für ein von ihm in dieser Bußgeldsache vorbereitetes anthroplogisches Vergleichsgutachten einen Stundensatz von 85,00 EUR in Rechnung. Das Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal wies zunächst nur einen Stundensatz von 75,00 EUR an. Auf Antrag des Sachverständigen setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 11. Januar 2005 dann jedoch einen Stundensatz von 85,00 EUR fest.
Gegen den Beschluss legte der Bezirksrevisor beim Landgericht Chemnitz Beschwerde ein, weil ihm ein Stundensatz von 75,00 EUR ausreichend erschien. Das Amtsgericht ließ die Beschwerde zu und half ihr nicht ab.
Mit Beschluss vom 14. Juni 2005 hat das Landgericht Chemnitz in der Besetzung mit drei Richtern den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und die Vergütung des Sachverständigen wie vom Bezirksrevisor beantragt festgesetzt. Das Landgericht meint, die Zuordung der vom Sachverständigen erbrachten Leistung zu einer Honorargruppe bestimme sich nach Anlage 1 zu § 9 JVEG. Die vom Sachverständigen erbrachte Leistung (Vorbereitung eines anthropologischen Vergleichsgutachtens) sei in keiner Honorargruppe der Anlage 1 genannt. Daher sei sie unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die in den Honorargruppen zugeordneten Stundensätze den Ergebnissen einer umfangreichen Datenerhebung bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und im außergerichtlichen Bereich zur Höhe der in den jeweiligen Sachgebieten jeweils gewährten Entschädigungen und Vergütungen folge. Die Stundensätze schlössen die laufenden Gemeinkosten, insbesondere für Altersicherung und die Krankheitsvorsorge ein. Auch unter Berücksichtigung der vom Sachverständigen vorgetragenen Argumente seien die in den letzten sechs Jahren erfolgten Preissteigerungen im JVEG berücksichtigt. Da die im JVEG festgesetzten Stundensätze um 25 bis 35 Prozent hinter den Stundensätzen im außergerichtlichen Bereich zurückblieben, ergäbe sich ausgehend von einem Stundensatz in Höhe von 100,00 EUR eine rechnerische Stundensatzspanne von 65,00 EUR bis 75,00 EUR. Auch die Heranziehung vergleichbarer Sachgebiete und dazugehöriger Honorargruppen für die Bestimmung des billigen Ermessens im Rahmen der Eingruppierung einer Sachverständigentätigkeit in die Honorargruppen der Anlage 1 zu § 9 JVEG rechtfertige die Stundensatzhöhe. Dabei könnten die Bereiche der Schriftuntersuchung (Honorargruppe 3: 60,00 EUR), des grafischen Gewerbes (Honorargruppe 6: 75,00 EUR), der medizinischen Gutachten mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad (Honorargruppe M 2: 60,00 EUR) und die medizinischen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Honorargruppe M 3: 85,00 EUR) herangezogen werden.
Gegen den Beschluss richtet sich die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde des Sachverständigen, mit der er seine bereits gegenüber dem Amtsgericht geäußerte Aufassung wiederholt und weiter vertieft. Er meint, dass der von ihm bei Privataufträgen mit 120,00 EUR abgerechnete Stundensatz in Ansatz zu bringen sei. Bei der Einordnung in eine Honorargruppe müsse das Rangverhältnis der innerhalb vom Gesetzgeber geschaffenen Gruppen und Sachgebiete gewahrt werden. Eine Eingruppierung in die Honorargruppe 6 degradiere seine Sachverständigentätigkeit auf das Niveau von Gutachten in den Bereichen Hochbau, Fahrzeugbau, Kältetechnik und Gebäudeschäden. Das maßgebliche Kriterium für die Zuordnung in einer Honorargruppe seien jedoch die außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze für Leistungen auf dem betroffenen Sachgebiet. Dies ergäbe im vorliegenden Fall eine Eingruppierung in Honorargruppe 10. Er bringe bei der Vorbereitung und Erstattung von anthropologischen Identitätsgutachten jedoch die Honorargruppe M 3 in Ansatz, weil es sich bei seiner Sachverständigentätigkeit um eine Spitzenleistung von höchstqualifizierter Tätigkeit handele, die mit einem außergewöhnlichen (höchsten) Schwierigkeitsgrad einzustufen sei und unter extrem schwierigen Umständen hinsichtlich der Merkmalserfassung und den vergleichenden Untersuchungen stattfinde. Die Einordnung in die Honorargruppe M 3 sei auch durch die Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und die biostatistische Auswertung gerechtfertigt. Mit Blick auf das mitunter sehr schlechte Bildmaterial könne bei der Erstattung der Identitätsgutachten von Gutachten mit sehr hohem Schwierigkeitsgrad mit einer spezifischen differenzialdiagnostischen Problematik (polysymptomatische Ähnlichkeitsanalyse) ausgegangen werden, in die auch unverzichtbare humangenetische Kenntnisse einflössen. Für die anthropologische Gutachtenerstattung existiere kein standardisiertes Schema und könne auch nicht angewendet werden. Es bestünden spezielle Kausalzusammenhänge, weil bei jeder Identitätsprüfung die erbbiologischen Zusammenhänge für einen konkreten zu behandelnden Fall unter Zugrundelegung von humangenetischen Vererbungsmustern für die Schlussfolgerung der Beurteilung eine entscheidende Rolle spielten. Für die Erstattung von anthropologischen Vergleichsgutachten sei ein abgeschlossenes Studium der Biologie mit anschließender langjähriger Zusatzausbildung in der Anthropologie notwendig sowie eine Promotion, um auf die empirischen Untersuchungsergebnisse bezüglich der biostatistischen Häufigkeit von Einzelmerkmalen zurückgreifen zu können. Die vom Landgericht vorgenommene Einordnung sei willkürlich. Das Gericht hätte die Gutachtertätigkeit aufgrund der Sachnähe zur Medizin und des hohen Schwierigkeitsgrades der Honorargruppe M 3 oder der Honorargruppe 8 zuordnen müssen.
Der Senat entscheidet über die weitere Beschwerde in der Besetzung mit drei Richtern.
II.
Die durch die Entscheidung des Landgerichts zugelassene weitere Beschwerde (§ 4 Abs. 5 Satz 1 JVEG) erweist sich als unbegründet.
Die weitere Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 ZPO gelten entsprechend (§ 4 Abs. 5 Satz 2 JVEG). Ein Fall des § 547 ZPO, nach dem die angefochtene Entscheidung stets auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen wäre, liegt nicht vor. Eine Rechtsverletzung dergestalt, dass das Landgericht eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet hat (§ 546 ZPO), ist nicht festzustellen. Die angefochtene Entscheidung lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Sachverständigen erkennen.
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass sich die Zuordnung der vom Sachverständigen erbrachten Leistung nach der Anlage 1 zu § 9 JVEG bestimmt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG). Das Vorbereiten eines anthropologischen Vergleichsgutachtens ist jedoch in keiner der Honorargruppen der Anlage 1 genannt, so dass das Landgericht zu Recht die Leistung des Sachverständigen unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zugeordnet hat.
Dieses dem Landgericht durch § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG eingeräumte Ermessen kann durch den Senat nur beschränkt nachgeprüft werden. Der materiellen Kontrolle unterliegt, ob die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung vorlagen, ob das Landgericht von dem Ermessen Gebrauch gemacht hat, dabei von den festgestellten Tatsachen alle wesentlichen berücksichtigt und die gebotenen Grenzen eingehalten hat (MK-Wenzel, ZPO, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 546 Rdnr. 14; Zöller, ZPO, 25. Aufl., § 546 Rdnr. 14 jeweils m.w.N.).
Diesen Anforderungen hält der landgerichtliche Beschluss stand. Das Landgericht hat erkennbar von dem ihm nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht. Anhaltspunkte für eine Ermessensüber- oder unterschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch liegen nicht vor.
Allerdings ist das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung entgegen dem Vortrag des Sachverständigen davon ausgegangen, dass er bei Privataufträgen lediglich mit 100,00 EUR pro Stunde abrechnet. Seit 01. Juli 2004 stellt der Sachverständige nach seinem eigenen Vortrag jedoch 120,00 EUR pro Stunde in Rechnung. Dieser Fehler bei der Ausübung des Ermessens zwingt jedoch nicht zur Aufhebung des Beschlusses, weil das Langericht erkennbar nicht nur diesen Aspekt berücksichtigt hat und seine Entscheidung auch bei Berücksichtigung des richtigen Stundensatzes nach billigem Ermessen zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte.
Im Übrigen können bei der Ausübung des Ermessens die Honorargruppen M 1 bis M 3 grundsätzlich nicht herangezogen werden. Nach der Gesetzesbegründung zu § 9 JVEG sollen die Honorargruppen M 1 bis M 3 nur für die Erbringung von Sachverständigenleistungen auf medizinischem Gebiet gelten (BT-Drucks. 15/1971, S. 182).
Das von dem Sachverständigen vorbereitete anthropologische Vergleichsgutachten aufgrund eines Bilddokumentes dient der Identifikation unter Anwendung des Prinzips der Ähnlichkeit. Die Entscheidung, ob der auf dem Bild abgebildete Täter mit dem im Bußgeldverfahren Betroffenen identisch oder nicht identisch ist, bedarf der Benennung möglichst detaillierter Einzelstrukturen. Es werden grundsätzlich alle Merkmale der menschlichen Gestalt verwendet, die auf dem Täterfoto erkennbar sind. Besondere Aufmerksamkeit wird dem Gesicht und dem Ohr gewidmet. Dabei werden besondere Merkmalsausprägungen aller beurteilbar vorhandenen Merkmale festgestellt und deren Verteilung in der Bevölkerung berücksichtigt (zu den Standards für die anthropologische Identifikation lebender Personen aufgrund von Bilddokumenten vgl. NStZ 1999, 230). Der vom Sachverständigen behaupteten Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge, differenzial-prognostischer Probleme, der Beurteilung dieser Prognose oder der Beurteilung strittiger Kausalfragen bedarf diese gutachterliche Tätigkeit nicht (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 27. April 2005 - Ws 255/05 -). Unter Berücksichtigung dieser gutachterlichen Standards und der ebenfalls geforderten - und vom Sachverständigen im vorliegenden Fall auch erfüllten - universitären Ausbildung erscheint deshalb die Vergütung in Anlehnung an die Honorargruppe 6 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG mit einem Stundensatz von 75,00 EUR angemessen.
III. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht (§ 4 Abs. 8 JVEG).
Ende der Entscheidung
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