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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 24.07.2008
Aktenzeichen: 4 U 1857/07
Rechtsgebiete: BGB, MTAG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 31
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 831
BGB § 847
MTAG § 9 Abs. 3
ZPO § 309
Es stellt keinen Behandlungsfehler dar, wenn einer erfahrenen und fachgerecht ausgebildeten Medizinisch-technischen Assistentin für Radiologie intravenöse Injektonen zur Vorbereitung von Diagnosemaßnahmen übertragen werden, sofern für eine regelmäßige Kontrolle und Überwachung durch den Arzt Sorge getragen wird.

Ein Patient ist vor einer intravenösen Injektion in die Ellenbogenbeuge über das Risiko von Nervenirritationen aufzuklären.


Oberlandesgericht Dresden IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 4 U 1857/07

Verkündet am 24.07.2008

In dem Rechtsstreit

wegen Schmerzensgeldes und Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.07.2008 durch

Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Boie, Richter am Oberlandesgericht Hörner und Richter am Oberlandesgericht Schlüter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 5.10.2007 - 6 O 3070/03 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren und das Verfahren erster Instanz wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis verbundenen Beklagten als Gesamtschuldner auf Schmerzensgeld und Feststellung der Ersatzpflicht für die Folgen einer zur Vorbereitung eines Schilddrüsen-Szintigramms erfolgten Injektion einer Technetium-Lösung in die Vene ihrer rechten Ellenbeuge in Anspruch. Die Injektion wurde aufgrund einer Überweisung der Hausärztin der Klägerin, Frau Dipl. med L , am 20.9.2000 von der leitenden medizinisch-technischen Radiologieassistentin (MTA) der Gemeinschaftspraxis, der Zeugin E , vorgenommen.

Die Klägerin behauptet, Frau E sei nicht hinreichend qualifiziert und im Behandlungszeitpunkt zu unerfahren gewesen; die Injektion selbst sei fehlerhaft ausgeführt worden. Eine Beweislastumkehr hinsichtlich der Kausalität sei geboten, weil derartige Injektionen generell dem Arzt vorbehalten seien und nicht durch eine MTA ausgeführt werden dürften. Die Beklagten hafteten daneben noch wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen einschließlich der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung macht die Klägerin geltend, die Entscheidung des Landgerichts sei fehlerhaft, weil hieran ein Richter mitgewirkt habe, der an der zugrunde liegenden Beweisaufnahme nicht teilgenommen hat, und die Klägerin im Termin vom 21.6.2006 nicht "abschließend angehört" worden sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei von einem Behandlungsfehler auszugehen, für den die Beklagten als Gesamtschuldner einstehen müssten. Die der Szintigraphie vorausgehende Injektion sei nicht auf nichtärztliches Personal übertragbar, weil die Injektion mit Technetium, einem Nuklid, schwierig sei. Die Zeugin E habe im Übrigen nicht über eine "verfestigte Erfahrung" mit derartigen Injektionen verfügt. Angesichts dessen spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein Durchstechen der Arterie in der Ellenbogenbeuge und für einen Behandlungsfehler. Die Injektion sei zudem aufklärungsbedürftig gewesen, eine Risikoaufklärung sei indes nicht erfolgt, die Voraussetzungen für eine hypothetische Einwilligung lägen nicht vor. Die Klägerin habe durch diesen Behandlungsfehler schwere körperliche Schädigungen in Form einer Nervenläsion und eines Karpaltunnelsyndroms erlitten, die entgegenstehenden Ausführungen des Sachverständigen seien "zu unsicher" und daher nicht verwertbar. Die Schmerzen hätten bis in das Jahr 2003 angehalten, ein Rückfall könne auch für die Zukunft nicht ausgeschlossen werden.

Sie beantragt,

1. Die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 10.000,00 EUR zzgl. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle bereits entstandenen und zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die im Zusammenhang mit der Behandlung vom 20.9.2000 entstanden sind und noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen ist

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Der Senat hat die Klägerin im Termin vom 3.7.2008 ergänzend angehört. Für das Ergebnis dieser Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Allerdings ist im Anschluss an die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung (BGH NJW 2006, 437; VersR 2001; 510; vgl. auch OLG Koblenz VersR 2005, 655; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 5. Aufl. A Rn 15) davon auszugehen, dass das Auftreten in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis die gesamtschuldnerische Haftung aller Beklagten für eine nur der Beklagten zu 2 zur Last fallende Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages bei der Anfertigung eines Schilddrüsenszintigramms begründet, obwohl nur sie die hierfür erforderliche Fachkunde auf dem Gebiet der Nuklearmedizin aufweist. Ferner kommt in einer solchen Konstellation auch deliktsrechtlich eine Zurechnung des Verschuldens eines Partners auf die übrigen in entsprechender Anwendung des § 31 BGB in Betracht. Der Klägerin steht aber weder ein Anspruch auf Schadenersatz aus positiver Verletzung des Behandlungsvertrages oder § 823 Abs. 1 BGB noch auf Schmerzensgeld aus § 847 BGB in der bis zum 31.7.2002 geltenden Fassung (Art. 229 § 8 EGBGB) zu.

1. Ein Behandlungsfehler liegt nicht bereits in der Delegation der Technetium-Injektion auf die Zeugin E , bei der es sich - wie das Landgericht unter Bezugnahme auf die vorgelegten Befähigungsnachweise zutreffend ausführt - um eine erfahrene und fachgerecht ausgebildete Kraft handelte, die im Zeitpunkt der Behandlung bereits mehrere Tausend gleichartige Injektionen verabreicht hatte. Der Beklagten zu 2) kann bei dieser Sachlage nicht vorgeworfen werden, einer nach ihrem Erfahrungsstand zur Vornahme bestimmter Eingriffe in die körperliche Integrität eines Patienten nicht befugten Person (vgl. hierzu BGH VersR 1994, 80; NJW 78, 1681; OLG Köln VersR 1988, 44) solche Eingriffe dennoch übertragen und bereits unter diesem Gesichtspunkt einen Behandlungsfehler begangen zu haben. Die entgegenstehende Behauptung der Klägerin, die Zeugin E habe nicht über "verfestigte Erfahrungen verfügt", zeigt keine Fehler in der entgegenstehenden Beweiswürdigung des Landgerichts auf und rechtfertigt eine weitere Beweiserhebung durch den Senat nicht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine MTA in einer radiologischen Großpraxis auch generell berechtigt, unter Aufsicht des verantwortlichen Arztes intravenöse Injektionen mit schwach radioaktivem Technetium vorzunehmen. Zwar stellt eine derartige Injektion einen Eingriff dar, der zum Verantwortungsbereich des Arztes gehört. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Tätigkeit, die aufgrund ihrer Schwierigkeit, Gefährlichkeit oder Unvorhersehbarkeit zwingend von einem Arzt erbracht werden muss (vgl. zu diesen Kriterien Bamberger/Roth BeckOK (2007) § 823 Rn 723; Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts § 47 Rn 4; Hahn NJW 1981, 1977ff). Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. M ist vielmehr davon auszugehen, dass lokale Schädigungen durch die Radioaktivität in der für ein Szintigramm erforderlichen Dosis, die im Falle der Klägerin 54,65 mBq betrug, nicht zu befürchten sind und das Natriumsalz, das zur Bindung des Technetiums verwendet wird, nicht gewebetoxisch ist. Auch allergische Reaktionen treten nach den Angaben des Sachverständigen nur selten auf (GA vom 26.7.2005, S. 8). In seiner mündlichen Anhörung hat er die Risiken daher mit denen einer Blutentnahme verglichen, die ebenfalls regelmäßig auf nichtärztliche Fachkräfte übertragen werden kann. Es tritt hinzu, dass im Rahmen der Berufausbildung zur MTA die für die Verabreichung einer Injektion erforderlichen medizinischen Grundlagenkenntnisse vermittelt werden. Nach § 3 Nr. 2 des Gesetzes über technische Assistenten in der Medizin (MTAG) vom 2.8.1993 (BGBl. I S. 1402) soll die Ausbildung zum radiologischen MTA u.a. dazu befähigen, unter Anwendung geeigneter Verfahren in der radiologischen Diagnostik bei der Erkennung und Behandlung von Krankheiten in der Strahlentherapie und Nuklearmedizin mitzuwirken. Die Vermittlung dieser Kenntnisse erfolgt innerhalb einer dreijährigen Ausbildung, die u.a. eine praktische Tätigkeit in einem Krankenhaus oder einer gleichgerichteten Einrichtung beinhaltet (§ 4 MTAG). Nach § 1 Abs. 2 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für technische Assistenten in der Medizin (MTA-APrV) vom 25.4.1994 (BGBl. I S. 922) sind die Schüler während dieses sechswöchigen Ausbildungsabschnittes in Verrichtungen und Fertigkeiten praktisch zu unterweisen, die für ihre Berufstätigkeit von Bedeutung sind. Nach Abschluss der Ausbildung ist es gemäß § 9 Abs. 3 MTAG einem MTA gestattet, auf ärztliche Anforderung Tätigkeiten auszuüben, deren Ergebnisse der Erkennung einer Erkrankung und der Beurteilung ihres Verlaufes dienen. Es entspricht hiernach dem gesetzgeberischen Leitbild, dass einfache und mit nur geringen Risiken verbundene Injektionen einer radiologischen MTA übertragen werden können. Auch die Bundesärztekammer hält in der im Jahre 1988 erschienenen Orientierungshilfe "Anforderungen an die persönliche Leistungserbringung" (abrufbar unter www.bundesaerztekammer.de) die Übertragung intravenöser Injektionen auf Assistenzpersonal für möglich, wenn sich der Arzt von der durch Ausbildung und Erfahrung gewonnenen Qualifikation in der Injektionstechnik überzeugt hat und - wie hier - persönlich in der Praxis anwesend ist. Noch weitergehend wird in der medizinischen Praxis die mit erheblich größeren Risiken behaftete Injektion von Kontrastmitteln grundsätzlich für delegationsfähig gehalten (vgl. die Stellungnahme der Deutschen Röntgengesellschaft, abrufbar unter http://www.thieme-connect.com/ejournals/html/roefo/doi/ 10.1055/s-2007-982581; s. auch AG Karlsruhe, 13 C 448/95; a. A. Laufs/Uhlenbruck aaO. § 101 Rn 12; Bamberger/Roth aaO. Rn 725). Bedenken, die in der Rechtsprechung im Hinblick auf das Komplikationsrisiko gegen die Zulässigkeit von Injektionen durch nichtmedizinisches Fachpersonal geäußert werden (BGH VersR 1981, 131; NJW 1979, 1935; VersR 1960, 19, OLG Köln VersR 1988, 44), kann angesichts der nur geringen Risiken (s.o.) bei einer Technetium-Injektion durch eine regelmäßige Überwachung des nichtärztlichen Personals Rechnung getragen werden. Eine derartige Überwachung wird in der Praxis der Beklagten nach deren unbestrittenem Vorbringen gewährleistet, weil die Beklagte zu 2) nur durch eine Glasscheibe von dem Bereich getrennt ist, in dem die Injektionen verabreicht werden, und die Zeugin E überdies die Anweisung hatte, sie bei Zwischenfällen jeder Art unverzüglich zuzuziehen (vgl. zu diesen Kriterien auch LG Berlin NJW-RR 1994, 801; Rieger NJW 1979, 1336). Dies folgt auch aus der der Zeugin E am 5.5.1999 erteilten Injektionsgenehmigung (Anlage B 8).

2. Der Zeugin E , die bei der Injektion als Verrichtungsgehilfin der Beklagen zu 2) tätig wurde, ist auch kein Behandlungsfehler vorzuwerfen, den sich die Beklagten nach § 831 BGB zurechnen lassen müssten. Die Angaben der Klägerin zum Ablauf der Injektion unterstellt, nämlich dass es noch während der Injektion zu einer starken Blutung und in der Folge zu einer schmerzhaften Verdickung gekommen ist, ist nach dem Gutachten von Prof. M zwar eine Verletzung der Arteria Brachialis mit Ausbildung eines Hämatoms in der Ellenbogenbeuge anzunehmen (GA S. 8), welches seinerseits zu einer Irritation des Nervus medianus geführt hat (GA vom 7.2.2006, S. 3, Bl. 217); derartige Irritationen sind aber nach Einschätzung des Sachverständigen auch bei größter Sorgfalt nicht immer vermeidbar (GA S. 3, Bl. 216). Der Sachverständige ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gelangt, der Zeugin E könne kein Behandlungsfehler vorgeworfen werden, weil die Vene getroffen wurde und das Technetium ordnungsgemäß den Weg in die Blutzirkulation gefunden habe. Dieser Auffassung tritt der Senat bei. Allein die versehentliche Irritation des Nervus medianus erlaubt entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht die Annahme eines Behandlungsfehlers im Wege des Anscheinsbeweises. Der hierin liegende Schluss vom Ergebnis der Injektion auf die Verletzung ärztlicher Sorgfaltspflichten ist bei der Injektion in eine Vene nicht möglich, weil der Geschehensablauf nicht in einem vom Arzt voll beherrschbaren Risikobereich liegt, so dass eine Fehlinjektion nicht typischerweise auf einem Mangel an Sorgfalt beruht (vgl. BGH NJW 1989, 771; VersR 1956, 499). Im Anschluss an die erstinstanzliche Beweiserhebung bleibt die Klägerin im Übrigen für ihre Behauptung beweisfällig, noch während der Durchführung der Injektion über starke Schmerzen geklagt zu haben. Dass die hierzu vernommene Zeugin E trotz einer solchen Schmerzäußerung sich der Annahme verschlossen haben soll, sie habe statt der Vene die Arteria brachialis getroffen und gleichwohl die Injektion fortgesetzt haben soll (vgl. zur Annahme eines Behandlungsfehlers in diesen Fällen BGH NJW 1989, 771; BGHZ 78, 209; zur Injektion in die Ellenbeuge s. BGH AHRS 2320/7) kann bei dieser Sachlage nicht angenommen werden.

Ein Behandlungsfehler ist nach den Feststellungen des Sachverständigen auch nicht in der anschließenden Durchführung des Szintigramms zu sehen. Dass durch den von der Zeugin E ausgeübten Druck die am Hals der Klägerin liegende Zyste geplatzt ist, kann sie nicht beweisen. Der Sachverständige hat hierzu in seiner mündlichen Anhörung ausgeführt, er halte es für unwahrscheinlich, dass die Zyste bei der Behandlung geplatzt sein könnte (Bl. 253). Der Austritt von Flüssigkeit aus der Zyste in den Halsraum, den die Klägerin gespürt haben will, sei ohnehin nicht möglich (GA vom 26.7.2005, S. 2, Bl. 164). Mit der Berufung hat die Klägerin diesen Vorwurf auch nicht mehr aufgegriffen.

3. Dass die Klägerin vor der Injektion nicht über die mit diesem Eingriff verbundenen Risiken aufgeklärt wurde, führt ebenfalls nicht zu einer Haftung der Beklagten. Allerdings wäre hier eine Risikoaufklärung erforderlich gewesen. Nach ständiger Rechtsprechung bedürfen ärztliche Heileingriffe jeder Art grundsätzlich der Einwilligung des Patienten, um rechtmäßig zu sein; diese Einwilligung kann nur wirksam erteilt werden, wenn der Patient über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, seine Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen, Chancen und Gefahren im Großen und Ganzen aufgeklärt worden ist. Nur so werden sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf körperliche Unversehrtheit gewahrt (grundlegend BGHZ 29, 46, seitdem einhellige Auffassung). Bei diagnostischen Eingriffen ohne therapeutischen Eigenwert gelten strenge Maßstäbe für die Aufklärung des Patienten über die mit der medizinischen Maßnahme verbundenen Gefahren, sofern der invasive Schritt nicht vital indiziert oder auch nur dringend erscheint. Hier hat der Arzt dem Patienten selbst entfernt liegende Komplikationsmöglichkeiten in angemessener Weise darzutun (OLG Koblenz VersR 2003, 1313). Danach war die Klägerin zwar nicht über das Risiko eines Karpaltunnelsyndroms, das nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. M durch eine Injektion in die Ellenbeuge nicht ausgelöst werden kann, wohl aber über das Risiko einer Nervenirritation bis hin zu einer Nervenläsion aufzuklären. Keine Aufklärungspflicht besteht zwar für Risiken eines Eingriffs, die sich auch für einen medizinischen Laien aus der Art des Eingriffs ohnehin ergeben (BGH NJW 1984, 1807; OLG Karlsruhe aaO.). Hierzu zählen bei einer Injektion etwa das Risiko einer Rötung der Einstichstelle sowie kleinerer Hämatome (OLG Karlsruhe aaO; für eine Wundinfektion BGH VersR 1989, 512). Um ein solches Risiko handelte es sich bei der Nervenirritation, die die Klägerin infolge der Injektion erlitt, indes nicht. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. M sind die Schmerzen der Klägerin nicht auf das Hämatom, sondern darauf zurückzuführen, dass durch dieses der Nervus medianus irritiert wurde. Hierbei handelt es sich um ein eingriffspezifisches Risiko, weil der Sachverständige ausgeführt hat, die Irritation des Nervus medianus sei eine "immanente Gefahr einer Injektion in die Ellenbogenbeuge" (GA vom 7.2.2006, Bl. 3 S. 217), die nicht vollständig ausgeschlossen werden könne. Hierüber hätte die Beklagte zu 2) die Klägerin aufklären müssen. Eine derartige Aufklärung, die ohnehin mündlich zu erteilen wäre, kann nicht in dem ihr übergebenen Informationsblatt zur nuklearmedizinischen Untersuchung (B 5) gesehen werden, das keinerlei Informationen für den Patienten enthält, sondern es umgekehrt dem Arzt ermöglichen sollte, sich über eventuelle Risiken in der Person des Patienten zu informieren.

Vorliegend ist der Klägerin aber die Berufung auf die unterbliebene Aufklärung verwehrt. Die Beklagten können sich auf den Einwand hypothetischer Einwilligung berufen. Im Anschluss an ihre Anhörung vor dem Senat im Termin am 3.7.2008 ist nämlich davon auszugehen, dass die Klägerin auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung der Injektion zugestimmt hätte. Einen entgegenstehenden Entscheidungskonflikt hat sie nicht plausibel dargelegt. Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass für die Plausibilität des Entscheidungskonflikts allein auf die persönliche Entscheidungssituation des Patienten abzustellen ist. Was aus ärztlicher Sicht sinnvoll und erforderlich gewesen wäre und wie sich ein "vernünftiger" Patient verhalten haben würde, ist deshalb grundsätzlich nicht entscheidend (BGH NJW 1998, 2734). Hier war zwar der Eingriff nach objektiven Gesichtspunkten lediglich relativ indiziert, weil trotz des Befundes einer tastbaren Zyste an der Schilddrüse mit dem Szintigramm noch hätte abgewartet werden können. Die Klägerin hat jedoch in ihrer Anhörung ausgesagt, sie sei sowohl von ihrer Hausärztin als auch von dem Arzt Dr. V eindringlich auf die Gefahr hingewiesen worden, dass es sich um einen bösartigen Tumor handeln könnte. Diese Prognose habe ihr Angst gemacht und sie motiviert, die Praxis der Beklagten aufzusuchen. Sie habe zudem wegen der Zyste zunächst an Schluckbeschwerden gelitten, bis diese innerhalb weniger Tage äußerlich deutlich zu sehen gewesen sei. Vor diesem Hintergrund musste ihr die Szintigraphie dringlich indiziert erscheinen, um ein bösartiges Tumorgeschehen sicher auszuschließen. Die Risiken waren demgegenüber gering, insbesondere waren keine Dauerschäden aus der Injektion zu befürchten. Der Senat hält angesichts dessen die Einlassung der Klägerin, sie hätte sich bei einem Hinweis auf die Gefahr vorübergehender Nervenschäden nicht auf die Untersuchung eingelassen und hätte zunächst noch einen weiteren Arzt aufgesucht, für unplausibel. Hiergegen spricht auch der Umstand, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben durch ihre Hausärztin Frau Dipl. med. L vor der Überweisung darüber informiert worden war, dass ihr für die Szintigraphie ein Kontrastmittel injiziert werden würde. Dass sie die Aufklärung über das typischerweise mit einer Injektion verbundene Risiko, die Vene zu verfehlen und eine Nervenirritation hervorzurufen, gleichwohl zum Anlass genommen hätte, die Behandlung zu verweigern, konnte sie nicht nachvollziehbar begründen ebenso wenig wie den Umstand, dass sie trotz des nach ihrer Beschreibung verlorenen Vertrauens in die Praxis der Beklagten diese nur wenige Monate später erneut aufsuchte, um dort eine MRT anfertigen zu lassen. Dass sie sich, wie sie angegeben hat, von ihrer Hausärztin unter Druck gesetzt fühlte, dem sie sich nicht habe widersetzen können, lässt überdies den Schluss zu, dass sie der von ihrer Hausärztin ebenso dringlich empfohlenen Szintigraphie bei einer Aufklärung über das Risiko von Nervenschäden gleichfalls nicht widersprochen hätte.

4. Schließlich können auch die mit der Berufung gerügten Verfahrensfehler der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den in § 309 ZPO enthaltenen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme vor. Dass RiLG Kuhn an der Verhandlung und Beweisaufnahme am 21.6.2006 (Bl. 243 d.A.) nicht teilgenommen hat, ist unschädlich, weil er an dem Folgetermin am 26.9.2007 (Bl. 330 d.A.) beteiligt war, auf dessen Grundlage das Urteil erging. In einer derartigen Konstellation besteht keine Veranlassung, eine vor einem Richterwechsel erfolgte Beweisaufnahme zu wiederholen (OLG Hamm MDR 1993, 1235; Zöller-Volkommer, ZPO, 26. Aufl. § 309 Rn 1). Die unterbliebene Anhörung der Klägerin zu einem Entscheidungskonflikt gegenüber dem von den Beklagten erhobenen Einwand der hypothetischen Einwilligung hat der Senat nachgeholt.

III.

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Den von der Klägerin angegebenen Mindeststreitwert für das Schmerzensgeld von 10.000,00 EUR hat der Senat bei der Streitwertbemessung für das Berufungsverfahren zugrunde gelegt, auch wenn die vom Sachverständigen beschriebenen, insbesondere nicht dauerhaften Verletzungsfolgen unter Berücksichtigung vergleichbarer Fälle (vgl. Slizyk, Schmerzensgeldtabelle, 2. Aufl. A Rn 2456 und 1435) und der Tatsache, dass die Klägerin zeitgleich an einer Bandscheibenprotrusion litt, die ebenfalls zu einer vergleichbaren Schmerzsymptomatik führen kann, auch bei einem Behandlungsfehler allenfalls ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 EUR gerechtfertigt hätten. Bei der Festsetzung des Streitwertes für den Feststellungsantrag war zu berücksichtigen, dass ein Haushaltsführungsschaden nicht geltend gemacht wird und nicht erkennbar ist, welche zukünftigen Schäden aus der folgenlos verheilten Nervenirritation noch entstehen können. Auch unter Berücksichtigung der nicht näher belegten Behauptung, infolge der durch die Injektion erlittenen Schmerzen zahlreiche Zusatzaufwendungen für Ärzte gehabt und zwei Arbeitsstellen verloren zu haben, war der Feststellungsantrag daher lediglich mit 5.000,00 EUR zu bemessen.

Ende der Entscheidung

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