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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 07.10.2002
Aktenzeichen: 4 W 1233/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 1 S. 1
Die Neufassungen des § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO gelten jedenfalls nicht für bis zum 30.09.2001 abgeschlossenen Kosten- und Vergütungsfestsetzungsverfahren.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Aktenzeichen: 4 W 1233/02

des 4. Zivilsenats vom 07.10.2002

In dem Rechtsstreit

wegen Vergütungsfestsetzung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Boie, Richterin am Oberlandesgericht Möhring und Richter am Landgericht Klerch

beschlossen:

Tenor:

1. Das als sofortige Beschwerde geltende Rechtsmittel der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 06.09.2002 - Az .: 47 0 8/95 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

3. Beschwerdewert: bis 300,00 EUR

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführer haben nach Mandatsniederlegung auf ihren Antrag vom 17.10.1994 hin (Bl. 45 dA) - ungeachtet der Einwendung des Beklagten, kein Mandat für Prozesshandlungen erteilt zu haben - beim Landgericht , bei dem der Rechtsstreit ursprünglich anhängig war, einen Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 13.12.1994 - Az.: 12 0 4212/94 - erwirkt (Bl. 89 dA). Der Beschluss lautet auf 3 203,13 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 17.10.1994. Er ist rechtskräftig.

Offenbar hat der Beklagte, der in Vermögensverfall geraten war, die Forderung bislang nicht erfüllt.

Da der Rechtsstreit an das Landgericht verwiesen worden war (Bl. 84 dA) , haben die Beschwerdeführer hier mit Schriftsatz vom 08.07.2002, eingegangen am 09.07.2002, Antrag auf Nachfestsetzung von Zinsen begehrt, ab dem 01.10.2001 mit 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz nach § 1 Abs. 1 DÜG und ab dem 01.01.2002 mit 5 % über dem Basiszins nach § 247 BGB n.F.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die gesetzliche Neuregelung habe keine Auswirkung auf bereits abgeschlossene Verfahren (Bl. 144 f dA) . Dem hiergegen gerichteten Rechtsmittel hat das Landgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das als sofortige Beschwerde geltende Rechtsmittel ist zulässig, aber unbegründet.

Der Senat schließt sich der Auffassung des Landgerichts an.

Die Neufassungen des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO gelten nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht für bis zum 30.09.2001 abgeschlossene Kosten- und Vergütungsfestsetzungsverfahren (im Ergebnis ebenso KG, Beschluss vom 21.05.2002 - Az. : 1 W 114/02 -; OLG Hamm, Beschluss vom 12.04.2002 - Az.: 23 W 109/02 - BRAGOreport 2002, 103, 104; a. A. LG Chemnitz, Beschluss vom 25.02.2002 - Az. : 5 0 27/93 , jeweils nach Hansens; vgl. ferner Hansens u.a. BRAGOreport 2001, 131 ff; Enders, JurBüro 2001, 510 f und für schwebende Verfahren OLG München RPfl 2002, 280) .

Dies folgt daraus, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich die Funktion einer Anpassung an die Erhöhung des Zinssatzes nach § 288 BGB haben (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 74) . Das bloße Ziel der Harmonisierung mit den im BGB geregelten Zinssätzen wäre überschritten, würde § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO für bestimmte Zeiträume über § 288 BGB hinausgehen. Aufgrund der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB gilt die höhere Verzinsung nur für solche Forderungen, die ab dem 01.05.2000 fällig geworden sind. Damit ist klargestellt, dass vor diesem Stichtag fällige Forderungen nicht in den Genuss der Zinserhöhung kommen. Die Fälligkeit der Anwaltsvergütung, die sich nach § 16 BRAGO bestimmt, liegt hier weit vor diesem Stichtag.

Dass in § 26 EGZPO eine entsprechende Übergangsregelung fehlt, schließt die Umsetzung des auf bloße Synchronisation gerichteten gesetzgeberischen Willens nicht aus. In einer von Hansens wiedergegebenen Stellungnahme des BMJ vom 19.11.2001 (zitiert in BRAGOreport 2001, 179 f) heißt es hierzu wörtlich: "Eine Übergangsvorschrift ist nicht geschaffen worden, weil sie entbehrlich ist. Die Zuerkennung von Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz im Kostenfestsetzungsverfahren für Zeiträume, die vor dem 01.10.2001 liegen, ist wegen des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots nicht möglich. Nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO ist der Zinsanspruch jeweils vom Eingang des Festsetzungsantrags anzuerkennen. Dieser Wortlaut und eine parallele Betrachtung der materiell-rechtlichen Übergangsvorschrift des Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB, die darauf abstellt, dass die Hauptforderung nach dem Inkrafttreten der Neuregelung des § 288 BGB fällig wird, machen deutlich, dass § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO in seiner Neufassung auf Kostenfestsetzungsanträge anzuwenden ist, die nach dem 30.09.2001 eingehen." Diese Aussage kann sich nicht auf Anträge auf Nachfestsetzung von Zinsen beziehen, für die sie letztlich keinen Sinn ergäbe. Der Senat folgt dieser Auffassung des BMJ und wendet Art. 229 § 1 Abs. 1 S. 3 EGBGB entsprechend auf die Neufassung des § 104 Ab. 1 S. 2 ZPO an. Soweit § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO überhaupt eine materiellrechtliche Komponente zuzuschreiben ist (vgl. OLG München, JurBüro 2001, 370 f) , zeichnet sie doch seit jeher nur die im Schuldrecht geregelte gesetzliche Mindestverzinsung nach. Ein originärer, hierüber hinausgehender Anspruch war hingegen nie vorgesehen und ist es auch künftig nicht, sieht man einmal davon ab, dass das BGB an Verzug und Rechtshängigkeit, die Kosten- und Vergütungsfestsetzung an die Antragstellung anknüpft. Die Anwendung von § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO auf Altfälle würde demgegenüber zu dem abstrusen Ergebnis führen, dass der Kostengläubiger im vereinfachten Kostenfestsetzungsverfahren höhere Forderungen durchsetzen könnte als ihm nach den eigentlich maßgeblichen schuldrechtlichen Normen zustünde. Im Vergütungsfestsetzungsverfahren, in dem materielle Einwendungen des Schuldners ohne nähere Prüfung zur Ablehnung der Festsetzung und zur Verweisung des Gläubigers auf den Klageweg führen, käme es zu einem Wertungswiderspruch, dessen Auflösung nicht Aufgabe eines Rechtspflegers sein kann. Ein Auseinanderfallen der Zinshöhe ist allerdings für Anträge aus der Zeit vom 01.05.2000 bis zum 30.09.2001 ebenfalls zu konstatieren. Denn die Ansicht, die nach der Neuregelung des BGB geltenden Mindestzinssätze seien ungeachtet der Beibehaltung der 4-%igen Verzinsung in § 104 ZPO bereits für diesen Zeitraum maßgeblich, um den Anwalt bei der Durchsetzung der ihm gesetzlich garantierten Zinshöhe nicht auf den Klageweg verweisen zu müssen (vgl. N. Schneider, BRAGOreport 2001, 96), dürfte eher abzulehnen sein (vgl. OLG München, JurBüro 2001, 370 f; OLG Nürnberg, JurBüro 2001, 370; Al-Jumaili, MDR 2000, 1051). Hieraus kann aber nicht auf die Zwangsläufigkeit des Vorrangs höherer Verzinsung nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO vor den originären schuldrechtlichen Regelungen geschlossen werden (so aber Hansens, u.a. in BRAGOreport 2001, 131 ff) . Wie dargelegt, beschränkt sich der gesetzgeberische Wille bei der Neuregelung des § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO auf eine Anpassung an die Neuverzinsungen nach dem BGB. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn dies mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung geschieht. Deshalb können aus dem zeitweiligen Auseinanderfallen der Zinshöhe zu Lasten des Kostengläubigers keine logisch zwingenden Schlüsse auf eine Abkopplung zu dessen Gunsten gezogen werden. Mögen auch die Motive zum Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen, worauf das OLG München hinweist (JurBüro 2001, 370 f), auf das schematisierte und "pauschalierte" Kosten- und Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht übertragbar sein, so ist doch andererseits nicht ersichtlich, welche eigenen Ziele mit der Verzinsungspflicht nach § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO verbunden sein sollen. Die Angleichung an die im BGB geregelten Zinssätze zeigt vielmehr, dass es der Bestimmung der § 104 Abs. 1 S. 2 ZPO an einer eigenständigen, darüber hinausgehenden Zielsetzung fehlt, ihr also auch keine "Vorreiterrolle" zugebilligt werden kann.

Es ist allerdings einzuräumen, dass das verfassungsrechtlich garantierte Rückwirkungsverbot die hier favorisierte Lösung nicht unbedingt erzwingt, dass ferner weder Rechtskraft des Kosten- bzw. Vergütungsfestsetzungsbeschlusses noch auch das Argument "verbrauchten Antragsrechts" herangezogen werden kann und dass die Nichtberücksichtigung nachträglicher Verzinsungsanträge ebenfalls zu gewissen Ungereimtheiten führt. Angesichts dessen wie auch wegen der abweichenden Meinungen in Rechtsprechung und Literatur ist die Rechtsbeschwerde gem. § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen.

Die sonstigen prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 3 ZPO (zur Berechnung des Beschwerdewerts vgl. Hansens, BRAGOreport 2001, 131, 134 f) .

Ende der Entscheidung

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