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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 16.01.2002
Aktenzeichen: 4 Ws 44/01
Rechtsgebiete: ABVO, StrRehaG


Vorschriften:

ABVO § 3 Abs. 2
StrRehaG § 1 Abs. 1
StrRehaG § 1 Abs. 1 Nr. 1
StrRehaG § 13
StrRehaG § 14 Abs. 2
StrRehaG § 14 Abs. 2 Satz 2
Eine auf § 3 Abs. 2 der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung (ABVO) vom 24.08.1961 (GBI DDR II S. 343) gestützte Verurteilung zur Arbeitserziehung ist nicht generell rechtsstaatswidrig.
Oberlandesgericht Dresden Beschluss

Beschwerdesenat für Rehabilitierungssachen

Aktenzeichen: 4 Ws 44/01 13 Reha 9025/01 GenStA Dresden

vom 16. Januar 2002

in der Rehabilitierungssache der

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden wird der Beschluss des Landgerichts Dresden vom 12. Oktober 2001 aufgehoben.

2. Der Antrag der Betroffenen auf Rehabilitierung hinsichtlich der Verurteilung durch das Kreisgericht Freital vom 16. November 1965 (KAR 228/65 - AB 3/65) wird als unbegründet zurückgewiesen.

3. Kosten des Verfahrens werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen der Betroffenen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

I.

Das Kreisgericht Freital verurteilte die Betroffene am 16. November 1965 auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung (ABVO) vom 24. August 1961 (GBl. DDR II S. 343) zur Arbeitserziehung. In der Zeit vom 5. November 1965 bis 1. Oktober 1968 wurde die Anordnung vollzogen. Weder das Urteil noch die Verfahrensakten sind auffindbar. Die Betroffene selbst ist auf Grund einer psychischen Erkrankung (Alzheimer Demenz) nicht in der Lage, nähere Angaben zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt zu machen.

Mit Schreiben vom 29. Juni 1998 beantragte die amtlich bestellte Betreuerin der Betroffenen deren Rehabilitierung hinsichtlich oben genannter Verurteilung. Dem Antrag trat die Staatsanwaltschaft Dresden entgegen.

Durch Beschluss vom 12. Oktober 2001 erklärte das Landgericht Dresden das Urteil des Kreisgerichts Freital vom 16. November 1965 für rechtsstaatswidrig und rehabilitierte die Betroffene. Nach Auffassung des Landgerichts ist die Entscheidung des Kreisgerichts mit wesentlichen Grundsätzen einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung nicht vereinbar. Zwar liege bei einer Verurteilung nach § 3 Abs. 2 ABVO kein gesetzliches Regelbeispiel im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG vor; gegen die Norm bestünden gleichwohl grundsätzliche Bedenken aus rechtsstaatlicher Sicht. Zum einen sei die Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung vom 24. August 1961 ihrer Entstehungsgeschichte nach als flankierende Maßnahme zu der von der DDR kurz zuvor getroffenen politischen Entscheidung des Baus der Berliner Mauer erlassen worden und habe somit dem Ziel gedient, den Bestand und die Sicherheit des totalitären Systems der DDR zu erhalten. Zum anderen widerspreche die Regelung des § 3 Abs. 2 ABVO Art. 7 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention, da die Maßnahme der Arbeitserziehung auch ohne Verletzung eines Strafgesetzes habe angeordnet werden können. Im Übrigen verstoße ihre Ausgestaltung gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.

Das Kreisgericht Freital verurteilte die Betroffene am 16. November 1965 auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung (ABVO) vom 24. August 1961 (GBl. DDR II S. 343) zur Arbeitserziehung. In der Zeit vom 5. November 1965 bis 1. Oktober 1968 wurde die Anordnung vollzogen. Weder das Urteil noch die Verfahrensakten sind auffindbar. Die Betroffene selbst ist auf Grund einer psychischen Erkrankung (Alzheimer Demenz) nicht in der Lage, nähere Angaben zu dem zu Grunde liegenden Sachverhalt zu machen. Mit Schreiben vom 29. Juni 1998 beantragte die amtlich bestellte Betreuerin der Betroffenen deren Rehabilitierung hinsichtlich oben genannter Verurteilung. Dem Antrag trat die Staatsanwaltschaft Dresden entgegen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden ist der Beschwerde der Staatsanwaltschaft beigetreten. Sie vertritt ebenfalls die Auffassung, dass Entscheidungen auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 ABVO nicht allgemein als rechtsstaatswidrig im Sinne des § 1 Abs. 1 StrRehaG anzusehen sind. Vielmehr habe eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Dass diese im vorliegenden Fall mangels Unterlagen ausgeschlossen sei, gehe zulasten der Betroffenen.

In seiner Stellungnahme vom 10. Dezember 2001 verteidigt der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen den landgerichtlichen Beschluss.

II.

Die gemäß § 13 StrRehaG zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dresden hat in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat das Urteil des Kreisgerichts Freital vom 16. November 1965 zu Unrecht für rechtsstaatswidrig erklärt. Der Rehabilitierungsantrag der Betroffenen war als unbegründet zurückzuweisen.

1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind Anordnungen der DDR-Gerichte, die auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung (ABVO) vom 24. August 1961 (GBl. DDR II S. 343) ergangen sind, nicht generell rechtsstaatswidrig.

a) Gemäß § 3 Abs. 2 ABVO konnte gegen arbeitsscheue Personen auf Verlangen der örtlichen Organe der Staatsmacht durch Urteil des Kreisgerichts Arbeitserziehung angeordnet werden. Eine solche Anordnung stellt sich nicht zwingend als Ausdruck politischer Verfolgung dar (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG).

aa)

Im Normenkatalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG ist die Vorschrift des § 3 Abs. 2 ABVO nicht enthalten. Der Gesetzgeber hat diese Regelung mithin nicht -jedenfalls nicht explizit - zu den Strafnormen des DDR-Rechts gezählt, deren Anwendung das Vorliegen einer politischen Verfolgung generell indiziert und daher regelmäßig ohne weitere Prüfung des Einzelfalles zur Aufhebung eines darauf gestützten Urteils führt.

bb)

Die Frage, ob der Katalog des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StrRehaG als abschließend anzusehen ist, ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt (offen gelassen in BGH NJ 2001, 211) . Selbst wenn Raum für eine Erweiterung des Katalogs durch die Rechtsprechung bestehen sollte, ist eine Behandlung der auf § 3 Abs. 2 ABVO fußenden Entscheidungen als generell rechtsstaatswidrig nicht gerechtfertigt. Weder Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck der Norm begründen deren prinzipielle Unvereinbarkeit mit einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Grundordnung.

Zwar ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass die aufgrund eines Beschlusses der Volkskammer vom 11. August 1961 ergangene Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung eine flankierende Maßnahme zu der von der DDR kurz zuvor getroffenen Entscheidung des Baus der Berliner Mauer darstellte; als Begleitmaßnahme wirkte sich insoweit jedoch im Wesentlichen lediglich die durch die Verordnung eingeräumte Möglichkeit aus, auf eine Beschränkung des Aufenthalts des jeweilig Verurteilten zu erkennen. In dieser Hinsicht nämlich ermächtigte die Verordnung die Strafgerichte zum einen, zusätzlich zur Freiheitsstrafe auch auf eine Beschränkung des Aufenthalts des Verurteilten zu erkennen, wenn die Fernhaltung der Person von bestimmten Orten und Gebieten im Interesse der Allgemeinheit oder eines Einzelnen geboten oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung bedroht war (§ 1 Abs. 1 und 2 ABVO) ; zum anderen sah die Verordnung die Ermächtigung zur Aufenthaltsbeschränkung als eine Art Prävention zur Gefahrabwehr - unabhängig vom Vorliegen eines Strafverfahrens - vor (§ 3 Abs. 1 ABVO) . Auf diesem Wege konnte insbesondere die räumliche Annäherung der Bürger an die Berliner Mauer sanktioniert werden.

Die Regelung des § 3 Abs. 2 ABVO, die die Sanktionierung arbeitsscheuen Verhaltens durch Anordnung von Arbeitserziehung zuließ, stellt sich demgegenüber nicht als flankierende Maßnahme im Zusammenhang mit dem Bau der Berliner Mauer dar. § 3 Abs. 2 ABVO hatte zum Ziel, die Erziehung arbeitsscheuer Personen mit staatlichen Mitteln durchzusetzen und gleichzeitig die Kriminalität in ihren Anfängen zu bekämpfen (Mürbe NJ 1967 S. 222 ff.) . Dabei ging der Verordnungsgeber davon aus, dass zwischen Asozialität und Kriminalität - hier insbesondere mit den Tatbeständen der Prostitution, der Verletzung von Unterhaltspflichten sowie Eigentumsdelikten - ein Zusammenhang besteht (hierzu auch Strafrecht Besonderer Teil, Staatsverlag der DDR, S. 235-237).

Weder Entstehungsgeschichte noch Sinn und Zweck der Norm lassen daher den Schluss zu, dass § 3 Abs. 2 ABVO als Instrument politischer Verfolgung konzipiert war. Dass die Möglichkeit der Anordnung von Arbeitserziehung dem Ziel diente, den Bestand und die Sicherheit des DDR-Systems zu erhalten, macht die Norm nicht per se rechtsstaatswidrig.

Im Einklang hiermit hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1998 (BGHSt 44, 275) zum Rechtsbeugungstatbestand wegen willkürlicher Gestaltung eines Aufenthaltsbeschränkungsverfahrens gegen den Regimekritiker R. H. die Rechtsstaatswidrigkeit von dessen Verurteilung nicht am Aussagegehalt der Normen der Aufenthaltsbeschränkungsverordnung als solchem festgemacht, sondern vielmehr den damals tätig gewordenen Richtern und Staatsanwälten zur Last gelegt, dass diese den Wortlaut der §§ 2 und 3 ABVO offensichtlich rechtswidrig überdehnt hätten.

cc)

Die Möglichkeit, auf die Maßnahme der Anordnung von Arbeitserziehung zu erkennen, ist als solche nicht generell rechtsstaatswidrig (ebenso OLG Naumburg, Entsch. v. 06.12.2000 - 1 Ws (Reh) 143/97). Auch in der Bundesrepublik Deutschland waren mit der Anordnung von Arbeitserziehung vergleichbare Maßnahmen im Zeitraum der hier gegenständlichen Entscheidung zugelassen. Insoweit wird auf die Vorschrift des § 42 d StGB der Bundesrepublik Deutschland verwiesen, die erst durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25. Juni 1969 (BGBl. I S. 645) aufgehoben wurde. Danach konnte jemand, der wegen einer dort aufgezählten Übertretung zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, gleichzeitig in ein Arbeitshaus eingewiesen werden, wenn dies erforderlich war, um ihn zur Arbeit anzuhalten und an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen.

dd)

Dass § 3 Abs. 2 ABVO darüber hinaus die Möglichkeit eröffnete, Arbeitserziehung wegen Arbeitsscheu auch ohne Vorliegen der Verletzung eines bestimmten Strafgesetzes anzuordnen, führt ebenfalls nicht zur prinzipiellen Rechtsstaatswidrigkeit auf dieser Grundlage ergangener Anordnungen. Auch das bundesdeutsche Recht sah freiheitsentziehende Maßnahmen außerhalb des Strafrechts vor, die mit einer obligatorischen Arbeitspflicht verknüpft waren (vgl. hierzu BGH NJ 2001, 211) . So eröffnete § 26 Abs. 1 BSHG vom 30. Juni 1961 (BGBl. S. 815) die Möglichkeit, jemanden zur Arbeitsleistung in einer abgeschlossenen Anstalt unterzubringen, der sich trotz wiederholter Auffordung beharrlich weigerte, zumutbare Arbeit zu leisten, so dass ihm oder einem Unterhaltsberechtigten laufende Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt werden musste.

ee)

Schließlich führt auch die Unbestimmtheit des Tatbestandes von § 3 Abs. 2 ABVO nicht zur grundsätzlichen Unvereinbarkeit der hierauf beruhenden Anordnungen mit einer rechtsstaatlichen Grundordnung. Der Senat vertritt entgegen der Auffassung des Landgerichts die Ansicht, dass die für die Beurteilung der Regelung des § 249 StGB/DDR maßgeblichen Voraussetzungen von denen des § 3 Abs. 2 ABVO im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz nicht wesentlich abweichen. Der Tatbestand des § 249 Abs. 1 StGB/DDR ist nicht in einem ins Gewicht fallenden Maße enger oder präziser gefasst als der des § 3 Abs. 2 ABVO. Beide Normen knüpfen vorrangig an das auslegungsbedürftige, aber auch auslegungsfähige Merkmal der Arbeitsscheu an. Der Begriff "hartnäckig", der die Arbeitsscheu nach damaliger Auffassung kennzeichnen musste, ist auch im Tatbestand des § 249 StGB/DDR nicht ausdrücklich erwähnt. Zwar ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass zu § 249 StGB/DDR ausweislich der hierzu ergangenen Kommentierungen (vgl. Strafrecht der DDR, Kommentar zum StGB) eine Reihe von Auslegungsrichtlinien vorhanden waren, die im Zusammenhang mit § 3 Abs. 2 ABVO jedenfalls nicht bekannt sind, weil hierzu - soweit ersichtlich - keine Kommentierung existiert. Gleichwohl ist der Entstehungsgeschichte des § 249 StGB/DDR zu entnehmen, dass die praktische Handhabung der Regelung des § 3 Abs. 2 ABVO die Grundlage für die zu § 249 StGB/DDR entwickelten Auslegungsrichtlinien bildete (vgl. hierzu Mürbe NJ 1967, 222 ff.; Mürbe/Schmidt NJ 1968, 193) . Der Umstand, dass das Inkrafttreten des Strafgesetzbuches der DDR die Vorschrift des § 3 Abs. 2 ABVO überflüssig machte, spricht dafür, dass der zentrale Begriff der Arbeitsscheu gleichermaßen verstanden wurde.

b) Vor dem Hintergrund obiger Erwägungen sind Anordnungen nach § 3 Abs. 2 ABVO im Ergebnis also nicht generell rechtsstaatswidrig. Vielmehr hat eine Prüfung des Einzelfalls zu erfolgen, wobei die zu § 249 StGB/DDR entwickelten Grundsätze im Wesentlichen entsprechende Anwendung finden. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Oberlandesgerichts Naumburg in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2000 (1 Ws 143/97) an, wonach eine Anordnung nach § 3 Abs. 2 ABVO jedenfalls dann nicht als rechtsstaatswidrig angesehen werden kann, wenn die Verletzung der Arbeitspflicht im Einzelfall zu Folgen geführt hat, die auch vom Standpunkt einer freiheitlichen rechtsstaatlichen Ordnung her sozialpolitisch unerwünscht sind, so wenn beispielsweise jemand seinen allgemeinen Verpflichtungen, Miete für die Wohnung, Kosten für den Energieverbrauch und vergleichbare Aufwendungen zu erbringen und anstehende Schulden zu tilgen, nicht nachkommen konnte.

2. In Fällen, in denen - wie hier - die nach den bisherigen Ausführungen erforderliche Einzelfallprüfung wegen Unauffindbarkeit der Verfahrensakten und mangelnder Angaben der Betroffenen ausgeschlossen ist, sind auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 ABVO ergangene Anordnungen von Arbeitserziehung auch nicht auf Grund einer für deren Rechtsstaatswidrigkeit sprechenden Vermutung als unvereinbar mit einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Ordnung anzusehen. Die Annahme einer solchen Vermutung widerspricht zum einen der Ausgestaltung des Rehabilitierungsverfahrens als einem Verfahren, in dem der Grundsatz "in dubio pro reo" nicht gilt. Zum anderen liefe eine solche Vermutung der überwiegenden Rechtsprechung der Beschwerdesenate für Rehabilitierungssachen zu § 249 StGB/DDR zuwider. Für Verurteilungen auf der Grundlage von § 249 StGB/DDR ist anerkannt, dass deren Rechtsstaatswidrigkeit nur festgestellt werden kann, wenn die sie begründenden Tatsachen mindestens glaubhaft gemacht - d. h. wahrscheinlich - sind. Von diesem Grundsatz kann auch dann nicht zu Gunsten des Betroffenen abgewichen werden, wenn Unterlagen über das betreffende Verfahren fehlen (Brandenburgisches OLG VIZ 1995, 430) . Die Undurchführbarkeit der erforderlichen Einzelfallprüfung mangels Aufklärbarkeit des Sachverhaltes geht mithin zulasten des jeweils Betroffenen.

3. Zusammengefasst bedeutet dies für den vorliegenden Fall:

Die Anordnung von Arbeitserziehung auf der Grundlage des § 3 Abs. 2 ABVO ist nicht per se als rechtsstaatswidrig einzuordnen. Vielmehr bedarf es einer Einzelfallprüfung.

Diese ist vorliegend mangels Aufklärbarkeit des Sachverhaltes ausgeschlossen, was sich zulasten der Betroffenen auswirkt. Der Zeitraum der vollzogenen Arbeitserziehung - 5. November 1965 bis 1. Oktober 1968 - vermag die Annahme der Rechtsstaatswidrigkeit der Maßnahme allein nicht zu begründen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 StrRehaG) . Der Antrag der Betroffenen auf Rehabilitierung hat in der Sache daher keinen Erfolg.

4. Der Senat war nicht gemäß § 13 Abs. 4 StrRehaG zur Vorlage der Sache an den Bundesgerichtshof verpflichtet. Mit dieser Entscheidung weicht der Senat weder von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts noch von einer solchen des Bundesgerichtshofs ab. Die Beschlüsse des 3. Beschwerdesenats für Rehabilitierungssachen des Kammergerichts in Berlin vom 30. September 1993 (3 Ws 487/93 REHA) und vom 12. November 1993 (3 Ws 544/93 REHA) lassen nicht die Annahme zu, dass das Kammergericht bereits die Anwendung einer Vorschrift der Aufenthaltsbeschränkungsverordnung als hinreichenden Rehabilitierungsgrund angesehen hat (so bereits BGH NJ 2001, 211 zum Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Naumburg, NJ 2000, 102) . Im Übrigen ergingen diese Beschlüsse des Kammergerichts zu Maßnahmen nach § 3 Abs. 1 ABVO, mithin zu Aufenthaltsbeschränkungsanordnungen und nicht zu Anordnungen von Arbeitserziehung. In seiner zu § 3 Abs. 2 ABVO ergangenen Entscheidung vom 7. Dezember 1993 (VIZ 1994, 150) hat der 5. Beschwerdesenat des Kammergerichts die Frage der generellen Rechtsstaatswidrigkeit von Maßnahmen nach § 3 Abs. 2 ABVO ausdrücklich unentschieden gelassen. Eine Divergenzvorlagepflicht scheidet mithin aus.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 14 Abs. 1, Abs. 2 analog StrRehaG und gilt sowohl für das Antrags- als auch für das Beschwerdeverfahren.

Im hier vorliegenden Fall des Erfolgs eines von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Antragstellers eingelegten Rechtsmittels verbietet sich eine Anwendung der sich aus §§ 467, 473 Abs. 4 StPO i.V.m. § 14 Abs. 4 StrRehaG ergebenden Grundsätze. Eine solche würde nämlich dazu führen, dass der in erster Instanz zunächst erfolgreiche, auf Grund der Beschwerde der Staatsanwaltschaft dann abgewiesene Antragsteller hinsichtlich der Erstattung seiner Auslagen schlechter gestellt würde, als der bereits in erster Instanz ganz oder teilweise erfolglose Antragsteller. Letzterer kann nach § 14 Abs. 2 StrRehaG bei einem Teilerfolg seines Antrags stets mit einer vollständigen Auslagenerstattung und bei einem Misserfolg wenigstens mit einer Billigkeitsentscheidung über die Auslagenerstattung rechnen. Angemessen erscheint daher - auch im Falle eines erst auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin erfolglosen Betroffenen - die entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 StrRehaG (Bruns/Schröder/Tappert StrRehaG, § 14 Rdnr. 24).

In entsprechender Anwendung von § 14 Abs. 2 Satz 2 StrRehaG werden die notwendigen Auslagen der Betroffenen vorliegend der Staatskasse auferlegt, weil diese die Abweisung ihres Antrags bei der ihr möglichen Parallelwertung in der Laiensphäre nicht ohne weiteres vorhersehen konnte, ein Fall der missbräuchlichen Antragstellung mithin nicht gegeben ist (Bruns/Schröder/Tappert a.a.O. Rdnr. 17).

Ende der Entscheidung

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