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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Urteil verkündet am 09.08.2000
Aktenzeichen: 6 U 1030/00
Rechtsgebiete: BGB, OEG, BVG


Vorschriften:

BGB § 852
OEG § 5
BVG § 81 a
Leitsatz:

Die Verjährungsfrist gemäß § 852 BGB beginnt für nach § 5 OEG, § 81 a BVG übergegangene Schadensersatzansprüche auch dann erst mit der erstmaligen Kenntnisnahme durch den ausschließlich für die Geltendmachung von Regressansprüchen zuständigen Bediensteten, wenn die Verwaltungsbehörde keine eigene organisatorisch von der Leistungsabteilung abgegrenzte Regressabteilung eingerichtet hat.

Urt. v. 09.08.2000, Az. 6 U 1030/00


Aktenzeichen: 6 U 1030/00 7 O 460/99 LG Zwickau

Im Namen des Volkes

Urteil

Verkündet am 09.08.2000

Die Urkundsbeamtin:

Justizobersekretärin

In dem Rechtsstreit

Freistaat Sachsen, v.d.d. Landesamt für Finanzen, dieses v.d.d. Präsidenten Herrn , Stauffenbergallee 2, 01099 Dresden

Kläger und Berufungsbeklagter

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

1. B ,

Beklagter und Berufungskläger

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt

2. ...

wegen Forderung

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2000 durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bey, Richter am Oberlandesgericht Glaß und Richterin am Landgericht Gruber

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten zu 1. gegen das Schlussurteil des Landgerichts Zwickau vom 15.03.2000 - Az. 7 O 460/99 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte zu 1. kann durch Sicherheitsleistung in Höhe von 13.000,00 DM die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird nachgelassen, die Sicherheitsleistung durch schriftliche, selbstschuldnerische, unbedingte und unbefristete Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- und Steuerbürgin zugelassenen Bank oder Sparkasse zu erbringen.

3. Das Urteil beschwert den Beklagten zu 1. mit mehr als 60.000,00 DM.

Beschluss:

Der Gebührenstreitwert sowohl für das erstinstanzliche als auch für das Berufungsverfahren wird auf 65.000,00 DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien streiten sich um die Feststellung von Schadenersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung.

Am 30.04.1994 gegen 19.30 Uhr begaben sich die Beklagten zum S in Z in der Absicht, dort einen Fußgänger zu überfallen, um so an Bargeld zu gelangen. Im S suchten sich die Beklagten nach kurzer Zeit den Geschädigten K als Opfer aus. Zunächst fragten sie ihn, ob er 1,00 DM habe. Der Geschädigte K reagierte darauf nicht und setzte seinen Weg in Richtung Saarstraße fort. Die Beklagten verfolgten gemeinsam den Geschädigten K bis zur L -Str. holten ihn dort ein. In der Folge stieß der Beklagte zu 2. den Geschädigten K zu Boden. Anschließend durchsuchten die Beklagten die Taschen des Geschädigten nach Geld. Hiervon mussten sie ablassen, nachdem sich ein weiterer Fußgänger näherte. Daraufhin flüchteten die Beklagten.

Der Geschädigte K fiel durch den Sturz so unglücklich gegen die Bordsteinkante, dass er sich eine komplizierte Verletzung des Kniegelenks am linken Bein mit der Folge einer dauerhaften Bewegungseinschränkung des linken Kniegelenks zuzog.

Der Beklagte zu 1) wurde wegen der Tat vom Amtsgericht Z - Jugendschöffengericht - mit Urteil vom 02.08.1994 - Az.: 5 Ls 622 Js 17414/94 jug. - neben weiteren vergleichbaren Gewalttaten zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt. Das Urteil ist seit dem 10.08.1994 rechtskräftig.

Mit Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Chemnitz vom 05.03.1996 - Az.: 94/20/364370 - wurden die Verletzungen des Geschädigten K als Folge einer Schädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz ab dem 30.04.1993 als Schädigungstat anerkannt. Sachbearbeiterin war die Zeugin M .

Der Kläger hat in der ersten Instanz vorgetragen:

Die Beklagten zu 1. und 2. seien gesamtschuldnerisch gegenüber dem Geschädigten K zum Schadenersatzanspruch verpflichtet. Dieser Schadenersatzanspruch des Geschädigten sei im Umfang des Anspruchs des Geschädigten gegen den Kläger auf Leistung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) im Rahmen des gesetzlichen Forderungsübergangs auf den Kläger übergegangen. Der Anspruch sei nicht verjährt, da die Verjährungsfrist am 29.03.1996 zu laufen begonnen habe, an dem Tag, an dem die zuständige Bedienstete der Regressabteilung E Kenntnis vom Sachverhalt erlangt habe.

Der Beklagte zu 2. hat mit Schriftsatz vom 29.02.2000 Anerkenntnis erklärt und ließ im Termin am 23.02.2000 Versäumnisurteil gegen sich ergehen.

Der Kläger hat in der ersten Instanz beantragt:

Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1. verpflichtet ist, gesamtschuldnerisch dem Kläger jedweden materiellen Schaden zu ersetzen, der aufgrund der unerlaubten Handlung der Beklagten entstanden ist und entstehen wird, die die Beklagten gegenüber Herrn K , geboren am Z , am 30.04.1994 begangen haben, soweit diese Ansprüche auf den Kläger übergegangen sind.

Der Beklagte zu 1. hat in der ersten Instanz beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1. hat sich in der ersten Instanz auf die Verjährung des Anspruchs berufen.

Das Landgericht Zwickau hat mit Urteil vom 15.03.2000 - Az. 7 O 460/99 -, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Beklagten zu 1. vollumfänglich verurteilt.

Gegen dieses ihm am 20.03.2000 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom am 19.04.2000 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.

Der Beklagte wendet sich mit der Berufung ausschließlich dagegen, dass das Landgericht nicht von einer Verjährung der Ersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB, § 223 Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 4, 5 OEG i.V.m. § 81 a BVG ausgegangen ist.

Er trägt hierzu ergänzend vor:

Die Ansprüche des Klägers seien bereits nach § 852 BGB verjährt. Spätestens am 05.03.1996 habe dem Kläger die positive Kenntnis von allen den Anspruch begründenden Tatsachen vorgelegen, weil an diesem Tag der Bescheid zur Bewilligung der Ansprüche gegenüber dem Geschädigten K ergangen sei. Die Zeugin M , die den Bescheid erlassen habe, sei Vetreterin der für die Regressforderungen nach dem Opferentschädigungsgesetz zuständigen Sachbearbeiterin E gewesen. Insoweit müsse sich der Beklagte deren Kenntnis als Wissensvertreterin zurechnen lassen. Deswegen sei die Erhebung der Klage mit Schriftsatz vom 22.03.1999 verspätet.

Darüber hinaus sei es bereits nach dem Vortrag des Klägers so gewesen, dass in einer einheitlichen Abteilung 20 des Amtes für Familie und Soziales in Chemnitz ein Sachbearbeiter für die Bearbeitung der Anträge und ein anderer für den Regress zuständig gewesen sei. Abgesehen davon, dass dieses bestritten werde, habe der Bundesgerichtshof hinsichtlich der den Lauf der Verjährung auslösenden Kenntnis des zuständigen Bediensteten regelmäßig auf verschiedene Abteilungen abgestellt. Vorliegend werde aber die Zurechnung auf den jeweiligen Bediensteten aufgesplittet. Dies widerspreche der Rechtsprechung, die grundsätzlich zunächst von selbständigen Abteilungen ausgehe und in logischer Konsequenz vom jeweiligen dortigen Sachbearbeiter. Insoweit dürfe nicht übersehen werden, dass die Sachbearbeiterin E nach der Aussage der Zeugin M auch mit der Leistungsbearbeitung nach dem Opferentschädigungsgesetz beauftragt gewesen sei. Von daher liege eine bisher vom Bundesgerichtshof noch nicht entschiedene Konstellation vor.

Darüber hinaus habe der Bundesgerichtshof in Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung bereits in seinem Urteil vom 18.01.1994, Az. VI ZR 190/93, festgestellt, dass für den Fall, wonach der Bedienstete einer juristischen Person innerhalb seines Aufgabenbereichs mit der Vorbereitung von Schadenersatzansprüchen befasst und insoweit ihr Wissensvertreter sei, dessen Kenntnis die Verjährung solcher Ansprüche nach § 166 Abs. 1 BGB ohne Rücksicht darauf in Lauf setzen würde, dass für die Geltendmachung der Ansprüche eine andere Abteilung zuständig sei.

Des Weiteren setze der Bundesgerichtshof eine grobe Fahrlässigkeit der Kenntnisnahme der Umstände der positiven Kenntnis grundsätzlich gleich. Ein solcher Fall liege vor. Vorliegend seien zwei Sachbearbeiter des gleichen Amtes und der gleichen Abteilung mit der Bearbeitung befasst gewesen. Es habe damit keiner Mühe bedurft, innerhalb von zwei Jahren, in denen die Akte in dieser Abteilung gelegen habe, den anderen Sachbearbeiter über die Möglichkeiten des Regresses zu informieren oder umgekehrt die Organisation so durchzuführen, dass die Kenntnis vom Schädiger und dem Schaden umittelbar auch zur Forderung des Schadenersatzes führe.

Der Beklagte beantragt:

Das Urteil des Landgerichts Zwickau vom 15.03.2000 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der Beklagte beantragt:

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger verteidigt den erstinstanzlichen Vortrag und trägt ergänzend vor:

Der Beklagte zu 1. verkenne weiterhin den Umfang der Darlegungs- und Beweislast sowie die Grundsätze, nach denen sich der Kläger das Wissen seiner Bediensteten zurechnen lassen müsse.

Im Freistaat Sachsen habe das Landesversorgungsamt den Ämtern für Familie und Soziales im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Regressansprüchen gemäß §§ 81 a BVG, 5 OEG Aufgaben übertragen. Im Rahmen dieser Aufgabenübertragung führten die Mitarbeiter der Ämter für Familie und Soziales, die mit der Bearbeitung von Schadenersatzangelegenheiten i.S.v. § 81 a BVG betraut seien, die entsprechenden Regressvorgänge bis zu einer Zahlungsaufforderung an die jeweiligen Schädiger durch, so dass nur die Kenntnis der Mitarbeiter der Ämter für Familie und Soziales, die mit der Bearbeitung von Schadenersatzangelegenheiten i.S.v. § 81 a BVG betraut seien, für die Verjährung von Regressforderungen ausschlaggebend sei. Das Landesversorgungsamt, welchem die Geltendmachung der in § 81 a BVG genannten Ansprüche obliege, habe zwar die vorbereitenden Aufgaben zu Erledigungen von Regressforderungen an die jeweiligen Ämter für Familie und Soziales zugewiesen, dies jedoch mit der Maßgabe, dass dort Sachbearbeiter eingesetzt werden, die ausschließlich für die Bearbeitung von Schadenersatzangelegenheiten i.S.v. § 81 a BVG zuständig seien. Die hierdurch herbeigeführte strikte Trennung der Bearbeitung von Schadenersatzangelegenheiten werde auch beim Amt für Familie und Soziales in Chemnitz praktiziert.

Hingegen seien die mit der Bearbeitung von Anträgen nach dem Opferentschädigungsgesetz zuständigen Mitarbeiter bei den Ämtern für Familie und Soziales, so auch beim Amt für Familie und Soziales Chemnitz, aufgrund der vorbezeichneten Organisationsentscheidung des Landesamtes für Familie und Soziales und nachfolgend der Ämter für Familie und Soziales nicht zuständig für die Durchführung und Entscheidung von Regressforderungen gegen Schädiger, die sich bei Bearbeitung eines Antrages nach dem Opferentschädigungsgesetz herausstellen. Insoweit seien die Bereiche für Anträge nach dem Opferentschädigungsgesetz strikt getrennt von den Bereichen, die für die Geltendmachung und Verfolgung von Regressforderungen gemäß § 81 a BVG zuständig seien.

Beim Amt für Jugend und Soziales in Chemnitz sei für die Geltendmachung von Regressansprüchen ausschließlich die Sachbearbeiterin E zuständig gewesen, die insoweit nur durch ihre Kollegin K , welche, wie sich aus der im Termin am 31.05.2000 vorgelegten Organisationsverfügung ergebe, u. a. für Leistungsansprüche nach dem Opferentschädigungsgesetz, nicht jedoch für Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz zuständig gewesen sei, vertreten worden sei.

Am 05.03.1996 sei lediglich der Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Chemnitz nach dem Opferentschädigungsgesetz ergangen, mit dem zugunsten des Geschädigten K eine Schädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz ab dem 30.04.1994 als Schädigungstag anerkannt worden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe die zuständige Regressbearbeiterin noch keine Kenntnis von dem Schadensfall gehabt. Die aufgrund der Trennung der Bereiche Antragsbearbeitung nach dem Opferentschädigungsgesetz und Bearbeitung der Regressfälle nach §§ 81 a BVG, 5 OEG für die Regressbearbeitung zuständige Sachbearbeiterin E habe erst Kenntnis nach Eingang der behördeninternen sog. "§ 81 a-Meldung" am 29.03.1996 erhalten.

Die Antragstellung eines Geschädigten nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes bedeute zunächst nur, dass der diesbezügliche Antrag bei den hierfür zuständigen Ämtern für Familie und Soziales entgegengenommen und dort nach den Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes geprüft werde, ob dem beantragenden Geschädigten ein Anspruch nach den vorbezeichneten Vorschriften zustehe. Das Antragsverfahren ende regelmäßig mit einem Bescheid an den Geschädigten. Erst nach Beendigung des Antragsverfahrens - bei langwierigen Verfahren auch zwischenzeitlich - gelange bei entsprechenden Erkenntnissen die Akte zur Prüfung und ggf. Verfolgung von Regressforderungen an die für Regressforderungen gemäß § 81 a BVG und den aufgrund der Organisationsentscheidung des Landesamtes für Familie und Soziales zuständigen Mitarbeitern bei den Ämtern für Familie und Soziales. Es gebe demzufolge keine parallele Prüfung von Ansprüchen nach Vorschriften des Opferentschädigungsgesetzes und von Ansprüchen gemäß § 81 a BVG.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle vom 31.05.2000 und vom 19.07.2000 sowie die vorgelegte Organisationsverfügung Bezug genommen. Mit Beschluss vom 19.07.2000 hat der Senat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeuginnen M und K . Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere wurde sie gemäß §§ 516, 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

II.

Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Feststellungsklage ist zulässig.

Der Zulässigkeit steht nicht das vor dem Amtsgericht Dresden unter dem Az. 181 B 017526/99 anhängige Mahnverfahren entgegen. Zwar macht in diesem Verfahren der Kläger eine Hauptforderung in Höhe von 36.052,62 DM für die Schadenersatzansprüche gemäß § 5 Abs. 1 OEG i.V.m. § 81 a BVG für den Zeitraum vom 30.04.1994 bis 30.11.1998 geltend. Das Mahnverfahren wurde aber nach Erlass des Mahnbescheides nicht weitergeführt. Insbesondere wurde es nicht an das streitige Gericht abgegeben. Damit liegt keine doppelte Rechtshängigkeit nach § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO vor, wie aus §§ 696 Abs. 3, 700 Abs. 2 ZPO folgt.

Der Umstand, dass, wie sich aus dem Mahnverfahren ergibt, der Kläger in der Lage ist, einen Teil des geltend gemachten Schadens zu beziffern, führt ebenfalls nicht zu einer Verneinung eines Feststellungsinteresses. Der Bundesgerichtshof hat nämlich in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Bejahung eines Feststellungsinteresses für den Fall, dass sich - wie hier - ein anspruchsbegründender Sachverhalt im Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Entwicklung befindet, der Umstand, dass im Zeitpunkt der Klageerhebung eine teilweise Bezifferung möglich wäre, nicht entgegensteht (BGH, Urteil vom 30.03.1983, Az. VIII ZR 3/82, WM 1983, 766, 767 = NJW 1984, 1552, 1554; BGH, Urteil vom 21.02.1991, Az. III ZR 204/89, VersR 1991, 788; Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 256 Rdn. 7 a).

Hieran ändert sich nichts dadurch, dass im vorliegenden Fall ein bezifferbarer Teil im Mahnverfahren bereits geltend gemacht wurde. Die Rechtslage stellt sich nämlich nach dem Nichtweiterbetreiben des Mahnverfahrens nicht anders dar, als wäre das Verfahren noch nicht anhängig.

Es besteht auch ein Feststellungsinteresse des Klägers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO. Aufgrund des körperlichen Angriffs erlitt der Geschädigte K eine Fehlstellung des Unterschenkels und eine Bewegungseinschränkung des Kniegelenkes mit der Folge, dass in Zukunft mit weiteren Heilbehandlungen, insbesondere im Rahmen einer psychotherapeutischen Behandlung sowie eines möglichen erforderlichen Knieersatzes zu rechnen ist. Damit sind weitere Schäden wahrscheinlich. Im Hinblick auf eine etwaige drohende Verjährung besteht auch ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung (vgl. Musielak/Foerste, ZPO, § 256, Rdn. 10).

2. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass dem Kläger auch gegen den Beklagten zu 1) dem Grunde nach gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB, § 223 Abs. 1 StGB i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 4, 5 OEG i.V.m. § 81 a BVG Anspruch auf Ersatz des dem Geschädigten K durch die unerlaubte Handlung der Beklagten vom 30.04.1994 entstandenen materiellen Schadens aus übergegangenem Recht zusteht, soweit der Kläger nach dem Bundesversorgungsgesetz zur Gewährung von Leistungen verpflichtet ist.

Die Voraussetzungen der §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1, 5 OEG liegen vor. Beide Beklagten wurden aufgrund des Vorfalles vom 30.04.1994 zum Nachteil des Geschädigten K durch das Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Z rechtskräftig wegen gemeinschaftlichen versuchten Raubes verurteilt. Nach dem dort festgestellten Sachverhalt wollten beide Beklagten den Geschädigten K ausrauben. Der Beklagte zu 2) stieß ihn zu Boden, wodurch der Geschädigte sich eine schwere Knieverletzung zuzog. Dies stellte eine gemeinsam begangene, vorsätzliche Körperverletzung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB dar, aufgrund der der Geschädigte K wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes erhält.

Es kann hierbei dahinstehen, ob der Beklagte zu 1) Mittäter gewesen ist; zumindest ist psychische Beihilfe durch den Beklagten zu 1) anzunehmen. Beide Beklagten verfolgten den Geschädigten, um von diesem Geld zu erhalten. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sich der Beklagte zu 2) durch die unterstützende Anwesenheit des Beklagten zu 1) zumindest in seinem Täterwillen bestärkt fühlte. Aus den Gesamtumständen ergibt sich ebenfalls, dass der Beklagte zu 1) eine etwaige Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten zumindest billigend in Kauf nahm. Gem. § 830 Abs. 2 BGB stehen zivilrechtlich Gehilfen Tätern gleich. Der Beklagte zu 1) haftet mithin dem Kläger gem. § 830 Abs. 1 BGB.

Der Kläger ist Kostenträger i.S.d. § 4 Abs. 1 OEG, da die Schädigung in Z und damit im Gebiet des Klägers eingetreten ist.

Der Schadensersatzanspruch nach §§ 823 Abs. 2, 830 BGB, 223 Abs. 1 StGB gegen die Beklagten ist nach § 5 OEG i.V.m. § 81 a BVG auf den Kläger übergegangen.

3. Die übergegangenen Ansprüche sind auch noch nicht verjährt.

3.1 Die Verjährung des übergegangenen Anspruches beträgt gemäß § 852 BGB drei Jahre. Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist ist der Zeitpunkt, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Beruht der Schadensersatzanspruch wie vorliegend auf einem gesetzlichen Forderungsübergang und geht er sofort mit seiner Entstehung auf den Leistungsträger über, so kommt es im Rahmen des § 852 BGB nur auf dessen Kenntnis an (BGH, Urteil vom 20.11.1973, Az.: VI ZR 72/72, NJW 1974, 319). Da die Möglichkeit von Versorgungsleistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz aufgrund der durch die Körperverletzungshandlung erfolgten gesundheitlichen Beeinträchtigung des Geschädigten K von Anfang an bestand, vollzog sich der Anspruchsübergang auf den Kläger nach § 5 OEG, § 81 a BVG im Augenblick der Verletzungshandlung.

3.2 Die den Lauf der Verjährung nach § 852 Abs. 1 BGB auslösende Kenntnis wird dem Kläger durch seine zuständigen Bediensteten vermittelt (BGH, NJW 1974, 319; BGH, Urteil vom 22.04.1986, Az.: VI ZR 133/85, NJW 1986, 2315; BGH, Urteil vom 11.02.1992, Az.: VI ZR 133/91, 1992, 1755, 1756). Unter Heranziehung des in § 166 BGB enthaltenen Rechtsgedankens setzt eine Zurechnung der Kenntnis eines "Wissensvertreters" voraus, dass dieser von dem Anspruchsträger mit der Erledigung der in Rede stehenden Angelegenheit in eigener Verantwortung betraut worden ist (BGH, Urteil vom 18.01.1994, Az.: VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151). Nur dann wird dem Schutz des Geschädigten, dem durch § 852 BGB Vorrang eingeräumt wird, zuverlässig genügt (BGH, NJW 1992, 1755, 1756). Zuständig für die Geltendmachung der Regressansprüche und damit verfügungsbefugt war das Landesversorgungsamt gemäß § 1 e der Verordnung über die sachliche Zuständigkeit in der Kriegsopferversorgung (BGBl. I. 1963, S. 367; BGH, Urteil vom 22.04.1986, Az.: VI ZR 133/85, VersR 1986, 917, 918). Maßgeblich ist grundsätzlich demnach, wann der zuständige Bedienstete der Regressabteilung des Landesversorgungsamtes von dem Schaden Kenntnis erlangt hat (BGH, VersR 1986, 917, 918; vgl. BGH, Urteil vom 25.06.1996, Az.: VI ZR 117/95, NJW 1996, 2508, 2510; vgl. BGH, Urteil vom 09.03.2000, Az. III ZR 198/99, NJW 2000, 1411, 1412).

An diesem Grundsatz ändert sich auch nichts dadurch, wenn - wie hier - die Leistungs- und Regressabteilung in einer Abteilung zusammengefasst sind, jedoch - wie von dem Kläger behauptet - die Überprüfung und die Geltendmachung von Regressansprüchen bestimmten, damit ausschließlich befassten Bediensteten übertragen wurde. Maßgeblich ist nämlich entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1. im Rahmen der Wissenszurechnung nicht die nach den praktischen Erfordernissen getroffene organisatorische Gliederung in etwa personell und sächlich getrennte Abteilungen, sondern das Wissen des zuständigen, damit ausschließlich beauftragten Sachbearbeiters. Ob die Verwaltungsbehörde formell zwei Abteilungen unterhält oder aber die Regressabteilung in die Leistungsabteilung eingliedert, jedoch die Geltendmachung bzw. Überprüfung von Regressansprüchen bestimmten Bediensteten ausschließlich überträgt, macht keinen Unterschied.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18.01.1994 (Az. VI ZR 190/93, NJW 1994, 1150, 1151). Dort führt der Bundesgerichtshof unter anderem aus, dass maßgeblich für die Wissenszurechnung nicht etwa die Zuständigkeit für die gerichtliche und außergerichtliche Geltendmachung der Regress- bzw. Schadenersatzansprüche ist. In dem konkreten Fall hat der Bundesgerichtshof die Kenntnis der zuständigen Mitarbeiter der Abteilung Betriebsprüfung bejaht, wenn diese die tatsächlichen Voraussetzungen zu klären hatten, eine Entschließung über die Einschaltung der Abteilung Rückstandsachbearbeitung ebenso wie der Strafverfolgungsbehörde treffen mussten und sich dabei auch eine Meinung über die persönliche Verantwortlichkeit der Beitragsverkürzungen gebildet haben.

Der Bundesgerichtshof sah sich allerdings in nachfolgenden Entscheidungen mehrfach zur Klarstellung gezwungen, so auch im Urteil vom 09.03.2000. Dort hat der Bundesgerichtshof noch einmal hervorgehoben, dass maßgeblich sei, ob der Leistungsabteilung Entscheidungsbefugnisse darüber zustehen, ob bzw. gegen wen gerichtlich oder außergerichtlich Schadenersatz- oder Regressansprüche geltend gemacht werden. Die bloße Vorprüfung der Sachbearbeiter der Leistungsabteilung, nur solche Akten der Regressabteilung zuzuleiten, bei denen sich die Frage eines Regresses stellt, und die ersichtlich dem Interesse eines ökonomischen Arbeits- und Betriebsablaufes dient, sei nicht von derartigem Gewicht, dass schon deshalb der Schluss zulässig wäre, auch die Leistungsabteilung sei in eigener Verantwortung mit der Betreuung und Verfolgung der in Rede stehenden Ersatzforderung betraut (BGH, NJW 2000, 1411, 1412).

Dass die die Akte bearbeitende Mitarbeiterin der "Leistungsabteilung" ein darüberhinausgehendes Prüfungsrecht hatte, wird im vorliegenden Fall von dem Beklagten zu 1. selbst nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich.

3.3 Der Beklagte zu 1. hat nicht den ihm obliegenden Nachweis geführt, dass die von dem Kläger behauptete und mit der Organisationsverfügung in der mündlichen Verhandlung vom 31.05.2000 unterlegte Trennung zwischen den Bediensteten der Regress- und der Leistungsabteilung nicht vorlag und die zuständigen Bediensteten der Regressabteilung vor dem 29.03.1996 die notwendige Kenntnis erlangt hatten.

Derjenige, der sich auf die Verjährung beruft, ist darlegungs- und beweispflichtig für den Beginn der Verjährungsfrist (vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 852, Rdn. 1). Dies ist hier der Beklagte zu 1.

Diesen Beweis konnte der Beklagte nicht führen. Soweit sich der Beklagte - aufgrund der sich im Nachhinein als falsch erweisenden Behauptung des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.05.2000 - darauf berief, dass die nach der Behauptung des Klägers für die Geltendmachung der Regressforderungen nach §§ 81 OEG, 5 BVG zuständige Bearbeiterin E von der Zeugin M , die den Leistungsbescheid am 05.03.1996 bearbeitet hatte, vertreten wurde, und diese als Zeugin benannte, konnte diese den Sachverhalt nicht bestätigen. Vielmehr bekundete die Zeugin M in ihrer Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vom 12.07.2000, dass nicht sie, sondern die Zeugin K die Bearbeiterin E vertreten habe. Dies wurde auch von der Zeugin K bestätigt. Beide Zeuginnen gaben auch an, dass für die Bearbeitung der Regressfälle ausschließlich die Bearbeiterin E zuständig gewesen sei und es für diese, soweit es um die Bearbeitung von Regressangelegenheiten ging, keine Vertretung gegeben habe, die Sachen vielmehr liegengeblieben seien. Zwar erklärte die Zeugin K , dass sie in ganz dringenden Fällen auch in Regressangelegenheiten nach § 81 a BVG vertretungsweise tätig geworden sei; konkret daran erinnern, jemals tätig gewesen zu sein, insbesondere im Fall B , konnte sie sich nicht. Die Zeugin M bekundete, dass sie niemals selbst Regressbescheide vorbereitet oder erlassen habe. Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeuginnen bestehen nicht, entsprechende Bedenken wurden seitens der Parteien auch nicht erhoben. Umstände, aus denen sich ergibt, dass die Zeugin K , obwohl sie sich hieran nicht erinnern konnte, doch vor dem 29.03.1996 mit dem Vorgang B befasst war, sind nicht ersichtlich; solche wurden auch nicht vorgetragen.

Danach steht zur Überzeugung des Senats fest, dass für die Geltenmachung von Regressforderungen nach §§ 81 a BVG, 5 OEG beim Amt für Familien und Soziales in Chemnitz ausschließlich die Bearbeiterin E zuständig war und sich der Kläger nach den unter II.3.2 genannten Grundsätzen auch nur deren Kenntnis zurechnen lassen musste. Hieran ändert nichts , dass nach der Aussage der Zeugin M , die insoweit auch durch die Organisationsverfügung bestätigt wird, die Bearbeiterin E ebenfalls für die Bearbeitung von Leistungsbescheiden nach dem Opferentschädigungsgesetz zuständig war. Zwar dürfte dies dazu führen, dass in den Fällen, in denen sie zugleich für die Leistungs- und Regressbearbeitung tätig war, eine Unterscheidung dahin, ob sie den Vorgang als Leistungs- oder Regressbearbeiterin zur Kenntnis genommen hat, nicht stattfindet, sondern es auf ihre erstmalige Kenntnisnahme der Angelegenheit ankommen dürfte. Dies führt aber keinesfalls dazu, dass nunmehr der Kläger sich entgegen der unter II.3.2 genannten Grundsätzen die Kenntnis jedes Mitarbeiters der Leistungsabteilung als Wissensvertreter zurechnen lassen müsste.

Der Beklagte hat auch keinen Beweis dafür angeboten, dass die Bearbeiterin E vor dem 29.03.1996 Kenntnis von der Angelegenheit erhalten hat. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass auch keine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast eintritt, weil es sich bei der Kenntniserlangung um interne Vorgänge in der Organisation des Klägers handelt. Dies führt zwar dazu, dass an die Darlegungslast einer Prozesspartei, die Tatsachen und Umstände darzulegen hat, die die Organisation der anderen Partei betreffen, geringere Anforderungen zu stellen sind und dem Gegner nach dem Grundsatz von Treu und Glauben aufgegeben wird, soweit möglich und zumutbar zu den näheren Umständen aus seinem Organisationsbereich eingehend vorzutragen (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1997, Az.: I ZR 156/59, NJW-RR 1998, 886, 887). Soweit der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 11.02.1992 (NJW 1992, 1755, 1756) eine Beweislastumkehr mit der Begründung bejaht hat, dass ein substantiierter Vortrag des bzw. der Beklagten nicht erwartet werden kann, ist dem Tatbestand nicht zu entnehmen, ob die dortige Klägerin ausreichend zu ihrer Organisation vorgetragen hatte; im Übrigen wäre dem Bundesgerichtshof auch nicht zu folgen.

Der Kläger ist auch seiner gesteigerten Darlegungslast nachgekommen. Er hat hinsichtlich der Organisationsteilung die entsprechenden Bediensteten benannt und die Organisationsverfügung vorgelegt. Insoweit blieb es dem Beklagten zu 1. unbenommen, die Bearbeiterin E dafür als Zeugin zu benennnen, dass sie bereits vor dem 29.03.1993 Kenntnis vom Vorfall hatte. Auf die ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast wurde der Beklagte zu 1. auch ausdrücklich im Beschluss vom 25.01.2000 hingewiesen. Trotzdem wurde von ihm die Vernehmung der Zeugin E nicht zu Beweiszwecken angeboten.

4. Dass im vorliegenden Fall aufgrund des räumlichen Zusammenhangs die Bediensteten der Regressabteilung jederzeit die Möglichkeit hatten, in die Akten Einblick zu nehmen und sich so die Kenntnis von dem Vorliegen eines Regressfalles anzueignen, ist für den Beginn der Verjährungsfrist ersichtlich nicht ausreichend.

Nach § 852 Abs. 1 BGB setzt der Beginn der Verjährung deliktischer Schadenersatzansprüche die positive Kenntnis des Geschädigten vom Schaden einschließlich des Schadensherganges und des Schädigers voraus (BGH, Urteil vom 18.01.2000, Az.: VI ZR 375/98). Grundsätzlich steht auch eine grob-fahrlässige Unkenntnis der vom Gesetz erforderten positiven Kenntnis nicht gleich. Dies ist vielmehr in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 162 BGB nur dann der Fall, wenn der Geschädigte bzw. hier derjenige, auf den die Ansprüche übergegangen sind, die Augen vor einer sich aufdrängenden Kenntnis verschließt, also nur in den Fällen, in denen der Geschädigte es versäumt, eine gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit wahrzunehmen, und letztendlich die Berufung auf die Unkenntnis als Förmelei erscheint, weil jeder andere in der Lage des Geschädigten bzw. desjenigen, auf den das Recht übergegangen ist, unter den selben konkreten Umständen die Kenntnis gehabt hätte (BGH, Urteil vom 24.09.1985, Az. VI ZR 101/84, VersR 1986, 163, 165; BGH, Urteil vom 17.11.1998, Az. VI ZR 32/97, NJW 1999, 423, 424 f.; BGH, Urteil vom 18.01.2000; OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.11.1998, Az. 22 U 95/98, VersR 1999, 893, 894).

So liegt der Fall hier nicht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die fachgerechte Durchführung der den Behörden obliegenden Verwaltungsaufgaben ein erheblich formalisiertes Verfahren voraussetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müssen die behördlichen Zuständigkeitsregelungen bei Anwendung des § 852 Abs. 1 BGB hingenommen werden. Denn eine andere Betrachtungsweise würde in unzulässiger Weise in die Verwaltungsorganisation eingreifen, die durch (gesetzliche) Zuständigkeitsregelungen festgelegt worden ist (BGH, Urteil vom 04.02.1997, Az. VI ZR 306/95, NJW 1997, 1584, 1585). Dies gilt selbst dann, wenn sich diese organisatorische Regelung als unzweckmäßig oder gar als vorwerfbarer Organisationsfehler erweisen sollte. Der Schädiger hat nämlich keinen Anspruch darauf, dass die Behörden - etwa unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes - eine Organisationsform schaffen, die die Kenntnis i.S.v. § 852 Abs. 1 BGB zum frühestmöglichen Zeitpunkt eintreten lässt (BGH, NJW 1986, 2315, 2316).

5. Der Beklagte kann sich auch nicht auf Verwirkung berufen. Zwar gewährt § 242 BGB in den Fällen einer illoyalen Verspätung der Rechtsausübung dem Anspruchsgegner das Recht, den Einwand der Verwirkung geltend zu machen. Auch kann die Verwirkung eines Anspruches schon vor der Verjährung eintreten.

Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen jedoch nur in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch nicht in Zukunft geltend machen werde (BGH, NJW 1992, 1755, 1756).

Es ist schon fraglich, ob hier die erste dieser Voraussetzungen - das Unterlassen der an sich möglichen Geltendmachung des Rechts während einer längeren Zeitspanne - angenommen werden kann. Insoweit gilt nämlich allgemein der Grundsatz, dass um so seltener Raum für eine Verwirkung sein wird, je kürzer die Verjährungsfrist ist. So hat sich der Gesetzgeber in § 852 Abs. 1 BGB nur unter Überwindung gewichtiger Bedenken für die kurze Verjährungsfrist von 3 Jahren entschieden. Schon daraus folgt, dass dem Verletzten nach Erlangung der in § 852 Abs. 1 BGB vorausgesetzten Kenntnis ein Zeitraum von 3 Jahren für die Geltendmachung seiner Ansprüche grundsätzlich ungeschmälert erhalten bleiben soll (BGH, NJW 1992, 1755, 1756).

Der Einwand der Verwirkung scheitert jedenfalls an der zweiten Voraussetzung. Der Tatbestand des Verstoßes gegen Treu und Glauben wegen einer illoyalen Verspätung der Geltendmachung liegt nur dann vor, wenn zu dem Zeitablauf besondere auf das Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (BGH, NJW 1992, 1755, 1756). Solche Umstände liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht vorgetragen, dass etwa der Kläger vor dem Erlass des Mahnbescheides vom 16.03.1999 bzw. vor Klageerhebung im vorliegenden Verfahren mit Ansprüchen gegenüber dem Beklagten zu 1. bereits hervorgetreten ist. Es ist anerkannt, dass grundsätzlich durch bloßen Zeitablauf für den Verpflichteten kein Vertrauenstatbestand geschaffen wird (BGH, NJW 1992, 1755, 1756).

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 546, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Bezüglich der festzusetzenden Beschwer war der zu erwartende Schaden nach § 3 ZPO zu schätzen, wobei es bei der Bewertung des Feststellungsinteresses wegen eines zukünftigen Schadens nach dem Grundsatz des § 4 ZPO von den Erkenntnismöglichkeiten auszugehen ist, wie sie zurzeit der Klageerhebung bereits vorhanden sind (Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rdn. 1775 f.). Da vorliegend neben möglichen Rentenansprüchen in erster Linie weitere Schadenersatzanssprüche zu erwarten sind, findet insoweit § 9 ZPO keine Anwendung. Im Hinblick darauf, dass im Zeitraum zwischen dem schädigenden Ereignis und dem 30.11.1998 ersetzungsfähige Leistungen bereits in Höhe von 36.052,62 DM nach den Behauptungen der Klägerin entstanden sind, schätzt der Senat mangels weiterer Angaben der Parteien unter Berücksichtigung eines Abschlages wegen der Feststellungsklage die Beschwer auf über 60.000,00 DM.

IV.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren war gemäß § 14 GKG i.V.m. §§ 3, 4 ZPO entsprechend dem Berufungsantrag des Beklagten zu 1. festzusetzen. Mangels weiterer Erkenntnisse und Angaben der Parteien schätzt der Senat den Gebührenstreitwert auf 65.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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